Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_799/2018  
 
 
Urteil vom 30. April 2019  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Fiechter, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Invalidenrente; Invalideneinkommen), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 12. Oktober 2018 (IV 2015/388). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Mit Verfügung vom 12. November 2010 sprach die IV-Stelle des Kantons St. Gallen dem 1972 geborenen A.________ ab 1. November 2004 eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu. Nach Durchführung eines von Amtes wegen eingeleiteten Revisionsverfahrens kam die IV-Stelle mit Verfügung vom 19. Oktober 2015 auf die Rentenzusprache zurück, und hob die Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von nunmehr 30 % auf das Ende des der Zustellung der Verfügung folgenden Monats auf. 
 
B.   
Die von A.________ hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 12. Oktober 2018 in dem Sinne teilweise gut, als es unter Aufhebung der Verfügung die laufende Rente des Versicherten per 1. Dezember 2015 von einer ganzen auf eine Viertelsrente herabsetzte. 
 
C.   
Mit Beschwerde beantragt die IV-Stelle, es sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides ihre Verfügung vom 19. Oktober 2015 zu bestätigen. 
Während A.________ auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen auf eine Vernehmlassung. Zudem stellt A.________ ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren. 
Mit Verfügung vom 22. Januar 2019 erkannte der Instruktionsrichter der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).  
Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 S. 18 mit Hinweisen). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt hat, als es in Abänderung der Verfügung der IV-Stelle dem Versicherten ab 1. Dezember 2015 eine Viertelsrente der Invalidenversicherung zusprach. 
 
3.  
 
3.1. Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.  
 
3.2. Ändert sich der Invaliditätsgrad einer Rentenbezügerin oder eines Rentenbezügers erheblich, so wird gemäss Art. 17 Abs. 1 ATSG die Rente von Amtes wegen oder auf Gesuch hin für die Zukunft entsprechend erhöht, herabgesetzt oder aufgehoben.  
 
4.  
 
4.1. Es ist unbestritten, dass der Versicherte aufgrund eines Gesundheitsschadens nicht mehr in der Lage ist, seiner angestammten Tätigkeit als Gipser nachzugehen. Das kantonale Gericht hat in umfassender Würdigung der medizinischen Akten für das Bundesgericht verbindlich festgestellt, dass sich sein Gesundheitszustand seit der ursprünglichen Rentenzusprache verbessert hat und er nunmehr in der Lage ist, zu 70 % einer adaptierten Tätigkeit nachzugehen. In erwerblicher Hinsicht ist zudem sowohl das Valideneinkommen, als auch der Umstand, dass zur Bestimmung des Invalideneinkommens von den Tabellenlöhnen der LSE auszugehen ist, unbestritten.  
 
4.2. Zur Ermittlung des massgebenden Invalideneinkommens nahm das kantonale Gericht - anders als die beschwerdeführende IV-Stelle - einen Abzug vom Tabellenlohn im Sinne von BGE 126 V 75 in der Höhe von 15 % vor. Es begründete dies einerseits mit dem Risiko, dass der Versicherte überdurchschnittlich oft gesundheitsbedingte Arbeitsausfälle erleiden wird, und andererseits mit seiner gesundheitsbedingt eingeschränkten Flexibilität zur Leistung von Überstunden. Die IV-Stelle macht geltend, die von der Vorinstanz angeführten Gründe würden nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung keinen Abzug vom Tabellenlohn rechtfertigen.  
 
4.3. Mit dem Abzug vom Tabellenlohn nach BGE 126 V 75 soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale, wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können und je nach Ausprägung die versicherte Person deswegen die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301 mit Hinweis). Ist von einem genügend breiten Spektrum an zumutbaren Verweisungstätigkeiten auszugehen, können unter dem Titel leidensbedingter Abzug grundsätzlich nur Umstände berücksichtigt werden, die auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt als ausserordentlich zu bezeichnen sind (Urteil 9C_366/2015 vom 22. September 2015 E. 4.3.1 mit Hinweis; vgl. auch Urteil 8C_693/2014 vom 22. Januar 2015 E. 4.2.1 mit Hinweis).  
Ob ein (behinderungsbedingter oder anderweitig begründeter) Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72). 
 
4.4. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend geltend macht, rechtfertigen die von der Vorinstanz angeführten Gründe (Risiko von vermehrten gesundheitlichen Absenzen, weniger Flexibilität, was das Leisten von Überstunden etwa bei Verhinderung eines Mitarbeiters anbetrifft) in aller Regel keinen Abzug vom Tabellenlohn (Urteile 9C_898/2015 vom 7. April 2016 E. 3.2; 9C_437/2015 vom 30. November 2015 E. 2.4, 8C_712/2012 vom 30. November 2012 E. 4.2.1 und 8C_711/2012 vom 16. November 2012 E. 4.2.2). Umstände, welche vorliegend eine andere Beurteilung nahelegten, sind keine ersichtlich. Der vom Versicherten in der Beschwerdeantwort geltend gemachte zusätzliche Pausenbedarf ist durch das gutachterlich auf 70 % herabgesetzte Rendement ausreichend berücksichtigt. Somit hat das kantonale Gericht Bundesrecht verletzt, als es bei der Bemessung des Invalideneinkommens einen Abzug vom Tabellenlohn vorgenommen hat.  
 
4.5. Ohne einen Tabellenlohnabzug resultiert gemäss der insoweit unbestritten gebliebenen Berechnung der Beschwerdeführerin kein rentenbegründender Invaliditätsgrad. Die Beschwerde erweist sich damit als offensichtlich begründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG gutzuheissen ist. In Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides ist die rentenaufhebende Verfügung vom 19. Oktober 2015 zu bestätigen.  
 
5.   
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdegegner aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist stattzugeben, da die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 12. Oktober 2018 wird aufgehoben und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 19. Oktober 2015 bestätigt. 
 
2.   
Dem Beschwerdegegner wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt, indes vorläufig auf die Gerichtskasse genommen. 
 
4.   
Rechtsanwalt Adrian Fiechter wird als unentgeltlicher Anwalt des Beschwerdegegners bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zurückgewiesen. 
 
6.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. April 2019 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold