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«AZA 7» 
U 258/99 Gi 
 
 
II. Kammer 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; Gerichtsschreiberin Keel 
 
 
Urteil vom 21. November 2000 
 
in Sachen 
S.________, 1964, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Ulrich Seiler, Falkenhöheweg 20, Bern, 
 
gegen 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Luzern, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
 
 
A.- Der 1964 geborene S.________ arbeitete seit 1. Januar 1989 als Mechaniker bei der Firma M.________ AG und war in dieser Eigenschaft obligatorisch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) versichert. Am 3. Oktober 1993 verunfallte er in Ungarn als Beifahrer in einem Auto, das sich mehrmals überschlug. Nachdem er vorerst mit starken Schmerzen im Nacken und im Rücken ins Spital von K.________ eingeliefert worden war, erfolgte am 5. Oktober 1993 der Rücktransport in die Schweiz, wo S.________ in der Neurochirurgischen Abteilung des Spitals hospitalisiert wurde. Die Ärzte diagnostizierten unter Hinweis auf ein durchgemachtes Schleudertrauma eine traumatische Diskushernie C5/6 rechts sowie eine Subluxation auf Höhe C5/6 mit rechtsseitiger Fazetten-Gelenksfraktur. Am 7. Oktober 1993 wurden eine Discektomie C5/6 und eine Osteosynthese C5/6 durchgeführt. In einem vom 20. April bis 3. Juni 1994 dauernden Aufenthalt in der Rehabilitationsklinik B.________ konnte der Bewegungsumfang der Halswirbelsäule verbessert und eine fast vollständige Erholung des sensomotorischen Ausfalles in C6 festgestellt werden. Die Arbeitsunfähigkeit, welche bisher 100 % betragen hatte (kreisärztliche Untersuchung vom 1. Februar 1994), wurde im Zeitpunkt des Austritts auf 50 % halbtags festgesetzt (Bericht der Rehabilitationsklinik B.________ vom 9. Juni 1994). 
Am 9. Juni 1994 erlitt S.________ einen weiteren Autounfall, in dessen Folge es zu einer deutlichen Verstärkung des vorbestehenden cervico-cephalen Schmerzsyndromes kam. Vom 17. Oktober bis 18. November 1994 hielt er sich erneut in der Rehabilitationsklinik B.________ auf, welche in einem Bericht vom 28. November 1994 darauf hinwies, dass der Versicherte beim zweiten Unfall ein HWS-Distorsionstrauma sowie eine Kopfkontusion erlitten habe, und als Ergebnis des Aufenthaltes feststellte, dass er an einem schweren cervico-cephalen Schmerzsyndrom, einer Bewegungseinschränkung der HWS sowie leichten bis mittelschweren Hirnfunktionsstörungen leide und im Zeitpunkt des Austrittes vollständig arbeitsunfähig sei. Nach einem erneuten Aufenthalt in B.________ (vom 18. April bis 2. Juni 1995) besserte sich das cervico-cephale Syndrom und wurde eine Aufnahme der Arbeit an der bisherigen Stelle im Rahmen von 50 % für möglich erachtet. Wegen zunehmender Schmerzen musste indessen der am 12. Juni 1995 aufgenommene Arbeitsversuch schon nach wenigen Tagen wieder abgebrochen werden. Einem weiteren Aufenthalt in B.________ (vom 25. September bis 25. Oktober 1995) folgte eine Überprüfung der beruflichen Möglichkeiten in der N.________ (vom 26. Februar bis 18. April 1996) und in der Beruflichen Abklärungsstelle (BEFAS) (vom 6. Januar bis 7. Februar 1997). 
Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen für die 
beiden Unfälle (Heilbehandlung, Taggeld). Anlässlich der von ihr angeordneten Abschlussuntersuchung vom 11. Juli 1997 lehnte der Kreisarzt-Stellvertreter, Dr. med. X.________, unter Hinweis auf die bescheidenen objektiven Befunde sowie die eindeutige Überlagerungstendenz weitere therapeutische Massnahmen ab und erklärte den Versicherten ab sofort zu 50 % arbeitsfähig. Gestützt auf eine von der Invalidenversicherung beim Zentrum für medizinische Begutachtung (ZMB) eingeholte Expertise vom 13. Januar 1998 sprach die SUVA dem Versicherten für die physischen Folgen der beiden Unfälle vom 3. Oktober 1993 und 9. Juni 1994 eine Invalidenrente auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 25 % und eine Integritätsentschädigung von 25 % zu, während sie eine Leistungspflicht für die psychogenen Beschwerden mangels adäquaten Kausalzusammenhanges verneinte (Verfügung vom 20. Mai 1998). Die vom Versicherten gegen die Invalidenrente erhobene Einsprache wies die SUVA mit Entscheid vom 8. Oktober 1998 ab. 
 
B.- Beschwerdeweise liess S.________ sinngemäss beantragen, es sei ihm eine Invalidenrente auf der Basis einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens 50 % zuzusprechen, eventualiter sei ein gerichtliches Obergutachten anzuordnen. Mit Entscheid vom 10. Juni 1999 hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde gut, hob den Einspracheentscheid und die Verfügung, soweit die Festsetzung der Invalidenrente betreffend, auf und wies die Akten an die SUVA zurück zum weiteren Vorgehen im Sinne der Erwägungen. 
 
 
C.- S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde 
führen mit dem Rechtsbegehren, der Entscheid sei aufzuheben, es seien die gesetzlichen Leistungen zu erbringen und es sei ein gerichtliches Obergutachten zu den HWS-Folgen der beiden Unfälle und zur Frage der angeblich psychogenen Anteile durch die IV-Stelle oder das kantonale Gericht zu erstellen. 
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, lässt sich das Bundesamt für 
Sozialversicherung nicht vernehmen. 
 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Im angefochtenen Entscheid wird die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers zunächst vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt für die Erwägungen zu den vom Eidgenössischen Versicherungsgericht entwickelten Grundsätzen zum erforderlichen adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 123 V 103 Erw. 3d, 139 Erw. 3c, je mit Hinweisen). Ferner hat das kantonale Gericht zutreffend festgestellt, dass die Adäquanzbeurteilung bei Unfällen mit Schleudertraumen der Halswirbelsäule (HWS) nach den in BGE 117 V 359 ff. festgelegten Kriterien erfolgt, während bei psychischen Unfallfolgen und in Fällen, in welchen die zum typischen Beschwerdebild eines Schleudertraumas der HWS gehörenden Beeinträchtigungen zwar teilweise gegeben sind, im Vergleich zur vorliegenden ausgeprägten psychischen Problematik indes ganz in den Hintergrund treten, anhand der Regeln vorzugehen ist, wie sie in BGE 115 V 140 Erw. 6c entwickelt worden sind (BGE 123 V 99 Erw. 2a). Darauf kann verwiesen werden. 
 
 
2.- Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung, wobei unter den Parteien einzig bei der Beurteilung des Kausalzusammenhanges Uneinigkeit besteht. 
 
a) Gestützt auf die medizinischen Akten (Berichte des Dr. med. Z.________, Spezialarzt für Chirurgie FMH, vom 13. Oktober 1994, der Rehabilitationsklinik B.________ vom 28. Oktober 1994, des Dr. med. Y.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 9. Februar 1995 und Gutachten des ZMB vom 13. Januar 1998) hat die Vorinstanz erwogen, es könne nicht als erstellt gelten, dass der Beschwerdeführer sich am 9. Juni 1994 ein Schleudertrauma zugezogen habe, weil die Akten über den Unfallhergang keine Angaben enthielten. Demgegenüber stehe fest, dass der Versicherte beim Unfall in Ungarn vom 3. Oktober 1993 eine Verletzung erlitten habe, bei welcher es zu einer Distorsion der Halswirbelsäule infolge eines Abknickmechanismus gekommen sei, wofür nicht nur die glaubwürdige Schilderung des Versicherten sowie seiner Kollegen über den Unfallhergang, sondern auch die Art der von den Ärzten der neurochirurgischen Abteilung des Spitals unmittelbar nach dem Unfall gestellten Diagnose (Bericht der Dres. med. G.________ und L.________ vom 7. Oktober 1993) und die anlässlich der neurologischen Abklärung festgestellten leichten bis mittelschweren Hirnfunktionsstörungen (Bericht der Rehabilitationsklinik B.________ vom 4. November 1994) sprächen. Die im Rahmen des ersten Unfalles entstandene objektivierbare Beeinträchtigung habe sich im Verlaufe der Zeit immer mehr zurückgebildet und gemäss den vorliegenden Akten hätten im Zeitpunkt der Zusprechung der Rente keine organisch nachweisbaren Funktionsausfälle mehr bestanden. Zumindest der Autounfall aus dem Jahre 1993 stelle eine Teilursache für die anfangs 1998 weiterhin andauernden Beschwerden sowohl somatischer als auch psychischer Art dar, womit der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem versicherten Ereignis und der anhaltenden gesundheitlichen Beeinträchtigung als erstellt zu gelten habe. 
 
b) An der Sache vorbei zielt unter diesen Umständen 
der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sinngemäss erhobene Einwand, wonach die Vorinstanz unberücksichtigt gelassen habe, dass sich die gesundheitliche Situation in Folge des zweiten Unfalles noch verschlimmert habe. Denn das kantonale Gericht hat nicht in Abrede gestellt, dass es nach diesem Unfall, wie den medizinischen Akten entnommen werden kann, zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes gekommen ist, wobei es offenbar davon ausging, dass diese eher vorübergehender Natur gewesen sei. Letztlich liess es die Frage, ob anfangs 1998 noch immer auf den zweiten Unfall zurückzuführende Beschwerden bestanden, indessen offen, indem es erwog, dass "zumindest der Autounfall [...] aus dem Jahre 1993 eine Teilursache" für die anhaltenden Beschwerden darstelle. Dieses Vorgehen ist nicht zu beanstanden, zumal sich die andauernde gesundheitliche Beeinträchtigung nicht eindeutig auch dem zweiten Unfall zuordnen lässt, da dieser, wie die Entwicklung der Arbeitsunfähigkeit zeigt (Berichte der Rehabilitationsklinik B.________ vom 9. Juni 1994, 28. November 1994 und 19. Juni 1995), aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer bloss vorübergehenden Verstärkung der bestehenden Beschwerden geführt hat. Da diesbezüglich von zusätzlichen Beweismassnahmen keine neuen Erkenntnisse erwartet werden können und der rechtserhebliche Sachverhalt hinreichend abgeklärt ist, ist dem Antrag auf Einholung eines gerichtlichen Gutachtens zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers nicht stattzugeben (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 119 V 344 Erw. 3c; vgl. auch BGE 124 V 94 Erw. 4b). 
 
 
c) Folgerichtig wurde im angefochtenen Entscheid auch die Adäquanz des Kausalzusammenhanges, welche wegen der bestehenden psychischen Überlagerung nach den in BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa festgelegten Kriterien zu beurteilen ist (BGE 123 V 99 Erw. 2a), einzig unter Bezugnahme auf den ersten Unfall geprüft (und - im Gegensatz zum Einspracheentscheid der SUVA - sowohl für die somatischen als auch für die psychischen Beschwerden bejaht), was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht nicht beanstandet wird. 
 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge- 
richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche 
Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
zugestellt. 
Luzern, 21. November 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
 
 
 
 
Die Gerichtsschreiberin: