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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
6B_435/2019  
 
 
Urteil vom 27. Mai 2019  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jametti, 
nebenamtliche Bundesrichterin Lötscher, 
Gerichtsschreiberin Pasquini. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X._________, 
vertreten durch Advokatin Sonja Ryf, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern, Kramgasse 20, 3011 Bern, 
2. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Psychiatrische Neubegutachtung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 5. März 2019 
(BK 18 512). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte X._________ mit Urteil vom 5. Dezember 1997 wegen Mordes, qualifizierten Raubes und weiterer Delikte zu 18 Jahren Zuchthaus. Der Vollzug wurde zugunsten einer Sicherungsverwahrung im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 aStGB aufgeschoben. Mit Urteil vom 21. August 2007 wurde die Weiterführung der Sicherungsverwahrung als neurechtliche Verwahrung im Sinne von Art. 64 StGB angeordnet. 
 
B.   
Die Bewährungs- un d Vollzugsdienste des Amts für Justizvollzug des Kantons Bern verweigerten X._________ die bedingte Entlassung aus der Verwahrung zuletzt mit Verfügung vom 11. Juni 2018. Gestützt auf ein Gutachten vom 3. August 2016 mit Ergänzung vom 30. November 2017 ordneten sie deren Weiterführung an. Die Polizei- und Militärdirektion des Kantons Bern wies die Beschwerde von X._________ am 29. Oktober 2018 ab. Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte diesen Entscheid am 5. März 2019 in den Hauptpunkten. 
 
C.   
X._________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, der Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 5. März 2019 sei aufzuheben und sein Beweisantrag auf psychiatrische Neubegutachtung sei gutzuheissen. Die Sache sei zur weiteren Abklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde an das Bundesgericht ist zu begründen (Art. 42 Abs. 1 BGG). In der Begründung ist in gedrängter Form - unter Bezugnahme auf und in Auseinandersetzung mit den entscheidenden vorinstanzlichen Erwägungen - darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2 f. S. 380 mit Hinweisen). Die Begründung muss sachbezogen sein und erkennen lassen, dass und weshalb nach Auffassung des Beschwerdeführers Recht verletzt ist (BGE 142 I 99 E. 1.7.1 S. 106; 140 III 86 E. 2 S. 88 ff.; 139 I 306 E. 1.2 S. 308 f.; je mit Hinweisen). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten besteht eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). Anfechtbar ist nur der Entscheid der letzten kantonalen Instanz (Art. 80 Abs. 1 BGG). 
Die Eingabe des Beschwerdeführers genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen weitestgehend nicht. Er beschränkt sich grösstenteils darauf, die im kantonalen Verfahren bereits eingenommenen Standpunkte zu wiederholen, ohne sich mit den Erwägungen im angefochtenen Beschluss zu befassen. Wie bereits vor der Vorinstanz rügt der Beschwerdeführer zwar eine Verletzung von Art. 29 Abs. 1 BV und Art. 6 Abs. 1 EMRK. Indes begründet er nicht, durch welche vorinstanzlichen Erwägungen diese Bestimmungen verletzt sein sollen. Nur knapp zwei Seiten der 15-seitigen Beschwerde enthalten Ausführungen, die nicht bereits wortwörtlich vor der Vorinstanz vorgebracht wurden. Davon handelt es sich bei knapp einer Seite um ein Zitat einer Kommentarstelle. Nur an einer Stelle nimmt der Beschwerdeführer Bezug auf den vorinstanzlichen Entscheid (Beschwerde S. 13 unten). Auf diese Rüge ist einzutreten. 
 
2.   
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt die fehlende Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Dr. med. A._________, von der er bereits dreimal (2006, 2012 und 2016/2017) begutachtet worden und gestützt auf deren Gutachten vom 3. August 2016 mit Ergänzung vom 30. November 2017 ihm die bedingte Entlassung aus der Verwahrung verweigert worden sei. Er beantragt eine Begutachtung durch eine ihm neutral begegnende Gutachtensperson, die nicht regelmässig Gutachtensaufträge von den Strafvollzugsbehörden erhalte und nicht der Konkordatlichen Fachkommission zur Beurteilung der Gemeingefährlichkeit von Straftätern (KoFako) angehöre. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz stelle die Mitgliedschaft der Gutachterin in der KoFako ihre Neutralität und Unabhängigkeit objektiv erheblich infrage. Die Sachverständige sei der Vollzugsbehörde als ihrer Auftraggeberin verpflichtet. Die Vollzugsbehörde wiederum sei gehalten, sich vor der Gewährung von Vollzugslockerungen und der Entlassung nach den Empfehlungen der KoFako zu orientieren. Die KoFako werde sich sodann kaum über ein psychiatrisches Gutachten hinwegsetzen, das von einem Kommissionsmitglied erstellt worden sei.  
 
2.2. Gemäss Art. 30 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Ob diese Garantien verletzt sind, prüft das Bundesgericht frei (BGE 136 I 207 E. 3.1 S. 210 mit Hinweisen). Nach der Rechtsprechung gelten für Sachverständige grundsätzlich die gleichen Ausstands- und Ablehnungsgründe, wie sie für Richter vorgesehen sind (BGE 132 V 93 E. 7.1 S. 109; 126 III 249 E. 3c S. 253 mit Hinweis). Voreingenommenheit und Befangenheit werden bejaht, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erwecken. Solche Umstände können in einem bestimmten Verhalten des Sachverständigen oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur begründet sein. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss in objektiver Weise begründet erscheinen, wobei bereits der Anschein der Befangenheit genügt. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Sachverständige tatsächlich befangen ist (BGE 136 I 207 E. 3.1 S. 210 mit Hinweisen). Nicht jede irgendwie geartete Beziehung zwischen der sachverständigen Person und einer Partei begründet für sich allein den Verdacht der Befangenheit. So ergibt sich eine solche nicht schon daraus, dass ein Experte im gleichen Institut arbeitet wie ein Kollege, dessen Meinungsäusserung zu beurteilen ist, denn sonst könnte in vielen Fällen überhaupt kein geeigneter Experte gefunden werden (BGE 125 II 541 E. 4b S. 545 mit Hinweisen; Urteil 6B_1101/2018 vom 27. Dezember 2018 E. 1.1).  
 
2.3. Die KoFako ist eine Kommission im Sinne von Art. 62d Abs. 2 StGB. Sie beurteilt auf Antrag einer Behörde aus den Kantonen des Strafvollzugskonkordats der Nordwest- und Innerschweiz die Gefährlichkeit von erwachsenen und jugendlichen Straftäterinnen sowie Straftätern und gibt Empfehlungen ab. Die Kommission setzt sich zusammen aus Vertreterinnen und Vertretern der Strafverfolgungsbehörden, der Strafvollzugsbehörden und der forensischen Psychiatrie.  
Die Vorinstanz geht zu Recht davon aus, dass die Mitgliedschaft der Gutachterin in der KoFako hier keine Vorbefassung begründet. Es ist unbestritten, dass die Sachverständige in der KoFako nie mit dem Fall des Beschwerdeführers befasst war. Im vorliegenden Verfahren um bedingte Entlassung aus der Verwahrung wurde zudem auf die Einholung einer Empfehlung der KoFako verzichtet (Beschluss S. 9). Die Tatsache, dass eine forensische Psychiaterin, die häufig Aufträge der Strafvollzugsbehörden erhält, als Expertin Mitglied einer interdisziplinären Fachkommission ist, vermag in einer objektiven Betrachtungsweise kein Misstrauen in ihre Unabhängigkeit und Unparteilichkeit zu wecken. Daran ändert auch nichts, dass die betreffende Fachkommission in einem Fall bereits Empfehlungen abgegeben hat oder voraussichtlich in Zukunft abgeben wird. Ein Anschein der Befangenheit der Gutachterin im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich. Darauf hinzuweisen ist, dass der Beschwerdeführer im Ergebnis faktisch eine Befangenheit der KoFako bei einer allfälligen Empfehlung in seinem Fall argumentiert, was aber nicht Prozessthema und somit nicht zu prüfen ist. Die Rüge erweist sich als unbegründet. 
 
3.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist in Anwendung von Art. 64 BGG abzuweisen, weil die Rechtsbegehren aussichtslos erschienen. Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Mai 2019 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini