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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_636/2023  
 
 
Urteil vom 14. Februar 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiberin Kern. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Geschäftsleitung, 
Rohanstrasse 5, 7000 Chur, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Gian Reto Bühler, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts von Graubünden, II. Strafkammer, vom 16. August 2023 (SK2 23 35). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Graubünden führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz. Nachdem er am 24. Dezember 2022 in Untersuchungshaft versetzt worden war, ersuchte A.________ mehrfach darum, Staatsanwalt B.________ in den Ausstand zu versetzen. Mit Eingabe vom 30. Mai 2023 an das Kantonsgericht von Graubünden brachte er insbesondere vor, Staatsanwalt B.________ halte seine Briefe zurück. Er (A.________) habe gegen Ende März 2023 schon einmal ein Ausstandsgesuch verfasst, das ihm jedoch wegen fehlender Briefmarke auf staatsanwaltschaftliche Anordnung hin zurückgegeben worden sei. Er habe Staatsanwalt B.________ vor seiner Inhaftierung flüchtig kennengelernt, wahrscheinlich habe dieser "ein persönliches Interesse". Staatsanwalt B.________ entgegnete hierauf, dass ihm kein "seitenlanges Ausstandsgesuch von Ende März 2023" vorliege. 
Am 6. Juni 2023 machte A.________ mit einer als "Ausstandsgesuch Nr. 4" bezeichneten Eingabe an das Kantonsgericht erneut geltend, er habe Staatsanwalt B.________ vor seiner Inhaftierung privat kennengelernt. Nach einem Autounfall sei aus der Freundschaft "aufgrund der moralischen Verwerflichkeit des Autounfalls" eine Feindschaft entstanden. Staatsanwalt B.________ halte auch immer wieder seine Briefe zurück und habe ihm zudem eine medizinisch notwendige Zahnbehandlung verweigert. Zwei Zahnärzte hätten ihm (A.________) mitgeteilt, dass seine Weisheitszähne gezogen werden müssten; dennoch habe Staatsanwalt B.________ die Behandlung verweigert. Ferner habe Staatsanwalt B.________ ihm auch nicht erlaubt, das Sozialamt anzurufen, obwohl ihn dieses aufgefordert habe, sich zu melden, um finanzielle Unterstützung zu erhalten. Staatsanwalt B.________ erklärte hierauf, A.________ habe sein Recht auf Geltendmachung von Ausstandsgründen verwirkt. Die "auf Seite 2 [des Ausstandsgesuchs] aufgeworfenen Gründe" vermöchten zudem "nicht einmal ansatzweise Anhaltspunkte für den Anschein einer Befangenheit begründen". Ferner bestehe keine private Bekanntschaft (zu A.________) und habe auch nie eine solche bestanden. Im Übrigen verzichte er auf weitere Ausführungen. 
 
B.  
Die II. Strafkammer des Kantonsgerichts hiess mit Beschluss vom 16. August 2023 das Ausstandsgesuch gut und stellte fest, dass Staatsanwalt B.________ in der betreffenden Strafuntersuchung als befangen zu gelten habe. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass Staatsanwalt B.________ seine besondere Fürsorgepflicht verletzt habe, indem er die zahnärztliche Behandlung des Beschwerdegegners "trotz Notwendigkeit und Unaufschiebbarkeit" nicht veranlasst habe. Dieses Fehlverhalten sei als schwerwiegend zu qualifizieren, da es die medizinische Versorgung und damit ein essentielles Recht einer jeden inhaftierten Person betroffen habe. Zudem seien auch keine nachvollziehbaren Gründe erkennbar, welche die Verweigerung der Behandlung gerechtfertigt hätten; insbesondere sei nicht ersichtlich, inwiefern die Strafuntersuchung dadurch erschwert oder verzögert worden wäre. Es erscheine ferner offenkundig, dass eine Behandlung mit starken Schmerzmitteln keine längerfristige Lösung darstelle, sondern zu weiteren Problemen führen könne. Unter diesen Umständen grenze das Verhalten von Staatsanwalt B.________ an Schikane. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt die Staatsanwaltschaft vor Bundesgericht, der Entscheid vom 16. August 2023 sei aufzuheben und das Ausstandsgesuch von A.________ gegen Staatsanwalt B.________ abzuweisen. Eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Der Präsident der II. strafrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat der Beschwerde am 11. Oktober 2023 die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
Staatsanwalt B.________ beantragt die Gutheissung der Beschwerde und verzichtet im Übrigen auf Vernehmlassung. Die Vorinstanz und A.________ beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft hat nicht repliziert. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid in einer Strafsache (Art. 78 Abs. 1 BGG). Dieser betrifft ein Ausstandsbegehren, weshalb die Beschwerde gemäss Art. 92 BGG zulässig ist. Die Vorinstanz hat als einzige und letzte Instanz entschieden (Art. 80 BGG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 StPO). 
 
Zur Beschwerde in Strafsachen ist berechtigt, wer am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat; so grundsätzlich auch die Staatsanwaltschaft (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 3 BGG). Ihr rechtlich geschütztes Interesse leitet sich aus dem staatlichen Strafanspruch ab, den sie zu vertreten hat. Mithin ist die Staatsanwaltschaft im Verfahren vor Bundesgericht in der Regel beschwerdebefugt, wenn es um die Durchsetzung des Strafanspruchs als solchen oder damit zusammenhängende materiell- und prozessrechtliche Belange geht. Das rechtlich geschützte Interesse der Staatsanwaltschaft kann jedoch nicht pauschal bejaht werden. Vielmehr muss die Staatsanwaltschaft dieses im Einzelfall begründen, sofern es nicht offensichtlich gegeben ist (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. BGE 148 IV 275 E. 1.3; Urteil 1B_462/2022 vom 27. Dezember 2022 E. 2.1; je mit Hinweisen). 
Die Staatsanwaltschaft bringt insbesondere vor, der Beschwerdegegner habe gemäss Art. 60 Abs. 1 StPO die Aufhebung aller Amtshandlungen beantragt, an denen Staatsanwalt B.________ mitgewirkt habe. Da das Ermittlungsverfahren kurz vor Abschluss stehe, müssten bei Abweisung der Beschwerde praktisch sämtliche Beweisabnahmen im vorliegenden und weiteren Verfahren wiederholt werden. Zudem befinde sich der Beschwerdegegner, der zuvor wegen Kollusionsgefahr inhaftiert gewesen sei, mittlerweile wieder auf freiem Fuss. Falls Konfrontationseinvernahmen wiederholt werden müssten, könnten diese durch Absprachen unter Mitbeschuldigten beeinflusst werden. Weiter drohten erhebliche Verfahrensverzögerungen. Damit begründet die Staatsanwaltschaft, die mit Staatsanwalt B.________ am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen hat, hinreichend, dass der angefochtene Entscheid die zeitgerechte Durchsetzung des Strafanspruchs gefährdet und sie deshalb über ein rechtlich geschütztes Interesse an dessen Aufhebung verfügt (siehe auch Urteile 6B_215/2022 vom 25. August 2022 E. 1. 4.3; 1B_144/2021 vom 30. August 2021 E. 1.2; 1B_620/2020 vom 23. Februar 2021 E. 1.2). 
Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2.  
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 1 und 2 BV
 
 
2.1. Sie macht geltend, Staatsanwalt B.________ habe keine Gelegenheit erhalten, sich zum Ausstandsgesuch vom 30. Mai 2023 zu äussern. Diese Eingabe sei ihm zwar zur Kenntnis gebracht worden; die Vorinstanz habe ihn jedoch formell nur zur Stellungnahme zum Ausstandsbegehren vom 6. Juni 2023 eingeladen. Ferner habe sie ihn zum Vorwurf, er habe seine Fürsorgepflicht verletzt, indem er keine zahnärztliche Behandlung veranlasst habe, nicht angehört.  
 
2.2. Die Rüge erweist sich als unbegründet: Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass die Vorinstanz Staatsanwalt B.________ sowohl die Eingabe vom 30. Mai 2023 als auch jene vom 6. Juni 2023 mit Verfügungen vom 1. und 13. Juni 2023 zu Kenntnis gebracht hat. Aus den Vorakten geht hervor, dass die Vorinstanz mit Verfügung vom 13. Juni 2023 Staatsanwalt B.________ eine Frist zur Stellungnahme bis 26. Juni 2023 setzte. Die Vorinstanz scheint sich dabei zwar nur auf das Schreiben des Beschwerdegegners vom 6. Juni 2023 zu beziehen und lässt dessen Eingabe vom 30. Mai 2023 unerwähnt; Staatsanwalt B.________ war es damit jedoch ohne Weiteres möglich, sich in seiner Stellungnahme auch zum Ausstandsgesuch vom 30. Mai 2023 zu äussern, das sich im Übrigen inhaltlich weitgehend mit dem Ausstandsgesuch vom 6. Juni 2023 deckt. In seiner Stellungnahme vom 15. Juni 2023 erwähnt Staatsanwalt B.________ denn auch ausdrücklich die "anfangs Juni 2023 [...] mir vom Kantonsgericht von Graubünden zugestellten Aufforderungen und Stellungnahmen". Bei dieser Sachlage ist nicht ersichtlich, inwiefern sein rechtliches Gehör verletzt sein soll. Angesichts dessen ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Vorinstanz Staatsanwalt B.________ zum Vorwurf der Fürsorgepflichtverletzung hätte anhören müssen.  
 
3.  
Die Beschwerdeführerin rügt weiter eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz. 
 
3.1. Die Vorinstanz geht im angefochtenen Entscheid von folgendem Sachverhalt aus: Der Beschwerdegegner habe nach eigenen Angaben bereits seit Dezember 2022 starke Zahnschmerzen gehabt. Nach dem Beschwerdegegner sei bei einem Zahnarztbesuch vor seiner Inhaftierung festgestellt worden, dass seine Weisheitszähne gezogen werden müssten. Sein Rechtsvertreter habe dabei von einer "Empfehlung" gesprochen. Vom fraglichen Zahnarztbesuch liege kein Bericht vor. Die Staatsanwaltschaft habe in der Folge Anfang Mai 2023 einen (weiteren) Zahnarztbesuch veranlasst. Im zahnärztlichen Bericht vom 12. März 2023 habe der behandelnde Zahnarzt festgehalten, dass er den Beschwerdegegner am 3. Mai 2023 untersucht habe und es als notwendig erachte, zwei Weisheitszähne des Beschwerdegegners "baldmöglichst" entfernen zu lassen, da eine "chronische, nach distal (hinten) fortschreitende Osteolyse im Unterkieferknochen hinter den Weisheitszähnen, mit einhergehender Entzündung und den Zahndurchbruch verhindernden Oberkieferweisheitszähne, [...] anscheinend starke Schmerzen verursachen" würden. Nach Ansicht des Zahnarztes müsse als nächster Schritt ein Kostenvoranschlag für die Entfernung der Weisheitszähne erstellt werden; falls jedoch die Schmerzen stärker würden, müssten die Weisheitszähne notfallmässig schon vor den Kostenübernahmeabklärungen entfernt werden. Die Vorinstanz hält fest, dass der Zahnarzt somit nicht von einem Notfall ausgegangen sei. Eine Verschlechterung des Zustands und das Eintreten eines Notfalls habe aber "durchaus im Bereich des Möglichen" erschienen. Damit hätte sich die Extraktion der Weisheitszähne nach Ansicht der Vorinstanz als unaufschiebbar erwiesen. Nach der Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz sind jedoch seit dem zahnärztlichen Bericht, den die Staatsanwaltschaft am 15. Mai 2023 erhalten haben soll, weitere drei Monate vergangen, in denen keine zahnärztliche Behandlung erfolgte. Die Vorinstanz stellt fest, dass Staatsanwalt B.________ weder geltend gemacht habe, er habe die notwendige zahnmedizinische Behandlung in die Wege geleitet, noch, er habe diese wegen pendenter Abklärungen, etwa bezüglich Kostenübernahme, bislang nicht vornehmen lassen.  
 
3.2. Die Beschwerdeführerin moniert, die Feststellungen der Vorinstanz seien teilweise unrichtig und nicht nachvollziehbar. Der Schluss der Vorinstanz, wonach der Beschwerdegegner an starken Zahnschmerzen gelitten habe, die eine unaufschiebbare Behandlung erfordert hätten, sei willkürlich: Zunächst habe die Vorinstanz weder abgeklärt, ob der Beschwerdegegner im Dezember 2022 tatsächlich seinen Zahnarzt besucht habe, noch wie gegebenenfalls dessen Diagnose gelautet habe. Ihre Feststellung, wonach sich die Einschätzung des von der Staatsanwaltschaft beauftragten Zahnarztes mit der Beurteilung des Zahnarztes des Beschwerdegegners decke, sei deshalb nicht haltbar. Weiter sei die Vorinstanz zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Beschwerdegegner Medikamente gegen Schmerzen verschrieben worden seien. Das lasse sich nicht aus dem Zahnarztbericht ableiten und sei auch nicht anderweitig abgeklärt worden. Der Beschwerdegegner habe auch in seinen Eingaben vom 30. Mai und 6. Juni 2023 keine Zahnschmerzen geltend gemacht und in seiner Eingabe vom 30. Mai 2023 die angeblich medizinisch notwendige Zahnbehandlung gar nicht erwähnt. Sodann gehe aus den Unterlagen der Justizvollzugsanstalt C.________, in die der Beschwerdegegner am 11. Juli 2023 verlegt worden sei, nicht hervor, dass er Schmerzmittel wegen Zahnschmerzen erhalten hätte. Er habe weder bei medizinischen Kontrollen zur Prüfung seiner Hafterstehungsfähigkeit noch bei Einvernahmen von Zahnschmerzen gesprochen. Auch die Feststellung der Vorinstanz, die Zahnbehandlung wäre "unaufschiebbar" gewesen, sei angesichts der Empfehlung des Zahnarztes, diese "baldmöglichst" durchzuführen, willkürlich. Schliesslich sei auch der Schluss, Staatsanwalt B.________ sei pflichtwidrig untätig geblieben, willkürlich, da die Vorinstanz gar nicht untersucht habe, was dieser nach Erhalt des zahnärztlichen Berichts am 15. Mai 2023 unternommen habe.  
 
3.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich, sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Willkür im Sinne von Art. 9 BV liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die Sachverhaltsfeststellung eindeutig und augenfällig unzutreffend ist und der angefochtene Entscheid auf einer schlechterdings unhaltbaren oder widersprüchlichen Beweiswürdigung beruht, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 148 IV 39 E. 2.3.5; 147 IV 73 E. 4.1.2; je mit Hinweisen). Erforderlich ist zudem, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1; 141 IV 305 E. 1.2 mit Hinweisen). Das Bundesgericht prüft die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhalts gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nur, soweit sie in der Beschwerde explizit vorgebracht und substantiiert begründet worden ist. Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt es nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1; je mit Hinweisen).  
 
3.4. Der Argumentation der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden: Sie behauptet nicht, dass der zahnärztliche Bericht vom 12. Mai 2023 mängelbehaftet oder inhaltlich unzutreffend gewesen sei. Die Frage, ob sich andere zahnärztliche Befunde mit der im fraglichen Bericht festgehaltenen Einschätzung decken, ist somit nicht entscheidrelevant. Auch die Frage, ob der Beschwerdegegner tatsächlich an starken Schmerzen gelitten hat, ist irrelevant. Rechtserheblich ist einzig, dass die zahnärztliche Behandlung nach fachkundiger Meinung "baldmöglichst" hätte durchgeführt werden sollen. Hiervon ausgehend ist auch der Schluss der Vorinstanz nicht zu beanstanden, dass die nötigen Vorkehren für die medizinische Behandlung, wie etwa die Abklärung der Kostenübernahme, "unaufschiebbar" gewesen wären und sofort hätten erledigt oder zumindest in die Wege geleitet werden müssen. Wie die Vorinstanz weiter zutreffend festhielt, geschah dies offenbar nicht. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz nicht hinreichend abgeklärt haben soll, welche Schritte Staatsanwalt B.________ nach Erhalt des zahnärztlichen Berichts unternommen habe; die Beschwerdeführerin legt jedenfalls nicht dar, welche Handlungen der Vorinstanz diesbezüglich entgangen sein sollen. Zusammengefasst ist keine willkürlich Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts ersichtlich. Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, inwieweit die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente und Tatsachen angesichts des Novenverbots vor Bundesgericht überhaupt zulässig sind (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
4.  
Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung von Art. 56 StPO geltend. 
 
4.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, selbst wenn Staatsanwalt B.________ es versäumt hätte, eine zahnärztlich notwendige und unaufschiebbare Behandlung zu veranlassen, wäre dies noch kein Grund, ihn in den Ausstand zu versetzen. Nach den massgebenden kantonalen Bestimmungen hätte das Entfernen von Weisheitszähnen zu den persönlichen Auslagen der inhaftierten Person gehört, weshalb die Kosten vom Beschwerdegegner hätten übernommen werden müssen. Dass Staatsanwalt B.________ die Behandlung nicht vor Vorliegen der Kostengutsprache veranlasst habe, könne ihm nicht als Pflichtverletzung angelastet werden. Falls aber dennoch von einer solchen ausgegangen werden müsste, würde sie nicht schwer genug wiegen, um einen Ausstandsgrund zu begründen. Zusammengefasst liege entgegen der Auffassung der Vorinstanz kein Fehlverhalten, insbesondere kein schwerwiegendes Fehlverhalten und auch keine Schikane vor.  
 
4.2. Die Ausstandsgründe für die in einer Strafbehörde tätigen Personen sind in Art. 56 StPO geregelt. Diese Bestimmung konkretisiert Art. 6 Ziff. 1 EMRK sowie Art. 29 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 BV. Zu den Strafbehörden gehören neben den Gerichten (Art. 13 StPO) die Strafverfolgungsbehörden, darunter die Organe der Staatsanwaltschaft (Art. 12 lit. b StPO). Von den in Art. 56 lit. a-e StPO geregelten besonderen Ausstandsgründen abgesehen tritt ein Staatsanwalt oder eine Staatsanwältin in den Ausstand, wenn er bzw. sie "aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte" (Art. 56 lit. f StPO). Die Rechtsprechung nimmt Voreingenommenheit und Befangenheit an, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit der untersuchungsleitenden Person zu erwecken. Solche Umstände können namentlich in einem bestimmten Verhalten der untersuchungsleitenden Person bestehen. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung ist nicht erforderlich, dass die untersuchungsleitende Person tatsächlich befangen ist (BGE 141 IV 178 E. 3.2.1; Urteil 7B_772/2023 vom 11. Dezember 2023 E. 2.2.3; je mit Hinweisen).  
Befangenheit einer staatsanwaltlichen Untersuchungsleiterin oder eines Untersuchungsleiters ist nach der Praxis des Bundesgerichtes nicht leichthin anzunehmen. Zu bejahen ist sie, wenn nach objektiver Betrachtung besonders krasse oder ungewöhnlich häufige Fehlleistungen der Untersuchungsleitung vorliegen, welche bei gesamthafter Würdigung eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen und sich einseitig zulasten einer der Prozessparteien auswirken (BGE 143 IV 69 E. 3.2; 141 IV 178 E. 3.2.3; Urteil 7B_287/2023 vom 12. September 2023 E. 2.3; je mit Hinweisen). Gegen beanstandete Verfahrenshandlungen sind primär die zur Verfügung stehenden Rechtsmittel auszuschöpfen (BGE 143 IV 69 E. 3.2; Urteil 7B_328/2023 vom 2. August 2023 E. 3.1 mit Hinweisen). 
 
4.3. Aus Art. 3 EMRK wird unter anderem die Verpflichtung der Vertragsstaaten abgeleitet, Personen, denen die Freiheit entzogen ist, eine angemessene medizinische Versorgung zukommen zu lassen. Insbesondere müssen die Behörden sicherstellen, dass eine erkrankte inhaftierte Person umgehend eine genaue Diagnose und eine angemessene Behandlung erhält. Sodann ist der Verlauf der Krankheit systematisch zu überwachen und eine umfassende Behandlungsstrategie anzubieten, damit die Krankheit adäquat behandelt bzw. einer Verschlechterung des Gesundheitszustands entgegengewirkt werden kann, statt nur die Symptome zu behandeln. Es liegt in der Verantwortung der Behörden nachzuweisen, dass sie die notwendigen Voraussetzungen geschaffen haben, damit die vorgeschriebene Behandlung wirksam eingehalten werden kann. Darüber hinaus muss die medizinische Versorgung in den Gefängnissen angemessen sein, d.h. vergleichbar mit derjenigen, zu welcher sich der Staat gegenüber der Allgemeinbevölkerung verpflichtet hat. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jeder inhaftierten Person die gleiche Versorgung garantiert werden muss wie in den besten Gesundheitseinrichtungen ausserhalb des Gefängnisses. Gemäss dem EGMR ist das erforderliche Mass an medizinischer Versorgung im konkreten Einzelfall zu definieren. Der Standard sollte "mit der Menschenwürde" der inhaftierten Person kompatibel sein, gleichzeitig aber auch die "praktischen Anforderungen der Inhaftierung" berücksichtigen (Urteil 1B_416/2019 vom 12. September 2019 E. 2.3; vgl. Urteil 1B_175/2019 vom 2. Mai 2019 E. 3.1 mit Hinweis auf das Urteil des EGMR Blokhin gegen Russland vom 23. März 2016, Nr. 47152/06, § 136 f.).  
 
4.4. Die Argumentation der Beschwerdeführerin überzeugt nicht: Sie verkennt, dass Staatsanwalt B.________ nicht vorgeworfen wird, auf eine Kostengutsprache gewartet zu haben, sondern, dass er diese anscheinend trotz der Notwendigkeit und Unaufschiebbarkeit der zahnärztlichen Behandlung gar nicht eingeholt hat. Um die medizinische Versorgung des Beschwerdegegners sicherzustellen, hätte sich Staatsanwalt B.________ aber unverzüglich um die benötigte Kostengutsprache und in der Folge um die weitere Behandlung des Beschwerdegegners kümmern müssen. Indem er dies nicht tat, hat er seine staatsanwaltlichen Pflichten, wie die Vorinstanz zutreffend festhält, verletzt. Angesichts der Bedeutung des Rechts auf medizinische Behandlung des inhaftierten Beschwerdegegners ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz im Fehlverhalten von Staatsanwalt B.________ eine schwere Verletzung von Amtspflichten erkennt und gestützt darauf den Anschein von Befangenheit bejaht.  
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton Graubünden hat dem obsiegenden Beschwerdegegner eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Graubünden hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, Staatsanwalt B.________ und dem Kantonsgericht von Graubünden, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. Februar 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kern