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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_351/2020  
 
 
Urteil vom 3. Juli 2020  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Frey, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Amt für Arbeitslosenversicherung, 
Arbeitslosenkasse, Lagerhausweg 10, 3018 Bern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 27. April 2020          (200 20 26 ALV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Der 1962 geborene A.________ war von Januar bis Ende Juni 2019 bei der B.________ GmbH im Umfang von ca. 15 Stunden pro Woche tätig gewesen. Am 27. Juni 2019 meldete er sich zur Arbeitsvermittlung an und am 1. Juli 2019 beantragte er Arbeitslosenentschädigung ab diesem Datum. Das Amt für Arbeitslosenversicherung des Kantons Bern, Arbeitslosenkasse, bestätigte mit Verfügung vom 11. Oktober 2019 einen versicherten Verdienst von Fr. 1332.- und verneinte sowohl einen Anspruch auf kontrollfreie Bezugstage als auch auf Ausbildungszulagen für seinen Sohn (Jahrgang 1999). Mit Einspracheentscheid vom 22. November 2019 wies es die Einsprache bezüglich der Ansprüche auf kontrollfreie Bezugstage und Ausrichtung von Ausbildungszulagen ab. Hinsichtlich der Höhe des versicherten Verdienstes wurde entschieden, diesen nach Erhalt eines rechtskräftigen Urteils betreffend die arbeitsrechtliche Streitigkeit zwischen dem Versicherten und seiner ehemaligen Arbeitgeberin neu zu prüfen. 
 
B.   
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die gegen den Einspracheentscheid geführte Beschwerde mit Entscheid vom 27. April 2020 ab, wobei einzig der Anspruch auf Ausbildungszulagen streitig war. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erheben und beantragen, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids sei der Beschwerdegegner zu verpflichten, ihm eine Ausbildungszulage bzw. einen entsprechenden Zuschlag gemäss Art. 22 Abs. 1 AVIG auszurichten. Eventualiter sei die Sache an den Beschwerdegegner zurückzuweisen. 
Das Bundesgericht führte keinen Schriftenwechsel durch. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an    (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel    (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1,    Art. 105 Abs. 2 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung des kantonalen Gerichts ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig (d.h. willkürlich), wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist (BGE 142 II 433 E. 4.4 S. 444; vgl. Urteil 8C_472 vom 20. November 2019 E. 2.2 mit Hinweis).  
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz zu Recht den Einspracheentscheid insofern bestätigt hat, als dem Versicherten kein Zuschlag zur Arbeitslosenentschädigung nach Art. 22 Abs. 1 Satz 2 AVIG zusteht.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Laut Art. 22 Abs. 1 Satz 2 AVIG erhält der Versicherte einen Zuschlag zum Taggeld der Arbeitslosenversicherung, der den auf den Tag umgerechneten gesetzlichen Kinder- und Ausbildungszulagen entspricht, auf die er Anspruch hätte, wenn er noch in einem Arbeitsverhältnis stünde. Dieser Zuschlag wird nur ausbezahlt, soweit (lit. a) die Kinderzulagen dem Versicherten während der Arbeitslosigkeit nicht ausgerichtet werden und (lit. b) für dasselbe Kind kein Anspruch einer erwerbstätigen Person besteht.  
 
Der somit lediglich subsidiär auszurichtende Zuschlag gemäss Art. 22 AVIG ist ein vom Taggeldanspruch abhängiges Nebenrecht, sodass der Anspruch auf Zuschlag nur solange besteht, als auch der Anspruch auf ein Taggeld gegeben ist (vgl. die seit Januar 2013 gültige Weisung des Staatssekretariats für Wirtschaft [SECO] AVIG-Praxis ALE, Rz. C81 f.; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, Rz. 351). Er richtet sich nach dem Familienzulagengesetz des Kantons, in dem die versicherte Person wohnt (Art. 34 Abs. 1 AVIV). Gemäss Art. 34 Abs. 2 AVIV gibt das SECO im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) den Durchführungsorganen jährlich die Ansätze und die wichtigsten Anspruchsvoraussetzungen bekannt. 
 
2.2.2. Nach Art. 3 Abs. 1 lit. b des Bundesgesetzes vom 24. März 2006 über die Familienzulagen (Familienzulagengesetz, FamZG; SR 836.2) werden Ausbildungszulagen ab Ende des Monats, in welchem das Kind das 16. Altersjahr vollendet, bis zum Abschluss der Ausbildung ausgerichtet, längstens jedoch bis zum Ende des Monats, in welchem das Kind das 25. Altersjahr vollendet. Aus den Materialien zum FamZG ergeben sich keine Hinweise darauf, wie der Begriff Ausbildung zu verstehen ist (BGE 138 V 286 E. 4.1 S. 288). Art. 1 Abs. 1 FamZV statuiert, dass ein Anspruch auf eine Ausbildungszulage für jene Kinder besteht, die eine Ausbildung im Sinne des Art. 25 Abs. 5 AVHG absolvieren. Art. 25 Abs. 5 Satz 2 AHVG beauftragt den Bundesrat, den Begriff der Ausbildung zu regeln, was dieser mit den auf den 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Art. 49 bis und 49ter AHVV       (SR 831.101) getan hat. Dabei handelt es sich um unselbstständige Verordnungsnormen im Sinne von gesetzesvertretenden Bestimmungen, weshalb dem Bundesrat ein grosser Gestaltungsspielraum zukommt. Das Bundesgericht hat in BGE 138 V 286 E. 4.2.2 S. 289 festgehalten, dass bezüglich des Begriffs der Ausbildung auf die Gerichts- und Verwaltungspraxis sowie namentlich die Weisungen des BSV verwiesen werden kann (BGE 142 V 442 E. 3.1 S. 443 mit Hinweisen).  
 
2.2.3. Unter den Begriff der Ausbildung fallen danach ordentliche Lehrverhältnisse sowie Tätigkeiten zum Erwerb von Vorkenntnissen für ein Lehrverhältnis, aber auch Kurs- und Schulbesuche, wenn sie der berufsbezogenen Vorbereitung auf eine Ausbildung oder späteren Berufsausübung dienen. Bei Kurs- und Schulbesuchen sind Art der Lehranstalt und Ausbildungsziel unerheblich, soweit diese im Rahmen eines ordnungsgemässen, (faktisch oder rechtlich) anerkannten Lehrganges eine systematische Vorbereitung auf das jeweilige Ziel bieten. Danach gilt nur als Bestandteil der Ausbildung, wenn zwischen diesem und dem Berufsziel ein Zusammenhang besteht (Wegleitung des BSV über die Renten in der Eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung Rz. 3358; RWL; Stand 1. Januar 2016). Während der Ausbildung muss sich das Kind zeitlich überwiegend dem Ausbildungsziel widmen. Dies gilt nur dann als erfüllt, wenn der gesamte Ausbildungsaufwand (Lehre im Betrieb, Schulunterricht, Vorlesungen, Kurse, Vor- und Nachbereitung, Prüfungsvorbereitung, Selbststudium, Verfassen einer Diplomarbeit, Fernstudium etc.) mindestens 20 Stunden pro Woche ausmacht. Der effektive Ausbildungsaufwand kann teilweise nur mittels Indizien, mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, eruiert werden (RWL Rz. 3359 f.; zum Stellenwert dieser Verwaltungsweisungen vgl. BGE 140 V 314   E. 3.3 S. 317).  
 
3.   
Das kantonale Gericht hat verbindlich festgestellt, dass der Sohn des Beschwerdeführers bis 31. Juli 2019 in einem Lehrverhältnis gestanden, die theoretische Lehrabschlussprüfung jedoch nicht erfolgreich absolviert habe. Seit 1. August 2019 besuche er sechs Unterrichtsstunden pro Woche an der Kaufmännischen Berufsfachschule. Da das bisherige Lehrverhältnis nicht habe fortgeführt werden können bzw. der bisherige Lehrbetrieb ihn nicht weiterbeschäftigt habe, sei sein Sohn seinerseits arbeitslos geworden und habe Leistungen der Arbeitslosenversicherung erhalten. Er habe sich dabei im Umfang von 80 % dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt. Einer Tätigkeit mit Ausbildungscharakter sei er nicht nachgegangen. Damit erfülle er den geforderten minimalen Ausbildungsaufwand von wöchentlich 20 Stunden bei Weitem nicht. Er widme sich daher nicht überwiegend einem Ausbildungsziel, weshalb der Beschwerdeführer ab August 2019 keinen Anspruch mehr auf Ausbildungszulagen für seinen Sohn bzw. auf den entsprechenden Zuschlag nach Art. 22 Abs. 1 AVIG habe. 
 
4.   
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass nebst der effektiven Unterrichtszeit von sechs Stunden auch der zusätzliche Lernaufwand zu berücksichtigen sei. Dass sein Sohn damit den hinsichtlich des Ausbildungsbegriffs geforderten gesamten Ausbildungsaufwand (hier umfassend den Schulunterricht, die Vor- und Nachbereitung sowie die Prüfungsvorbereitung) von mindestens 20 Stunden pro Woche erreichen würde, legt er nicht (substanziiert) dar. Ein solcher Aufwand ist zudem bereits im Hinblick auf den Umstand, dass sein Sohn eine Tätigkeit im Umfang von 80 % sucht, nicht überzeugend dargetan. Die Feststellung des kantonalen Gerichts, der Sohn widme sich nicht überwiegend einem Ausbildungsziel, da sein Ausbildungsaufwand die 20 Stunden pro Woche klar nicht erreiche, hält vor Bundesrecht stand. Inwiefern die vorinstanzlichen Feststellungen offensichtlich unrichtig oder bundesrechtswidrig sein sollen, ist nicht erkennbar. Einer weiteren Sachverhaltsabklärung bedurfte es diesbezüglich nicht, weshalb dem Gericht keine Verletzung der Untersuchungspflicht nach Art. 43 ATSG vorgeworfen werden kann. 
Wenn der Beschwerdeführer überdies einwendet, sein Sohn habe insofern keine Wahlmöglichkeit gehabt, als er für das Bestehen der theoretischen Lehrabschlussprüfung zwingend sechs Lektionen Berufsschule pro Woche habe absolvieren müssen, bis er die Prüfung nach einem Jahr Wartezeit wiederholen könne, ändert nichts daran, dass sich dieser zeitlich nicht überwiegend seiner Ausbildung widmete. Soweit der Beschwerdeführer schliesslich erneut auf BGE 140 V 314 hinweist und einen analogen Sachverhalt erkennen will, legte bereits die Vorinstanz zutreffend dar, dass sich die beiden Fälle wesentlich voneinander unterscheiden. In BGE 140 V 314 orientierte sich das mit einem Repetenten der Lehrabschlussprüfung abgeschlossene Praktikum sowohl bei der Aufteilung zwischen praktischer Arbeit und Berufsschule als auch beim (bis zum Erhalt des Fähigkeitszeugnisses) festgesetzten Verdienst an einem ordentlichen Lehrverhältnis. Daher handelte es sich um eine systematische Vorbereitung auf den zu wiederholenden Berufsbildungsabschluss im Sinne der Absolvierung eines weiteren Lehrjahres (BGE 140 V 314 S. 320 E. 4.3.3). Der Beschwerdeführer kann demnach hieraus nichts zu seinen Gunsten ableiten, zumal sich sein Sohn nicht in einem Praktikum befindet. Fehl geht schliesslich der Einwand, die geringe Höhe der an seinen Sohn ausgerichteten Arbeitslosenentschädigung von rund Fr. 1000.- zeige, dass er nur Taggelder auf der Basis eines Lehrlingslohnes erhalte. Weshalb sich aus dem nach einem Pauschalansatz bemessenen Taggeld (Art. 23 Abs. 2 AVIG in Verbindung mit Art. 41 AVIV) ein überwiegender Ausbildungsaufwand für die konkret zu beurteilende Situation, in der der Sohn steht, ableiten liesse, ist nicht nachvollziehbar. Die in der Beschwerde erhobenen Einwendungen vermögen nach dem Gesagten allesamt nicht aufzuzeigen, inwiefern die vorinstanzlichen Erwägungen auf einer willkürlichen Sachverhaltsfeststellung oder anderweitigen Bundesrechtsverletzung beruhen (E. 1 hiervor). Damit hat es beim angefochtenen Entscheid sein Bewenden. 
 
 
5.   
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet. 
 
6.   
Als unterliegende Partei hat der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 3. Juli 2020 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla