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[AZA] 
I 50/00 Md 
 
I. Kammer  
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Schön, Bundesrichte- 
rinnen Widmer, Leuzinger und Bundesrichter Ferrari; Ge- 
richtsschreiber Attinger 
 
Urteil vom 18. April 2000  
 
in Sachen 
 
Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 20, Bern, 
Beschwerdeführer, 
gegen 
 
L.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch ihre Eltern 
A. und B. L.________, 
und 
 
Obergericht des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen 
 
    A.- L.________ (Jahrgang 1995) leidet an angeborener 
Epilepsie (Ziff. 387 GgV Anhang) : Im Alter von zehn Monaten 
erlitt sie einen über mehrere Stunden andauernden Status 
epilepticus; in der Folge entwickelten sich eine rechtssei- 
tige Hirnatrophie, eine linksseitige Hemiplegie sowie foka- 
le, sekundär generalisierte Anfälle, welche überwiegend in 
der Einschlaf- und Aufwachphase auftreten. Die IV-Stelle 
Schaffhausen sprach dem versicherten Mädchen die notwendi- 
gen medizinischen Massnahmen zur Behandlung seines Geburts- 
gebrechens zu (Mitteilung vom 22. August 1997). Des Weitern 
wurden ihm Hilfsmittel (Beinorthesen, Treppenhandlauf), 
Pflegebeiträge für hilflose Minderjährige, Hauspflegebei- 
träge und die Kostenübernahme für die Durchführung heilpä- 
dagogischer Früherziehung gewährt. Hingegen lehnte die 
IV-Stelle mit Verfügung vom 9. Oktober 1998 die Abgabe 
eines sogenannten Baby-Funks als Hilfsmittel ab. 
 
    B.- Das Obergericht des Kantons Schaffhausen hiess die 
dagegen eingereichte Beschwerde mit Entscheid vom 23. De- 
zember 1999 gut und verpflichtete die IV-Stelle, L.________ 
das beantragte Baby-Funkgerät im Zusammenhang mit den zuge- 
sprochenen medizinischen Eingliederungsmassnahmen als Be- 
handlungsgerät abzugeben "bzw. dessen Kosten zu über- 
nehmen". 
 
    C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung 
des vorinstanzlichen Entscheids. 
    Während die Eltern von L.________ auf Abweisung der 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen, beantragt die IV- 
Stelle deren Gutheissung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht ist 
unter den Verfahrensbeteiligten zu Recht unbestritten, dass 
die Beschwerdegegnerin keinen auf Art. 21 IVG abgestützten 
Anspruch auf Abgabe des Baby-Funks als Hilfsmittel hat. 
Diesbezüglich kann auf die zutreffenden Ausführungen im 
vorinstanzlichen Entscheid verwiesen werden. 
 
    2.- Zu prüfen ist hingegen, ob das Baby-Funkgerät, 
welches die in seiner Umgebung (z.B. im Kinderzimmer) an- 
fallenden Geräusche aufnimmt und auf den Lautsprecher des 
andernorts postierten Empfängers übermittelt, dem versi- 
cherten Mädchen als Behandlungsgerät im Rahmen der nach 
Art. 13 IVG zugesprochenen medizinischen Massnahmen zu- 
steht. 
 
    a) Art. 1 Abs. 2 der Verordnung über die Abgabe von 
Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (HVI) be- 
stimmt, dass für die Abgabe von Behandlungsgeräten, die 
einen notwendigen Bestandteil einer medizinischen Einglie- 
derungsmassnahme im Sinne der Art. 12 und 13 IVG bilden und 
die nicht in der im Anhang enthaltenen Liste aufgeführt 
sind, die Art. 3-9 (über Abgabeform, Anspruch auf Kosten- 
vergütung etc.) sinngemäss gelten. Nach der Rechtsprechung 
des Eidgenössischen Versicherungsgerichts bildet ein Gegen- 
stand dann einen notwendigen Bestandteil einer medizini- 
schen Eingliederungsmassnahme, wenn er in engem, unmittel- 
baren Zusammenhang mit der von der Invalidenversicherung 
übernommenen medizinischen Vorkehr steht. Nicht erforder- 
lich ist dagegen, dass der Einsatz des Behandlungsgerätes 
selber therapeutische Wirkung entfaltet. Es reicht aus, 
wenn mit dem Gerät der therapeutische Zweck der medizini- 
schen Eingliederungsmassnahme gezielt unterstützt wird (SVR 
1996 IV Nr. 90 S. 271 Erw. 5, Nr. 91 S. 274 Erw. 3 mit Hin- 
weisen). 
 
    b) Nach den Stellungnahmen des behandelnden Kinderarz- 
tes Dr. C.________ vom 19. September 1997 und 25. Oktober 
1998, sowie des Spitals D.________ vom 15. Februar 2000 
ist das versicherte Mädchen wegen jederzeit möglicher Grand 
Mal-Anfälle dauernd überwachungsbedürftig und kann nur bei 
eingeschaltetem Baby-Funkgerät im Bett allein gelassen 
werden. Weder die Dauer noch die Intensität eines Anfalls 
oder die diesbezüglichen Komplikationen (Erbrechen und 
Aspiration, respiratorische Insuffizienz) seien voraus- 
sehbar. Während ein einzelner Anfall für sich allein nicht 
zu wesentlichen Folgeschäden führe, könne ein erneut auf- 
tretender Status epilepticus eine weitere Schädigung des 
Zentralnervensystems bewirken. Eine Anfallsdauer von mehr 
als 30 Minuten könne zudem lebensbedrohlich sein. Gemäss 
den sowohl vor- wie auch letztinstanzlich von keiner Seite 
in Zweifel gezogenen Angaben der Eltern der Beschwerdegeg- 
nerin können sie "inzwischen jeden Atemzug ihres Kindes in- 
terpretieren" und sind so bei eingeschaltetem Baby-Funk in 
der Lage, die "mit Beginn eines Anfalls und während der 
ganzen Dauer desselben" auftretenden Veränderungen der At- 
mung oder Atemfrequenz auch dann zu erkennen, wenn sie sich 
nicht im selben Raum aufhalten. Auf diese Weise könnten sie 
"im Notfall (wenn ein Anfall in einen Status epilepticus 
übergeht) die ausgefallenen Körper- und Sinnesfunktionen 
möglichst rasch wieder funktionsfähig machen, indem wir den 
Anfall mittels Medikamenten unterbrechen". 
    Unter diesen Umständen ist das Baby-Funkgerät insofern 
als notwendiger Bestandteil der von der Invalidenversiche- 
rung übernommenen Epilepsiebehandlung zu betrachten, als 
die darin eingeschlossene Verabreichung von Medikamenten 
zur Unterbrechung eines Anfalls bei drohendem Status epi- 
lepticus durch den Einsatz des Überwachungsgerätes stets 
gewährleistet bleibt. Der die zugesprochene medizinische 
Eingliederungsmassnahme somit gezielt unterstützende Baby- 
Funk stellt überdies - namentlich im Vergleich mit den weit 
aufwändigeren anderweitigen Überwachungsgeräten - einen 
einfachen und zweckmässiges Behelf dar, weshalb er vom kan- 
tonalen Gericht zu Recht als Behandlungsgerät im Sinne von 
Art. 13 IVG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 HVI zugespro- 
chen worden ist. 
 
    c) Entgegen der Auffassung des Beschwerde führenden 
BSV vermag der Umstand, dass sich immer mehr Eltern - "un- 
abhängig davon, ob ihr Kind behindert ist oder nicht" - 
eines Baby-Funks bedienen, an der hievor dargelegten Be- 
trachtungsweise nichts zu ändern. Unbehelflich ist auch der 
Hinweis des Bundesamtes auf die von der Invalidenversiche- 
rung gestützt auf Art. 20 IVG ausgerichteten Pflegebeiträge 
wegen Hilflosigkeit des versicherten Mädchens. Wohl wird 
damit praxisgemäss in gewissem Umfange auch die Versorgung 
mit Behelfen abgegolten, welche von der Versicherung nicht 
unter dem Titel Hilfsmittel abgegeben werden können (ZAK 
1983 S. 450 Erw. 3). Entscheidend ist indessen, dass die 
Beschwerdegegnerin neben dem Anspruch auf Pflegebeiträge 
auch einen solchen auf medizinische Eingliederungsmassnah- 
men zur Behandlung ihres Geburtsgebrechens hat und die Ver- 
wendung des fraglichen Baby-Funkgerätes diesbezüglich - wie 
aufgezeigt - in engem unmittelbaren Zusammenhang steht (SVR 
1996 IV Nr. 91 S. 275). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des 
    Kantons Schaffhausen, der IV-Stelle Schaffhausen und 
    der Ausgleichskasse des Kantons Schaffhausen zuge- 
    stellt. 
 
 
Luzern, 18. April 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der I. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: