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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
8C_256/2020  
 
 
Urteil vom 4. September 2020  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Maillard, Präsident, 
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Durizzo. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Beatrice Gurzeler, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Bern, 
Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Prozessvoraussetzung; Massnahme beruflicher Art), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
vom 24. Februar 2020 (200 19 679 IV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________, geboren 1994, wurde erstmals im Januar 1997 von seiner Mutter bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet wegen einer Leistenhernie (Geburtsgebrechen Nr. 303). Die IV-Stelle Bern gewährte medizinische Massnahmen.  
 
A.b. Im November 2012 beantragte die gesuchstellende Mutter unter Hinweis auf eine verminderte Belastbarkeit der Gelenke Unterstützung bei der beruflichen Eingliederung. Gemäss allgemeinmedizinischer und psychiatrischer Einschätzung des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) litt A.________ unter Gelenkschmerzen sowie seit seinem elften Lebensjahr unter Depressionen und massiven Schlafproblemen. Er sei dadurch jedoch bei seiner beruflichen Ausbildung, das heisst an der von ihm selber gefundenen Lehrstelle, nicht beeinträchtigt (Berichte vom 16. April und 9. Juli 2017). Mit Verfügung vom 13. November 2012 wies die IV-Stelle das Leistungsbegehren daher ab.  
 
A.c. Im August 2018 meldete sich A.________ (nach einer Früherfassung im Juni 2018) erneut bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Er war zwischenzeitlich als Landschaftsgärtner tätig gewesen, machte indessen eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit seit dem 7. Mai 2018 geltend wegen akuter Schlafprobleme. Die behandelnden Ärzte diagnostizierten eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine schwere Insomnie. Zudem litt er an einer Bandinsuffizienz am rechten und am linken Sprunggelenk. Seine Lehre brach er im Juli 2018 ab. Nach einer Untersuchung am 17. April 2019 bestätigte der RAD die psychiatrischen Störungen im Wesentlichen (Bericht vom 26. April 2019). Für eine hinreichend positive Prognose hinsichtlich einer Eingliederung auf dem ersten Arbeitsmarkt erachtete er eine Psychotherapie als unumgänglich. Dazu sei auch eine kontrollierte Cannabisabstinenz erforderlich. Zu diesem Zweck wurde A.________ vom RAD am 10. Mai 2019 zur Laboruntersuchung am 17. Mai 2019 eingeladen. Die IV-Stelle forderte ihn bezüglich der Therapie und der Laborkontrolle der Drogenabstinenz (die während mindestens drei Monaten einzuhalten sei) mit eingeschriebenem Brief vom 13. Mai 2019 zur Mitwirkung auf unter Hinweis auf Art. 43 Abs. 3 ATSG, wonach bei Nichtbefolgung der Anweisungen gestützt auf die Akten entschieden werde. Mit Verfügung vom 8. Juli 2019 wies die IV-Stelle sein Gesuch um Gewährung beruflicher Massnahmen (nach einem Vorbescheid vom 27. Mai 2019) ab. Der Anspruch könne nicht beurteilt werden, nachdem A.________ zum erwähnten Laborkontrolltermin nicht erschienen sei.  
 
B.   
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 24. Februar 2020 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.   
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, die Sache sei zur Durchführung eines korrekten Mahn- und Bedenkzeitverfahrens sowie zur Abklärung der Gesundheitsschädigung hinsichtlich der Ansprüche auf eine Invalidenrente sowie auf berufliche Massnahmen an die IV-Stelle zurückzuweisen. Eventualiter sei ihm eine Invalidenrente zuzusprechen. Des Weiteren wird um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht. 
Die IV-Stelle schliesst auf Nichteintreten auf die Beschwerde, eventualiter auf deren Abweisung, wozu sich A.________ mit zwei weiteren Eingaben vernehmen liess. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen). 
 
2.   
Die IV-Stelle macht geltend, dass der Beschwerdeführer die Rechtsmittelfrist nicht eingehalten habe. 
 
2.1. Rechtsprechungsgemäss ist der allgemeine Grundsatz von Art. 8 ZGB, wonach derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache beweisen muss, der aus ihr Rechte ableitet, auch im Prozessrecht massgeblich. Der oder die Rechtsuchende trägt dementsprechend die Beweislast für die Rechtzeitigkeit der Beschwerdeerhebung, die mit Gewissheit feststehen und nicht bloss überwiegend wahrscheinlich sein muss. Dem Absender obliegt der Nachweis, dass er seine Eingabe bis um 24 Uhr des letzten Tages der laufenden Frist der Post übergeben hat. Die Aufgabe am Postschalter und der Einwurf in den Postbriefkasten sind einander gleichgestellt. Hier wie dort wird vermutet, dass das Datum des Poststempels mit demjenigen der Übergabe an die Post übereinstimmt. Wer behauptet, er habe einen Brief schon am Vortag seiner Abstempelung in einen Postbriefkasten eingeworfen, hat das Recht, die sich aus dem Poststempel ergebende Vermutung verspäteter Postaufgabe mit allen tauglichen Beweismitteln zu widerlegen. Der Absender kann den entsprechenden Nachweis insbesondere mit dem Vermerk auf dem Briefumschlag erbringen, wonach die Postsendung vor Fristablauf in Anwesenheit von Zeugen in einen Briefkasten gelegt worden sei (BGE 142 V 389 E. 2.2 S. 391 f. mit Hinweisen).  
 
2.2. Als Beweismittel geeignet im Sinne der dargelegten Rechtsprechung sind nur neutrale Zeugen, die bestätigen können, dass der Versand der Beschwerde rechtzeitig erfolgt sei. Die Zeugenaussagen unterliegen der freien richterlichen Beweiswürdigung des Gerichts, und ihr Beweiswert hängt massgeblich von den konkreten Umständen ab. Die Rechtsprechung verlangt Unabhängigkeit der Zeugen, die namentlich bei (enger) Verwandtschaft oder enger Beziehungsnähe (Ehegatten, Partner) ernsthaft in Zweifel gezogen wird. Die für die Behauptung der Rechtzeitigkeit angerufenen Beweismittel sind unaufgefordert und bereits mit der Eingabe des Rechtsmittels anzubieten. Nachträgliche Bescheinigungen von Zeugen zum Zeitpunkt eines Briefkasteneinwurfs werden allein als kaum beweiskräftig eingestuft. Zudem bedarf es des Nachweises für den Einwurf eben gerade jenes Couverts, das die im konkreten Fall zu beurteilende Eingabe enthält. Angaben auf dem Couvert haben sich auf die genauen Umstände des Briefeinwurfs zu beziehen. Des Weiteren ist die Person des Zeugen zu benennen, damit dieser auch befragt werden könnte (Urteile 6B_512/2017 vom 12. Februar 2018 E. 1; 8C_237/2017 vom 4. Oktober 2017 E. 5.2.3; 6B_1289/2016 vom 2. Dezember 2016 E. 5; 9C_139/2016 vom 24. Mai 2016 E. 3.3; 1C_458/2015 vom 16. November 2015 E. 2.2-2.4; 9C_681/2015 vom 13. November 2015 E. 3; 1P.446/2004 vom 28. September 2004 E. 2.2; Kathrin Amstutz/Peter Arnold, in: Basler Kommentar, 3. Aufl., 2018, N. 8a und 10c zu Art. 48 BGG; Jean-Maurice Frésard, Commentaire de la LTF, 2. Aufl., 2014, N. 30 f. zu Art. 48).  
 
2.3. Die hier massgebliche Frist von 30 Tagen (Art. 100 Abs. 1 BGG) begann am Tag nach der Eröffnung des vorinstanzlichen Entscheids (26. Februar 2020), also am 27. Februar 2020 (Art. 100 Abs. 1 BGG i.V.m. Art. 44 Abs. 1 BGG) zu laufen. Sie wurde verlängert durch die Verordnung vom 20. März 2020 über den Stillstand der Fristen in Zivil- und Verwaltungsverfahren zur Aufrechterhaltung der Justiz im Zusammenhang mit dem Coronavirus (COVID-19; ehemals SR 173.110.4) vom 21. März bis zum 19. April 2020. Da der letzte Tag auf einen Sonntag fiel (26. April 2020), endete die Frist am darauffolgenden Montag, 27. April 2020 (Art. 45 Abs. 1 BGG).  
 
2.4. Die Rechtsvertreterin des Versicherten bringt vor, die Beschwerde sei unter Beizug eines Zeugen per Einwurf in den Briefkasten der Poststelle X.________ am 27. April 2020 um 23.15 Uhr erfolgt. Beim Zeugen handle es sich um ihren Lebenspartner. Der Einwurf und die Präsenz des Zeugen seien fotografisch festgehalten worden. Der Einwurf der Beschwerde in den Briefkasten der Poststelle X.________ sei wegen Arbeitsüberlastung im Zuge von Problemen mit neuen Bürogeräten (Drucker/PC/Scanner) erfolgt. Es werden drei Bildaufnahmen mit Dateninformationen, auch elektronisch abgelegt auf einem USB-Stick, eingereicht.  
 
2.5. Die Beschwerdegegnerin macht geltend, der Nachweis der Rechtzeitigkeit der Übergabe der Beschwerde an die Post sei mit lediglich einem Zeugen nicht gelungen. Sie leitet aus BGE 142 V 389 und 115 Ia 8 ab, dass dazu mehrere Zeugen erforderlich seien. Im Weiteren sei der Lebenspartner der Rechtsvertreterin als Zeuge ohnehin nicht geeignet. Es fehle ihm an der notwendigen Objektivität und seine Aussage habe daher keinen Beweiswert. Zudem bestehe keine Gewissheit dafür, dass die eingereichten Fotoaufnahmen tatsächlich am 27. April 2020 erstellt worden seien. Sie hätten auch nachträglich bearbeitet und mit einem anderen Datum versehen werden können.  
 
2.6. Auf dem Briefumschlag, in welchem sich die Beschwerde befand, wurde folgender Vermerk angebracht: "Einwurf vor Zeuge; Ort: X.________ Post; Datum+Zeit: 27. April 2020, 23:14 Uhr; Zeuge: B.________". Da es sich beim Zeugen um den Lebenspartner der Rechtsvertreterin handelt, ist hinsichtlich des Beweiswerts seiner Angaben eine gewisse Zurückhaltung geboten. Gleiches gilt auch bezüglich der eingereichten Fotos, die mutmasslich die Rechtsvertreterin mit einem Couvert am Briefkasten und den Zeugen beim Anbringen seiner Angaben zeigen. Immerhin kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem ebenfalls abgebildeten, von Hand ergänzend beschrifteten Briefumschlag ["Einwurf vor Zeuge; Ort; Datum+Zeit; Zeuge") tatsächlich um den beim Bundesgericht eingegangenen handelt, was für sich alleine jedoch noch nichts beweisen kann. Ob die Zeugenangaben sowie die mit dem Mobiltelefon aufgenommenen Fotos (mit den dort registrierten Daten vom 27. April 2020, 23.13 beziehungsweise 23.15 Uhr) den erforderlichen Beweis zu erbringen vermögen, dass der die Beschwerde enthaltende, beim Bundesgericht am 29. April 2020 eingetroffene Umschlag tatsächlich am 27. April 2020 um 23.15 Uhr in den Briefkasten geworfen worden sei (zur Frage, ob ein Zeuge genügt: Kathrin Amstutz/Peter Arnold, a.a.O., N. 10c i.f.; zur Zulässigkeit eines Videobeweises: Urteil 2F_21/2017 vom 24. November 2017 E. 2.2 und 2.3), braucht indessen nicht abschliessend beurteilt zu werden. Die Beschwerde ist, wie sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt, ohnehin abzuweisen.  
 
3.   
Streitig ist, ob die vorinstanzliche Bestätigung der Ablehnung des Anspruchs auf berufliche Massnahmen durch die IV-Stelle mit Verfügung vom 8. Juli 2019 vor Bundesrecht standhält. Zu prüfen ist dabei, ob das von ihr durchgeführte Mahn- und Bedenkzeitverfahren den gesetzlichen Anforderungen genügte. 
Der Versicherte beantragte im kantonalen Verfahren auch die Zusprechung einer Invalidenrente und erneuert das Begehren vor Bundesgericht. Die Vorinstanz trat insoweit auf seine Beschwerde nicht ein. Inwiefern sie offensichtlich unrichtig festgestellt hätte, die IV-Stelle habe in ihrer Verfügung vom 8. Juli 2019 lediglich über den Anspruch auf berufliche Massnahmen befunden, ist nicht erkennbar. Die Invalidenrente kann daher auch letztinstanzlich nicht Streitgegenstand bilden. 
 
4.   
Gemäss Art. 43 Abs. 2 ATSG hat sich die versicherte Person, die Leistungen beantragt, den ärztlichen Untersuchungen zu unterziehen, die für die Beurteilung des Anspruchs durch den Versicherungsträger notwendig (und zumutbar) sind. Kommt sie ihrer diesbezüglichen Auskunfts- oder Mitwirkungspflicht in unentschuldbarer Weise nicht nach, so kann der Versicherungsträger aufgrund der Akten verfügen oder die Erhebungen einstellen und Nichteintreten beschliessen. Die versicherte Person ist vorher schriftlich zu mahnen und auf die Rechtsfolgen hinzuweisen, und es ist ihr eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen (Art. 43 Abs. 3 ATSG). 
 
5.   
Die Vorinstanz stellte fest, gestützt auf den RAD-Untersuchungsbericht vom 26. April 2019 sei für die ärztliche Einschätzung des Leistungsvermögens des Beschwerdeführers und damit auch für die rechtliche Beurteilung des Anspruchs auf berufliche Massnahmen eine mindestens dreimonatige Cannabisabstinenz unabdingbar. Die Zumutbarkeit der Laboruntersuchungen sei nicht bestritten. Unbestritten geblieben sei zudem auch, dass der Beschwerdeführer sowohl die schriftliche Aufforderung zur Mitwirkung vom 13. Mai 2019 als auch diejenige zur Laboruntersuchung vom 10. Mai 2019 erhalten habe, aber dem Termin für die Urinprobe am 17. Mai 2019 unentschuldigt ferngeblieben sei. Das Mahnverfahren sei korrekt durchgeführt worden. Die Ablehnung des Anspruchs auf berufliche Massnahmen war nach Ansicht des kantonalen Gerichts daher nicht zu beanstanden. 
 
6.   
Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, es hätten ihm als Bedenkzeit nicht einmal drei Tage zur Verfügung gestanden. Zudem macht er einen Anspruch auf ein externes polydisziplinäres Gutachten geltend. Schliesslich sei die Aufforderung zur Abstinenz auch deshalb unzulässig gewesen, weil nicht erstellt sei, dass sein Cannabiskonsum zur Selbstmedikation die Arbeitsfähigkeit überhaupt beeinträchtige. 
 
7.  
 
7.1. Der RAD lud den Versicherten mit Schreiben vom 10. Mai 2019 zur Laboruntersuchung auf den 17. Mai 2019 ein. Es wurde gemäss Briefkopf per A-Post verschickt. Die Aufforderung zur Mitwirkung der Eingliederungsfachperson datiert vom Montag, 13. Mai 2019, und soll per Einschreiben versendet worden sein. Sie erfolgte, nachdem der Beschwerdeführer auch ihrer Einladung zu einer Besprechung der RAD-Untersuchung sowie des weiteren Vorgehens auf den selben Tag unentschuldigt nicht erschienen war.  
 
7.2. Im Schreiben vom 13. Mai 2019 wies die IV-Stelle den Versicherten darauf hin, dass von ihm die Aufnahme einer Therapie bei seinem Hausarzt beziehungsweise einem von diesem bestimmten Facharzt, wie zwischen RAD und Hausarzt besprochen, sowie eine dreimonatige, vom RAD zu kontrollierende Cannabisabstinenz erwartet werde. Eine feste Frist, um diese Massnahmen zu bedenken, wurde ihm in der Aufforderung vom 13. Mai 2019 nicht gesetzt. Es ist indessen unbestritten geblieben, dass der Beschwerdeführer weder den Laborkontroll- noch den Gesprächstermin vom 13. beziehungsweise 17. Mai 2019 wahrnahm, ohne sich zu entschuldigen. Auch danach nahm er keinerlei Kontakt auf. Selbst auf den Vorbescheid vom 27. Mai 2019 reagierte er nicht. Erst am 15. Juli 2019, also eine Woche nachdem die IV-Stelle (am 8. Juli 2019) die Ablehnung des Anspruchs auf berufliche Massnahmen verfügt hatte, meldete er sich per E-Mail. Sein Einwand, dass ihm nicht genügend Zeit eingeräumt worden sei, um sich über die Tragweite der von der IV-Stelle verlangten Therapie mit vorübergehender Abstinenz klar zu werden beziehungsweise um sich ärztlich und juristisch beraten zu lassen, verfängt daher nicht. Inwiefern die Vorinstanz mit der Bestätigung der Ablehnung des Anspruchs auf berufliche Massnahmen Bundesrecht verletzt hätte, ist nicht erkennbar. Dies gilt sowohl hinsichtlich der nach Art. 43 Abs. 2 ATSG zu beachtenden Bedenkzeit als auch insoweit, als nach dieser Bestimmung bei fehlender Mitwirkung ein Entscheid gestützt auf die bis dahin vorliegenden Akten zulässig ist. Die Rüge des Beschwerdeführers, es hätte über die beruflichen Massnahmen nicht ohne Einholung eines polydisziplinären versicherungsexternen Gutachtens verfügt werden dürfen, ist unbehelflich.  
 
7.3. Der Beschwerdeführer rügt, die angeordnete Massnahme sei unverhältnismässig.  
Weshalb die von der IV-Stelle verfügte Auferlegung einer vorübergehenden Abstinenz vom nachgewiesenen missbräuchlichen Cannabiskonsum im Rahmen der medizinischen Abklärung der Anspruchsberechtigung aus diesem Grund unzulässig gewesen sein sollte, lässt sich nicht ersehen. Es wird nicht bestritten, dass ein Suchtgeschehen, das seinerseits auf eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit hin zu untersuchen wäre und der Anordnung einer Entzugsbehandlung praxisgemäss entgegenstünde, hier nicht zur Frage steht (vgl. SVR 2020 IV Nr. 11 S. 41, 9C_309/2019 E. 4.2.2). Hingegen wäre gerade die Arbeitsfähigkeit und damit auch die Frage, ob diese möglicherweise (allein oder zusätzlich) durch den nicht suchtbedingten Cannabiskonsum eingeschränkt werde, mit Blick auf einen allfälligen Anspruch auf berufliche Massnahmen zu klären gewesen. Was das vom Beschwerdeführer eingenommene Cannabisöl zur Linderung seiner mit der posttraumatischen Belastungsstörung verbundenen Schlafstörung betrifft, wird eine erst ab 16. März 2020 gültige Ausnahmebewilligung des Bundesamts für Gesundheit aufgelegt, die als unzulässiges Novum unbeachtlich bleibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Es ist daher nicht weiter auf die Frage einzugehen, ob auch der darin enthaltene Wirkstoff die Arbeitsfähigkeit zu beeinträchtigen vermag. 
 
8.   
Es wird schliesslich geltend gemacht, dass die IV-Stelle den Beschwerdeführer zu Unrecht wegen eines einmaligen Fristversäumnisses mit einer sechs- beziehungsweise neunmonatigen Frist sanktioniert habe, bis überhaupt auf ein erneutes Gesuch eingetreten werde. Eine entsprechende Nichteintretensverfügung ist hier indessen nicht Streitgegenstand, weshalb auch insoweit auf die Beschwerde nicht einzutreten ist. Der Versicherte legt letztinstanzlich ein Schreiben der IV-Stelle vom 21. April 2020 (E-Mail) auf. Selbst wenn die IV-Stelle damit bekräftigt haben sollte, dass sie, wie in der Verfügung vom 8. Juli 2019 in Aussicht gestellt, auf ein neues Gesuch innerhalb der nächsten sechs Monate nicht eintreten werde, bleibt dieses Beweismittel als unzulässiges Novum unbeachtlich (Art. 99 Abs. 1 BGG). Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass praxisgemäss bei einer Neuanmeldung nach vorausgegangener Verweigerung eines Rentenanspruchs (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2 S. 72) die Grundsätze zur Rentenrevision nach Art. 17 ATSG analog anzuwenden sind (BGE 130 V 71 E. 3.1 S. 73; 117 V 198 E. 3a). Dies gilt wiederum analog auch dann, wenn es um Eingliederungsleistungen geht (BGE 130 V 64 E. 2 S. 66; 109 V 119 E. 3a S. 122). Die IV-Stelle wird bei einem neuen Gesuch also von Gesetzes wegen gehalten sein zu prüfen, ob seit der letzten rechtskräftigen Verfügung eine anspruchserhebliche Veränderung, hier auch hinsichtlich der Bereitschaft zur Mitwirkung an den erforderlichen Abklärungen, eingetreten sei (BGE 134 V 131 E. 3 S. 132 f.; 133 V 108; 130 V 71). 
 
9.   
Zusammengefasst ist die vorinstanzliche Bestätigung der Ablehnung des Anspruchs auf berufliche Massnahmen mangels Mitwirkung des Beschwerdeführers im Rahmen der medizinischen Abklärung der für die Anspruchsberechtigung vorausgesetzten Arbeitsunfähigkeit beziehungsweise der dafür vorab erforderlichen Psychotherapie unter Cannabisabstinenz nicht bundesrechtswidrig. 
 
10.   
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen Verbeiständung, Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 BGG) kann gewährt werden. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwältin Dr. Beatrice Gurzeler wird als unentgeltliche Anwältin bestellt. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.   
Der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. September 2020 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Maillard 
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo