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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5C.128/2005 /blb 
 
Urteil vom 21. Juni 2005 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Parteien 
X.________, 
Berufungsklägerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Buttliger, 
 
gegen 
 
Obergericht des Kantons Aargau, Kammer für Vormundschaftswesen als zweitinstanzliche vormundschaftliche Aufsichtsbehörde, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau. 
 
Gegenstand 
Obhutsentziehung, 
 
Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Kammer für Vormundschaftswesen als zweitinstanzliche vormundschaftliche Aufsichtsbehörde, vom 15. April 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Nachdem das Obergericht des Kantons Aargau, Kammer für Vormundschaftswesen als zweitinstanzliche Aufsichtsbehörde, die vier Kinder von X.________ am Vortag angehört hatte, ordnete es mit Urteil vom 13. August 2004 betreffend die beiden Söhne A.________ und B.________ den Entzug der Obhut und die Errichtung einer Beistandschaft an. Zu dessen Umsetzung ordnete die Vormundschaftsbehörde V.________ mit superprovisorischer Präsidialverfügung vom 10. September 2004 die Unterbringung der beiden Knaben im Waisenhaus W.________ an. Am 15. September 2004 wurden die Kinder der Anstalt übergeben. Mit Urteil vom 19. November 2004 wies das Bundesgericht die gegen das Urteil vom 13. August 2004 gerichtete Berufung ab (Verfahren 5C.216/2004). 
 
Im Rahmen ihrer Anhörung zur superprovisorischen Verfügung vom 10. September 2004 verlangte X.________ die Übertragung der vormundschaftlichen Verfahren an die Gemeinde G.________, wo sie in der Zwischenzeit Wohnsitz genommen hatte, sowie die Aufhebung der Fremdplatzierung der Knaben. Mit Entscheid vom 27. September 2004 ordnete die Vormundschaftsbehörde V.________ deren Umplatzierung bzw. Belassung im Waisenhaus W.________ an, erklärte sich für die Sache als vorläufig weiterhin zuständig und wies das Gesuch um Aufhebung der Fremdplatzierung ab. Mit Entscheid vom 23. November 2004 wies das Bezirksamt Kulm die hiergegen erhobene Beschwerde von X.________ ab. Wegen des zwischenzeitlich ergangenen bundesgerichtlichen Entscheids 5C.216/2004 ersetzte das Obergericht in seinem Urteil vom 10. Januar 2005 die vorinstanzliche Abweisung durch ein Nichteintreten und wies seinerseits die Beschwerde gegen den Entscheid des Bezirksamts ab. Dagegen hat X.________ sowohl Berufung (5C.59/2005) als auch staatsrechtliche Beschwerde (5P.84/2005) erhoben. 
B. 
Mit Eingabe vom 7. Januar 2005 verlangte X.________ bei der Vormundschaftsbehörde V.________ erneut die Aufhebung des Obhutsentzugs. Darauf trat die Vormundschaftsbehörde mit Beschluss vom 11. Januar 2005 nicht ein. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Bezirksgericht Kulm mit Verfügung vom 11. Februar 2005 ab. Gegen diesen Entscheid erhob X.________ am 4. März 2005 Beschwerde ans Obergericht, welches diese mit Urteil vom 15. April 2005 abwies. Gleichzeitig stellte das Obergericht in Aussicht, dass es weitere Eingaben betreffend den rechtskräftigen Obhutsentzug ohne materielle Behandlung ablegen werde. 
C. 
Dagegen hat X.________ mit Eingabe vom 17. Mai 2005 Berufung und staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Sie verlangt im Wesentlichen die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Rückübertragung der Obhut. Sodann hat sie ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Es wurden keine Antworten bzw. Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Berufungsklägerin hat ihre staatsrechtliche Beschwerde und Berufung als "Einheitsbeschwerde" eingereicht. Dem in Kraft stehenden Bundesrechtspflegegesetz (OG, SR 173.110) ist eine solche "Einheitsbeschwerde" fremd, und nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichts dürfen die Rechtsmittel der Berufung und der staatsrechtlichen Beschwerde nicht in einer einzigen Eingabe verbunden werden, weil sie unterschiedlichen Verfahrensregeln unterstehen und sich auch nach der Begründung, die das Gesetz für sie zulässt, deutlich unterscheiden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz rechtfertigt sich immerhin, soweit die beiden Rechtsmittel in der Eingabe äusserlich und inhaltlich klar getrennt sind (vgl. BGE 115 II 396 E. 2a; 120 III 64 E. 2). 
 
Der vorliegend eingereichte Schriftsatz genügt dem Erfordernis, die jeweiligen Rügen gesondert vorzutragen. Hingegen stellt sich die Frage, ob die Rechtsmittel nicht mangels getrennt gestellter Rechtsbegehren unzulässig sind; sie kann jedoch offen gelassen werden, weil ohnehin (auch) aus anderen Gründen auf keines der beiden Rechtsmittel eingetreten werden kann. 
2. 
Die Berufungsklägerin verlangt die Rückübertragung der Obhut über die beiden im Waisenhaus W.________ platzierten Knaben A.________ und B.________ und stützt dieses Begehren auf Art. 313 ZGB, den sie durch den angefochtenen Entscheid als verletzt betrachtet. 
 
Nicht einzutreten ist auf die Berufung zunächst, soweit die Berufungsklägerin ihr Begehren mit einer - ohnehin nur vage angedeuteten (die Knaben fühlten sich im Waisenhaus nicht wohl und insbesondere der ältere sei reifer geworden) - Veränderung der Verhältnisse begründet. Diese sind als Tatfrage nicht berufungsfähig; vielmehr sind die Sachverhaltsfeststellungen der letzten kantonalen Instanz für das Bundesgericht im Berufungsverfahren verbindlich (vgl. Art. 63 Abs. 2 OG). Aus diesen ergibt sich nichts, was auf veränderte Verhältnisse hindeuten würde und damit allenfalls geeignet wäre, eine Verletzung von Art. 313 ZGB zu begründen. Allfällige Aktenwidrigkeiten sowie willkürliche oder unterlassene Sachverhaltsfeststellungen wären sodann mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen. 
3. 
Die Berufungsklägerin kritisiert ferner, B.________ und A.________ seien vor über einem Jahr letztmals von der Vormundschaftsbehörde angehört worden. 
 
Nach der Aktenlage wurden die beiden Knaben letztmals vom Obergericht an der Verhandlung vom 12. August 2004 im Zusammenhang mit dem Entzug der Obhut angehört. Dem nunmehr angefochtenen obergerichtlichen Entscheid liegt der Nichteintretensentscheid der Vormundschaftsbehörde V.________ vom 11. Januar 2005 zugrunde. Die Berufungsklägerin müsste demnach im Rahmen ihrer Begründungspflicht gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. c OG darlegen, welche Norm des Bundesrechts und inwiefern diese geboten hätte, die Knaben nach vier Monaten erneut anzuhören. Diesen Begründungsanforderungen vermögen die Ausführungen der Berufungsklägerin nicht ansatzweise zu genügen, weshalb auf das Vorbringen nicht eingetreten werden kann. Im Übrigen legt die Berufungsklägerin auch nicht dar, dass und inwiefern sie die Anhörung der beiden Knaben bereits im kantonalen Verfahren verlangt hätte. 
4. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass auf die Berufung nicht eingetreten werden kann. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, muss sie als von Anfang an aussichtslos bezeichnet werden, weshalb das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren abzuweisen ist. Zufolge Nichteintretens auf die Berufung ist der Berufungsklägerin eine reduzierte Gerichtsgebühr aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Auf die Berufung wird nicht eingetreten. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Der Berufungsklägerin wird die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und der Vormundschaftsbehörde V.________ schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 21. Juni 2005 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: