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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
7B.65/2003 /bnm 
 
Urteil vom 26. Juni 2003 
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Escher, Präsidentin, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl, 
Gerichtsschreiber Gysel. 
 
Parteien 
1. Pensionskasse X.________, 
2. Pensionskasse Y.________, 
Beschwerdeführerinnen, 
beide vertreten durch die Advokaten Gabriel Nigon und Dr. Alexander Zürcher, Marktplatz 18, Postfach, 4001 Basel, 
 
gegen 
 
Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt, Bäumleingasse 5, Postfach 964, 4001 Basel. 
 
Gegenstand 
Aufnahme einer Retentionsurkunde, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 20. Februar 2003. 
 
Die Kammer zieht in Erwägung: 
1. 
Mit Eingabe vom 10. Januar 2003 reichten die Pensionskasse X.________ und die Pensionskasse Y.________ beim Betreibungsamt des Kantons Basel-Stadt für fälligen Mietzins von Fr. 798'636.35 (für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. März 2003) und laufenden Mietzins von Fr. 1'251'113.30 (für die Zeit vom 1. April 2003 bis zum 30. Juni 2003) ein gegen die Z.________ AG in provisorischer Nachlassstundung gerichtetes Begehren um Aufnahme eines Retentionsverzeichnisses in den gemieteten Räumen in A.________ ein. 
 
Das Betreibungsamt stellte noch am 10. Januar 2003 für den fälligen Mietzins eine Retentionsurkunde aus und liess die Retentionsgläubigerinnen mit Schreiben vom 13. Januar 2003 bezüglich des künftigen Zinses wissen, dass sie die nach der Rechtsprechung erforderliche konkrete und unmittelbare Gefahr der Wegschaffung der Gegenstände nicht glaubhaft gemacht hätten und ihrem Begehren insofern deshalb nicht stattgegeben werden könne. 
 
Die Pensionskasse X.________ und die Pensionskasse Y.________ führten bei der Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt Beschwerde mit dem Begehren, das Betreibungsamt anzuweisen, auch für den Zins für die Monate April 2003 bis Juni 2003 (Fr. 1'251'113.30) eine Retentionsurkunde aufzunehmen. 
 
Mit Urteil vom 20. Februar 2003 wies die kantonale Aufsichtsbehörde die Beschwerde ab. 
 
Die Pensionskasse X.________ und die Pensionskasse Y.________ nahmen diesen Entscheid am 7. März 2003 in Empfang. Mit einer vom 17. März 2003 datierten und noch am gleichen Tag zur Post gebrachten Eingabe führen sie (rechtzeitig) Beschwerde an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts und erneuern das im kantonalen Verfahren gestellte Begehren. 
 
 
 
 
 
 
 
Die kantonale Aufsichtsbehörde hat auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde verzichtet. Die Z.________ AG in Nachlassstundung schliesst auf Abweisung der Beschwerde, und das Betreibungsamt hat sich nicht vernehmen lassen. 
2. 
2.1 Der Vermieter von Geschäftsräumen hat ein Retentionsrecht an den beweglichen Sachen in den vermieteten Räumen, die zu deren Einrichtung oder Benutzung gehören (Art. 268 Abs. 1 OR). Zur einstweiligen Wahrung dieses Rechts kann er die Hilfe des Betreibungsamtes in Anspruch nehmen und die Aufnahme eines Verzeichnisses der vom Retentionsrecht erfassten Gegenstände verlangen (Art. 283 Abs. 1 und 3 SchKG). 
2.2 Schon im Zeitpunkt der Einreichung des Begehrens um Aufnahme einer Retentionsurkunde war der Z.________ AG (Retentionsschuldnerin) die provisorische Nachlassstundung bewilligt worden. Diese Tatsache stand einer allfälligen Gutheissung des Begehrens grundsätzlich jedoch nicht entgegen: Wohl ist zu bedenken, dass die Einleitung der zur Prosekution des Retentionsverzeichnisses erforderlichen Betreibung auf (Fahrnis-)Pfandverwertung (Art. 283 Abs. 3 SchKG) während der Stundung ausgeschlossen ist (Art. 297 Abs. 1 und 2 SchKG). Indessen ist nicht bereits in der Einreichung des Betreibungsbegehrens die verpönte Einleitung zu erblicken. Die Betreibung beginnt vielmehr erst mit der Zustellung des Zahlungsbefehls (Art. 38 Abs. 2 SchKG). Das während hängiger Nachlassstundung gestellte Betreibungsbegehren ist vom Betreibungsamt zu protokollieren und gegebenenfalls nach dem Wegfall der Stundung zu vollziehen (BGE 50 III 7 S. 9; vgl. auch den Entscheid der Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Solothurn vom 26. November 1975, auszugsweise veröffentlicht in: SOG 1975 S. 22 Nr. 15 und SJZ 72/1976 S. 266 Nr. 82; Franz Studer, Das Retentionsrecht in der Zwangsvollstreckung, Diss. Zürich 2000, S. 170 f. Rz. 417). 
3. 
3.1 Das Retentionsrecht dient der Deckung eines verfallenen Jahreszinses und des laufenden Halbjahreszinses (Art. 268 Abs. 1 OR). Zur Sicherung des laufenden, noch nicht fälligen Zinses darf das Retentionsverzeichnis allerdings nur aufgenommen werden, wenn der Vermieter oder Verpächter eine unmittelbare Gefährdung seines Rechts, d.h. Anzeichen dafür glaubhaft macht, dass der Mieter wegzuziehen oder die sich in den gemieteten Räumlichkeiten befindenden Sachen fortzuschaffen gedenkt (vgl. Art. 268b Abs. 1 OR; BGE 97 III 43 E. 2 S. 45; Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. II, 3. Aufl., § 63 Anm. 13; Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl., § 34 Rz. 11; Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. Aufl., N. 4 zu Art. 283 SchKG). 
3.2 Unter Berufung auf BGE 97 III 43 (E. 3 S. 46) erklärt die kantonale Aufsichtsbehörde, dass für die Abgrenzung zwischen verfallenem und laufendem Zins auf den letzten Zinstermin vor Einreichung des Begehrens um Aufnahme des Retentionsverzeichnisses abzustellen sei. Was davor liege, gehöre zum verfallenen (Jahres-), was folge, zum laufenden (Halbjahres-)Zins. Der hier massgebende Zinstermin sei der 1. Januar 2003 gewesen, so dass die Mietzinse für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2002 zu den verfallenen zu zählen seien. Da sich das Begehren der Beschwerdeführerinnen ausschliesslich auf die Zeit nach dem 1. Januar 2003 beziehe, strebe es einzig eine Absicherung des laufenden bzw. künftigen Halbjahreszinses an. Das Betreibungsamt habe eingeräumt, dass es bei der Beurteilung des Retentionsgesuchs (und dessen Gutheissung für das erste Quartal 2003) fälschlicherweise angenommen habe, es gehe um einen Teil des verfallenen Jahreszinses. Auf Grund ihrer Darlegungen hält die Vorinstanz weiter fest, dass die Beschwerdeführerinnen nicht nur für das zweite Quartal 2003, sondern auch für das erste eine konkrete unmittelbare Gefährdung des Retentionsrechts durch eine Wegschaffung der in Frage stehenden Gegenstände hätten glaubhaft machen müssen. Indessen habe die Beschwerdegegnerin das aufgenommene Retentionsverzeichnis nicht beanstandet und bestehe kein Anlass, dieses von Amtes wegen aufzuheben. 
 
Die kantonale Aufsichtsbehörde hält schliesslich dafür, dass keine Umstände vorlägen, die im gegenwärtigen Zeitpunkt eine bevorstehende Wegschaffung der in die Mieträume eingebrachten Gegenstände ernstlich befürchten liessen. Derartige Hinweise könnten nicht schon darin gesehen werden, dass mit grosser Wahrscheinlichkeit Unternehmensteile der Z.________ AG zum Verkauf gelangen dürften. Es sei durchaus denkbar, dass in einem solchen Fall auch die bestehenden Mietverträge samt den ausstehenden Verpflichtungen übernommen würden. Angesichts der vermieteten Fläche von über 15'000 m2 sei zudem nicht vorstellbar, dass die Mieterin in grösserem Umfang unbemerkt Gegenstände entfernen könnte. Die Beschwerdeführerinnen könnten deshalb in einem solchen Fall zu gegebener Zeit ohne weiteres die Aufnahme eines Retentionsverzeichnisses verlangen. 
3.3 Die Beschwerdeführerinnen sind der Ansicht, die Rechtsprechung des Bundesgerichts zur Abgrenzung zwischen verfallenem und laufendem Zins sei mit dem Wortlaut von Art. 268 Abs. 1 OR nicht vereinbar, höhle das mietrechtliche Retentionsrecht aus und führe zu sachwidrigen Ergebnissen, indem sie insbesondere die Unterschiede zwischen Praenumerando- und Postnumerando-Vereinbarungen ausser Acht lasse. Als Folge ihrer abweichenden Betrachtungsweise halten sie fest, die Periode des verfallenen Jahreszinses erstrecke sich hier auf die Zeit vom 1. April 2002 bis zum 31. März 2003. 
 
Diese Ausführungen der Beschwerdeführerinnen stossen insofern von vornherein ins Leere, als das Betreibungsamt zur Sicherung des Mietzinses für die Zeit bis zum 31. März 2003 (ohne Prüfung einer Gefährdung) ein Retentionsverzeichnis aufgenommen hat und dieses auf Grund des angefochtenen Entscheids bestehen bleibt. 
3.4 Auch die Beschwerdeführerinnen selbst gehen sodann davon aus, dass es bezüglich des zweiten Quartals 2003 um das Retentionsrecht für künftigen (laufenden) Mietzins geht. Sie halten unter Berufung auf Peter Higi (Zürcher Kommentar, N. 78 zu Art. 268-268b OR) und auf Anton K. Schnyder/M. Andreas Wiede (Kommentar zum SchKG, Basel 1998, N. 53 f. zu Art. 283 SchKG) indessen dafür, sie hätten für die Aufnahme eines Retentionsverzeichnisses zur Sicherung dieses Zinses keine besondere Gefährdung ihres Rechts nachzuweisen, da dieser (künftige) Zins unmittelbar an den (nach ihrer Betrachtungsweise) als verfallen zu qualifizierenden Zins für das erste Quartal anschliesse (für den das Betreibungsamt - wenn auch auf Grund eines Irrtums - ein Retentionsverzeichnis errichtet hat); der Umstand, dass der Mieter mit seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen im Rückstand sei, beweise ausreichend, dass die Einbringlichkeit der Mietzinse auch künftig in Frage stehe. 
 
Diesen Vorbringen ist nicht beizupflichten: Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ergibt sich aus dem darin ebenfalls angerufenen BGE 97 III 43 ff. keineswegs, dass eine Gefährdung "der vermieterischen Ansprüche" nur dann belegt werden müsste, wenn die Aufnahme eines Retentionsverzeichnisses ausschliesslich für künftigen Mietzins verlangt wird (vgl. BGE 97 III 43 E. 2 S. 45; dazu auch Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, a.a.O., N. 6 zu Art. 283 SchKG, die ausdrücklich bemerken, das Betreibungsamt habe sich, unabhängig davon, ob das Retentionsrecht für einen laufenden Mietzins allein oder in Verbindung mit verfallenem Zins beansprucht werde, darüber zu vergewissern, ob die in Frage stehenden Gegenstände fortgeschafft werden wollten). Die Beschwerdeführerinnen verkennen, dass es um die Gefährdung des Retentionsrechts, d.h. darum geht, ob die Wegschaffung der haftenden Gegenstände droht (vgl. Art. 268b Abs. 1 OR; BGE 97 III 43 E. 2 S. 45), und nicht um die Gefahr für die Einbringlichkeit der (künftigen) Mietzinsansprüche. Ihre Vorbringen zur Zahlungsfähigkeit und zum Zahlungswillen der Beschwerdegegnerin stossen deshalb ins Leere. 
 
Unbehelflich sind die Ausführungen der Beschwerdeführerinnen schliesslich auch insoweit, als der Verneinung der erforderlichen Gefährdung durch die Vorinstanz der Umstand entgegenhalten wird, dass der Beschwerdegegnerin eine (provisorische) Nachlassstundung bewilligt wurde. Es ist zu bemerken, dass die Geschäftstätigkeit des Nachlassschuldners unter der Aufsicht des Sachwalters steht (Art. 298 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 293 Abs. 4 SchKG) und die als Retentionsobjekte in Frage kommenden Gegenstände somit nicht ohne weiteres verkauft werden können und dass der Sachwalter für die Wahrung der Interessen der Retentionsberechtigten zu sorgen hat (dazu BGE 50 III 7 S. 10). 
 
Demnach erkennt die Kammer: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, der Firma W.________ als Sachwalterin der Z.________ AG in Nachlassstundung, dem Betreibungsamt des Kantons Basel-Stadt und der Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 26. Juni 2003 
Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: