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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 133/02 
 
Urteil vom 17. Juli 2003 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber Nussbaumer 
 
Parteien 
S.________, 1955, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Klein, Malzgasse 18, 4052 Basel, 
 
gegen 
 
Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt, Hochstrasse 37, 4053 Basel, Beschwerdegegnerin 
Vorinstanz 
Kantonale Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt, Basel 
 
(Entscheid vom 4. April 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der Grenzgänger S.________ war als Kraftfahrer im Fernverkehr für die D.________ GmbH in X.________ tätig. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2000 liess er durch seinen Rechtsvertreter seit April 2000 ausstehende Lohn- und Spesenzahlungen mahnen mit einer Zahlungsfrist bis 8. Januar 2001, ansonsten das Arbeitsverhältnis auf diesen Zeitpunkt hin fristlos gekündigt werde. Am 9. Januar 2001 erklärte er das Arbeitsverhältnis als per 8. Januar 2001 fristlos aufgelöst. Mit Schreiben vom 23. Januar 2001 liess er für den Zeitraum von April 2000 bis Januar 2001 eine Lohnforderung von Fr. 34 700.- sowie einen Anspruch für Spesen von Fr. 11 766.10 geltend machen. Nach zwei telefonischen Kontakten seines Rechtsvertreters mit der Arbeitgeberin am 22. Februar und am 19. März 2001 reichte er am 31. August 2001 das Betreibungsbegehren über die ausstehende Forderung ein. Mit Entscheid vom 18. Oktober 2001 eröffnete das Zivilgericht Basel-Stadt aufgrund des Konkursbegehrens eines seiner Arbeitskollegen über die D.________ GmbH den Konkurs. Mit Eingabe vom 29. November 2001 stellte daraufhin S.________ einen Antrag auf Insolvenzentschädigung. Mit Verfügung vom 17. Dezember 2001 lehnte die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt dieses Begehren ab, weil der Versicherte seine ausstehenden Lohnforderungen nicht innert nützlicher Frist gegenüber seiner Arbeitgeberin geltend gemacht hatte. 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die Kantonale Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt (nunmehr: Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt) mit Entscheid vom 4. April 2002 ab. 
C. 
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Kassenverfügung sei die Arbeitslosenkasse anzuweisen, ihm Insolvenzentschädigung auszurichten. 
Die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt schliesst sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Vorinstanz und Staatssekretariat für Wirtschaft verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit ihm sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung geändert worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1), und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 17. Dezember 2001) eingetretenen Sachverhalt abstellt (BGE 121 V 366 Erw. 1b), sind im vorliegenden Fall die bis zum 31. Dezember 2002 geltenden materiellrechtlichen Bestimmungen anwendbar. Anders verhält es sich mit den verfahrensrechtlichen Bestimmungen. Diese sind mangels gegenteiliger Übergangsbestimmungen mit dem Tag des Inkrafttretens sofort und in vollem Umfang anwendbar (Urteil E. vom 20. März 2003, I 238/02, mit Hinweis auf BGE 117 V 93 Erw. 6b, 112 V 360 Erw. 4a und RKUV 1998 Nr. KV 37 S. 316 Erw. 3b). Die im ATSG enthaltenen und die gestützt darauf in den Spezialgesetzen auf den 1. Januar 2003 geänderten Verfahrensbestimmungen gelangen daher bereits vorliegend zur Anwendung. 
2. 
2.1 Gemäss Art. 51 Abs. 1 lit. a AVIG haben beitragspflichtige Arbeitnehmer von Arbeitgebern, die in der Schweiz der Zwangsvollstreckung unterliegen oder in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen, Anspruch auf Insolvenzentschädigung, wenn gegen ihren Arbeitgeber der Konkurs eröffnet wird und ihnen in diesem Zeitpunkt Lohnforderungen zustehen. Die Insolvenzentschädigung deckt nach Art. 52 Abs. 1 AVIG (in der seit 1. September 1999 gültigen, hier anwendbaren Fassung) Lohnforderungen für die letzten vier Monate des Arbeitsverhältnisses, für jeden Monat jedoch nur bis zum Höchstbetrag nach Art. 3 Abs. 1 AVIG; als Lohn gelten auch die geschuldeten Zulagen. 
 
Wird über den Arbeitgeber der Konkurs eröffnet, so muss der Arbeitnehmer gemäss Art. 53 AVIG seinen Entschädigungsanspruch spätestens 60 Tage nach der Veröffentlichung des Konkurses im Schweizerischen Handelsamtsblatt bei der öffentlichen Kasse stellen, die am Ort des Betreibungs- und Konkursamtes zuständig ist (Abs. 1). Bei Pfändung des Arbeitgebers muss der Arbeitnehmer seinen Entschädigungsanspruch innert 60 Tagen nach dem Pfändungsvollzug geltend machen (Abs. 2). Mit dem Ablauf dieser Fristen erlischt der Anspruch auf Insolvenzentschädigung (Abs. 3). 
 
Nach Art. 55 Abs. 1 AVIG muss der Arbeitnehmer im Konkurs- oder Pfändungsverfahren alles unternehmen, um seine Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber zu wahren, bis die Kasse ihm mitteilt, dass sie an seiner Stelle in das Verfahren eingetreten ist. Danach muss er die Kasse bei der Verfolgung ihres Anspruchs in jeder zweckdienlichen Weise unterstützen. 
2.2 Der früheren Rechtsprechung zufolge bestand in denjenigen Fällen, in welchen die Konkurseröffnung oder die Einreichung des Pfändungsbegehrens nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt, Anspruch auf Insolvenzentschädigung unter der kumulativen Voraussetzung, dass die Insolvenz des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses schon bestanden und sich die Konkurseröffnung bzw. die Einreichung des Pfängungsbegehrens aus Gründen verzögert hat, auf die die versicherte Person keinen Einfluss nehmen konnte (BGE 114 V 59 Erw. 3d). Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht in dem in SZS 2001 S. 92 ff. zusammengefassten Urteil B. vom 18. Februar 2000 (C 362/98) entschieden hat, wird daran insoweit nicht festgehalten, als ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung auch dann gegeben sein kann, wenn die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers erst nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses eintritt. Unverändert gilt die bisherige zweite Voraussetzung, wonach sich die Konkurseröffnung bzw. die Einreichung des Pfändungsbegehrens aus Gründen verzögert haben muss, auf welche die versicherte Person keinen Einfluss nehmen konnte. Im Rahmen dieses Erfordernisses ist praxisgemäss Art. 55 Abs. 1 AVIG zu beachten, nach dessen erstem Satz - als Ausdruck der allgemeinen Schadenminderungspflicht - der Arbeitnehmer im Konkurs- oder Pfändungsverfahren alles unternehmen muss, um seine Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber zu wahren. Ein Anspruch auf Insolvenzentschädigung entfällt daher, wenn der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin vor (ARV 2002 Nr. 30 S. 190) oder nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Lohnansprüche nicht innert nützlicher Frist geltend macht (BGE 114 V 60 Erw. 4). In dem in ARV 1999 Nr. 24 S. 140 ff. veröffentlichten Urteil C. vom 25. Juni 1998 (C 183/97) hat das Eidgenössische Versicherungsgericht festgestellt, dass ein Versicherter, dessen Arbeitsverhältnis lange vor dem Konkurs des Arbeitgebers beendigt worden ist und der mehr als ein Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuwartet, um ausstehende Löhne geltend zu machen, den Anspruch auf Insolvenzentschädigung verliert. In dem in ARV 2002 Nr. 8 S. 62 ff. publizierten Urteil C. vom 4. September 2001 (C 91/01) erachtete es ein Zuwarten von drei Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits als Verletzung der Schadenminderungspflicht. 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer war für die D.________ GmbH als Kraftfahrer im Fernverkehr tätig und hatte nach seiner Darstellung bis Ende März 2000 den Lohn erhalten. Den von diesem Zeitpunkt an ausstehenden Lohn samt Spesen liess er durch seinen Rechtsvertreter mit Schreiben vom 20. Dezember 2000 geltend machen und der Arbeitgeberin eine Zahlungs- und Sicherstellungsfrist bis 8. Januar 2001 ansetzen, ansonsten das Arbeitsverhältnis auf diesen Zeitpunkt hin fristlos gekündigt werde. Am 9. Januar 2001 bestätigte sein Rechtsvertreter die fristlose Auflösung des Arbeitsverhältnisses per 8. Januar 2001. Die Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag bezifferte er gegenüber der Arbeitgeberin mit Schreiben vom 23. Januar 2001 auf Fr. 34 700.- Lohn und Fr. 11 766.10 Spesen und ersuchte um Überweisung bis spätestens 31. Januar 2001. Am 22. Februar und am 19. März 2001 hatte er mit der Arbeitgeberin in der Angelegenheit telefonischen Kontakt, wobei es u.a. um die Höhe der Ratenzahlungen ging. Am 31. August 2001 reichte er schliesslich für den Beschwerdeführer das Betreibungsbegehren über die ausstehende Forderung ein. 
3.2 Zuvor hatte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bereits am 14. Dezember 2000 für einen Arbeitskollegen des Beschwerdeführers gestützt auf ein Urteil des Gewerblichen Schiedsgerichts Basel-Stadt vom 13. November 2000 die Betreibung gegen die Arbeitgeberin eingeleitet und am 8. Februar 2001 die Fortsetzung der Betreibung verlangt. Am 30. März 2001 setzte das Zivilgericht Basel-Stadt auf den 26. April 2001 die Verhandlung über die Konkurseröffnung an. Am 26. April 2001 bezahlte die Arbeitgeberin dem andern Arbeitnehmer einen Betrag von Fr. 8000.- an die insgesamt ausstehende Forderung und verpflichtete sich, den Rest von Fr. 6448.55 bis zum 10. Mai 2001 zu begleichen. Gestützt darauf zog der Arbeitskollege das Konkursbegehren einstweilen zurück. Nachdem die Arbeitgeberin den vereinbarten Zahlungstermin und zwei zusätzliche Fristen nicht eingehalten hatte, stellte der gemeinsame Rechtsvertreter am 15. Juni 2001 für den Arbeitskollegen wiederum das Konkursbegehren. Dieses Konkursbegehren konnte der Schuldnerin weder auf postalischem Wege noch durch die Polizei zugestellt werden, sodass mit Ediktalzitation vom 5. Oktober 2001 auf den 18. Oktober 2001 zur Verhandlung betreffend Konkurseröffnung vorgeladen werden musste. An diesem Tag wurde in der Folge durch das Zivilgericht Basel-Stadt über die Arbeitgeberin der Konkurs eröffnet. 
3.3 Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer seiner Schadenminderungspflicht während des Arbeitsverhältnisses nachgekommen ist (vgl. ARV 2002 Nr. 30 S. 190), indem er seinen Lohn samt Spesen sowie gestützt auf Art. 337a OR deren Bezahlung und Sicherstellung verlangt hatte. Nach der fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses per 8. Januar 2001 machte sein Rechtsvertreter am 23. Januar 2001 schriftlich die Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis geltend. Ferner hatte dieser am 22. Februar und am 19. März 2001 telefonisch mit der Arbeitgeberin Kontakt. Schliesslich stellte er am 31. August 2001 für den Beschwerdeführer das Betreibungsbegehren. Diese Vorgehensweise kann entgegen der Auffassung der Arbeitslosenkasse und der Vorinstanz nicht als zu langes Zuwarten und damit als Verletzung der Pflicht zur Geltendmachung der Lohnansprüche innert nützlicher Frist betrachtet werden. Zwar wurde in ARV 2002 Nr. 8 S. 62, auf welchen die Beschwerdegegnerin in der Vernehmlassung hinweist, eine Pflichtverletzung bejaht bei einem Versicherten, der drei Monate nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses seine Lohnforderungen immer noch nicht gestellt hatte und auf die Konkurseröffnung warten wollte. Im vorliegenden Fall verhält sich die Situation indessen anders. Der Beschwerdeführer liess zum Einen durch seinen Rechtsvertreter unmittelbar nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses seine Forderung schriftlich sowie telefonisch geltend machen und mit einer gewissen Verzögerung die Betreibung einleiten. Zum Andern versuchte sein Rechtsvertreter für einen seiner Arbeitskollegen bei derselben Arbeitgeberin Lohnansprüche gerichtlich sowie betreibungsrechtlich durchzusetzen und stellte für diese am 27. März und am 15. Juni 2001 jeweils das Konkursbegehren. Ferner wusste sein Rechtsvertreter im Anschluss an das zweite Konkursbegehren, dass der Arbeitgeberin die Betreibungshandlungen nicht mehr zugestellt werden konnten. Unter diesen Umständen bedeutet es keine Verletzung der Schadenminderungspflicht, wenn ein Rechtsvertreter, der zwei Arbeitnehmer der gleichen Firma vertritt, die gerichtlichen und betreibungsrechtlichen Handlungen nur für einen Arbeitnehmer bis zur Stellung des Konkursbegehrens durchführt. Die Sache geht daher an die Arbeitslosenkasse zurück, damit diese nach Prüfung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen in betraglicher Hinsicht über die Insolvenzentschädigung neu verfüge. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der Kantonalen Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung Basel-Stadt vom 4. April 2002 sowie die Verwaltungsverfügung vom 17. Dezember 2001 aufgehoben und es wird die Sache an die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt zurückgewiesen, damit diese über den Anspruch auf Insolvenzentschädigung neu verfüge. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die Öffentliche Arbeitslosenkasse Basel-Stadt hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, dem Kantonalen Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Basel-Stadt und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 17. Juli 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Vorsitzende der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: