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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_345/2022  
 
 
Urteil vom 12. Oktober 2022  
 
I. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Stark, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Appenzell I. Rh., 
Poststrasse 9, 9050 Appenzell, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Eingliederungsmassnahmen), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Appenzell I.Rh. vom 18. Januar 2022 (V 10-2021). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1959 geborene A.________ bezog seit 1. November 2002 eine ganze Rente der Invalidenversicherung, basierend auf einem 100%igen Invaliditätsgrad (Verfügungen der IV-Stelle Appenzell Innerrhoden vom 14. August 2003). Im Rahmen eines von Amtes wegen eingeleiteten Revisionsverfahrens stellte die IV-Stelle die Rente unter Hinweis auf einen Invaliditätsgrad von 37 % per 30. Juni 2011 ein (Verfügung vom 16. Mai 2011). Auf ein neues Leistungsbegehren vom 27. Mai 2015 trat sie nicht ein (Verfügung vom 8. Oktober 2015).  
 
A.b. Am 9. Dezember 2015 meldete sich A.________ ein weiteres Mal zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle holte unter anderem das Gutachten des Dr. med. B.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, Zentrum C.________, vom 13. Februar 2018 ein. Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens sprach sie A.________ mit Verfügung vom 28. Juni 2021 rückwirkend ab 1. November 2016 eine halbe Rente, entsprechend einem Invaliditätsgrad von 55 %, zu.  
 
B.  
Das Kantonsgericht Appenzell Innerrhoden wies die gegen die Verfügung vom 28. Juni 2021 erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 18. Januar 2022 ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei ihm mit Wirkung ab 1. November 2016 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. Ferner wird um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ersucht. 
 
Das kantonale Gericht und die IV-Stelle schliessen ohne weitere Ausführungen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat auf eine Stellungnahme verzichtet. 
Erwägungen: 
 
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4). 
 
2.  
 
2.1. Am 1. Januar 2022 traten im Zuge der Weiterentwicklung der IV revidierte Bestimmungen im IVG (SR 831.20) sowie im ATSG (SR 830.1) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535), dies mitsamt entsprechendem Verordnungsrecht. Die dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegende Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (statt vieler: BGE 144 V 210 E. 4.3.1; 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) sowie des ATSG und der ATSV (SR 830.11) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar (BGE 148 V 174 E. 4.1).  
 
2.2. Das kantonale Gericht hat die rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG), zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG, Art. 4 Abs. 1 IVG) und zum Beweiswert sowie zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 143 V 124 E. 2.2.2; 137 V 210 E. 6.2.2; 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der Anspruchsprüfung bei einer Neuanmeldung nach vorausgegangener Rentenverweigerung (vgl. dazu Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2) unter analoger Anwendung der Grundsätze zur Rentenrevision gemäss Art. 17 ATSG (BGE 144 I 103 E. 2.1; 141 V 9 E. 2.3). Darauf wird verwiesen.  
 
3.  
Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie den Anspruch auf mehr als eine halbe Invalidenrente ab 1. November 2016 gemäss Verfügung vom 28. Juni 2021 verneinte. 
 
4.  
Im angefochtenen Entscheid wird zunächst eine relevante Verschlechterung des Gesundheitszustandes ab 10. November 2015 bejaht. Dem psychiatrischen Gutachten des Dr. med. B.________ vom 13. Februar 2018 misst das kantonale Gericht grundsätzlich Beweiswert zu. Nach Einschätzung des Experten leidet der Beschwerdeführer mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit unter einer chronifizierten depressiven Episode leichten bis mittelschweren Ausmasses mit somatischem Syndrom und Phasen einer schweren depressiven Episode auf dem Boden einer vorwiegend narzisstisch gefärbten Persönlichkeitsakzentuierung. Nach einem intensiven Arbeits- und Aufbautraining sei eine Arbeitsfähigkeit von 50 % erreichbar. Die Vorinstanz konstatiert, gemäss den Ausführungen des Dr. med. B.________ bestehe, wenn überhaupt, nur eine geringe Arbeitsfähigkeit von einer Stunde bis zwei Stunden pro Tag, wobei es (zunächst) eines intensiven Arbeits- und Aufbautrainings bedürfe, um auf die zumutbare Arbeitsfähigkeit von 50 % zu kommen. Es sei nun aber zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer, nach Aufhebung der vorgängig ausgerichteten Invalidenrente im Jahr 2011 infolge einer Verbesserung des Gesundheitszustandes, untätig geblieben und keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Da es im Rahmen der Schadenminderungs- und Selbsteingliederungspflicht seine Aufgabe gewesen wäre, sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen, seien die vom Gutachter für nötig erachteten Eingliederungsmassnahmen zur (Wieder-) Erreichung einer 50%igen Arbeitsfähigkeit auf invaliditätsfremde Faktoren zurückzuführen. Denn hätte der Beschwerdeführer seine 70%ige Arbeitsfähigkeit in den letzten Jahren ausgeschöpft, wäre ein Arbeitstraining zum Erreichen einer 50%igen Arbeitsfähigkeit von vornherein nicht nötig, sondern es würde lediglich zu einer Reduktion des Arbeitspensums bei Erhöhung des Invaliditätsgrades kommen. Der Beschwerdeführer mache denn auch nicht geltend, dass die von ihm geforderten Eingliederungsmassnahmen gleichermassen notwendig wären, wenn er in den Jahren 2011 (Aufhebung der Rente) bis 2015 (Neuanmeldung wegen Verschlechterung des Gesundheitszustandes) in einem Teilpensum gearbeitet hätte. Folglich müsse die Arbeitsunfähigkeit in rechtlicher Hinsicht abweichend von der medizinischen Einschätzung auf 50 % festgelegt werden. Es sei deshalb nicht zu beanstanden, dass die IV-Stelle Eingliederungsmassnahmen abgelehnt und eine halbe Rente, gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 55 %, zugesprochen habe. 
 
5.  
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz verletze Bundesrecht, indem sie die Bestimmungen im Zusammenhang mit der Schadenminderungspflicht und den Folgen bei Verletzung dieser Pflicht offensichtlich falsch anwende. Sie verweigere ihm im Ergebnis ohne entsprechende gesetzliche Grundlage die ihm eindeutig zustehende ganze Rente. Es sei unbestritten, dass dem Gutachten vom 13. Februar 2018 voller Beweiswert zukomme. Damit stehe aber zugleich fest, dass keine verwertbare Arbeitsfähigkeit in einer leidensadaptierten Tätigkeit vorliege. 
 
5.1. Es ist dem Beschwerdeführer insoweit beizupflichten, dass ihm die unterbliebene Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach Einstellung der Invalidenrente mittels Verfügung vom 16. Mai 2011 entgegen der Auffassung der Vorinstanz bei der Bestimmung der Arbeitsfähigkeit nicht im Sinne eines invaliditätsfremden Faktors angelastet und die Invalidenrente ohne Weiteres gestützt auf die prognostizierte Arbeitsfähigkeit nach geglückter Wiedereingliederung in der Höhe von 50 % festgesetzt werden kann. Denn im psychiatrischen Gutachten vom 13. Februar 2018 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass - falls überhaupt - nur eine geringe Restarbeitsfähigkeit bestehe und die Probleme bei der Eingliederung zu einem überwiegenden Teil durch das (psychische) Störungsbild bedingt seien. Das kantonale Gericht setzt sich damit nicht auseinander. Der psychiatrische Experte knüpft die Prognose einer 50%igen Arbeitsfähigkeit an das Gelingen der beruflichen Wiedereingliederung und geht für den Zeitpunkt seiner Untersuchung, wenn überhaupt, von einer Arbeitsfähigkeit von einer Stunde bis zwei Stunden pro Tag aus. Vor diesem Hintergrund - insbesondere bei grundsätzlich beweiskräftiger gutachtlicher Einschätzung - bestand für das kantonale Gericht zumindest vorerst kein Grund für eine abweichende Festlegung der Arbeitsfähigkeit "in rechtlicher Hinsicht" (vgl. E. 3.3.5 des angefochtenen Entscheids).  
 
5.2. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers kann bei dieser Ausgangslage aber andererseits keineswegs schon von einer Unverwertbarkeit der Arbeitsfähigkeit ausgegangen und eine ganze Rente zugesprochen werden. Die IV-Stelle hat keine Eingliederungsmassnahmen durchgeführt, was von der Vorinstanz zwar als "ungebührliche Verzögerung des Verfahrens" kritisiert wird. Wenn im angefochtenen Entscheid dennoch ohne Weiteres - unter pauschalem Verweis auf die Schadenminderungs- und Selbsteingliederungspflicht - die fachärztliche Prognose einer 50%igen Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Beschäftigung als Grundlage für die Rentenberechnung herangezogen wird, ist dies mit Blick auf die Rechtslage nicht zulässig. Bevor die Rentenfestsetzung auf der Basis der prognostizierten 50%igen Arbeitsfähigkeit vorgenommen werden könnte, müsste der Beschwerdeführer entweder erfolgreich an entsprechenden Eingliederungsmassnahmen teilgenommen haben (vgl. E. 5.3 hiernach) oder in einem entsprechenden Mahn- und Bedenkzeitverfahren erfolglos auf seine Pflichten im Rahmen der beruflichen Eingliederung hingewiesen worden sein (vgl. E. 5.4 nachfolgend).  
 
5.3. Dr. med. B.________ hat allseitig nachvollziehbar eine Steigerung der Arbeitsfähigkeit mittels eines intensiven Arbeits- und Aufbautrainings auf (prognostisch) 50 % als realistisch erachtet. Kann nun die Erwerbsfähigkeit einer versicherten Person voraussichtlich durch zumutbare Eingliederungsmassnahmen wieder hergestellt, erhalten oder verbessert werden, so greift der Grundsatz "Eingliederung vor Rente" (vgl. Art. 28 Abs. 1 lit. a IVG) bzw. "Eingliederung statt Rente" (E. 5.4 hiernach). Nur wenn keine entsprechenden Massnahmen (mehr) in Frage kommen, kann ein Rentenanspruch bejaht werden; andernfalls sind vorab geeignete Eingliederungsmassnahmen anzuordnen (Urteile 9C_108/2012 vom 5. Juni 2012 E. 2.2.1 und 9C_99/2010 vom 6. Dezember 2010 E. 3.1, je mit Hinweis auf die Botschaft vom 22. Juni 2005 zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung [5. IV-Revision], BBl 2005 4459 ff., 4521 ff., 4531 und 4568). Nach der gesetzlichen Konzeption kann eine Rente vor der Durchführung von Eingliederungsmassnahmen (allenfalls auch rückwirkend) nur zugesprochen werden, wenn die versicherte Person wegen ihres Gesundheitszustandes nicht oder noch nicht eingliederungsfähig war. Dass der Rentenanspruch grundsätzlich erst nach Beendigung der Eingliederungsmassnahmen entstehen kann, gilt dabei selbst im Fall, dass diese nur einen Teilerfolg brachten oder scheiterten (Urteile 9C_689/2019 vom 20. Dezember 2019 E. 3.1 und 9C_450/2019 vom 14. November 2019 E. 3.3.1, je mit Hinweis auf BGE 121 V 190 E. 4c, d und e; MEYER/REICHMUTH, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum IVG, 3. Aufl. 2014, N. 7 zu Art. 28 IVG). Anders verhält es sich nach Abklärungsmassnahmen, die zeigen sollen, ob die versicherte Person überhaupt eingliederungsfähig ist, und die dann ergeben, dass dies nicht zutrifft; diesfalls kann eine Rente rückwirkend zugesprochen werden (BGE 121 V 190 E. 4d; Urteil 9C_380/2021 vom 31. Januar 2022 E. 5.1).  
 
5.4.  
 
5.4.1. Entzieht oder widersetzt sich eine versicherte Person einer zumutbaren Behandlung oder Eingliederung ins Erwerbsleben, die eine wesentliche Verbesserung der Erwerbsfähigkeit oder eine neue Erwerbsmöglichkeit verspricht, oder trägt sie nicht aus eigenem Antrieb das ihr Zumutbare dazu bei, so können ihr die Leistungen vorübergehend oder dauernd gekürzt oder verweigert werden. Sie muss vorher schriftlich gemahnt und auf die Rechtsfolgen hingewiesen werden; ihr ist eine angemessene Bedenkzeit einzuräumen. Behandlungs- oder Eingliederungsmassnahmen, die eine Gefahr für Leben und Gesundheit darstellen, sind nicht zumutbar (Art. 21 Abs. 4 ATSG).  
Diese Bestimmung ist auch auf die Invalidenversicherung anwendbar (Art. 1 IVG), wird aber im IVG wie folgt ergänzt (zum Verhältnis der nachfolgenden Bestimmungen zu Art. 21 Abs. 4 ATSG vgl. Urteil 8C_830/2012 vom 13. März 2013 E. 2.2; MEYER/REICHMUTH, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung [IVG], 3. Aufl. 2014, Rz. 1 f. S. 81) : Die versicherte Person muss alles ihr Zumutbare unternehmen, um die Dauer und das Ausmass der Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 ATSG) zu verringern und den Eintritt einer Invalidität (Art. 8 ATSG) zu verhindern (Art. 7 Abs. 1 IVG). Sie muss an allen zumutbaren Massnahmen, die zur Erhaltung des bestehenden Arbeitsplatzes oder zu ihrer Eingliederung ins Erwerbsleben oder in einen dem Erwerbsleben gleichgestellten Aufgabenbereich dienen, aktiv teilnehmen. Dies sind insbesondere Integrationsmassnahmen zur Vorbereitung auf die berufliche Eingliederung und Massnahmen beruflicher Art (Art. 7 Abs. 2 lit. b und c IVG). Als zumutbar gilt jede Massnahme, die der Eingliederung der versicherten Person dient; ausgenommen sind Massnahmen, die ihrem Gesundheitszustand nicht angemessen sind (Art. 7a IVG). Die Leistungen können nach Art. 21 Abs. 4 ATSG gekürzt oder verweigert werden, wenn die versicherte Person insbesondere den Pflichten nach Art. 7 IVG nicht nachgekommen ist (Art. 7b Abs. 1 IVG). Beim Entscheid über die Kürzung oder Verweigerung von Leistungen sind alle Umstände des einzelnen Falles, insbesondere das Ausmass des Verschuldens der versicherten Person, zu berücksichtigen (Art. 7b Abs. 3 IVG). 
 
5.4.2. Die Anforderungen an die Schadenminderungspflicht im Sinne von Art. 21 Abs. 4 ATSG sind streng, wo eine erhöhte Inanspruchnahme der Invalidenversicherung in Frage steht, namentlich wenn der Verzicht auf schadenmindernde Vorkehren Rentenleistungen auslöst (SVR 2007 IV Nr. 34 S. 120, I 744/06 E. 3.1 mit Hinweisen; Urteil 8C_128/2015 vom 25. Juni 2015 E. 1.2) oder perpetuiert. Nach Art. 7a IVG gilt als Ausfluss einer verstärkten Schadenminderungspflicht und Ausdruck des Prinzips "Eingliederung statt Rente" der Grundsatz der Zumutbarkeit jeder Massnahme, die der Eingliederung ins Erwerbsleben oder in einen Aufgabenbereich dient (BGE 145 V 2 E. 4.2.3; Urteile 8C_741/2018 vom 22. Mai 2019 E. 3.3; 8C_830/2012 vom 13. März 2013 E. 2.2). Die Beweislast für die Unzumutbarkeit einer Massnahme im Sinne von Art. 7 Abs. 2 IVG liegt somit bei der versicherten Person (Urteil 8C_741/2018 vom 22. Mai 2019 E. 3.3). Nach dem Verhältnismässigkeitsprinzip müssen das Mass der Sanktion (Leistungskürzung oder -verweigerung) und der voraussichtliche Eingliederungserfolg (Verbesserung oder Erhaltung der Erwerbsfähigkeit) einander entsprechen. Die versicherte Person ist grundsätzlich so zu stellen, wie wenn sie ihre Schadenminderungspflicht wahrgenommen hätte (Urteil 8C_830/2012 vom 13. März 2013 E. 2.2 mit Hinweisen; vgl. auch Art. 61 UVV [SR 832.202]). Für die Frage nach dem mutmasslichen Eingliederungserfolg bedarf es keines strikten Beweises, sondern es genügt eine - je nach den Umständen zu konkretisierende - gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Vorkehr, der sich die versicherte Person widersetzt oder entzogen hat, erfolgreich gewesen wäre (SVR 2019 IV Nr. 16 S. 48, 8C_865/2017 E. 3.3).  
 
5.4.3. Im vorliegenden Fall wird von keiner Seite in Frage gestellt, dass ein Ausdauer- und Arbeitstraining dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers angemessen ist (vgl. Art. 7a IVG). Auch wenn in der Zeit zwischen Rentenaufhebung und Verschlechterung des Gesundheitszustandes keine Erwerbstätigkeit aufgenommen worden war und dem Beschwerdeführer bisher die subjektive Eingliederungsfähigkeit (Eingliederungsbereitschaft) fehlte, muss die IV-Stelle zunächst im Sinne der hiervor dargestellten Rechtslage an dessen Mitwirkungspflichten bei der Wiedereingliederung ins Erwerbsleben appellieren und, falls er sich den notwendigen Massnahmen verweigern sollte, ein Mahn- und Bedenkzeitverfahren durchführen, bevor sie, sollte dieses erfolglos verlaufen, eine allfällige Rente festsetzen kann.  
 
5.5. Ob der Beschwerdeführer nach abgeschlossener Wiedereingliederung die prognostizierte Arbeitsfähigkeit erreicht, steht noch nicht fest. Ebenso wenig kann allerdings ohne vorgängige Eingliederungsmassnahmen dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zusprache einer ganzen Rente gefolgt werden, da gemäss Einschätzung des Dr. med. B.________ eine substanzielle Leistungsfähigkeit namentlich in der bereits früher ausgeübten Tätigkeit des Portiers in Aussicht steht. Es kann dem Beschwerdeführer nicht beigepflichtet werden, dass sein Alter dieses Vorgehen oder überhaupt eine Verwertung der Restarbeitsfähigkeit ausschliessen würde. Denn einerseits steht eine von ihm in der Vergangenheit bereits ausgeübte Beschäftigung im Fokus (Portier) und andererseits ist für die Frage nach der Verwertbarkeit der (Rest-) Arbeitsfähigkeit bei vorgerücktem Alter auf das Feststehen der medizinischen Zumutbarkeit einer (Teil-) Erwerbsfähigkeit abzustellen (BGE 138 V 457 E. 3.3). Vorliegend fällt dieser Zeitpunkt auf das Datum des psychiatrischen Gutachtens vom 13. Februar 2018. Damals war der Beschwerdeführer 59jährig, womit das Alter keinen Hinderungsgrund für eine Wiedereingliederung ins Erwerbsleben bildet.  
 
6.  
Dennoch hat das Bundesgericht von einer Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids und der Rentenverfügung, verbunden mit einer Rückweisung der Angelegenheit an die IV-Stelle zur Einleitung der geeigneten Eingliederungsmassnahmen, abzusehen. Eine solche eingreifende Korrektur könnte durch den - allenfalls nur vorübergehenden - Wegfall der bereits zugesprochenen halben Invalidenrente insgesamt in einer Schlechterstellung des Beschwerdeführers resultieren. Deshalb hat sie zufolge des Verbots einer reformatio in peius (vgl. Art. 107 Abs. 1 BGG) zu unterbleiben (vgl. Urteile 8C_150/2019 vom 19. August 2019 E. 6.3; 8C_419/2018 vom 11. Dezember 2018 E. 4.1 und 4.5; vgl. auch JOHANNA DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 2 zu Art. 107 BGG). Damit muss es beim angefochtenen Entscheid sein Bewenden haben. 
Immerhin sei angemerkt, dass die IV-Stelle trotzdem Gelegenheit haben wird, den Beschwerdeführer als Rentenbezüger bei der Wiedereingliederung ins Erwerbsleben zu unterstützen. Denn eine rentenbeziehende Person mit Eingliederungsressourcen hat - unabhängig davon, ob ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 17 Abs. 1 ATSG vorliegt - nicht nur einen Anspruch, sondern auch eine Pflicht, an zumutbaren Eingliederungsmassnahmen teilzunehmen (BGE 145 V 2 E. 4.3.1). Dabei bildet die subjektive Eingliederungsfähigkeit der rentenbeziehenden Person keine Voraussetzung für die Durchführung solcher Massnahmen (BGE 145 V 2 E. 4.3.3). Die IV-Stelle kann die Absolvierung von zumutbaren Eingliederungsmassnahmen, falls notwendig, mittels eines Mahn- und Bedenkzeitverfahrens durchsetzen (vgl. E. 5.4.3). 
 
7.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat grundsätzlich der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu bezahlen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege (Art. 64 BGG) kann jedoch entsprochen werden, da die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 BGG). Es wird indes ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach er der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn er später dazu in der Lage ist. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Thomas Stark wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.  
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Appenzell Innerrhoden, Abteilung Verwaltungsgericht, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 12. Oktober 2022 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz