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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_90/2023  
 
 
Urteil vom 3. Juli 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Schöbi, 
Gerichtsschreiber Sieber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Marianne Erni, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Severin Walz, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Appenzell Ausserrhoden, 
Gutenberg Zentrum, Kasernenstrasse 4, 9100 Herisau, 
 
1. C.________, c/o Regionale Berufsbeistandschaft, Appenzeller Mittelland, Reutenenstrasse 22, 9042 Speicher, 
2. D.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Christof Bläsi. 
 
Gegenstand 
Wechsel behördliche Unterbringung, Regelung persönlicher Verkehr, Vertretungsbefugnisse des Beistands, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts Appenzell Ausserrhoden, 2. Abteilung, vom 6. Dezember 2022 (O2K 22 7). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. D.________ (geb. 2009) ist der Sohn von B.________ (Beschwerdegegnerin) und A.________ (Beschwerdeführer). Die Eltern üben das Sorgerecht gemeinsam aus. Für D.________ besteht eine Beistandschaft. Beistand ist C.________.  
Am 16. April 2020 entzog die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Appenzell Ausserrhoden (KESB) den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht über D.________ und am 20. April 2020 brachte sie diesen in der Klinik E.________ unter. Mit Entscheid vom 16. Juli 2020 bestätigte die KESB den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts, hob die Unterbringung im E.________ auf und platzierte D.________ per Schulbeginn am 10. August 2020 im Internat der Sprachheilschule F.________. Die von den Eltern dagegen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos (vgl. Urteil 5A_261/2021 vom 8. April 2021). 
 
A.b. Im Entscheid vom 3. März 2022 hob die KESB die Unterbringung von D.________ in der Sprachheilschule per 13. März 2022 auf und brachte diesen neu im Wohnheim G.________ unter. Ausserdem regelte sie den persönlichen Verkehr des Kindes mit den Eltern und die Aufgaben und Kompetenzen des Beistandes. Insbesondere ermächtigte sie diesen dazu, die Eltern in den Bereichen Unterbringung/Betreuung, Schule, Ausbildung, Berufswahl und medizinische Behandlung/Betreuung zu vertreten.  
 
B.  
Gegen diesen Entscheid erhob A.________ am 30. März 2022 Beschwerde beim Obergericht Appenzell Ausserrhoden und beantragte, D.________ sei in seine alleinige Obhut zu geben und eventuell wieder in der Sprachheilschule einzugliedern. Ausserdem stellte er Anträge zum Besuchsrecht der Mutter bzw. für den Fall des Wiedereintritts in die Sprachheilschule zur Betreuung des Kindes durch die Eltern. Mit Urteil vom 6. Dezember 2022 (eröffnet am 21. Dezember 2022) wies das Obergericht die Beschwerde unter Kosten- und Entschädigungsfolgen ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 30. Januar 2023 gelangt A.________ ans Bundesgericht. Er beantragt unter Kosten- und Entschädigungsfolgen, es sei das Urteil des Obergerichts aufzuheben und seine Beschwerde vom 30. März 2022 gutzuheissen. Ausserdem seien ihm für das Verfahren vor dem Obergericht keine Verfahrens- und Parteikosten aufzuerlegen. Eventuell sei die Sache zu neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Zuletzt sei ihm für das Verfahren vor dem Bundesgericht die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. 
Das Bundesgericht hat die Akten des kantonalen Verfahrens, indes keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeschrift hat ein Begehren zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerde in Zivilsachen ein reformatorisches Rechtsmittel ist (vgl. Art. 107 Abs. 2 BGG), muss dieses Begehren grundsätzlich reformatorisch gestellt werden. Die rechtsuchende Partei hat daher einen Antrag in der Sache zu stellen, d.h. anzugeben, welche Punkte des kantonalen Entscheids sie anficht und inwiefern das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid abändern soll (BGE 133 III 489 E. 3.1; Urteil 5A_980/2018 vom 5. Juni 2019 E. 1.2). Der Beschwerdeführer beantragt neben der Neuregelung der Verfahrenskosten vor Bundesgericht einzig, es sei "die Beschwerde [...] vom 30. März 2022 [...] gutzuheissen". Hierin liegt kein hinreichendes Rechtsbegehren. Indes lässt sich dem angefochtenen Urteil entnehmen, welche Anträge der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Obergericht gestellt hat. Dort ersuchte er darum, den Sohn in seine alleinige Obhut zu geben und das Besuchsrecht der Mutter zu regeln. Eventuell sei der Sohn unter der Schulwoche wieder in der Sprachheilschule einzugliedern und die (restliche) Betreuung durch die Eltern zu regeln (vgl. vorne Bst. B). Die Beschwerde ist entsprechend entgegenzunehmen (vgl. BGE 143 III 111 E. 1.2).  
 
1.2. Angefochten ist der Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz, die als oberes Gericht auf Rechtsmittel hin (Art. 75 BGG) im Rahmen eines Kindesschutzverfahrens über die (Nicht) Wiederherstellug des Aufenthaltsbestimmungsrechts der Eltern, die Unterbringung eines Kindes, den persönlichen Verkehr zu diesem und die Befugnisse des Beistands und damit eine nicht vermögensrechtliche öffentlich-rechtliche Angelegenheit in unmittelbarem Zusammenhang mit den Zivilrecht nach Art. 72 Abs. 2 Bst. b Ziff. 6 BGG entschieden hat (Urteile 5A_574/2022 vom 11. Mai 2023 E. 1.1; 5A_463/2017 vom 10. Juli 2018 E. 1.1, nicht publ. in: BGE 144 III 442). Die Beschwerde in Zivilsachen ist das zutreffende Rechtsmittel. Der Beschwerdeführer ist nach Art. 76 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt und die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 und Art. 46 Abs. 1 Bst. c BGG).  
 
2.  
Mit der Beschwerde in Zivilsachen können Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG geltend gemacht werden. Das Bundesgericht wendet Bundesrecht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und prüft mit freier Kognition, ob der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Indes prüft es nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 140 III 115 E. 2). 
Was den Sachverhalt angeht, legt das Bundesgericht seinem Urteil die vorinstanzlichen Feststellungen zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann die beschwerdeführende Partei nur vorbringen, die vorinstanzlichen Feststellungen seien offensichtlich unrichtig, das heisst willkürlich (Art. 9 BV), oder würden auf einer anderen Bundesrechtsverletzung im Sinn von Art. 95 BGG (z.B. Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV oder Art. 8 ZGB) beruhen. In der Beschwerde ist überdies darzutun, inwiefern die Behebung der gerügten Mängel für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Soweit die Rüge der Verletzung verfassungsmässiger Rechte erhoben wird, gilt das strenge Rügeprinzip nach Art. 106 Abs. 2 BGG (BGE 144 II 313 E. 5.1; 143 II 283 E. 1.2.2). Das Bundesgericht prüft daher nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen, während es auf ungenügend substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik am Sachverhalt nicht eintritt (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1; 140 III 264 E. 2.3). Notwendig ist, dass die beschwerdeführende Person ihre Ausführungen mit genauen Hinweisen auf die relevanten Akten versieht; es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, die Akten nach den einschlägigen Belegen zu durchforsten (statt vieler: Urteil 5A_427/2020 vom 6. Oktober 2022 E. 8). 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, den Sachverhalt offensichtlich unrichtig und damit willkürlich festgestellt zu haben. Der angefochtene Entscheid stütze sich einzig auf die Akten der KESB und lasse wesentliche Beweismittel ausser Acht, die während des Beschwerdeverfahrens entstanden seien. Er entspreche daher nicht den aktuellen Gegebenheiten. Gelte wie hier die uneingeschränkte Untersuchungsmaxime, gelange die Novenschranke nach Art. 317 ZPO aber nicht zur Anwendung und Beweise wären bis zur Urteilsberatung im vorinstanzlichen Verfahren zu berücksichtigen gewesen. Im Einzelnen verweist der Beschwerdeführer auf den stärker werdenden Wunsch des Sohnes, beim Vater leben zu wollen. Auch hätten die Fachpersonen im Wohnheim G.________ das harmonische Verhältnis zwischen Vater und Sohn beobachten können. Der bestehende Mangel sei entscheidend für den Ausgang des Verfahrens: Hätte die Vorinstanz die aktuellen Gegebenheiten in Bezug auf die familiäre Situation berücksichtigt, hätte sie zu einem anderen Ergebnis gelangen müssen.  
 
3.2. Mit diesen Ausführungen vermag die Beschwerde den geltenden Rüge- und Begründungserfordernissen (vgl. vorne E. 2) nicht zu genügen:  
Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht zwar vor, nicht die aktuellen Verhältnisse abgeklärt und berücksichtigt zu haben. In seiner Schilderung der angeblich neu eingetretenen Tatsachen bleibt er indessen vage und oberflächlich. Dabei erwähnt er angebliche Wünsche des Sohnes, ohne die entsprechenden Äusserungen zu umschreiben und dadurch sicht- und objektivierbar zu machen. Gleiches gilt bezüglich des angeblich harmonischen Verhältnisses zwischen Vater und Sohn. Zwar verweist der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf Aussagen des Kindes und Beobachtungen von Fachpersonen und Zeugen. Er bezeichnet die insoweit relevanten Aktenstellen aber nicht, sondern belässt es bei allgemeinen Hinweisen (vgl. näher unten E. 4.1). 
Ausserdem legt der Beschwerdeführer nicht dar, weshalb genau die angeblichen Unterlassungen der Vorinstanz geeignet sein sollten, sich im konkreten Fall auf das Ergebnis des Verfahrens auszuwirken (zu diesem Erfordernis vorne E. 2; BGE 129 I 8 E. 2.1). Vielmehr belässt er es im Wesentlichen bei der Aussage, die kantonalen Instanzen hätten in seinem Sinn entscheiden müssen, wären ihnen die aktuellen Verhältnisse bekannt gewesen. Dabei unterschlägt er, dass die Vorinstanz entgegen seiner Darstellung den Kindeswillen in ihrem Entscheid sehr wohl berücksichtigte und dabei davon ausging, der Sohn wolle (auch) beim Vater leben (angefochtenes Urteil, E. 2.2.3 S. 23). Weshalb angebliche weitere Willensäusserungen des Kindes zugunsten einer Obhut des Beschwerdeführers entscheidrelevant sein sollten, ist daher nicht ersichtlich. Auch blendet der Beschwerdeführer aus, dass das angefochtene Urteil verschiedene rechtliche Problemstellungen umfasste (namentlich Platzierung des Kindes und persönlicher Verkehr zwischen Kind und Eltern). Auf diese geht der Beschwerdeführer nicht ein und er legt entsprechend auch nicht dar, inwieweit die als nicht festgestellt gerügten Tatsachen hinsichtlich der einzelnen Problemfelder hätten einen Einfluss entfalten können. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer rügt weiter eine Verletzung der uneingeschränkten Untersuchungsmaxime nach Art. 314 Abs. 1 i.V.m. Art. 446 Abs. 1 ZGB. Auch insoweit verweist er darauf, dass das Obergericht in seinem Urteil nicht einfach auf den Entscheid der KESB hätte abstellen und auf diese Weise den Zeitablauf ausblenden dürfen. Vielmehr wären die aktuellen Verhältnisse abzuklären gewesen. In den zwischen den kantonalen Entscheiden liegenden acht Monaten hätten sich erhebliche neue Tatsachen ergeben, so namentlich der durch Aktennotizen, Standortberichte und -gespräche dokumentierte Aufenthalt des Sohnes im Wohnheim G.________. Der angefochtene Entscheid lasse damit jegliche Aktualität vermissen und missachte auch den verschiedentlich geäusserten Willen des Kindes, zum Vater zurückzukehren.  
 
4.2. Soweit der Beschwerdeführer sich auch in diesem Zusammenhang auf die Berücksichtigung des Kindeswillens bezieht, kann auf das vorstehend in E. 3.2 Ausgeführte verwiesen werden. Weiter beruft der Beschwerdeführer sich wiederum auf die angeblich mangelnde Aktualität des angefochtenen Urteils. Auch insoweit ist ihm entgegenzuhalten, dass seine Ausführungen sowohl hinsichtlich der angeblichen Unterlassungen als auch bezüglich deren Auswirkungen auf das Verfahren allzu pauschal bleiben (vgl. vorne E. 3.2). Dabei ist daran zu erinnern, dass das Gericht auch im Geltungsbereich der uneingeschränkten Untersuchungsmaxime Beweise antizipiert würdigen kann, es diese also namentlich dann nicht abzunehmen hat, wenn sie sich von vornherein als ungeeignet erweisen, am Beweisergebnis etwas zu ändern (vgl. BGE 146 III 203 E. 3.3 [betreffend Kindesanhörung]; Urteil 5A_821/2013 vom 16. Juni 2014 E. 5 [zu Art. 296 Abs. 1 ZPO]; allgemein zum Begriff der antizipierten Beweiswürdigung vgl. BGE 143 III 297 E. 9.3.2). Der Beschwerdeführer hätte damit umso mehr Grund gehabt, sich zur Relevanz der angeblich unterlassenen Beweismassnahmen zu äussern. Ohnehin kann sich rechtsprechungsgemäss nur erfolgreich auf eine Verletzung der uneingeschränkten Untersuchungsmaxime berufen, wer zunächst aufzeigt, dass das Gericht den Sachverhalt willkürlich festgestellt hat (Urteil 5A_723/2019 vom 4. Mai 2020 E. 6.2). Dies gelingt dem Beschwerdeführer wie ausgeführt indes nicht (vgl. vorne E. 3).  
 
5.  
 
5.1. Damit erweist sich die Beschwerde als unzureichend begründet und es ist nicht darauf einzutreten. Unter diesen Umständen besteht kein Anlass, auf die Kostenverlegung des kantonalen Verfahrens einzugehen, die nicht unabhängig vom Ausgang des vorliegenden Verfahrens angefochten ist.  
 
5.2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigung ist keine zu sprechen, da der obsiegenden Beschwerdegegnerin mangels Einholens einer Vernehmlassung keine entschädigungspflichtigen Kosten angefallen sind (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde nach dem Ausgeführten als von Anfang an aussichtlos eingestuft werden muss (Art. 64 Abs. 1 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege im bundesgerichtlichen Verfahren wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht Appenzell Ausserrhoden, 2. Abteilung, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Juli 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Sieber