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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_467/2022  
 
 
Urteil vom 3. Februar 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Beusch, Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiberin Fleischanderl. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Lorenz Fivian, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Freiburg, Impasse de la Colline 1, 1762 Givisiez, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung 
(Massnahmen beruflicher Art; Arbeitsvermittlung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg vom 25. August 2022 (606 2021 180). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1991 geborene A.________ meldete sich Anfang Januar 2020 unter Hinweis auf gesundheitliche Beschwerden (Allergie, Asthma) bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Freiburg klärte die Verhältnisse in beruflich-erwerblicher, haushaltlicher und medizinischer Art ab. Sie zog dabei unter anderem einen Bericht des Spitals B.________, Universitätsklinik für Dermatologie, vom 3. Dezember 2020 sowie eine Stellungnahme des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 23. Dezember 2020 bei und liess Erhebungen vor Ort durchführen (Abklärungsbericht Haushalt vom 28. April 2021). Gestützt darauf stellte sie mittels Vorbescheids die Ablehnung jeglicher Leistungen in Aussicht. Auf durch A.________ erhobenen Einwand hin unterbreitete die IV-Stelle die Sache erneut dem RAD, der sich am 28. Juli 2021 dazu äusserte. Mit Verfügung vom 14. September 2021 hielt die IV-Stelle am Angekündigten fest, insbesondere bestünde weder ein Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen noch auf eine Invalidenrente. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Freiburg mit Urteil vom 25. August 2022 ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Verfügung der IV-Stelle vom 14. September 2021 sei die IV-Stelle zu verpflichten, berufliche Eingliederungsmassnahmen zu prüfen und in die Wege zu leiten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2 mit Hinweis). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist letztinstanzlich einzig, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf berufliche Eingliederungsmassnahmen, namentlich auf arbeitsvermittelnde Vorkehren, verneinte. Nicht mehr Gegenstand der Beschwerde vor Bundesgericht bildet die abschlägig beschiedene Rentenfrage. Da diesbezüglich keine offensichtlichen Mängel erkennbar sind, hat es insoweit beim vorinstanzlichen Urteil sein Bewenden. 
 
3.  
 
3.1. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Die dem hier angefochtenen Urteil zugrunde liegende Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (statt vieler: BGE 148 V 174 E. 4.1 mit Hinweisen) sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar (nachfolgend: aArt.).  
 
3.2. Die entscheidwesentlichen rechtlichen Grundlagen wurden von der Vorinstanz zutreffend wiedergegeben. Darauf wird verwiesen. Hervorzuheben ist das Folgende:  
 
3.2.1. Der Anspruch auf Arbeitsvermittlung durch die Invalidenversicherung nach aArt. 18 Abs. 1 IVG ist von der Arbeitsvermittlung Behinderter durch die Arbeitslosenversicherung (Art. 15 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 17 Abs. 2bis AVIG) zu unterscheiden. Die Invalidenversicherung ist für invalide Versicherte hinsichtlich der Arbeitsvermittlung vorrangig zuständig. Die Arbeitsvermittlung in der Arbeitslosenversicherung wird unabhängig von jener durch die Invalidenversicherung beurteilt (BGE 116 V 80 E. 7c; Urteil I 265/02 vom 19. Februar 2003 E. 3.2 mit Hinweisen).  
 
3.2.2. Notwendig für die Bejahung des Anspruchs auf Arbeitsvermittlung sind die allgemeinen Voraussetzungen für Leistungen der Invalidenversicherung gemäss Art. 4 ff. und 8 IVG, d.h. insbesondere eine leistungsspezifische Invalidität (Art. 4 Abs. 2 IVG), welche im Rahmen von aArt. 18 Abs. 1 lit. a IVG schon bei relativ geringen gesundheitlich bedingten Erschwernissen in der Suche nach einer Arbeitsstelle erfüllt ist. Eine für die Arbeitsvermittlung massgebende Invalidität liegt daher vor, wenn die versicherte Person bei der Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle aus gesundheitlichen Gründen Schwierigkeiten hat (BGE 116 V 80 E. 6a mit Hinweis; Urteile I 478/98 vom 14. Mai 1999 E. 1a, in: AHI 2000 S. 69, und I 409/98 vom 19. November 1998 E. 2b, in: AHI 2000 S. 68), d.h. es muss für die Bejahung einer Invalidität im Sinne von aArt. 18 Abs. 1 lit. a IVG zwischen dem Gesundheitsschaden und der Notwendigkeit der Arbeitsvermittlung ein Kausalzusammenhang bestehen. Gesundheitliche Schwierigkeiten bei der Suche einer neuen Arbeitsstelle erfüllen den leistungsspezifischen Invaliditätsbegriff, wenn die Behinderung bleibend oder während voraussichtlich längerer Zeit (Art. 4 Abs. 1 IVG) Probleme bei der - in einem umfassenden Sinn verstandenen - Stellensuche selber verursacht. Das trifft beispielsweise zu, wenn wegen Stummheit oder mangelnder Mobilität kein Bewerbungsgespräch möglich ist oder dem potentiellen Arbeitgeber die besonderen Möglichkeiten und Grenzen der versicherten Person erläutert werden müssen (z.B. welche Tätigkeiten trotz Sehbehinderung erledigt werden können), damit die Person mit Behinderung überhaupt eine Chance hat, den gewünschten Arbeitsplatz zu erhalten. Zur Arbeitsvermittlung nach aArt. 18 Abs. 1 lit. a IVG ist im Weiteren berechtigt, wer aus invaliditätsbedingten Gründen spezielle Anforderungen an den Arbeitsplatz (z.B. Sehhilfen) oder den Arbeitgeber (z.B. Toleranz gegenüber invaliditätsbedingt notwendigen Ruhepausen) stellen muss und demzufolge aus invaliditätsbedingten Gründen für das Finden einer Stelle auf das Fachwissen und entsprechende Hilfe der Vermittlungsbehörden angewiesen ist. Bei der Frage der Anspruchsberechtigung nicht zu berücksichtigen sind demgegenüber invaliditätsfremde Probleme bei der Stellensuche, z.B. Sprachschwierigkeiten (im Sinne fehlender Kenntnisse der Landessprache, anders wiederum bei medizinisch diagnostizierten, somit gesundheitsbedingten Sprachstörungen; Urteil I 265/02 vom 19. Februar 2003 E. 3.3 mit diversen Hinweisen).  
 
4.  
 
4.1. Das kantonale Gericht ist gestützt auf die medizinische Aktenlage, namentlich den Bericht des Spitals B.________ vom 3. Dezember 2020 sowie die Stellungnahmen des RAD vom 23. Dezember 2020 und 28. Juli 2021, zum Schluss gelangt, gesundheitliche Schwierigkeiten, welche die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle erschweren könnten, seien nicht auszumachen und würden von der Versicherten auch nicht ins Feld geführt. Der Vermerk im Bericht des Spitals B.________ vom 3. Dezember 2020, wonach die Patientin bei der Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle Hilfe benötige, stehe nicht mit invaliditätsbedingten Problemen in Zusammenhang. Vielmehr wirkten sich die ärztlich bescheinigten Beeinträchtigungen nicht derart aus, dass die Beschwerdeführerin für ihre Stellenbemühungen auf das Fachwissen und die professionelle Unterstützung der Invalidenversicherung im Rahmen von arbeitsvermittelnden Massnahmen angewiesen wäre. Trotz des diagnostizierten chronischen Handekzems seien trockene und nicht stark schmutzige Tätigkeiten ohne langes Tragen von Gummihandschuhen, ohne Exposition gegenüber Chemikalien/Reinigungsmitteln und ohne ständiges oder regelmässiges Waschen oder Desinfizieren der Hände denn auch noch uneingeschränkt zumutbar. Es kämen vor diesem Hintergrund viele Beschäftigungen in Betracht, welche die Beschwerdeführerin auszuüben in der Lage sei. Auch der von ihr angerufene Bericht des Spitals B.________ verweise bei der Frage nach allfälligen Gründen, die einer Eingliederung im Wege stünden, unter anderem auf die deutlich limitierten Sprachkenntnisse der Versicherten hin. Diese dürften, so die Vorinstanz im Weiteren, neben der fehlenden Berufsausbildung und der eingeschränkten Erfahrung im Arbeitsalltag der massgebliche Grund dafür sein, weshalb die Beschwerdeführerin bei der Suche nach einer geeigneten Anstellung mutmasslich auf Dritthilfe angewiesen sei. Da es sich dabei aber nicht um invaliditätsbedingte Faktoren handle, sei nicht die Invalidenversicherung zuständig, sondern die Arbeitslosenversicherung.  
 
4.2. Was dagegen vor Bundesgericht vorgebracht wird, vermag weder eine offensichtliche Unrichtigkeit der vorinstanzlichen Feststellungen noch eine anderweitige Bundesrechtsverletzung aufzuzeigen.  
 
4.2.1. Soweit die Beschwerdeführerin sich zum einen auf den Grundsatz "Eingliederung vor Rente" beruft, verkennt sie, dass darunter auch die Pflicht zur Selbsteingliederung fällt. Als Ausdruck der allgemeinen Schadenminderungspflicht (hierzu siehe Art. 7 Abs. 1 IVG sowie BGE 147 V 187 E. 5.3.1; 141 V 642 E. 4.3.2) hat die versicherte Person gemäss dieser von sich aus das ihr Zumutbare zur Verbesserung der Erwerbsfähigkeit beizutragen. Die Selbsteingliederung geht daher nicht nur dem Renten-, sondern auch dem gesetzlichen Eingliederungsanspruch vor (BGE 113 V 22 E. 4a; Urteile 8C_326/2022 vom 13. Oktober 2022 E. 7.2.3 und 9C_755/2020 vom 8. März 2021 E. 5.3, je mit Hinweisen). Erst wenn die versicherte Person das prinzipiell vorhandene erwerbliche Potential aus Gründen, die mit dem Gesundheitsschaden zusammenhängen, selbst bei zumutbarer Willensanstrengung nicht in eigener Verantwortung realisieren kann, muss geprüft werden, ob es zur Aktivierung der grundsätzlich gegebenen Arbeitsfähigkeit noch der Durchführung weiterer - der Invalidenversicherung obliegender - Eingliederungsmassnahmen bedarf (Urteil 9C_755/2020 vom 8. März 2021 E. 5.2 mit Hinweisen). Vorliegend kann die Beschwerdeführerin Tätigkeiten, die ihrem Handekzem Rechnung tragen, uneingeschränkt ausüben. Das wird auch von ihrer Seite nicht bestritten. Dennoch hat sie sich ausweislich der Akten im Zeitraum seit ihrem letzten, im September 2017 beendeten Arbeitsverhältnis und dem am 12. März 2020 mit Vertretern der Beschwerdegegnerin geführten Erstgespräch nur an zwei Orten beworben. Dass es dabei auf Grund ihrer Handprobleme nicht zu einer Anstellung gekommen ist, wie von ihr gemutmasst, erscheint, sofern die angestrebten Tätigkeiten ein leidensangepasstes Profil aufwiesen, wenig wahrscheinlich und hätte sie nicht daran hindern dürfen, sich weiter um eine Arbeitsstelle zu bemühen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass hierfür nicht gesundheitliche Gründe verantwortlich zeichnen, sondern in erster Linie die einhellig konstatierten mangelnden Deutschkenntnisse sowie fehlende berufliche Ausbildung und Erfahrung. Diese stellen indessen invaliditätsfremde Aspekte dar. Vermag die Beschwerdeführerin somit nicht darzutun, dass sie die notwendigen Schritte zur Selbsteingliederung unternommen hat, bleibt es bei der vorinstanzlichen Leistungsablehnung. Einer Rückweisung der Angelegenheit an die Beschwerdegegnerin zur Prüfung von beruflichen Vorkehren bedarf es nicht.  
 
4.2.2. An diesem Ergebnis ändert die weitere Rüge in der Beschwerde nichts, die Verwaltung habe eine nicht zu schützende Verletzung ihrer Begründungspflicht begangen, indem sie sich im Rahmen ihres Vorbescheids vom 12. Mai 2021 nicht und in ihrer Verfügung vom 14. September 2021 zwar in ablehnendem Sinne, aber ohne nähere explizite Erläuterungen zum Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen geäussert habe. Die Beschwerdeführerin lässt dabei ausser Acht, dass vor Bundesgericht nicht die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 14. September 2021 - und schon gar nicht der vorangegangene Vorbescheid -, sondern das Urteil des Kantonsgerichts Freiburg vom 25. August 2022 auf dem Prüfstand steht. Darin befasste sich die Vorinstanz, was auch in der Beschwerde eingeräumt wird, eingehend mit der im vorinstanzlichen Gerichtsverfahren aufgeworfenen Eingliederungsthematik. Dies zeigt, dass der Beschwerdeführerin eine sachbezogene Anfechtung möglich war (dazu BGE 126 I 97 E. 2b; 124 V 180 E. 1a), sodass der Beschwerdegegnerin keine Verletzung der Begründungspflicht vorzuwerfen ist respektive eine solche durch die - sowohl in Bezug auf den Sachverhalt als auch die Rechtslage über umfassende Überprüfungsbefugnis verfügende - Beschwerdeinstanz ohnehin geheilt worden wäre (vgl. BGE 144 III 394 E. 4.4; 133 I 201 E. 2.2).  
Es hat damit beim vorinstanzlichen Urteil sein Bewenden. 
 
5.  
Dem Verfahrensausgang entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Freiburg und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 3. Februar 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Fleischanderl