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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1B_287/2018  
 
 
Urteil vom 5. Juli 2018  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, Präsident, 
Bundesrichter Eusebio, Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Baeriswyl, 
 
gegen  
 
Amt für Justizvollzug des Kantons Bern Bewährungs- und Vollzugsdienste, Südbahnhofstrasse 14d, Postfach, 3001 Bern. 
 
Gegenstand 
Sicherheitshaft, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 23. Mai 2018 (BK 18 182). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 22. Mai 2008 verurteilte das Kreisgericht V Burgdorf-Fraubrunnen A.________ wegen mehrfacher versuchter und vollendeter sexueller Handlungen mit Kindern und Pornografie unter Widerruf des bedingten Vollzugs für eine einschlägige Vorstrafe zu einer Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren. Es ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB an und schob zu deren Gunsten den Vollzug der Freiheitsstrafe auf. Das Kreisgericht erkannte A.________ schuldig, mit zahlreichen sich im Schutzalter befindlichen Mädchen sexuelle Handlungen vorgenommen und teilweise den Geschlechtsverkehr vollzogen zu haben. 
A.________ hatte die stationäre therapeutische Massnahme am 28. August 2007 vorzeitig angetreten. Am 17. Oktober 2008 ergriff er in einem begleiteten Urlaub die Flucht. Am 28. Januar 2010 wurde er in Spanien verhaftet und am 16. September 2010 an die Schweiz ausgeliefert, wo die stationäre Massnahme am 2. November 2010 fortgesetzt wurde. 
Am 23. Juli 2015 verlängerte das Obergericht des Kantons Bern (Beschwerdekammer in Strafsachen) die stationäre Massnahme um drei Jahre und sechs Monate, beginnend ab dem 13. September 2014. Die Höchstdauer der Massnahme fiel damit auf den 12. März 2018. 
 
B.   
Am 8. März 2018 hob das Amt für Justizvollzug des Kantons Bern, Bewährungs- und Vollzugsdienste (im Folgenden: Amt), die stationäre Massnahme wegen Aussichtslosigkeit per 12. März 2018 auf. Am 9. März 2018 nahm es A.________ per 12. März 2018 vorsorglich in vollzugsrechtliche Sicherheitshaft. Gleichentags beantragte es dem Kantonalen Zwangsmassnahmengericht die Aufrechterhaltung der Sicherheitshaft bis zum rechtskräftigen Entscheid über die Verwahrung. 
Am 15. März 2018 hielt das Zwangsmassnahmengericht die Sicherheitshaft aufrecht und befristete sie bis zum 11. April 2018. 
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht des Kantons Bern (Beschwerdekammer in Strafsachen) am 5. April 2018 ab. 
Hiergegen reichte A.________ beim Bundesgericht Beschwerde ein. Mit Urteil vom 15. Mai 2018 wies dieses die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (1B_201/2018). 
 
C.   
Am 4. April 2018 hatte das Amt dem Zwangsmassnahmengericht die Verlängerung der Sicherheitshaft über den 11. April 2018 hinaus beantragt. 
Am 18. April 2018 verlängerte das Zwangsmassnahmengericht die Sicherheitshaft um drei Monate, d.h. bis zum 11. Juli 2018. 
Die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht (Beschwerdekammer in Strafsachen) mit Beschluss vom 23. Mai 2018 ab. 
 
D.   
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, den Beschluss des Obergerichts vom 23. Mai 2018 aufzuheben; er sei unverzüglich aus der Sicherheitshaft zu entlassen. Zudem stellt er Anträge zur Kostenregelung. 
 
E.   
Das Obergericht und das Amt haben auf Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Sachurteilsvoraussetzungen sind grundsätzlich erfüllt. Die in Erwägung 1.2 des bundesgerichtlichen Urteils vom 15. Mai 2018 gemachten Ausführungen, auf welche verwiesen werden kann, gelten auch hier. 
 
2.   
Der Beschwerdeführer rügt eine offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung durch die Vorinstanz. Darauf kann nicht eingetreten werden. Der Beschwerdeführer legt nicht näher dar, inwiefern die Vorinstanz den Sachverhalt offensichtlich unrichtig festgestellt haben soll. Die Beschwerde genügt damit insoweit den qualifizierten Begründungsanforderungen von Art. 106 Abs. 2 BGG nicht (dazu BGE 144 V 50 E. 4.1 S. S. 52 f. mit Hinweisen). 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, das Zwangsmassnahmengericht hätte über den Antrag des Amtes vom 4. April 2018 gemäss Art. 226 Abs. 1 StPO spätestens innert 48 Stunden entscheiden müssen. Das habe es nicht getan, weshalb der Beschwerdeführer unverzüglich aus der Haft zu entlassen sei.  
 
3.2. Gemäss Art. 31 Abs. 1 BV darf einer Person die Freiheit nur in den vom Gesetz selbst vorgesehenen Fällen und nur auf die im Gesetz vorgeschriebene Weise entzogen werden. Die gegen den Beschwerdeführer angeordnete Sicherheitshaft stützt sich auf Art. 38a des Gesetzes vom 25. Juni 2003 des Kantons Bern über den Straf- und Massnahmenvollzug (SMVG/BE; BSG 341.1). Diese Bestimmung sagt nicht, wie das Zwangsmassnahmengericht zu verfahren hat. Dieses befristete die Sicherheitshaft zunächst bis zum 11. April 2018. Am 4. April 2018 beantragte das Amt die Verlängerung der Haft. Da das Zwangsmassnahmengericht somit über eine Verlängerung der Haft zu befinden hatte, ist die Auffassung der Vorinstanz nicht zu beanstanden, es sei (i.V.m. Art. 229 Abs. 3 lit. b) Art. 227 StPO, welcher die Haftverlängerung betrifft, analog anwendbar (angefochtener Beschluss E. 3.2 S. 3 f.). Massgeblich ist somit Art. 227 StPO und nicht, wie der Beschwerdeführer vorbringt, Art. 226 Abs. 1 StPO. Die Fristen nach Art. 227 StPO haben die kantonalen Behörden gewahrt. Das Gegenteil macht der Beschwerdeführer auch nicht geltend. Die Beschwerde ist im vorliegenden Punkt daher unbegründet.  
 
4.   
Der Einwand, es fehle seit dem 12. März 2018 an einem Hafttitel, ist ebenfalls unbehelflich. Damit hat sich das Bundesgericht im Urteil vom 15. Mai 2018 bereits auseinandergesetzt (E. 3). Es besteht kein Anlass, auf jene Erwägungen, auf die verwiesen werden kann, zurückzukommen. 
 
5.   
Dass mildere Ersatzmassnahmen anstelle der Sicherheitshaft zur Bannung der Wiederholungsgefahr nicht genügen, hat das Bundesgericht ebenfalls bereits im Urteil vom 15. Mai 2018 dargelegt (E. 6). Auch darauf kann verwiesen werden. Der Beschwerdeführer bringt nichts vor, was eine abweichende Beurteilung rechtfertigen könnte. 
 
6.   
Kein Bundesrecht verletzt sodann die Auffassung der Vorinstanz, die Sicherheitshaft dauere nicht übermässig lange. Wie der Beschwerdeführer selber darlegt, ist die Aufhebung der Massnahme gemäss Art. 62c Abs. 1 lit. a StGB noch nicht rechtskräftig. Erst nach Rechtskraft der Aufhebung kann aber das Amt - wie es das beabsichtigt - dem zuständigen Gericht gemäss Art. 62c Abs. 4 StGB die Verwahrung beantragen (BGE 141 IV 49 E. 2.3 ff. S. 52 f. und E. 3.3 am Schluss S. 55). 
 
7.   
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Da sie aussichtslos war, kann die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gemäss Art. 64 BGG nicht bewilligt werden. Unter den gegebenen Umständen - dem Beschwerdeführer ist die Freiheit seit Langem entzogen - rechtfertigt es sich jedoch, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). 
Soweit der Beschwerdeführer Anträge zu den Kostenfolgen im kantonalen Verfahren stellt, kann darauf schon deshalb nicht eingetreten werden, weil er - wozu er gemäss Art. 42 Abs. 1 f. BGG verpflichtet gewesen wäre - die entsprechenden Rechtsbegehren (5-8) nicht begründet. 
 
 
  
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Justizvollzug des Kantons Bern, Bewährungs- und Vollzugsdienste, und dem Obergericht des Kantons Bern, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. Juli 2018 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri