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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_366/2023  
 
 
Urteil vom 1. September 2023  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Hohl, Kiss, 
Gerichtsschreiber Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Räber, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Urs Lütolf, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Beweisverfügung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, 1. Abteilung, vom 30. Mai 2023 (1C 23 7). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Zwischen A.________ (nachfolgend Beschwerdeführerin) und der B.________ AG (nachfolgend Beschwerdegegnerin) ist vor Bezirksgericht Hochdorf ein Forderungsprozess hängig. Die Beschwerdeführerin verlangt im Zusammenhang mit der Sanierung von drei Nasszellen in ihrer Wohnung an der U.________ in V.________ von der Beschwerdegegnerin Fr. 226'309.25 zuzüglich Zins. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Abweisung der Klage.  
Die Beschwerdeführerin brachte u.a. vor, dass reichlich Wasser aus dem Duschbereich ausgetreten, nicht zureichend abgelaufen bzw. stehen geblieben sei. Auch sei das Wasser in der Rinne entlang der Kittfuge zwischen Trennwandglas und der Inox-Schiene aus der Dusche gelaufen und nach dem Gebrauch der Dusche stehengeblieben. 
Nach Abschluss des doppelten Rechtsschriftenwechsels erliess die Instruktionsrichterin am 10. März 2023 eine Beweisverfügung, in der sie u.a. anordnete, dass zu diesem Beweisthema zwei von der Beschwerdeführerin angerufene Zeugen einvernommen würden. Es werde nach Einvernahme dieser Zeugen entschieden, ob weitere Einvernahmen zu diesem Beweisthema und bezüglich dem Bestand und der Höhe von Mangelfolgeschäden (nachfolgend Beweisthema 1) abzunehmen seien (Ziff. 8.2). Über die von der Beschwerdeführerin behaupteten Mängel betreffend die Sanitärinstallationen (nachfolgend Beweisthema 2) werde kein Beweis abgenommen (Ziffer 8.3). 
 
1.2. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin am 24. März 2023 Beschwerde beim Kantonsgericht Luzern mit den Anträgen, es sei in Abänderung von Ziff. 8.2 der Beweisverfügung die Einvernahme von weiteren beantragten Zeugen zum genannten Beweisthema 1 anzuordnen und es sei Ziff. 8.3 der Beweisverfügung dahingehend abzuändern, dass drei von ihr angerufene Zeugen zu den behaupteten Mängeln betreffend Sanitärinstallationen zu befragen seien.  
Das Kantonsgericht trat mit Entscheid vom 30. Mai 2023 auf die Beschwerde nicht ein, da es an der Beschwerdevoraussetzung im Sinne von Art. 319 lit. b Ziff. 2 ZPO fehle, dass der Beschwerdeführerin durch die angefochtene Verfügung ein nicht leicht wieder gutzumachender Nachteil droht. 
 
 
1.3. Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Entscheid mit Eingabe vom 7. Juli 2023 Beschwerde in Zivilsachen. Gleichzeitig ersuchte sie darum, es sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu gewähren.  
Das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden Wirkung wurde mit Präsidialverfügung vom 12. Juli 2023 abgewiesen. 
Auf die Einholung von Vernehmlassungen zur Beschwerde wurde verzichtet. 
 
2.  
Die Beweisverfügung der Instruktionsrichterin am Bezirksgericht Hochdorf schliesst das erstinstanzliche Klageverfahren nicht ab und betrifft weder die Zuständigkeit noch den Ausstand. Sie stellt deshalb einen "anderen selbständig eröffneten" Zwischenentscheid im Sinne von Art. 319 lit. b ZPO dar. Der darüber ergangene, vorliegend angefochtene Rechtsmittelentscheid der Vorinstanz vom 6. Juli 2023 ist seinerseits ein Zwischenentscheid nach Art. 93 Abs. 1 BGG (vgl. BGE 139 V 339 E. 3.2, 600 E. 2.1, 604 E. 2.1; Urteil 4A_542/2009 vom 27. April 2010 E. 3, je mit Hinweisen). 
 
2.1. Gegen Zwischenentscheide im Sinne von Art. 93 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG).  
Die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischenentscheiden aus prozessökonomischen Gründen bildet eine Ausnahme vom Grundsatz, dass sich das Bundesgericht mit jeder Angelegenheit nur einmal befassen soll (BGE 144 III 475 E. 1.2; 141 III 80 E. 1.2; 134 III 188 E. 2.2; 133 III 629 E. 2.1). Diese Ausnahme ist restriktiv zu handhaben, zumal die Parteien keiner Rechte verlustig gehen, wenn sie einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG nicht selbstständig anfechten, können sie ihn doch mit dem Endentscheid anfechten, soweit er sich auf dessen Inhalt auswirkt (Art. 93 Abs. 3 BGG; BGE 144 III 475 E. 1.2; 138 III 94 E. 2.2; 135 I 261 E. 1.2; 134 III 188 E. 2.2; 133 III 629 E. 2.1; 133 IV 288 E. 3.2). Dementsprechend obliegt es der beschwerdeführenden Partei darzutun, dass die Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG erfüllt sind, soweit deren Vorliegen nicht offensichtlich in die Augen springt (BGE 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2; 137 III 324 E. 1.1; 134 III 426 E. 1.2 in fine; 133 III 629 E. 2.3.1 und 2.4.2). 
 
2.2. Das Bundesgericht könnte bei einer Gutheissung der vorliegenden Beschwerde keinen Endentscheid im Hauptklageverfahren fällen, weshalb vorliegend die Zulässigkeit der Beschwerde nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG von vornherein ausser Betracht fällt.  
 
2.3. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung rechtlicher Natur sein, was voraussetzt, dass er durch einen späteren günstigen Entscheid nicht oder nicht mehr vollständig behoben werden kann (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 144 III 475 E. 1.2; 141 III 80 E. 1.2; 136 IV 92 E. 4; 134 III 188 E. 2.1; 133 III 629 E. 2.3.1, je mit Hinweisen).  
 
2.3.1. Nach der bundesgerichtlichen Praxis bewirken Anordnungen betreffend die Beweisführung in aller Regel keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil, da es normalerweise möglich ist, mit einer Anfechtung des Endentscheids die zu Unrecht verweigerte Beweiserhebung zu erreichen (BGE 141 III 80 E. 1.2; Urteile 5A_315/2012 vom 28. August 2012 E. 1.2.1; 4A_269/2011 vom 10. November 2011 E. 1.3; 4A_195/2010 vom 8. Juni 2010 E. 1.1.1). Ausnahmen können bestehen, z.B. wenn ein Beweismittel, dessen Existenz gefährdet ist, verweigert wird, oder wenn bei Abnahme eines Beweismittels Geheimhaltungsinteressen auf dem Spiel stehen (Urteile 4A_416/2017 vom 6. Oktober 2018 E. 4.1; 5A_745/2014 vom 16. März 2015 E. 1.2.2; 4A_425/2014 vom 11. September 2014 E. 1.3.2; 5A_435/2010 vom 28. Juli 2010 E. 1.1.1; 4A_195/2010 vom 8. Juni 2010 E. 1.1.1).  
 
2.3.2. Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihr drohe durch den angefochtenen Entscheid ein nicht wieder gutzumachender Nachteil. Die Einvernahme der beantragten Zeugen sei für die korrekte Sachverhaltsfeststellung mit Bezug auf verschiedene in ihrer Klagereplik vorgebrachte Tatsachenbehauptungen unerlässlich und ohne die Aussagen der beantragten Zeugen könnte dem Verfahren eine stossende Sachverhaltsfeststellung zugrunde liegen. Würden die Zeugen nicht im erstinstanzlichen Verfahren befragt, wäre die Beschwerdeführerin gezwungen, die unrechtmässige Beweisführung mittels Berufung zu rügen. Bei einer Gutheissung derselben wäre die Sache zurückzuweisen und das Bezirksgericht gehalten, die Zeugen nachträglich zu befragen. Entsprechend würde es dann erst nach mindestens zwölf bis achtzehn Monaten zu den Zeugenbefragungen kommen. Selbst wenn die Rechtsmittelinstanz die Zeugen im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens befragen würde, wäre nicht mit einer Befragung vor Ablauf von zwölf Monaten zu rechnen.  
Daraus folge, dass sich die Qualität der Zeugenaussagen mit fortlaufender Dauer verringere. Der Sachverhalt liege bereits mehr als viereinhalb Jahre zurück, weshalb die Zeugenbefragung umso dringender erscheine. Falls die Zeugenbefragungen ausblieben, drohe der Beschwerdeführerin ein Rechtsverlust, weil sich die fraglichen Zeugen, welche für den Beweis der Behauptungen in den Rechtsschriften der Beschwerdeführerin von grosser Notwendigkeit seien, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr ausreichend an den zu bezeugenden Sachverhalt erinnern könnten. 
 
2.3.3. Damit macht die Beschwerdeführerin zwar sinngemäss geltend, ihr drohe ein teilweiser Verlust von Beweismitteln oder zumindest ihrer Wirksamkeit, wenn die zusätzlich beantragten Zeugen nicht unverzüglich einvernommen würden. Indessen vermag sie von vornherein nicht zu begründen, dass ihr ein entsprechender nicht wieder gutzumachender Nachteil wirklich droht, indem sie sich dafür bloss pauschal auf das mit dem Zeitablauf nachlassende Erinnerungsvermögen von Zeugen beruft. Um einen entsprechenden Nachteil darzutun, müsste sie substanziiert darlegen, hinsichtlich welcher Zeugen aufgrund von welchen besonderen Umständen zu befürchten ist, dass sie sich nicht mehr oder nicht mehr hinreichend an zu beweisende erhebliche Tatsachen erinnern könnten, beispielsweise weil sie hochbetagt wären oder an einer Krankheit litten, die sich negativ auf ihr Erinnerungsvermögen auswirkt. Entsprechende Ausführungen lässt die Beschwerdeführerin aber vollkommen vermissen. Dass die Erinnerung von Zeugen an zu beweisende Sachverhalte im Verlauf der Zeit allmählich etwas verblasst, ist nichts Aussergewöhnliches und gehört zu den allgemeinen Prozessrisiken. Bloss gestützt darauf einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil anzunehmen, der die sofortige Anfechtung einer Beweisverfügung erlaubt, hiesse die strikt anzuwendende Regel, dass Beweisverfügungen im Interesse der Prozessökonomie und der beförderlichen Führung von Prozessen nur ausnahmsweise angefochten werden können, in ihr Gegenteil zu verkehren.  
Die Berufung auf das mit dem Zeitverlauf nachlassende Erinnerungsvermögen von Zeugen, um einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zu begründen, vermag im vorliegenden Fall umso weniger zu überzeugen, als die Wahrnehmung der Zeugen über die zu beweisenden Sachverhalte nach den unbestrittenen Feststellungen der Vorinstanz bereits rund viereinhalb Jahre zurückliegt. Unter diesen Umständen könnten, auch wenn die Zeugenbefragungen unverzüglich stattfinden würden, ohnehin keine zeitnahen Zeugenaussagen mehr gemacht werden und macht es für die Qualität der Zeugenaussagen keinen wesentlichen Unterschied mehr, ob die Zeugen bei erster Gelegenheit oder allenfalls erst im Anschluss an eine erfolgreiche Anfechtung des verfahrensabschliessenden Endentscheids befragt werden. 
Überdies steht im heutigen Zeitpunkt noch gar nicht fest, ob die weiteren beantragten Zeugen nötigenfalls erst in diesem Zeitpunkt befragt würden. Nach Art. 154 Satz 2 ZPO kann eine Beweisverfügung jederzeit abgeändert oder ergänzt werden. Vorliegend kündigte die Instruktionsrichterin mit Bezug zum Beweisthema 1 bereits in der streitbetroffenen Beweisverfügung an, dass nach Einvernahme der zu befragenden Zeugen entschieden werde, ob weitere Einvernahmen abzunehmen seien. Hat die Instruktionsrichterin mit anderen Worten bereits zu verstehen gegeben, dass sie je nach Ergebnis der durchgeführten Beweisabnahmen insoweit zu einer Wiedererwägung der strittigen Beweisverfügung bereit sei, kann diesbezüglich auch aus diesem Grund nicht angenommen werden, der Beschwerdeführerin drohe durch diese ein nicht wieder gutzumachender Nachteil (vgl. Urteil 5A_315/2012 vom 28. August 2012 E. 1.2.3). 
Die Beschwerdevoraussetzung, dass der Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Entscheid ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht, ist somit zu verneinen. 
 
3.  
Zusammenfassend ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdegegnerin ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, da ihr im Zusammenhang mit dem bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand erwachsen ist (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. September 2023 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer