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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 669/04 
 
Urteil vom 13. Dezember 2005 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Lustenberger und Seiler; Gerichtsschreiberin Durizzo 
 
Parteien 
M.________, 1961, Beschwerdeführer, vertreten durch den Rechtsdienst für Behinderte, Schützenweg 10, 3014 Bern, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
(Entscheid vom 13. September 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
M.________, geboren 1961, leidet seit Jahren an rezidivierenden Rückenbeschwerden, neuralgischer Schulteramyotrophie, peripherer Fazialisparese und psychischen Beschwerden (saisonal betonte Depressionen). Als Taxifahrer hatte er verschiedene Unfälle mit Schleudertrauma erlitten, zuletzt am 23. November 2000. Nachdem ihm die Arbeitsstelle gekündigt worden war, meldete er sich am 26. September 2001 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Bern zog die Akten der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) bei, klärte die erwerbliche Situation ab, holte Berichte des Dr. med. F.________, Innere Medizin FMH, vom 15. Oktober 2001, des Dr. med. A.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 16. November 2001, des Dr. med. G.________, Physikalische Medizin FMH, vom 4. Dezember 2001, des Dr. med. D.________, Augenarzt FMH, vom 14. Februar 2002 sowie des Dr. med. C.________, Neurologie FMH, vom 21. März 2002 ein und liess den Versicherten durch Dr. med. Z.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, untersuchen (Gutachten vom 8. September 2002). Nachdem sie eine berufliche Abklärung organisiert hatte, ergab sich die Möglichkeit für eine Teilzeitanstellung im Fundbüro der Stadt Thun. Der Versicherte konnte eine Schnupperzeit absolvieren, welche so gut verlief, dass er dort eingestellt wurde. Im Rahmen einer beruflichen Massnahme gewährte ihm die IV-Stelle am 10. April 2003 eine Einarbeitung vom 12. Mai bis zum 30. Juni 2003. Bei der Auswertungsbesprechung berichtete der Versicherte, dass ihm die Stelle sehr gefalle und er das 50 %-Pensum gut zu bewältigen vermöge. Auch der Arbeitgeber war mit dem Einsatz zufrieden und bot ihm ab 1. Juli 2003 eine Festanstellung an. Die IV-Stelle prüfte in der Folge die Rentenberechtigung. Unter Hinweis auf einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 32 % bzw. 38 % lehnte sie den Anspruch mit Verfügung vom 10. Oktober 2003 und Einspracheentscheid vom 10. März 2004 ab. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 13. September 2004 ab. 
C. 
M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihm ab 1. November 2001 mindestens eine Viertelsrente bzw. - bei Vorliegen eines wirtschaftlichen Härtefalls - eine halbe Invalidenente zuzusprechen. 
 
Während die IV-Stelle Bern auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. 
D. 
Auf Ersuchen hat die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers mit Eingaben vom 23. September und 31. Oktober 2005 Unterlagen zum Arbeitsverhältnis mit der Stadt Thun eingereicht. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der Invalidität (Art. 8 ATSG in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 IVG), zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen und in der ab 1. Januar 2004 in Kraft stehenden Fassung), zur Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG; zu Art. 28 Abs. 2 IVG [in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2002]: vgl. auch BGE 128 V 30 f. Erw. 1 mit Hinweisen) sowie zur Aufgabe des Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen; vgl. auch AHI 2002 S. 70 Erw. 4b/cc) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
2. 
Unbestritten ist, dass der Versicherte zufolge seiner verschiedenen Leiden im angestammten Beruf als Taxifahrer vollständig arbeitsunfähig ist, ihm jedoch eine leidensangepasste Tätigkeit im Umfang eines 50 %-Pensums zugemutet werden kann. Streitig sind die erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens. 
3. 
Das kantonale Gericht hat den Rentenbeginn zutreffend auf November 2001 festgelegt und dementsprechend beim Einkommensvergleich auf die Verhältnisse in diesem Jahr abgestellt (BGE 128 V 174, 129 V 222). Der Beschwerdeführer war damals arbeitslos, bis er am 5. November 2001 eine befristete 40 %-Stelle in einer Textilreinigungsfirma antreten konnte. Auf den dort erzielten Lohn kann nicht abgestellt werden. Nach der Rechtsprechung ist für die Festsetzung des Invalideneinkommens primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte Person konkret steht. Übt sie nach Eintritt der Invalidität eine Erwerbstätigkeit aus, bei der - kumulativ - besonders stabile Arbeitsverhältnisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass sie die ihr verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft, und erscheint zudem das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht als Soziallohn, gilt grundsätzlich der tatsächlich erzielte Verdienst als Invalidenlohn (BGE 129 V 475 Erw. 4.2.1; 126 V 76 Erw. 3b/aa mit Hinweisen). Diese Voraussetzungen waren damals insbesondere wegen der Befristung des Arbeitsvertrages nicht erfüllt. Mit dem kantonalen Gericht ist daher für den Zeitpunkt des Rentenbeginns auf die vom Bundesamt für Statistik herausgegebene Lohnstrukturerhebung abzustellen. Gemäss Tabelle TA1 der Lohnstrukturerhebung 2000 (S. 31) belief sich der Zentralwert für die mit einfachen und repetitiven Tätigkeiten (Anforderungsniveau 4) beschäftigten Männer im privaten Sektor auf Fr. 4'437.- (bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden). Umgerechnet auf die betriebsübliche wöchentliche Arbeitszeit von 41,7 Stunden (Die Volkswirtschaft, 2003 Heft 6, S. 98, Tabelle B 9.2) und angepasst an die Nominallohnentwicklung bei Männerlöhnen von 2,5 % (Bundesamt für Statistik, Lohnentwicklung 2002, S. 32, Tabelle T1.1.93; vgl. BGE 129 V 408) ergibt sich zu dem für den Einkommensvergleich massgebenden Zeitpunkt des Rentenbeginns im Jahr 2001 ein jährliches Einkommen von 56'895.-, beziehungsweise Fr. 28'448.- für ein 50 %-Pensum. Reduziert man diesen Lohn um den von der Vorinstanz vorgenommenen Abzug von 15 %, was im Rahmen der Angemessenheitskontrolle nicht zu beanstanden ist (Art. 132 lit. a OG; BGE 126 V 81 Erw. 6 mit Hinweisen), beträgt das Invalideneinkommen Fr. 24'181.-. Im Vergleich zum Valideneinkommen, welches das kantonale Gericht mit Fr. 37'018.- festgelegt hat, resultiert ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von 35 %. 
4. 
Indessen wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht geltend gemacht, dass im Jahr 2003 eine rentenwirksame Änderung eingetreten ist, was rechtsprechungsgemäss bei der rückwirkenden Rentenzusprechung berücksichtigt werden muss (BGE 129 V 222, 128 V 174). Der Beschwerdeführer hat am 1. Juli 2003 eine Festanstellung angetreten. Das 50 %-Pensum entspricht den ärztlichen Einschätzungen seiner Arbeitsfähigkeit, die Tätigkeit im Fundbüro ist den Leiden angepasst, der Versicherte fühlt sich sehr wohl dort und sein Arbeitgeber ist zufrieden mit seiner Leistung, sodass von einem stabilen Arbeitsverhältnis gesprochen werden kann. Zudem verdient der Beschwerdeführer dort pro Stunde mehr als im angestammten Beruf als Taxifahrer. Es kann daher ab 1. Juli 2003 auf die konkreten Lohnverhältnisse abgestellt werden. Gemäss Arbeitsvertrag sind pro Woche 20 Arbeitsstunden zu leisten, und der Stundenlohn beträgt Fr. 19.- (ohne Ferienentschädigung). Dies entspricht einem Jahreseinkommen von Fr. 19'760.- (Fr. 19.- x 20 x 52). Dem ist der Lohn als Taxifahrer (von Fr. 37'018.- im Jahr 2001) gegenüberzustellen. Angepasst an die Nominallohnentwicklung bei den Männerlöhnen im Bereich Dienstleistungen bis ins Jahr 2003 (2002: 1,3 %, 2003: 1,4 %; vgl. Tabelle T1.1.93, Nominallohnindex, Männer, 1993-2004, abrufbar unter www.bfs.admin.ch) ergibt sich ein Einkommen von Fr. 38'024.-. Daraus resultiert ein Invaliditätsgrad von 48 %, sodass der Beschwerdeführer ab 1. Juli 2003 Anspruch auf eine Viertelsrente hat. Zu keinem andern Ergebnis gelangt man, wenn beim Invalideneinkommen anstelle des vertraglichen Lohnanspruchs der tatsächlich erzielte Verdienst gemäss Lohnausweis vom 15. Januar 2004 herangezogen wird. Demnach hat der Versicherte in den Monaten Juli bis November 2003 Fr. 8'889.- erzielt. Umgerechnet auf zwölf Monate ergibt dies ein Einkommen von Fr. 21'333.-, verglichen mit dem Valideneinkommen resultiert ein Invaliditätsgrad von 44 %. Die Verwaltung wird abzuklären haben, ob bei Vorliegen eines wirtschaftlichen Härtefalls Anspruch auf eine halbe Rente besteht (Art. 28 Abs. 1bis IVG und Art. 28bis IVV in der bis 31. Dezember 2003 gültig gewesenen Fassung). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13. September 2004 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle Bern vom 10. März 2004 aufgehoben mit der Feststellung, dass der Beschwerdeführer ab 1. Juli 2003 Anspruch auf eine Viertelsrente hat, und die Sache wird zur Prüfung des Härtefalles und zu neuer Verfügung an die IV-Stelle zurückgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle Bern hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wird über die Parteikosten für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses neu befinden. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 13. Dezember 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: