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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_340/2013  
   
   
 
 
 
 
Urteil vom 28. Juni 2013  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Kneubühler, 
Gerichtsschreiber Errass. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________,  
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard Zollinger, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich,  
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich,  
Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung (Widerruf), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Kammer, vom 13. März 2013. 
 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der algerische Staatsangehörige X.________ (geb. 1973) reiste am 24. Januar 2000 in die Schweiz ein und beantragte erfolglos Asyl. Danach hielt er sich unrechtmässig im Land auf, wofür er mit 60 Tagen Gefängnis bestraft wurde (12. Dezember 2005); im Jahre 2004 wurde er zudem wegen versuchten Diebstahls verurteilt. 
 
 Nach der Heirat mit einer Schweizer Bürgerin erhielt X.________ eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei der Ehegattin. Diese starb am 30. März 2007. Am 28. September 2007 heiratete X.________ die Schweizer Bürgerin Y.________ (geb. 1964) und lebte mit ihr bis am 25. November 2008 zusammen. Danach folgten mehrere Trennungen und Scheidungsabsichtserklärungen und deren Widerrufe durch die Ehefrau mit der Bekundung, weiterhin mit X.________ zusammen zu leben. Am 27. November 2009 schlug dieser gemäss Polizeirapport seine Ehefrau; bereits am 6. Juli 2008 lag zudem ein Fall von häuslicher Gewalt vor, weshalb der Eheschutzrichter X.________ verbot, mit seiner Ehefrau Kontakt aufzunehmen oder sich ihr auf weniger als 500 Meter zu nähern. Auf Wunsch der Ehefrau wurde das Verfahren schliesslich eingestellt. 
 
 Vom 1. Januar bis Oktober 2010 hielt sich die Ehefrau in verschiedenen Kliniken auf. In dieser Zeit und danach folgten wiederum mehrere Trennungen und Scheidungsbegehren und deren Widerrufe durch die Ehefrau. Ab April 2011 befand sich diese im Psychiatriezentrum A.________. Mit Urteil des Bezirksgerichts Winterthur vom 23. Juni 2011 wurde abermals festgestellt, dass die Eheleute seit dem 18. Februar 2011 getrennt leben. 
 
B.  
Am 24. August 2011 widerrief das Migrationsamt die Aufenthaltsbewilligung von X.________, wies ihn aus der Schweiz weg und setzte ihm zum Verlassen der Schweiz Frist bis 30. November 2011. Mit Aufgabe der ehelichen Gemeinschaft per 18. Februar 2011 sei sein Anspruch auf Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung entfallen. Die dagegen gerichteten Rechtsmittel waren erfolglos. Während der Verfahren meldete sich die Ehefrau wieder an der Adresse von X.________ an, ist aber gemäss Meldung der Einwohnerkontrolle in der Klinik B.________ in C.________ untergebracht. 
 
C.  
Vor Bundesgericht beantragt X.________, die Aufenthaltsbewilligung nicht zu widerrufen, eventuell die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen und von der Wegweisung abzusehen. 
 
D.  
Mit Verfügung vom 24. April 2013 erkannte der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu. 
 
 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gestützt auf Art. 42 i.V.m. Art. 49 AuG (SR 142.20) steht dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall potentiell ein Anspruch auf Verlängerung zu, weshalb auf die Beschwerde diesbezüglich einzutreten ist (Art. 82 lit. a i.V.m. Art. 83 lit. c Ziff. 2, 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, 89 Abs. 1 und Art. 100 BGG). Insofern erübrigt sich die Rüge des Beschwerdeführers, dass sich die Vorinstanz nicht mit dem Widerruf auseinandergesetzt habe.  
 
1.2. Nicht zulässig ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Wegweisung wendet (Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG) bzw. die vorläufige Aufnahme (Art. 83 lit. c Ziff. 3 BGG) verlangt. Eine Beurteilung im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) ist nicht möglich, da keine substantiierte Rüge der Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 116 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG) vorliegt.  
 
1.3. Mangels genügender Begründung (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG) ist auf die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und auf eine Verletzung von Art. 8 EMRK nicht einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Ausländische Ehegatten von Schweizerinnen haben unter Vorbehalt von Art. 51 Abs. 1 AuG Anspruch auf Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, wenn sie mit diesem zusammenwohnen (Art. 42 Abs. 1 AuG). Das AuG geht vom Grundsatz des Zusammenwohnens aus; die Gewährung eines Anspruchs setzt eine tatsächlich gelebte eheliche Beziehung, wobei vorab auf die Dauer der nach aussen wahrnehmbaren ehelichen Wohngemeinschaft abzustellen ist (BGE 137 II 345 E. 3.1.2 S. 347; Urteil 2C_544/2010 vom 23. Dezember 2010 E. 2.2.), und einen entsprechenden Ehewillen voraus. Massgebend ist insofern das Zusammenwohnen und - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht der zivilrechtliche Wohnsitzbegriff. Der vom Beschwerdeführer erwähnte Art. 23 Abs. 1 Halbsatz 2 ZGB, wonach der Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung oder die Unterbringung einer Person in einer Erziehungs- oder Pflegeeinrichtung, einem Spital oder einer Strafanstalt für sich allein keinen Wohnsitz begründet, kommt im Übrigen inhaltlich dem Gedanken von Art. 49 AuG gleich. Offensichtlich ist, dass der Beschwerdeführer und seine Frau nicht zusammenwohnen. Diese ist in spitalärztlicher Behandlung und lebt seit geraumer Zeit in einer Klinik.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer beruft sich deshalb auf Art. 49 AuG. Danach besteht das Erfordernis des Zusammenwohnens u.a. nach Art. 42 AuG nicht, wenn für getrennte Wohnorte wichtige Gründe geltend gemacht werden und die Familiengemeinschaft weiter besteht. Wichtige Gründe sind vor allem berufliche, aber auch familiäre Gründe (vgl. etwa Urteil 2C_40/2012 vom 15. Oktober 2012 E. 4; siehe auch Art. 76 VZAE [SR 142.201]). Die Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002 (BBl 2002 3709, 3753, 3795) spricht von "beruflichen oder anderen wichtigen und nachvollziehbaren Gründen" bzw. von "sachliche[r] Begründung" (BBl 2002 3753). Gründe müssen somit objektivierbar sein und ein gewisses Gewicht aufweisen. Aus den aufgeführten Beispielen geht zudem hervor, dass von einem wichtigen Grund umso eher gesprochen werden kann, je weniger die Ehegatten auf die Situation des Getrenntlebens Einfluss nehmen können, ohne einen grossen Nachteil in Kauf nehmen zu müssen (vgl. Urteil 2C_544/2010 vom 23. Dezember 2010 E. 2.3.1; MARC SPESCHA, in: Spescha/Thür/Zünd/Bolzli, Migrationsrecht, Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 49 N. 2).  
 
2.3. Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, dass Art. 49 AuG u.a. zum Schutz der Migrantinnen bei häuslicher Gewalt erlassen worden sei. Wie sich aus diversen Unterlagen ergäbe, sei der Beschwerdeführer aufgrund seines Verhaltens verantwortlich, dass die Ehefrau in der Klinik sei. Er könne deshalb nicht Art. 49 AuG anrufen: Wolle Art. 49 AuG die Opfer ehelicher Gewalt schützen, deren Aufenthaltsstatus vom gewaltbereiten Ehepartner abhängt, so erscheine es als nicht mit dem Zweck von Art. 49 AuG vereinbar, wenn sich nun auch der gewaltbereite Ehemann darauf berufen könnte, um ein Aufenthaltsrecht zu seinen Gunsten abzuleiten.  
 
 Diese vorinstanzliche Argumentation ist zu präzisieren: Das AuG verlangt auch bei der Ausnahme vom Erfordernis des Zusammenwohnens einen entsprechenden Ehewillen, was durch die Passage "die Familiengemeinschaft weiter besteht" ausgedrückt wird (vgl. auch Urteil 2C_50/2010 vom 17. Juni 2010 E. 2.3.2). Ist der gemeinsame Ehewille noch gegeben, so können sich beide Ehepartner grundsätzlich auf die Ausnahme vom Erfordernis des Zusammenwohnens berufen - insofern also auch der gewaltbereite Ehepartner. Dabei ist allerdings zweierlei zu berücksichtigen: Erstens wird bei Eheproblemen nur eine vorübergehende Trennung akzeptiert (Art. 76 VZAE; Urteil 2C_207/2011 vom 5. September 2011 E. 4.2). Zweitens geht es beim Ehewillen im Wesentlichen um innere Vorgänge; ob ein solcher (noch) besteht, ist der Verwaltung oft nicht bekannt und schwierig zu beweisen. Unter Umständen kann sie sich allerdings veranlasst sehen, den Ehewillen zu untersuchen und dabei von bekannten Tatsachen (Vermutungsbasis) auf unbekannte (Vermutungsfolge) zu schliessen (vgl. BGE 130 II 482 E. 3.2 S. 485 f.). Eine solche Vermutungsbasis kann etwa dann vorliegen, wenn der gewaltbereite und für die Trennung verantwortliche Ehemann sich auf die Ausnahme von Art. 49 AuG beruft, aber keine Anstalten trifft, sein Verhalten so zu ändern, dass getrennte Wohnorte nicht mehr notwendig sind. 
 
2.4. Wie sich aus dem für das Bundesgericht verbindlichen, von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt ergibt (Art. 105 Abs. 1 BGG) - die vom Beschwerdeführer lediglich appellatorisch vorgetragenen Rügen dazu sind nicht zu hören (BGE 136 II 101 E. 3 S. 104 f.) -, ist der Klinikaufenthalt der Ehefrau vor allem durch eheliche psychische und physische Gewalt des Ehemanns bedingt; dabei spielt - wie die Vorinstanz zur Recht ausgeführt hat - keine Rolle, dass der Beschwerdeführer nicht strafrechtlich verurteilt worden ist. Bei der Ehefrau sind Verletzungen diagnostiziert worden (vgl. Sistierungsverfügung vom 27. Mai 2010), für welche der Beschwerdeführer teilweise auch die Verantwortung übernahm. Sodann mussten zivilrechtliche Gewaltschutzmassnahmen (Kontaktaufnahme- und Annäherungsverbot) gegenüber dem Beschwerdeführer angeordnet werden. Auch die Arztberichte zeigen, dass die Ehefrau unter der Beziehung zum Beschwerdeführer leidet. Angesichts dieser Konstellation hat sich die Ehefrau mehrmals vom Ehepartner getrennt und auch die Scheidung eingereicht. Dass es bisher noch nicht dazu gekommen ist, ist auf den Druck durch den Beschwerdeführer zurückzuführen. Insofern ist erstellt (Art. 105 Abs. 1 BGG), dass der Beschwerdeführer beinahe dauernd psychische und physische Gewalt an seiner Ehefrau ausübt. Es darf deshalb vom Beschwerdeführer erwartet werden, dass er Anstalten treffen würde, um seinen Ehewillen - im Sinne seiner Beistandspflicht (Art. 159 Abs. 3 ZGB) - klar zum Ausdruck zu bringen, indem er etwa eine Therapie machen würde. Damit könnte der Beschwerdeführer auf die Situation des Getrenntlebens konkret Einfluss nehmen und die Trennungsdauer verkürzen. Dessen ungeachtet streitet der Beschwerdeführer alles ab und unterstellt der Ehefrau eine Krankheit, welche nicht auf ihn zurückzuführen sei. Angesichts dieses Befunds muss davon ausgegangen werden, dass der Ehewille des Beschwerdeführers lediglich vorgeschoben ist; infolgedessen kann er sich wegen fehlender Tatbestandsvoraussetzung nicht auf Art. 49 AuG berufen.  
 
 Im Übrigen ist aufgrund der dargelegten Sachlage und mit der Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich davon auszugehen, dass - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - bei seiner Ehefrau der gemeinsame Ehewille - jedenfalls nach zwei Jahren und zehn Monaten - ebenfalls fehlt. 
 
3.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 BGG). Parteientschädigungen sind keine geschuldet (Art. 68 BGG). 
 
 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Kammer, und dem Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 28. Juni 2013 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Errass