Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2C_909/2010 
 
Urteil vom 12. April 2011 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, Stadelmann, 
Gerichtsschreiber Küng. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marcel Bühler, 
 
gegen 
 
Anwaltskommission des Kantons Aargau, Obere Vorstadt 40, 5000 Aarau. 
 
Gegenstand 
Art. 12 lit. a BGFA; Verletzung der Berufspflichten. 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau vom 23. Juni 2010. 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ ist Rechtsanwalt in Baden. Im Februar 2009 wurde er als amtlicher Verteidiger von A.________ bestellt. Diesem wird mehrfache einfache Körperverletzung der Ehefrau und der Tochter, mehrfache Drohung gegen die Ehefrau sowie mehrfache Nötigung und sexuelle Nötigung der Ehefrau vorgeworfen. Nachdem X.________ mehrmals mit der Ehefrau des Beschuldigten als mutmasslich Geschädigten und Zeugin telefonisch und persönlich Kontakt aufgenommen hatte, um von ihr Angaben zu den in Frage stehenden Vorkommnissen zu erhalten, erstattete das Bezirksamt Baden gegen ihn Anzeige bei der Anwaltskommission des Kantons Aargau wegen Verletzung der Berufsregeln. Diese belegte X.________ mit einem Verweis. Seine dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau am 23. Juni 2010 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt X.________ dem Bundesgericht, das erwähnte Urteil des Verwaltungsgerichts sowie den Entscheid der Anwaltskommission vom 22. Dezember 2009 aufzuheben. 
 
Die Anwaltskommission des Kantons Aargau stellt den Antrag, die Beschwerde abzuweisen. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
C. 
Mit Verfügung vom 15. Dezember 2010 hat der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die Disziplinierung des Beschwerdeführers durch die Vorinstanzen stützt sich auf das Bundesgesetz vom 23. Juni 2000 über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (Anwaltsgesetz, BGFA; SR 935.61). Dieses regelt neben den Berufspflichten (Art. 12 BGFA) insbesondere auch das Disziplinarrecht abschliessend (Art. 17 ff. BGFA) und bildet Teil des Bundesverwaltungsrechts. Da keiner der Ausschlussgründe von Art. 83 BGG Anwendung findet, unterliegt der angefochtene, kantonal letztinstanzliche Endentscheid (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG) der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 lit. a BGG). Als Adressat des angefochtenen Entscheids ist der Beschwerdeführer ohne weiteres zur Ergreifung dieses Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs. 1 lit. a BGG). Auf die fristgerecht erhobene Beschwerde kann daher grundsätzlich eingetreten werden. 
 
1.2 Soweit der Beschwerdeführer die Aufhebung des Entscheides der Anwaltskommission verlangt, ist darauf nicht einzutreten. Dieser Entscheid ist durch das Urteil der Vorinstanz ersetzt worden und gilt als inhaltlich mitangefochten (sog. Devolutivefekt; vgl. BGE 134 II 142 E. 4.1). 
 
2. 
2.1 Anwälte sind gemäss Art. 12 lit. a BGFA verpflichtet, ihren Beruf sorgfältig und gewissenhaft auszuüben. Hierzu gehört auch, dass der Anwalt grundsätzlich jegliches Verhalten unterlässt, das die Gefahr einer Beeinflussung von Zeugen zur Folge haben könnte (vgl. Art. 7 der Standesregeln des Schweizerischen Anwaltsverbands vom 1. Juli 2005). Die selbständige Kontaktaufnahme mit einer Person, die als Zeuge in Betracht kommt, erscheint unter diesem Gesichtspunkt als problematisch, da mit einem solchen Vorgehen stets eine zumindest abstrakte Gefahr einer Beeinflussung verbunden ist. In einem neueren Urteil hat das Bundesgericht - unter Hinweis auf entsprechende Lehrmeinungen und die Praxis in den Kantonen, die es als überzeugend und geeignet erachtete, die Generalklausel von Art. 12 lit. a BGFA zu konkretisieren - entschieden, dass eine Kontaktaufnahme mit einem potentiellen Zeugen nur ausnahmsweise mit der anwaltlichen Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung vereinbar sei bzw. nur mit Zurückhaltung und Vorsicht vorgenommen werden solle. Generell sei die Wahrheitsfindung bzw. die Zeugenbefragung Aufgabe des Gerichts und nicht der Parteien oder ihrer Anwälte. Die Kontaktierung eines möglichen Zeugen sei nur dann zulässig, wenn hierfür ein sachlicher Grund bestehe. Als solcher sei namentlich auch das Einschätzen der Erfolgsaussichten von Prozesshandlungen wie etwa die Prozesseinleitung, das Einlegen bzw. der Rückzug eines Rechtsmittels oder das Stellen eines Beweisantrages anzusehen; entscheidend seien aber die Umstände des konkreten Einzelfalls. Um der Gefahr einer Beeinflussung des potentiellen Zeugen bzw. dem blossen Anschein einer unzulässigen Einflussnahme in solchen Fällen entgegenzuwirken, seien entsprechende Vorsichtsmassnahmen zu treffen. So solle der Anwalt den Zeugen schriftlich um ein Gespräch ersuchen und ihn darauf hinweisen, dass er weder verpflichtet sei zu erscheinen noch auszusagen. Ebenfalls habe der Anwalt dem Zeugen mitzuteilen, im Interesse welches Mandanten das Gespräch stattfinden solle. Das Gespräch solle ohne den Mandanten und wenn immer möglich in den Räumlichkeiten des Anwalts stattfinden, wobei gegebenenfalls eine Drittperson als Gesprächszeugin hinzugezogen werden solle. Der Anwalt dürfe keinen Druck auf den Zeugen ausüben und ihn insbesondere nicht zu einer bestimmten Aussage oder überhaupt zu irgendeiner Aussage drängen und ihm für den Fall des Schweigens nicht mit Nachteilen drohen. Verpönt sei auch das Stellen von Suggestivfragen. Eine private Zeugenbefragung durch den Rechtsanwalt sei somit grundsätzlich nur dann mit der anwaltlichen Pflicht zur sorgfältigen und gewissenhaften Berufsausübung im Sinne von Art. 12 lit. a BGFA vereinbar, wenn eine sachliche Notwendigkeit für die Befragung bestehe, diese zudem im Interesse des Mandanten liege und die Befragung so ausgestaltet werde, dass jede Beeinflussung vermieden und die störungsfreie Sachverhaltsermittlung durch das Gericht bzw. die Untersuchungsbehörde gewährleistet bleibe (BGE 136 II 551 E. 3). 
 
2.2 Die Vorinstanz hat festgestellt, der Beschwerdeführer habe mit der mutmasslichen Geschädigten und potentiellen Zeugin, der Ehefrau seines Mandanten, mehrmalig Kontakt aufgenommen und mit diesem Vorgehen eine Beeinflussung mindestens in Kauf genommen. Die Kontaktaufnahmen als solche werden vom Beschwerdeführer nicht bestritten. 
 
2.3 Der Beschwerdeführer begründet seine Eingabe im Wesentlichen mit dem Argument, es brauche für eine Kontaktnahme des Anwalts mit einem Zeugen, die zudem nicht nur lediglich in Ausnahmefällen zulässig sei, keinen sachlichen Grund; es genüge in grundsätzlicher Hinsicht vielmehr, dass keine unzulässige Beeinflussung erfolge. 
 
Nach dem oben Ausgeführten, woran festzuhalten ist, erweist sich diese Auffassung als unzutreffend. 
 
2.4 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat die Vorinstanz durchaus berücksichtigt, dass die Ehefrau seines Mandanten (vom 6. Februar bis 14. April 2009 in Untersuchungshaft) ihn am 24. und 25. März 2009 zunächst selber kontaktiert hat (angefochtenes Urteil E. 4.2). Vorgeworfen wird dem Beschwerdeführer erst die spätere telefonische Kontaktaufnahme und Befragung der Zeugin und Geschädigten vom 31. März 2009 sowie die dabei getroffene Vereinbarung eines Besprechungstermins. Beanstandet wird auch eine weitere telefonische Kontaktaufnahme vom 5. Mai 2009, nachdem der Beschuldigte aufgrund seines Verhaltens in der Nacht erneut verhaftet worden war. 
 
Der vom Beschwerdeführer angegebene Zweck, möglichst schnell Informationen über den Grund der Inhaftierung zu erhalten, kann keineswegs als sachlicher Grund anerkannt werden. Denn es wäre ihm durchaus offengestanden, die gewünschten Informationen von seinem Mandanten oder den Behörden zu erhalten, wie die Vorinstanz zu Recht feststellt. Aus den Akten ergibt sich denn auch, dass die Geschädigte nach dem zweiten Anruf "völlig aufgelöst und bestürzt" war und das Vorgefallene gegenüber den anwesenden Polizeibeamten massiv abschwächen und sogar jegliche bisherigen Anschuldigungen zurückziehen wollte (Aktennotiz der Kantonspolizei Aargau vom 13. Mai 2009). 
 
2.5 Die Vorinstanz hat demnach kein Bundesrecht verletzt, indem sie erkannt hat, der Beschwerdeführer habe mit den beiden, durch keinen sachlichen Grund ausnahmsweise gerechtfertigten Kontaktaufnahmen mit der Ehefrau des Beschuldigten - als Geschädigten und potenziellen Zeugin - seine Berufspflichten verletzt. Anders als die Kontaktierung bzw. die Befragung eines Entlastungszeugen lässt sich die Kontaktaufnahme mit einem Opfer häuslicher und sexueller Gewalt durch den Rechtsanwalt des Beschuldigten grundsätzlich nicht mit der Auflage vereinbaren, die störungsfreie Sachverhaltsermittlung durch die zuständige Behörde zu gewährleisten; zudem hat der Beschuldigte keinerlei Vorkehrungen getroffen, welche einer unzulässigen Beeinflussung bzw. bereits dem blossen Anschein einer unzulässigen Einflussnahme entgegenwirken könnten. 
 
3. 
3.1 Die Vorinstanz hat die Pflichtverletzungen des Beschwerdeführers als mittelschweren Verstoss qualifiziert, der nicht leicht wiege. Sie erachtete deshalb einen Verweis (Art. Art. 17 Abs. 1 lit. b BGFA) als notwendige und angemessene Sanktion. 
 
3.2 Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern der angefochtene Entscheid hinsichtlich der ausgesprochenen Disziplinarmassnahme Bundesrecht verletzen sollte, weshalb darauf nicht näher einzugehen ist. 
 
4. 
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
Diesem Ausgang entsprechend, sind die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 12. April 2011 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Zünd Küng