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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_160/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 28. August 2013  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Bollinger Hammerle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
K.________, 
vertreten durch Fürsprecher Henrik P. Uherkovich, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Solothurn,  
Allmendweg 6, 4528 Zuchwil, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Solothurn vom 17. Januar 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
K.________, geboren 1956, Facharzt für Anästhesie FMH, erlitt am 11. Oktober 2002 einen Selbstunfall mit dem Auto, bei dem er sich insbesondere mehrere Wirbelfrakturen zuzog. Am 17. Januar 2007 meldete er sich unter Hinweis auf starke, progrediente Schmerzen im ganzen Wirbelsäulenbereich (zervikal, thorakal, lumbal), reduzierte Beweglichkeit und Starre der Halswirbelsäule, heftige Kopfschmerzen, Ischialgie, Behinderungen im Bewegungsapparat sowie Nervosität, hervorgerufen durch Schmerzen, und Konzentrationsstörungen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Berufsberatung, Rente) an. Per 1. September 2008 nahm er eine selbständige Erwerbstätigkeit auf (Eröffnung der Klinik X.________). Die IV-Stelle des Kantons Solothurn führte medizinische und erwerbliche Abklärungen durch. Mit Verfügung vom 21. Dezember 2011 sprach sie, nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren, K.________ ab 1. Januar 2007 eine halbe Rente (IV-Grad: 50 % bis 30. März 2008 bzw. 57 % ab 1. April 2008) sowie eine Viertelsrente ab 1. Dezember 2008 (IV-Grad: 49 %) zu. 
 
B.  
Die hiegegen erhobene Beschwerde des K.________ wies das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn mit Entscheid vom 17. Januar 2013 ab. 
 
C.  
K.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und die Neufestsetzung seines Rentenanspruches ab 1. September 2008 beantragen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Das kantonale Gericht hat die gesetzliche Regelungen betreffend den nach Massgabe des Invaliditätsgrades zu bestimmenden Umfang eines Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 2 IVG), die Invaliditätsbemessung bei Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG, Art. 28a Abs. 1 IVG) und den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG) zutreffend dargelegt. Korrekt sind auch die Ausführungen zur Bedeutung ärztlicher Arbeitsfähigkeitsschätzungen für die Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 256 E. 4 S. 261), zum Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG; BGE 125 V 351 E. 3a S. 352), zur Bestimmung des Invalideneinkommens auf der Grundlage lohnstatistischer Angaben (BGE 129 V 472 E. 4.2.1 S. 475 f. mit Hinweisen) und zur Gewährung eines Abzuges vom Tabellenlohn (BGE 126 V 75 E. 5b S. 79 f.; vgl. E. 4.2 hienach). Darauf wird verwiesen. 
 
3.  
Streitig und zu prüfen ist der Rentenanspruch und in diesem Zusammenhang insbesondere die Höhe des Invalideneinkommens. Nachdem der Beschwerdeführer per 1. September 2008 eine selbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen hatte, ist die damit verbundene Änderung des Invalidenlohnes in Anwendung von Art. 88a Abs. 2 IVV ab 1. Dezember 2008 zu berücksichtigen ( vgl. BGE 109 V 125 sowie Ulrich Meyer, Rechtsprechung des Bundesgerichts zum IVG, 2. Aufl. 2010, S. 363 und Urteil 8C_690/2012 vom 4. März 2013 E. 3.2). Soweit der Versicherte die Neufestsetzung des Rentenanspruches bereits ab 1. September 2008 beantragt, ist die Beschwerde zum vornherein unbegründet. 
 
3.1. Die Vorinstanz erwog, die vom Versicherten eingereichten Belege über sein in den Jahren 2010 und 2011 erzieltes Einkommen bildeten keine hinreichend zuverlässige Basis für die Festsetzung des Invalidenlohnes. Nach Einschätzung der ABI-Gutachter könne bei den zumutbaren Tätigkeiten "beispielsweise an eine Funktion als Versicherungsmediziner" gedacht werden. Es sei aber nicht ausschliesslich eine Tätigkeit als Versicherungsmediziner möglich, vielmehr lasse sich das Zumutbarkeitsprofil im Rahmen einer Anstellung als Arzt in verantwortungsvoller Position vielfältig verwerten. Die Beschwerdegegnerin habe zu Recht auf Tabellenlöhne abgestellt und das Invalideneinkommen gestützt auf die vom Bundesamt für Statistik herausgegebene Lohnstrukturerhebung (LSE) 2008, Tabelle 11, Universitäre Hochschule, Anforderungsniveau 1 und 2 auf Fr. 14'118.- monatlich festgesetzt. Ein leidensbedingter Abzug sei nicht angezeigt, weil in adaptierten Tätigkeiten eine volle Arbeitsfähigkeit bestehe, das Alter 55 (im Zeitpunkt des Einkommensvergleichs) keinen Abzug rechtfertige und der Versicherte in früheren Jahren ein hohes Einkommen erzielt habe, was zeige, dass er keine Lohnnachteile aus invaliditätsfremden Gründen zu befürchten habe.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer bringt vor, der angefochtene Entscheid überzeuge nicht, soweit die Vorinstanz nicht zwischen dem Zumutbarkeitsprofil und der Verweisungstätigkeit unterscheide. Sei eine Verweisungstätigkeit (hier: als Versicherungsmediziner) bestimmt, habe das Invalideneinkommen konkret anhand der Medianlöhne dieser Tätigkeit zu erfolgen. Anders als bei sogenannt unqualifizierten Berufen könne das Einkommen bei akademischen Tätigkeiten im höchsten Niveau stark von den Tabellenlöhnen abweichen. Heranzuziehen seien daher die Lohnbänder der in Regionalen Ärztlichen Diensten (RAD), allenfalls auch der bei SUVA und Privatversicherungen tätigen Mediziner. Nicht haltbar sei der vorinstanzlich geschützte Verzicht auf Gewährung eines leidensbedingten Abzuges. Ein solcher sei namentlich mit Blick auf sein Alter und die mangelnde Beherrschung der deutschen Sprache im Umfang von 10 % zu gewähren.  
 
4.  
 
4.1. Die Vorbringen des Versicherten lassen den angefochtenen Entscheid nicht als bundesrechtswidrig erscheinen. Das Argument, bei akademischen Tätigkeiten im höchsten (Anforderungs-) Niveau könne der Tabellenlohn stark von den in zumutbaren Tätigkeiten erzielbaren Einkommen abweichen, vermag nicht zu überzeugen. In der Beschwerde wird denn auch nicht weiter begründet, weshalb bei akademischen Tätigkeiten Tabellenlöhne grundsätzlich als verlässliche Berechnungsgrundlage ausser Betracht fallen sollten. Die besonders hohe Entlöhnung herausragender Fähigkeiten ist jedenfalls keine ausschliessliche Eigenheit akademischer Berufe und es ist auch sonst kein Grund ersichtlich, diese mit Bezug auf den Anwendungsbereich von Tabellenlöhnen anders zu behandeln als nichtakademische Arbeitsstellen. Zu Recht hat die Vorinstanz des Weiteren berücksichtigt, dass nach Einschätzung der ABI-Gutachter eine Tätigkeit als Versicherungsmediziner lediglich eine denkbare Verwertungsmöglichkeit der (Rest-) Arbeitsfähigkeit ist und nebst der Arbeit als Anästhesist "im engeren Sinne" (d.h. ohne wesentliche Beteiligung an Lagerung und Transfer von Patienten und ohne stundenlanges Verharren in gleicher Körperposition) auch in allen anderen körperlich leichten Tätigkeiten mit gelegentlichem Positionswechsel und ohne länger dauernde Zwangshaltungen der zerviko-thorakalen Wirbelsäule oder der Knie keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit besteht. Inwiefern das Abstellen auf die Tabelle TA 11 der LSE (2008) bundesrechtswidrig sein soll, ist schliesslich auch mit Blick auf vergleichbare Fälle (z.B. Urteil 8C_548/2007 vom 5. Mai 2008 E. 3.2 betreffend einen zuletzt als Oberarzt tätig gewesenen Gynäkologen) nicht einzusehen.  
 
4.2. Ob ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug vom Tabellenlohn vorzunehmen ist, stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar (Urteil 8C_652/2008 vom 8. Mai 2009 E. 4 in fine, nicht publiziert in BGE 135 V 29). Ein Leidensabzug im Sinne von BGE 126 V 75 E. 5a S. 78 soll rechtsprechungsgemäss dann erfolgen, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die versicherte Person wegen eines oder mehrerer der massgebenden Merkmale ihre Restarbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann (BGE 126 V 75 E. 5b/aa S. 79). Die Vorinstanz verneinte indes zu Recht stichhaltige Gründe, welche für eine unter dem Durchschnitt liegende Verwertbarkeit der Arbeitsfähigkeit sprechen würden. Das Alter des im Verfügungszeitpunkt 55-jährig gewesenen Versicherten rechtfertigt keinen Abzug vom Tabellenlohn (vgl. z.B. Urteil 9C_780/2008 vom 22. Dezember 2008 E. 3.4.2). Unbestritten hatte sich der Beschwerdeführer mit Gründung der Klinik X.________ per 1. September 2008 selbständig gemacht, wo er - gemäss Internetauftritt der Klinik bis heute - als Tagesklinikleiter sowie als Leiter des dortigen Schmerzzentrums arbeitet. Mit Blick auf diese berufliche Stellung ist jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich, dass seine - vom psychiatrischen Gutachter als "gut" bezeichneten - Deutschkenntnisse nicht ausreichend sein sollten, um Berichte und Gutachten zu verfassen. Dies gilt umso mehr, als er sich seit dem Jahr 1991 in der Schweiz aufhält, seither mehrfach in leitender ärztlicher Position tätig war und sich den Akten keinerlei Hinweise entnehmen lassen, es mangle ihm an genügenden Kenntnissen der deutschen Sprache.  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 28. August 2013 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Die Gerichtsschreiberin: Bollinger Hammerle