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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
C 159/04 
 
Urteil vom 2. Februar 2005 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger; Gerichtsschreiber Ackermann 
 
Parteien 
J.________, 1962, Beschwerdeführer, vertreten durch die DAS Rechtsschutz-Versicherungs-AG, Wengistrasse 7, 8004 Zürich, 
 
gegen 
 
Arbeitslosenkasse Unia, Schwamendingenstrasse 10, 8050 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 9. August 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
J.________, geboren 1962, arbeitete von Januar 1997 bis zur Entlassung per 30. Juni 2002 als Eisenleger für die Firma A.________ AG, vom 28. Juli 2001 bis zum 30. Juni 2003 bezog er Leistungen der Krankentaggeldversicherung. Am 15. Mai 2002 meldete sich J.________ bei der Arbeitslosenversicherung zum Taggeldbezug an. Nachdem die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie mit dem Krankentaggeldversicherer Rücksprache genommen hatte, teilte das Regionale Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) Zürich J.________ mit Schreiben vom 16. Dezember 2002 mit, er werde von der Arbeitslosenversicherung abgemeldet und könne sich wieder anmelden, wenn er 50 % arbeitsfähig sei. 
 
Am 11. März 2004 meldete sich J.________ erneut zur Arbeitsvermittlung und am 15. März 2004 wiederum zum Bezug von Arbeitslosentaggeldern an. Mit Verfügung vom 22. April 2004 lehnte die Arbeitslosenkasse den Taggeldanspruch wegen Nichterfüllung der Beitragszeit ab und erachtete eine Befreiung von der Beitragszeit als nicht möglich, da seit September 2001 in einer leidensangepassten Tätigkeit eine vollständige Arbeitsfähigkeit bestanden habe. Dies wurde durch Einspracheentscheid vom 2. Juni 2004 bestätigt. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 9. August 2004 ab. 
C. 
J.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheides sei die Befreiung von der Betragszeit festzustellen und die Sache an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie über die restlichen Anspruchsvoraussetzungen des Taggeldanspruches verfüge, eventualiter seien ab dem 1. Juli 2003 - subeventualiter ab dem 11. März 2004 - Arbeitslosenentschädigungen auszurichten. 
 
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen über die Beitragszeit (Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG) und ihre Erfüllung (Art. 13 Abs. 1 AVIG in Verbindung mit Art. 9 AVIG) sowie die Befreiung davon wegen Krankheit, Unfall oder Mutterschaft (Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
Zu ergänzen bleibt, dass gemäss Art. 9 Abs. 1 AVIG für den Leistungsbezug und die Beitragszeit, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht, zweijährige Rahmenfristen gelten. Die Rahmenfrist für den Leistungsbezug beginnt mit dem ersten Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 9 Abs. 2 AVIG), während die Rahmenfrist für die Beitragszeit zwei Jahre vor diesem Tag beginnt (Art. 9 Abs. 3 AVIG). 
2. 
Streitig ist der Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung und in diesem Zusammenhang insbesondere die Fragen, ob der Beschwerdeführer von der Erfüllung der Beitragspflicht wegen Krankheit befreit ist oder ob die Rahmenfrist für den Leistungsbezug allenfalls schon anlässlich der ersten Anmeldung im Frühling 2002 zu laufen begonnen hat. 
2.1 Das kantonale Gericht geht davon aus, dass innerhalb der Rahmenfrist für die Beitragszeit die notwendige Mindestbeitragszeit nicht erfüllt sei. Da für leidensangepasste Tätigkeiten spätestens seit Juni 2002 eine vollständige Arbeitsfähigkeit bestanden habe, sei der Versicherte innerhalb der Rahmenfrist für die Beitragszeit nicht während mehr als zwölf Monaten krankheitsbedingt verhindert gewesen, einer Beschäftigung nachzugehen, so dass keine Befreiung von der Beitragszeit möglich sei. Schliesslich sei die im Jahr 2002 erfolgte erste Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung in diesem Verfahren nicht massgebend. 
 
Der Versicherte bringt demgegenüber vor, er sei wegen Arbeitsunfähigkeit von der Beitragspflicht zu befreien, da Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG zwar eine Arbeits-, aber keine Erwerbsunfähigkeit voraussetze. Weiter habe er im Hinblick auf die Auskunft der Arbeitslosenversicherung vom 16. Dezember 2002 nach einer ersten Anmeldung auf Taggelder verzichtet und sei davon ausgegangen, er könne sich wieder melden, wenn er 50 % arbeitsfähig sei. Eventualiter sei davon auszugehen, dass die im Mai/Juni 2002 eröffnete Rahmenfrist weiterlaufe und er in der Folge mit Ablauf der Krankentaggeldleistungen (Juni 2003) Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung habe. Die Kontrollvorschriften habe er nur deshalb nicht erfüllt, weil er sich auf die Auskunft von Dezember 2002 gestützt habe, wonach er sich erst wieder melden müsse, wenn er zu 50 % arbeitsfähig sei. Ein Anspruch bestehe aber spätestens seit der erneuten Anmeldung im März 2004. 
2.2 Zunächst ist zu prüfen, ob nach der ersten Anmeldung am 10. Mai 2002 eine Rahmenfrist für den Leistungsbezug zu laufen begonnen hat oder nicht. Ist dies zu bejahen und ist die Rahmenfrist zur Zeit der Anmeldung im März 2004 noch nicht abgelaufen gewesen, erübrigen sich weitere Abklärungen bezüglich erfüllter Beitragspflicht, da nicht gleichzeitig zwei (verschiedene) Rahmenfristen für den Leistungsbezug bestehen können. 
 
Der Beschwerdeführer war ab dem 1. Juli 2002 ganz arbeitslos im Sinne des Art. 10 Abs. 1 AVIG, da sein Arbeitsvertrag durch Kündigung der Arbeitgeberin per Ende Juni 2002 aufgelöst worden war. Obwohl bis Ende Juni 2003 Krankentaggelder flossen, lag ein anrechenbarer Arbeitsausfall gemäss Art. 11 Abs. 1 AVIG vor, da die Leistungen des Krankentaggeldversicherers keinen Lohnanspruch gemäss Art. 11 Abs. 3 AVIG darstellen (BGE 128 V 178 ff. Erw. 2 f.; vgl. dazu die Koordinationsnorm des Art. 28 Abs. 2 AVIG in den beiden Fassungen vor und nach dem 1. Juli 2003, weshalb im vorliegenden Fall kein Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung bestand). Weiter wohnte und wohnt der Versicherte in der Schweiz (Art. 8 Abs. 1 lit. c AVIG) und hatte die obligatorische Schulzeit zurückgelegt, ohne im Rentenalter zu stehen oder eine Altersrente zu beziehen (Art. 8 Abs. 1 lt. d AVIG). Wegen des bis Ende Juni 2002 bestehenden Arbeitsverhältnisses und der erst seit Juli 2001 einsetzenden Krankentaggeldleistungen war die Beitragszeit im Jahr 2002 erfüllt (Art. 13 Abs. 1 AVIG in der bis Ende Juni 2003 geltenden Fassung). Wie die Arbeitslosenkasse im Einspracheentscheid selber ausführt, waren leidensangepasste Tätigkeiten (Art. 16 Abs. 2 lit. c AVIG) im Umfang von 100 % zumutbar, während sich für eine fehlende Vermittlungsbereitschaft keinerlei Anhaltspunkte in den Akten finden, so dass auch die Vermittlungsfähigkeit zu bejahen ist (Art. 15 Abs. 1 AVIG). Da in den Akten die Angaben des Versicherten von Juli bis Dezember 2002 liegen, ist schliesslich davon auszugehen, dass er die Kontrollvorschriften erfüllt hat (Art. 17 Abs. 2 AVIG). 
Damit waren am 1. Juli 2002 sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt, so dass an diesem Tag (und nicht erst ab November 2002, wie es die Arbeitslosenkasse ohne Begründung angenommen hat) die zweijährige Rahmenfrist für den Leistungsbezug zu laufen begonnen hat. Eine einmal rechtmässig eröffnete Rahmenfrist für den Leistungsbezug bleibt jedoch bestehen und beginnt auch bei mehrmaliger Arbeitslosigkeit innerhalb der Rahmenfrist nicht neu zu laufen (Urteil C. vom 1. März 2004, C 224/03), so dass mit der erneuten Anmeldung im März 2004 (noch) keine neue Rahmenfristen für Leistungsbezug und Beitragszeit festzulegen waren. Da hier (wegen Berücksichtungen der Krankentaggelder gemäss Art. 28 Abs. 2 AVIG in der bis Ende Juni 2003 geltenden Fassung zu Recht) keine Taggelder ausgerichtet worden sind, kann im Übrigen die Rechtsprechung gar nicht massgebend sein, wonach die Beständigkeit des einmal festgelegten Beginns der Leistungsrahmenfrist unter dem Vorbehalt steht, dass sich die Zusprechung und Ausrichtung von Arbeitslosenentschädigung nicht nachträglich zufolge Fehlens einer oder mehrerer Anspruchsvoraussetzungen unter wiedererwägungsrechtlichen oder prozessualrevisionsrechtlichen Gesichtspunkten als unrichtig erweist (BGE 127 V 477 Erw. 2b/aa). Die Frage der Befreiung von der Beitragszeit gemäss Art. 14 Abs. 1 lit. b AVIG kann deshalb offen bleiben. 
2.3 Der Beschwerdeführer macht eventualiter geltend, es seien ihm ab dem 1. Juli 2003 Arbeitslosentaggelder zuzusprechen. Er habe sich nämlich nur deswegen nicht direkt nach der Einstellung der Krankentaggeldleistungen bei der Arbeitslosenversicherung gemeldet, weil ihm mit Schreiben vom 16. Dezember 2002 mitgeteilt worden sei, er könne sich wieder melden, wenn er zu 50 % arbeitsfähig sei. 
2.3.1 Der Beschwerdeführer stützt sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben. Dieser schützt den Bürger in seinem berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten und bedeutet u.a., dass falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des Rechtsuchenden gebieten. Gemäss der aus Art. 4 Abs. 1 aBV abgeleiteten und unter Art. 9 und 5 Abs. 3 BV weiterhin geltenden Rechtsprechung (RKUV 2000 Nr. KV 126 S. 223 f.) ist eine falsche Auskunft bindend, 
 
1. wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen gehandelt hat; 
 
2. wenn sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft zuständig war oder wenn die rechtsuchende Person die Behörde aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte; 
3. wenn die Person die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne weiteres erken- nen konnte; 
 
4. wenn sie im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen ge- troffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können; 
 
5. wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren hat (BGE 121 V 66 Erw. 2a mit Hinweisen; RKUV 2000 Nr. KV 126 S. 223 Erw. 2). 
2.3.2 Mit Schreiben vom 16. Dezember 2002 hat das RAV dem Versicherten mitgeteilt, dass eine Mitarbeiterin der Arbeitslosenkasse (nicht des RAV) mit dem Krankentaggeldversicherer gesprochen habe, er gemäss den erhaltenen Informationen bis auf weiteres 100 % arbeitsunfähig sei und deshalb Krankentaggelder, aber keine Arbeitslosenentschädigung beziehen könne. Deshalb sei es "sinnvoll", ihn "von der Arbeitslosenversicherung abzumelden"; er könne sich "wieder anmelden", "sobald [er] wieder 50 % arbeitsfähig" sei. 
 
Es kann offen bleiben, ob das RAV eine falsche Auskunft erteilt hat und ob sich die Arbeitslosenkasse diese allenfalls anrechnen lassen müsste, denn der Versicherte hätte sich so oder so erst im März 2004 und nicht bereits unmittelbar nach Einstellung der Leistungen des Krankentaggeldversicherers im Sommer 2003 bei der Arbeitslosenversicherung (erneut) gemeldet. Der Beschwerdeführer hat nämlich erst in dem Zeitpunkt wieder Arbeitslosenentschädigung beantragt, als ihn Dr. med. L.________ mit Zeugnis vom 11. März 2004 für leichte Arbeit "voll vermittelbar" erachtet hat und - wohl zur gleichen Zeit - auf der Krankenkarte des Krankentaggeldversicherers hinsichtlich seiner früheren Einschätzung einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit präzisierte, dass sich dies nur auf die angestammte Tätigkeit als Eisenleger bezogen hatte (was sich inhaltlich mit den anderen in den Akten liegenden Arztberichten deckt). Damit war nicht die Auskunft des RAV, sondern das Zeugnis des Dr. med. L.________ der entscheidende Grund für den Zeitpunkt der Anmeldung im März 2004, d.h. der Beschwerdeführer hat sich nicht wegen der Mitteilung des RAV nicht bereits im Sommer 2003 bei der Arbeitslosenversicherung gemeldet, sondern weil er sich zu dieser Zeit immer noch als vollständig arbeitsunfähig erachtete. Auch wenn die Auskunft von Dezember 2002 falsch sein sollte, wäre die Anmeldung somit nicht früher erfolgt. Deshalb kann der Versicherte aus der behaupteten Unrichtigkeit des Schreibens des RAV von Dezember 2002 nichts zu seinen Gunsten ableiten. 
2.3.3 Da zur Zeit der erneuten Anmeldung im März 2004 bereits eine Rahmenfrist für den Leistungsbezug bestand (vgl. Erw. 2.2 hievor), geht die Sache zurück an die Arbeitslosenkasse, damit sie die restlichen Voraussetzungen des Taggeldanspruches ab diesem Zeitpunkt prüfe. 
3. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses entsprechend steht dem teilweise obsiegenden Versicherten eine Parteientschädigung zu (Art. 135 OG in Verbindung mit Art. 159 Abs. 3 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 9. August 2004 und der Einspracheentscheid der Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie vom 2. Juni 2004 aufgehoben und es wird die Sache an die Verwaltung zurückgewiesen, damit sie über den Anspruch auf Taggelder der Arbeitslosenversicherung ab März 2004 neu verfüge. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit, Arbeitslosenversicherung, Zürich, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 2. Februar 2005 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: