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[AZA 0] 
2A.281/2000/odi 
 
II. ÖFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ********************************** 
 
 
3. Oktober 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der 
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hartmann, Betschart, 
Hungerbühler, Müller und Gerichtsschreiber Fux. 
 
--------- 
 
In Sachen 
Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, handelnd durch das Generalsekretariat, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
H.________, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Frei, dieser substituiert durch lic. iur. Brigitt Thambiah, Kernstrasse 8, Postfach, Zürich, Fremdenpolizei des Kantons Zürich, Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, 
 
betreffend 
Ausschaffungshaft 
(Art. 13c Abs. 2 ANAG; 96-Stunden-Frist), hat sich ergeben: 
 
A.- Der aus Syrien stammende H.________, geb. 1969, kam am 22. April 2000 von Kairo her im Flughafen Zürich-Kloten an. Am 23. April 2000 stellte er im Transitbereich des Flughafens ein Asylgesuch. Mit Verfügung vom 25. April 2000 verweigerte ihm das Bundesamt für Flüchtlinge die Einreise vorläufig und wies ihm für die Dauer des weiteren Asylverfahrens bis längstens 10. Mai 2000 den Transitbereich des Flughafens Zürich-Kloten als Aufenthaltsort zu. Am 5. Mai 2000 bewilligte ihm das Bundesamt für Flüchtlinge die Einreise in die Schweiz nicht, wies ihn vorsorglich aus der Schweiz nach Ägypten weg, erklärte die vorsorgliche Wegweisung als sofort vollstreckbar und beauftragte die Flughafenpolizei mit dem Vollzug der Wegweisung; einer allfälligen Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung entzogen. Am 10. Mai 2000 wies die Schweizerische Asylrekurskommission ein Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der inzwischen eingereichten Beschwerde ab. Diese Verfügung wurde dem Betroffenen am 12. Mai 2000 eröffnet. 
 
Am 15. Mai 2000 wurde H.________ "zwecks Gewährung des rechtlichen Gehörs" auf dem Polizeiposten des Flughafens in Haft genommen. Am 16. Mai 2000 verfügte die Fremdenpolizei des Kantons Zürich die Ausschaffungshaft bis zum 15. August 2000 und beantragte dem Haftrichteramt die Bestätigung der Haft. Am 18. Mai 2000 entschied der Haftrichter am Bezirksgericht Zürich, dass die angeordnete Ausschaffungshaft nicht bestätigt werde. Er begründete dies damit, dass die 96-Stunden-Frist, innerhalb welcher die Ausschaffungshaft durch eine richterliche Behörde zu überprüfen sei, im Flughafenverfahren mit der Eröffnung des vollstreckbaren, vorsorglichen Wegweisungsentscheids beginne. Diese Frist habe im konkreten Fall am 12. Mai 2000 (um 9.20 Uhr) begonnen und sei somit am 16. Mai 2000 (um 9.20 Uhr) abgelaufen. Das Begehren um Haftprüfung sei erst am 18. Mai 2000 (um 8.15 Uhr) beim Haftrichteramt eingegangen und deshalb verspätet. Dadurch seien wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt worden. 
Da eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit weder von der Fremdenpolizei geltend gemacht werde noch den Akten entnommen werden könne, sei der Antragsgegner aus der Haft zu entlassen. 
 
H.________ wurde noch am gleichen Tag (18. Mai 2000) aus der Haft und aus dem Transitbereich des Flughafens Zürich-Kloten entlassen. Am 23. Mai 2000 wurde er von der Empfangsstelle Kreuzlingen dem Kanton St. Gallen zugewiesen. 
 
B.-Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (im Folgenden: Departement) hat am 16./19. Juni 2000 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht erhoben und beantragt, den Entscheid des Haftrichters vom 18. Mai 2000 aufzuheben. Das Departement rügt eine Verletzung von Bundesrecht, weil der Haftrichter davon ausgehe, dass die 96-Stunden-Frist zur Überprüfung der angeordneten Ausschaffungshaft nicht ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Inhaftierung (am 
15. Mai 2000), sondern bereits ab Eröffnung des Entscheids der Asylrekurskommission vom 12. Mai 2000 zu laufen begonnen habe. 
 
Die Fremdenpolizei des Kantons Zürich hat unter Hinweis auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf eine Stellungnahme verzichtet. Der Haftrichter am Bezirksgericht Zürich hat ausdrücklich auf Vernehmlassung verzichtet, während sich H.________ nicht vernehmen liess. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- a) Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement ist als das in der Sache zuständige Departement legitimiert, die Verfügung des Haftrichters, der als letzte kantonale Instanz entschieden hat, mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten (Art. 103 lit. b OG). 
 
b) Der Bund führt im öffentlichen Interesse Beschwerde. 
Das Beschwerderecht der Bundesbehörden soll den richtigen und rechtsgleichen Vollzug des Bundesverwaltungsrechts sicherstellen. Dabei besitzt der Bund ein abstraktes Interesse; er muss also kein spezifisches öffentliches Interesse an der Anfechtung der Verfügung nachweisen (BGE 113 Ib 219 E. 1b S. 221, mit Hinweisen). 
 
Im vorliegenden Fall wurde der betreffende Ausländer unmittelbar im Anschluss an den angefochtenen Haftrichterentscheid am 18. Mai 2000 aus der Haft und aus dem Transitbereich des Flughafens Zürich-Kloten entlassen und am 23. Mai 2000 von der Empfangsstelle Kreuzlingen dem Kanton St. Gallen zugewiesen; damit wurde ihm faktisch die Einreise in die Schweiz gestattet. Bei dieser Sachlage hat der Entscheid betreffend die vorsorgliche Wegweisung, dessen Vollzug mit der Ausschaffungshaft sichergestellt werden sollte, zwar seine Grundlage verloren, denn die vorsorgliche Wegweisung fällt nur dann in Betracht, wenn die Einreise am Flughafen nicht bewilligt wird (Art. 23 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998, AsylG; SR 142. 31). Deshalb könnte auch eine Gutheissung der Beschwerde nicht dazu führen, dass der Ausländer wieder in Haft genommen werden müsste; ein solcher Antrag wird übrigens in der Beschwerde auch gar nicht gestellt. 
 
 
Trotzdem hat das beschwerdeführende Departement im Hinblick auf die zahlreichen Flughafenverfahren ein hinreichendes aktuelles Interesse daran, die streitige Rechtsfrage dem Bundesgericht zu unterbreiten, um die Unsicherheiten hierüber zu beseitigen. Auf die Beschwerde ist deshalb einzutreten. 
 
2.-Gemäss Art. 13c Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG; SR 142. 20) sind die Rechtmässigkeit und die Angemessenheit der Haft spätestens nach 96 Stunden durch eine richterliche Behörde aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu überprüfen. 
 
 
Nach Art. 23 Abs. 4 AsylG ist der Entscheid über die vorsorgliche Wegweisung von asylsuchenden Personen am Flughafen innert 15 Tagen nach der Einreichung des Gesuchs zu eröffnen. Dauert das Verfahren länger, so bewilligt das Bundesamt (für Flüchtlinge) die Einreise. Wird die asylsuchende Person weggewiesen, so kann sie nicht länger als bis zur nächsten regulären Flugverbindung in den Heimat-, Herkunfts- oder Drittstaat, längstens aber sieben Tage, am Flughafen festgehalten werden. Vorbehalten bleibt Art. 112 AsylG
 
3.- a) Der Haftrichter geht im angefochtenen Entscheid davon aus, die 96-Stunden-Frist des Artikels 13c Abs. 2 ANAG zur Überprüfung der Ausschaffungshaft habe mit der Eröffnung des abschlägigen Entscheids der Asylrekurskommission über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zu laufen begonnen. Nach dem Zeitkonzept der neuen Regelung im Asylgesetz sei nämlich die in Art. 23 Abs. 4 AsylG vorgesehene Frist von sieben Tagen, während der eine vorsorglich weggewiesene asylsuchende Person am Flughafen längstens festgehalten werden könne, so bemessen, dass darin sowohl die stipulierte Dauer des Verfahrens betreffend die aufschiebende Wirkung als auch die 96-Stunden-Frist des Artikels 13c Abs. 2 ANAG Platz fänden. Dem kann nicht gefolgt werden. 
 
b) Das Bundesgericht hat in BGE 123 II 193 ff. für eine Übergangsfrist bestimmte gesetzesergänzende Grundsätze für das so genannte Flughafenverfahren aufgestellt. Unter anderem hat es erkannt, dass die richterliche Haftüberprüfung gemäss Art. 13c Abs. 2 ANAG innert 96 Stunden seit dem Wirksamwerden der Wegweisungsverfügung (Abweisung des Gesuchs um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung) erfolgen müsse (a.a.O., E. 5b S. 204). Seit dem 1. Oktober 1999 ist das neue Asylgesetz (vom 26. Juni 1998) in Kraft, das unter anderem das Asylverfahren am Flughafen eingehend regelt. Dadurch sind die erwähnten vom Bundesgericht aufgestellten Grundsätze obsolet geworden. 
 
c) Das Festhalten einer weggewiesenen asylsuchenden Person am Flughafen gemäss Art. 23 Abs. 4 AsylG dient in dieser Phase der Sicherung des Wegweisungsvollzugs; die Frist von sieben Tagen soll es den Behörden ermöglichen, den Vollzug der Wegweisung zu organisieren (vgl. AB 1997 N 1225, Votum von Bundespräsident Koller). Diese Frist kann aber vernünftigerweise erst zu laufen beginnen, wenn der Entscheid über die vorsorgliche Wegweisung nicht mehr in Frage gestellt werden kann. Auch der weggewiesene Ausländer selber, der nach Ablehnung seines Gesuchs um aufschiebende Wirkung (vgl. Art. 112 AsylG) freiwillig ausreisen will, ist unter Umständen darauf angewiesen, die Maximalfrist auszuschöpfen (z.B. bei bloss wöchentlichen Flugverbindungen); das Gleiche gilt in Fällen, wo die Ausreise durch die kantonale Fremdenpolizei organisiert wird. Stünde dafür nicht eine Frist von sieben Tagen zur Verfügung, könnte die vorsorgliche Wegweisung am Flughafen in vielen Fällen schon aus technischen Gründen gar nicht rechtzeitig durchgeführt werden, und die Einreise müsste jeweils bewilligt werden (Art. 23 Abs. 4 erster und zweiter Satz AsylG; vgl. auch Votum Koller, a.a.O.). Damit würde aber das Flughafenverfahren seinen Zweck weitgehend verfehlen. 
 
Die 7-Tage-Frist des Artikels 23 Abs. 4 AsylG hat mit der 96-Stunden-Frist des Artikels 13c Abs. 2 ANAG nichts zu tun. Die Ausschaffungshaft (Art. 13b ANAG) wird erst angeordnet, wenn der Ausländer innert der 7-tägigen Maximalfrist nicht freiwillig ausreist oder die Wegweisung bis dahin nicht vollzogen werden kann. Erst mit der Anordnung der Ausschaffungshaft beginnt die Frist von 96 Stunden zu laufen, die allein der Überprüfung dieser Haft und nicht des Festhaltens am Flughafen dient (vgl. Walter Lang, Das Flughafenverfahren, in: ASYL 3/00, S. 3 ff., 17). 
 
Es besteht entgegen der im angefochtenen Entscheid vertretenen Auffassung auch kein Grund zur Annahme, dass die Maximalfrist von sieben Tagen durch das Verfahren vor der Asylrekurskommission verkürzt würde: Art. 112 AsylG bestimmt, dass die ausländische Person gegen den angeordneten sofortigen Vollzug der Wegweisung innert 24 Stunden bei der Schweizerischen Asylrekurskommission ein Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einreichen kann (Abs. 1), dass darüber innerhalb von 48 Stunden zu entscheiden ist (Abs. 2) und dass bis zum Entscheid über das Gesuch, längstens aber während 72 Stunden, die beschwerdeführende Person von der zuständigen Behörde festgehalten werden kann (Abs. 3). Darum geht es aber hier gar nicht (über die Bedeutung des Vorbehalts von Art. 112 AsylG in Art. 23 Abs. 4 letzter Satz AsylG vgl. im Einzelnen Walter Lang, a.a.O.). 
 
d) Im vorliegenden Fall erging der negative Entscheid der Asylrekurskommission betreffend Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung am 10. Mai 2000 und wurde dem Betroffenen am 12. Mai 2000 eröffnet. Die fremdenpolizeilich begründete Inhaftierung erfolgte faktisch am 15. Mai 2000 (die formelle Haftanordnung am 16. Mai 2000), also noch innert der Frist von sieben Tagen, die für den sofortigen Wegweisungsvollzug zur Verfügung stand. Erst ab diesem Datum (15. Mai) begann die 96-Stunden-Frist des Artikels 13c Abs. 2 ANAG zu laufen, weshalb das am 18. Mai 2000 beim Haftrichteramt eingegangene Begehren um Haftprüfung rechtzeitig war. Indem der Haftrichter darauf nicht eingetreten ist, hat er Bundesrecht verletzt. 
 
4.- Damit erweist sich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde des Departements als begründet und ist gutzuheissen. Unter den gegebenen Umständen führt dies zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids, ohne dass weitere Vorkehren zu treffen wären. 
 
Nach der Regel des Artikels 156 Abs. 2 OG sind keine Gerichtskosten zu erheben, und nach jener des Artikels 159 Abs. 2 OG ist keine Parteientschädigung zuzusprechen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen, und der Entscheid des Haftrichters am Bezirksgericht Zürich vom 18. Mai 2000 wird aufgehoben. 
 
2.- Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.- Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen. 
4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, Herrn H.________, der Fremdenpolizei des Kantons Zürich und dem Bezirksgericht Zürich (Haftrichter) schriftlich mitgeteilt. 
______________ 
Lausanne, 3. Oktober 2000 
 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: 
 
Der Gerichtsschreiber: