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[AZA 3] 
1P.502/1999/boh 
 
          I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG  
          ********************************** 
 
17. Februar 2000  
 
Es wirken mit: Bundesrichter Nay, präsidierendes Mitglied 
der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter 
Féraud, Bundesrichter Favre und Gerichtsschreiber Störi. 
 
--------- 
 
In Sachen 
 
Eduard W a g n e r, Stansstaderstrasse 98, Stans,  
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Peter 
Zelger, Alter Postplatz 2, Postfach, Stans, 
 
gegen 
 
S o n n e n r a i n AG, Stansstaderstrasse 98, Stans,  
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno 
Geiser, Turmatt 10, Stans, 
Politische Gemeinde S t a n s, vertreten durch den  
Gemeinderat, 
Baudirektion des Kantons N i d w a l d e n,  
Verwaltungsgericht des Kantons N i d w a l d e n,  
Verwaltungsabteilung, 
 
betreffend 
Gestaltungsplan, 
hat sich ergeben: 
 
A.-  
Der Gemeinderat Stans hob am 24. Juni 1996 den am  
1. Februar 1982 festgesetzten und am 2. Mai 1986 geänderten 
Gestaltungsplan "Hansmatt Nord-Ost" auf. Eduard Wagner, 
Eigentümer von zwei an der Stansstaderstrasse gegenüber dem 
Gestaltungsplan-Gebiet gelegenen Grundstücken, erhob gegen 
diese Verfügung Einsprache mit dem Antrag, es sei sicherzu- 
stellen und im Grundbuch vorzumerken, dass eine Übernutzung 
der vom Gestaltungsplan erfassten Grundstücke Nrn. 1'123, 
5'202, 1'301 und 1'132 verhindert werde, eventuell sei der 
Gestaltungsplan "Hansmatt Nord-Ost" in Bezug darauf auf- 
rechtzuerhalten oder subeventuell sei für die Erstellung von 
Bauprojekten darauf ein Gestaltungsplan vorzuschreiben. Der 
Gemeinderat Stans wies die Einsprache am 7. Oktober 1996 ab, 
bestätigte die Planaufhebung und beantragte deren Genehmi- 
gung durch die Baudirektion des Kantons Nidwalden. 
 
       Die Baudirektion hiess am 23. September 1997 eine 
Beschwerde Eduard Wagners gegen den Einsprache-Entscheid vom 
7. Oktober 1996 teilweise gut. Sie stellte fest, der Ge- 
staltungsplan "Hansmatt Nord-Ost" vom 1. Februar 1982 sei 
mangels Genehmigung durch den Regierungsrat nie rechtsgültig 
geworden, weshalb seine Aufhebung durch die zuständige Be- 
hörde hinfällig werde. 
 
       Das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden wies 
die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde Eduard 
Wagners mit Urteil vom 23. März 1998 ab. Es erwog, nach dem 
am 1. Juli 1995 geltenden § 202 der kantonalen Bauverordnung 
(vom 19. April 1990, aBauV90) seien alle Gestaltungspläne, 
die bis dahin in Kraft waren, an diesem Tage ausser Kraft 
gesetzt. "Da der Gestaltungsplan "Hansmatt Nord-Ost" am 
1. Juli 1995 auf jeden Fall nicht in Kraft blieb und auch 
später nicht nach neuem Recht bewilligt und genehmigt wurde, 
besteht heute gewiss kein Gestaltungsplan "Hansmatt Nord- 
Ost" mehr". 
 
       Auf Beschwerde Eduard Wagners hin hob das Bundesge- 
richt dieses Urteil am 14. Juli 1998 wegen Verletzung der 
Begründungspflicht (Art. 4 aBV) auf. 
 
B.-  
Mit Urteil vom 22. Februar 1999, welches es am  
30. Juli 1999 versandte, wies das Verwaltungsgericht die Be- 
schwerde Eduard Wagners erneut ab. Es erwog, es habe bereits 
in früheren Urteilen in dieser Sache festgestellt, dass der 
ursprüngliche Gestaltungsplan "Hansmatt Nord-Ost" nicht des- 
wegen unverbindlich bzw. wirkungslos gewesen sei, weil ihn 
der Regierungsrat nicht genehmigt habe; zudem habe es in der 
regierungsrätlichen Genehmigung vom 22. Februar 1988 der 
Planänderung vom 2. Mai 1986 eine stillschweigende Genehmi- 
gung des Planes gesehen. Nach § 202 aBauV90 seien altrecht- 
liche Gestaltungspläne noch längstens 5 Jahre nach dem In- 
Kraft-Treten der aBauV90 in Kraft gewesen. Der Regierungsrat 
habe mit Beschluss vom 2. Juli 1990 festgestellt, dass die 
aBauV90 am 28. Juni 1990 in Kraft getreten sei. Somit habe 
der Gestaltungsplan "Hansmatt Nord-Ost" längstens bis zum 
28. Juni 1995 gegolten und sei am 29. Juni 1995 von Gesetzes 
wegen ausser Kraft gesetzt worden. Die Ausserkraftsetzung 
des Gestaltungsplanes sei grundsätzlich mit seiner Vernich- 
tung identisch, er habe daher nicht wieder aufleben können. 
 
       Mit der Änderung der aBauV vom 5. Juli 1995, in 
Kraft getreten am 15. September 1995 (aBauV95), seien die 
§§ 202, 202a, 202b und 202c aBauV95 betreffend die Über- 
prüfung der Gestaltungspläne eingeführt worden. Nach § 202 
aBauV95 habe der Gemeinderat alle altrechtlichen, noch nicht 
dem neuen Recht angepassten Gestaltungspläne zu überprüfen 
und zu entscheiden, ob sie aufzuheben oder weiterzuführen 
seien. Für das Verfahren habe § 202a Abs. 1 aBauV95 auf die 
Art. 99-101 des Baugesetzes (vom 24. April 1988, BauG) ver- 
wiesen. Diese Regelung sei dann auch in die Bauverordnung 
vom 3. Juli 1996 (in Kraft seit dem 1. Oktober 1996; BauV) 
für sämtliche vor dem 1. Juli 1990 erlassenen, noch nicht 
dem BauG angepassten Gestaltungspläne übernommen worden 
(§§ 96 ff. BauV). Sie wolle somit rückwirkend angewendet 
werden auf Gestaltungspläne, die im Zeitpunkt ihres In- 
Kraft-Tretens nicht mehr bestanden hätten. Nach Art. 5 der 
Kantonsverfassung vom 10. Oktober 1965 (KV) seien indessen 
rückwirkende Gesetze, die den Privaten neue Belastungen auf- 
erlegten, unzulässig. Mit dem Dahinfallen des Gestaltungs- 
planes "Hansmatt Nord-Ost" seien auch die damit verbundenen 
Eigentumsbeschränkungen ausser Kraft gesetzt worden. Würde 
er nachträglich wieder in Kraft gesetzt, würden auch diese 
wieder aufleben und damit dem Grundeigentümern neue Belas- 
tungen auferlegt, was mit Art. 5 KV nicht vereinbar sei. 
Diese Regelung sei daher verfassungswidrig und damit auf den 
Gestaltungsplan "Hansmatt Nord-Ost" nicht anwendbar, weshalb 
sich die Beschwerde als unbegründet erweise. 
 
C.-  
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 1. September  
1999 wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs, Willkür und 
Rechtsverweigerung beantragt Eduard Wagner, das Urteil des 
Verwaltungsgerichtes vom 22. Februar 1999 aufzuheben. 
 
       Der Gemeinderat Stans beantragt mit seiner Vernehm- 
lassung, die Beschwerde abzuweisen. Das Verwaltungsgericht 
verweist auf sein Urteil und verzichtet auf weitere Stel- 
lungnahme. Die Sonnenrain AG beantragt, die Beschwerde abzu- 
weisen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:  
 
1.-  
Auf die Beschwerde ist aus den gleichen Gründen und  
im gleichen Umfang einzutreten wie beim Urteil des Bundesge- 
richts vom 14. Juli 1998. An der Legitimation des Beschwer- 
deführers hat sich nichts geändert. Es erübrigt sich des- 
halb, sie neu zu prüfen, obwohl sie von der Beschwerdegeg- 
nerin "vorsorglich" bestritten wird. 
 
2.-  
Der Beschwerdeführer wirft dem Verwaltungsgericht  
erneut vor, seine Begründungspflicht verletzt zu haben, in- 
dem es für die Darstellung des Sachverhaltes praktisch aus- 
schliesslich auf den Entscheid der Baudirektion vom 23. Sep- 
tember 1997 verwiesen habe, welcher den Sachverhalt zu knapp 
wiedergebe. 
 
       Das Bundesgericht hat diese Rüge bereits in seinem 
Entscheid vom 14. Juli 1998 als unbegründet zurückgewiesen 
(E. 2c). Darauf ist zu verweisen (Art. 36a Abs. 3 OG). 
 
3.-  
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts erlosch die  
Rechtskraft des Gestaltungsplanes "Hansmatt Nord-Ost" am 
29. Juni 1995 von Gesetzes wegen und konnte auch vom Gesetz- 
bzw. Verordnungsgeber wegen des strikten Rückwirkungsver- 
botes von Art. 5 KV nachträglich nicht wieder in Kraft ge- 
setzt werden. Der Beschwerdeführer rügt diese Auslegung des 
kantonalen Rechts als willkürlich. 
 
       a) Willkürlich ist ein Entscheid, der mit der tat- 
sächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm 
oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt 
oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwider- 
läuft. Dabei genügt es nicht, dass die Begründung unhaltbar 
ist, der Entscheid muss sich vielmehr im Ergebnis als will- 
kürlich erweisen (BGE 125 I 166 E. 2a S. 168; 124 I 247 E. 5 
S. 250, je mit Hinweisen). 
 
       b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts bie- 
tet das aus Art. 4 aBV abgeleitete Rückwirkungsverbot grund- 
sätzlich nur Schutz vor der Anwendung einer gesetzlichen 
Ordnung, die an ein Ereignis anknüpft, das vor deren Erlass 
abgeschlossen worden ist. Eine unerlaubte Rückwirkung liegt 
hingegen nicht vor, wenn der Gesetzgeber auf Verhältnisse 
abstellt, die zwar unter der Herrschaft des alten Rechts 
entstanden sind, beim Inkrafttreten des neuen Rechts aber 
noch andauern. Es ist somit nicht verboten, zeitlich offene 
Dauersachverhalte für die Zukunft neuen Rechtsfolgen zu 
unterstellen, sofern dem nicht wohlerworbene Rechte entge- 
genstehen (BGE 122 II 113 E. 3b/dd S. 124 mit Hinweisen). 
 
       c) Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts im 
angefochtenen Entscheid war die Überbaubarkeit des Gestal- 
tungsplan-Gebietes bis zum 29. Juni 1995 vom Gestaltungsplan 
"Hansmatt Nord-Ost" geregelt. Nach dessen Dahinfallen galten 
die allgemeinen Bau- und Zonenvorschriften, bis mit den am 
15. September 1995 in Kraft getretenen §§ 202, 202a, 202b 
und 202c aBauV95 die Gemeinderäte verpflichtet wurden, alle 
altrechtlichen, noch nicht dem neuen Recht angepassten Ge- 
staltungspläne zu überprüfen und zu entscheiden, ob sie auf- 
zuheben oder in Kraft zu lassen seien. Für das Verwaltungs- 
gericht stellt diese Übergangsregelung eine verfassungs- 
rechtliche verpönte Rückwirkung dar, weil der Gestaltungs- 
plan "Hansmatt Nord-Ost" im Zeitpunkt ihrer In-Kraft-Setzung 
bereits dahingefallen war. 
 
       d) Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die 
allfällige Wieder-In-Kraft-Setzung des altrechtlichen Ge- 
staltungsplanes "Hansmatt Nord-Ost" stelle eine verfassungs- 
rechtlich verpönte Rückwirkung dar, ist offensichtlich un- 
haltbar. Eine Rückwirkungsproblematik im Sinne von Art. 4 
aBV und Art. 5 KV ist darin schlechterdings nicht erkennbar: 
 
       Nach den §§ 202 ff. aBauV95 hat der Gemeinderat zu 
prüfen, wie die (ehemaligen) Gestaltungsplan-Gebiete - und 
zwar für die Zukunft - bau- und zonenrechtlich behandelt 
werden sollen, ob sie, vorbehaltlos oder mit gewissen Anpas- 
sungen, den allgemeinen Bau- und Zonenvorschriften zu unter- 
stellen oder ob sie weiterhin einem besonderen Gestaltungs- 
plan zu unterwerfen seien. Selbst wenn der Gemeinderat zum 
Schluss kommen sollte, den altrechtlichen Zonenplan tel quel 
ins neue Recht zu überführen bzw. wieder aufleben zu lassen, 
so würde darin keine Rückwirkung im Sinne von Art. 4 BV bzw. 
Art. 5 KV liegen, sondern eine für die Zukunft geltende Än- 
derung der bau- und zonenrechtlichen Bestimmungen, wie sie 
unter dem Vorbehalt wohlerworbener Rechte ohne weiteres zu- 
lässig ist (vorn E. 3b). Der Umstand, dass der Erlass der 
Übergangsregelung von §§ 202 ff. aBauV95 (wenig koordiniert) 
erst nach dem Dahinfallen des altrechtlichen Gestaltungs- 
plans "Hansmatt Nord-Ost" erfolgte, ändert daran grundsätz- 
lich nichts, sondern hat nur zur Folge, dass die auf das 
Gebiet des ehemaligen Gestaltungsplans "Hansmatt Nord-Ost" 
anwendbare baurechtliche Ordnung allenfalls innert kurzer 
Zeit zweimal geändert wird. Von einer rückwirkenden Anwen- 
dung baurechtlicher Bestimmungen kann indessen keine Rede 
sein. 
 
4.-  
a) Sind aber die §§ 202 ff. aBauV95 sowie die  
§§ 96 ff. BauV nicht wegen des Rückwirkungsverbotes verfas- 
sungswidrig, so war der Gemeinderat Stans gehalten, über das 
weitere bau- und zonenrechtliche Schicksal des ehemaligen 
Gestaltungsplan-Gebietes zu befinden, selbst wenn die Auf- 
hebung des Gestaltungsplanes "Hansmatt Nord-Ost" unnötig 
war, weil er im damaligen Zeitpunkt (am 24. Juni bzw. am 
7. Oktober 1996) nach der Auffassung der Baudirektion und 
des Verwaltungsgerichtes bereits nicht mehr in Kraft war. In 
der Sache ergibt sich aus diesem Entscheid ebenso wie aus 
demjenigen der Baudirektion, dass für dieses Gebiet zukünf- 
tig die allgemeinen bau- und zonenrechtlichen Vorschriften 
gelten sollen. 
 
       Der Beschwerdeführer verlangte in der Sache, dass 
die noch zulässigen Nutzungen dieses Gebietes einlässlich 
geregelt würden, da er befürchtet, dass sonst in Zukunft 
Flächen, deren Ausnutzung bereits für bestehende Bauten aus- 
geschöpft wurde, für neue Bauvorhaben wiederum herangezogen 
werden könnten. Das halten Gemeinderat und Baudirektion für 
unnötig, weil dem Gemeinderat die bisherige Überbauung des 
Gestaltungsplan-Gebietes bekannt sei und er aufgrund seiner 
Akten in der Lage sei, bei allfälligen neuen Baugesuchen zu 
verhindern, dass Grundstücksflächen, deren Ausnutzung be- 
reits in bestehenden Gebäuden realisiert worden sei, erneut 
für die Berechnung der noch zulässigen Ausnutzung herange- 
zogen würden. Diese Streitfrage wird das Verwaltungsgericht 
bei seinem neuen Entscheid in dieser Sache materiell zu ent- 
scheiden haben. 
 
       b) Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheis- 
sen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des 
Verfahrens hat die Beschwerdegegnerin die Kosten zu tragen 
(Art. 156 Abs. 1 OG). Ausserdem hat sie dem anwaltlich ver- 
tretenen Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädi- 
gung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.-  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf  
einzutreten ist, und der angefochtene Entscheid des Verwal- 
tungsgerichts des Kantons Nidwalden vom 22. Februar 1999 
aufgehoben. 
 
2.-  
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Be-  
schwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.-  
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer für  
das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung 
von Fr. 2'000.-- zu bezahlen. 
 
4.-  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen  
Gemeinde Stans sowie der Baudirektion und dem Verwaltungsge- 
richt des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung, schrift- 
lich mitgeteilt. 
 
______________ 
 
 
Lausanne, 17. Februar 2000 
 
           
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung  
                    
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS  
                    
Das präsidierende Mitglied:  
 
                                         
Der Gerichtsschreiber: