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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_724/2009 
 
Urteil vom 16. November 2009 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Kernen, Seiler, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Parteien 
S.________, vertreten durch 
Rechtsanwalt Markus Sommerhalder 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Kantonale Ausgleichskasse Glarus, 
Zwinglistrasse 6, 8750 Glarus, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV 
(Berechnung des Leistungsanspruchs), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus 
vom 26. August 2009. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1952 geborene S.________, Bezüger einer ganzen Rente der Invalidenversicherung, meldete sich im August 2007 zum Bezug von Ergänzungsleistungen (EL) an und stellte Antrag auf Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten. Nach Abklärungen verneinte die Kantonale Ausgleichskasse Glarus mit vier Verfügungen vom 5. Dezember 2007 den Anspruch auf EL für die Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 2006, ab 1. Januar bis 31. Mai 2007, vom 1. bis 30. Juni 2007 sowie ab 1. Juli 2007, was sie mit Einspracheentscheid vom 8. August 2008 bestätigte. 
 
B. 
Die Beschwerde des S.________ mit dem Antrag, die Sache zur Neubeurteilung an die kantonale Ausgleichskasse zurückzuweisen, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus mit Entscheid vom 26. August 2009 ab. 
 
C. 
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde führen und beantragen, der Entscheid vom 26. August 2009 sei aufzuheben und die Sache an die Kantonale Ausgleichskasse Glarus, eventualiter an das kantonale Verwaltungsgericht zur weiteren Abklärung und Neuentscheidung zurückzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a BGG). Mit ihr können auch eine willkürliche Rechtsanwendung oder Sachverhaltsfeststellung oder andere Verfassungsverletzungen gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Für die gleichzeitig erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde bleibt kein Raum (Art. 113 BGG) und es ist darauf nicht einzutreten (Urteil 9C_219/2009 vom 21. August 2009 E. 1.1). 
 
2. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen - nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). 
 
3. 
Der vorinstanzliche Entscheid verneint einen Anspruch des Beschwerdeführers auf Ergänzungsleistungen und auf Vergütung von krankheitsbedingten Kosten nach Bundesrecht und nach kantonalem Recht für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis 30. Juni 2007 und ab 1. Juli 2007 (vgl. zur Rechtsbeständigkeit von Verfügungen oder Einspracheentscheiden über Ergänzungsleistungen in zeitlicher Hinsicht BGE 128 V 39 und Urteil 8C_94/2007 vom 15. April 2008). 
 
3.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe im Vertrauen auf die Rückweisung zufolge nicht eingerechneter Krankheitskosten in der vorinstanzlichen Beschwerde nicht alle rechtserheblichen Rechnungspositionen thematisiert. Die Vorinstanz hätte ihm das rechtliche Gehör zu den Einnahmen und Ausgaben zu gewähren gehabt, bevor sie «unerwartet durchentschied». 
3.1.1 Die einzelnen Positionen der EL-Berechnung stellen Begründungselemente der Verfügung und allenfalls des Einspracheentscheides (Teilaspekte des verfügungsweise festgelegten Rechtsverhältnisses) dar. Nicht beanstandete Berechnungspositionen prüft das kantonale Versicherungsgericht nur, wenn hiezu aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde oder anderer sich aus den Akten ergebender Anhaltspunkte hinreichender Anlass besteht (BGE 125 V 413 E. 2b und 2c S. 416 f.). 
3.1.2 Der Beschwerdeführer macht nicht geltend und legt auch nicht dar, dass und inwiefern die Vorinstanz gegen diese Grundsätze verstossen hat. Die von ihm in der erstinstanzlichen Beschwerde nicht bestrittenen Positionen der EL-Berechnung der Ausgleichskasse gelten somit grundsätzlich als anerkannt und können wie die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung im Allgemeinen lediglich nach Massgabe von Art. 97 Abs. 1 BGG (E. 2) beanstandet werden. Die Rüge der unvollständigen Sachverhaltsabklärung ist insoweit unzulässig. 
 
Die Vorbringen in der vorinstanzlichen Beschwerde betrafen neben den krankheitsbedingten Kosten (vgl. dazu E. 3.2) bei den Ausgaben den Mietzins und bei den Einnahmen die Renten der Invalidenversicherung und der beruflichen Vorsorge sowie die Krankentaggelder. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Schlussfolgerungen der Vorinstanz Bundesrecht verletzen. Seine Vorbringen erschöpfen sich darin, eine unvollständige Sachverhaltsfeststellung durch das kantonale Gericht zu rügen. Mit Bezug auf den EL-Anspruch ist die Beschwerde somit unbegründet. 
3.2 
3.2.1 Die Ausgleichskasse prüfte lediglich den Anspruch auf EL für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis 30. Juni 2007 und ab 1. Juli 2007 und verfügte darüber. Den Anspruch auf Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten (Art. 3d Abs. 1 ELG, Art. 19 ELV und Art. 1 ff. ELKV, je in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2007) sowie von über den Rahmen des Gesetzes hinausgehenden Versicherungs- oder Fürsorgeleistungen nach kantonalem Recht gemäss Art. 1a Abs. 4 ELG, in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2007, prüfte sie nicht. Im Einspracheentscheid vom 8. August 2008 wurde dazu festgehalten, ein Anspruch auf Vergütung solcher Kosten bestehe nur, falls ein Anspruch auf Ergänzungsleistungen gegeben sei. Diese Auffassung ist unzutreffend. Auch wenn kein Anspruch auf eine jährliche Ergänzungsleistung gegeben war, bestand, wenn die übrigen Voraussetzungen nach Artikel 2 ELG erfüllt waren, Anspruch auf Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten und allenfalls weiterer Kosten gemäss dem einschlägigen kantonalen Recht, wenn und soweit diese den Einnahmenüberschuss (anrechenbare Einnahmen höher als anerkannte Ausgaben) überstiegen (Art. 19a Abs. 1 und 2 ELV in Verbindung mit Art. 3d Abs. 4 ELG, je in Kraft gestanden bis 31. Dezember 2007). 
 
In der vorinstanzlichen Vernehmlassung verneinte die Ausgleichskasse den Anspruch auf Vergütung krankheitsbedingter Kosten mit der Begründung, die Voraussetzungen seien bei Einnahmenüberschüssen von Fr. 23'800.- (1. Juni bis 31. Dezember 2006), Fr. 21'831.- (1. Januar bis 31. Mai 2007), Fr. 22'272.- (1. bis 30. Juni 2007) und Fr. 5'002.- (1. Juli bis 31. Dezember 2007) nicht gegeben. 
3.2.2 Das kantonale Gericht hat den Anspruch auf Vergütung von krankheitsbedingten Kosten geprüft. Es stellte fest, der Beschwerdeführer habe Krankheitskosten in der Höhe von Fr. 1'863.05 (2006) und Fr. 1'279.35 (2007) geltend gemacht. Gestützt auf die Kosten und Prämienzusammenstellung der Concordia vom 2. Februar 2007 und 25. Februar 2008 hat es die abzugsfähigen Krankheitskosten nach Art. 3d Abs. 1 aELG auf Fr. 3'189.- (Fr. 1'200.- [Selbstbehalt und Franchise] + Fr. 1'989.05 [nicht versicherte Kosten gemäss KVG und VVG]; 2006) und Fr. 1'279.- (Fr. 1'200.- [Selbstbehalt und Franchise] + Fr. 79.35 [nicht versicherte Kosten gemäss KVG und VVG]; 2007) festgesetzt. Unter Berücksichtigung dieser Kosten bei den anrechenbaren Ausgaben ermittelte die Vorinstanz für alle vier Berechnungsperioden einen Einnahmenüberschuss: Fr. 21'586.- (1. Juni bis 31. Dezember 2006), Fr. 20'822.- (1. Januar bis 31. Mai 2007), Fr. 18'871.- (1. bis 30. Juni 2007) und Fr. 2'744.- (1. Juli bis 31. Dezember 2007). Sie verneinte daher den Anspruch auf Vergütung von Krankheitskosten, weshalb sich auch Erwägungen zu den gegebenenfalls vom Bundesrecht abweichenden Bestimmungen bezüglich der anrechenbaren Krankheitskosten nach kantonalem Recht erübrigten. 
3.2.3 Der Beschwerdeführer bringt vor, die Krankheits- und Behinderungskosten seien erstmals vom kantonalen Gericht in antizipierter Beweiswürdigung indessen nur unvollständig berücksichtigt worden. So seien beispielsweise die Kosten krankheitsbedingt notwendiger Reisen und Transporte, Untersuchungen und Therapien sowie für die Diät nicht eingerechnet worden. Die betreffenden Abklärungen hätten ohnehin im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren stattfinden müssen. Die Vorinstanz hätte das rechtliche Gehör zu gewähren gehabt, bevor es entschied. Der vorinstanzliche Schluss auf die nicht gegebene Rechtserheblichkeit der Krankheitskosten nach kantonalem Recht bei einem nur geringen Einnahmenüberschuss verletze Art. 1a Abs. 4 aELG. Das kantonale Recht gewähre weiter reichende Leistungen als das Bundesrecht. Der angefochtene Entscheid erweise sich in Begründung und Ergebnis als unhaltbar. 
3.2.3.1 Wie in der Beschwerde im Grundsatz richtig ausgeführt wird, hat das EL-Durchführungsorgan den rechtserheblichen Sachverhalt vor Verfügungserlass abzuklären und darf diese Aufgabe nicht ins Einspracheverfahren verlegen. Vorbehalten bleiben ergänzende Abklärungen, zu denen die in der Einsprache vorgebrachten Einwände Anlass geben (Art. 43 Abs. 1 ATSG; BGE 132 V 368). Dies bedeutet indessen nicht, dass bei Verletzung dieser Vorschrift oder wenn der Sachverhalt unvollständig abgeklärt ist, das kantonale Versicherungsgericht in jedem Fall die Sache an die Verwaltung zurückzuweisen hätte. Es kann - schwere unheilbare Verletzungen des rechtlichen Gehörs einer Partei vorbehalten - selber Abklärungen vornehmen und entscheiden (BGE 127 V 228 E. 2a S. 231 mit Hinweisen). Auch im Verfahren vor dem kantonalen Versicherungsgericht gilt der Untersuchungsgrundsatz, d.h. Feststellung der für den Entscheid erheblichen Tatsachen von Amtes wegen unter Mitwirkung der Parteien, sowie der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG; BGE 125 V 193 E. 2 S. 195; 125 V 351 E. 3a S. 352). Dies schliesst auch eine antizipierte Beweiswürdigung mit ein. Gelangt das Gericht aufgrund pflichtgemässer Beweiswürdigung zur Überzeugung, die Akten erlaubten die richtige und vollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts oder eine behauptete Tatsache sei für die Entscheidung der Streitsache nicht von Bedeutung, kann es auf die Erhebung weiterer Beweise verzichten (BGE 124 V 90 E. 4b S. 94; Urteil 9C_624/2009 vom 7. Oktober 2009 E. 3.1 mit Hinweisen). Die Tatsache allein, dass die Vorinstanz in antizipierender Beweiswürdigung auf (weitere) Abklärungen betreffend krankheitsbedingte Kosten, welche gestützt auf Art. 1a Abs. 4 aELG und das einschlägige kantonale Recht ebenfalls im Rahmen der EL vergütet werden können, verzichtete, verletzt somit nicht Bundesrecht, insbesondere nicht das rechtliche Gehör (BGE 134 I 140 E. 5.3 S. 148; SVR 2009 EL Nr. 5, 8C_773/2008 vom 11. Februar 2009 E. 5.3). 
3.2.3.2 Der Beschwerdeführer erwähnte in seinen Einsprachen und in der vorinstanzlichen Beschwerde Kosten, u.a. für krankheitsbedingt notwendige Reisen und Transporte, Untersuchungen und Therapien sowie die Diät, welche ihm 2006 und 2007 entstanden waren und von ihm getragen wurden. Die Vorinstanz hat Krankheits- und Behinderungskosten nach Art. 3d Abs. 1 aELG in Verbindung mit Art. 19 aELV und Art. 1 ff. aELKV in der Höhe von Fr. 3189.- (2006) und Fr. 1279.- (2007) anerkannt (E. 3.2.2). Unter Berücksichtigung dieser Kosten hat sie für alle Berechnungsperioden einen Einnahmenüberschuss ermittelt: Fr. 21'586.- (1. Juni bis 31. Dezember 2006), Fr. 20'822.- (1. Januar bis 31. Mai 2007), Fr. 18'871.- (1. bis 30. Juni 2007) und Fr. 2'744.- (1. Juli bis 31. Dezember 2007; E. 2.2). Der Beschwerdeführer legt nicht dar, inwiefern diese Berechnung offensichtlich unrichtig sein soll (E. 2). Seine Vorbringen erschöpfen sich wie schon im vorinstanzlichen Verfahren darin, zu Unrecht nicht berücksichtigte krankheitsbedingte Kosten zu behaupten und eine diesbezüglich unvollständige Sachverhaltsabklärung durch die Ausgleichskasse und das kantonale Gericht zu rügen. Trotz Untersuchungsgrundsatz wäre er indessen aufgrund seiner gesetzlichen Mitwirkungspflicht gehalten gewesen, entsprechende Belege einzureichen, sei es in der Beschwerde, sei es im Rahmen einer zu beantragenden Replik (BGE 133 I 100 E. 4.8 S. 105), nachdem die Ausgleichskasse in ihrer Vernehmlassung vom 20. November 2008 einen Anspruch auf Krankheitskosten abgelehnt hatte und ihm auf sein Begehren die Akten zugestellt worden waren. Dies hat er nicht getan. Unter diesen Umständen durfte die Vorinstanz willkürfrei annehmen, dass allfällige zusätzliche in den vier Berechnungsperioden vom 1. Juni bis 31. Dezember 2006, 1. Januar bis 31. Mai 2007, 1. bis 30. Juni 2007 und ab 1. Juli 2007 angefallene krankheitsbedingte Kosten (nach kantonalem Recht) nicht so hoch waren wie die jeweiligen Einnahmenüberschüsse. Die Beschwerde ist somit auch in Bezug auf den Anspruch auf Vergütung von Krankheitskosten unbegründet. 
 
4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen. 
 
2. 
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 16. November 2009 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Meyer Fessler