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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_314/2023  
 
 
Urteil vom 22. Februar 2024  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Ryter, 
Bundesrichter Kradolfer, 
Gerichtsschreiber Müller. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________ und B.A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Departement des Innern des Kantons Solothurn, Migrationsamt, Ambassadorenhof, 4509 Solothurn, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Familiennachzug, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 3. Mai 2023 (VWBES.2022.300). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.A.________ (geb. 1985) ist äthiopische Staatsangehörige und die Mutter von zwei Töchtern (C.C.________, geb. 2006; D.C.________, geb. 2008). 
B.A.________ reiste am 3. November 2012 alleine und illegal in die Schweiz ein. Ihr Asylgesuch wies das Bundesamt für Migration (heute: Staatssekretariat für Migration [SEM]) mit Entscheid vom 29. September 2014 ab. Das Bundesverwaltungsgericht schützte diesen Entscheid mit Urteil vom 23. Juni 2015. Die Ausreisefrist wurde auf den 28. Juli 2015 festgesetzt. Indessen hielt sich B.A.________ weiterhin in der Schweiz auf und heiratete am 5. Dezember 2019 den Schweizer Staatsbürger A.A.________ (geb. 1990). Am 24. Februar 2020 wurde ihr erstmals eine Aufenthaltsbewilligung erteilt. 
Am 25. Oktober 2021 ersuchte B.A.________ um Familiennachzug für ihre Töchter C.C.________ und D.C.________. 
 
B.  
Das Departement des Inneren (Migrationsamt) des Kantons Solothurn wies das Gesuch mit Verfügung vom 21. Juli 2022 ab. Die dagegen von B.A.________ und A.A.________ erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 3. Mai 2023 ab. 
 
C.  
B.A.________ und A.A.________ führen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurns sei aufzuheben und die Sache zwecks rechtsgenüglicher Feststellung des Sachverhalts an die Vorinstanz zurückzuweisen; eventualiter sei das kantonale Migrationsamt anzuweisen, den Kindern von B.A.________ eine Aufenthaltsbewilligung auszustellen. Zudem ersuchen die Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtspflege. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und das kantonale Migrationsamt beantragten die Abweisung der Beschwerde. Das SEM liess sich am 10. August 2023 vernehmen und beantragte ebenfalls die Abweisung des Rechtsmittels. B.A.________ und A.A.________ replizierten am 21. August 2023. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die weiteren Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG) und mit freier Kognition (vgl. BGE 147 I 89 E. 1; 146 II 276 E. 1). 
 
1.1. Die Beschwerde betrifft einen kantonal letztinstanzlichen Endentscheid in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (vgl. Art. 82 lit. a und Art. 90 BGG). Die Beschwerdeführer haben am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und sind durch den angefochtenen Entscheid beschwert (vgl. Art. 89 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Die Beschwerdeführerin verfügt aufgrund des Zusammenlebens mit ihrem schweizerischen Ehepartner über einen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsbewilligung (Art. 42 Abs. 1 des Ausländer- und Integrationsgesetzes vom 16. Dezember 2005 [AIG; SR 142.20]) und damit über ein gefestigtes Aufenthaltsrecht (vgl. BGE 146 I 185 E. 6.1; 137 I 284 E. 1.3). Dieses könnte potenziell den noch minderjährigen Töchtern der Beschwerdeführerin einen Anspruch auf Familiennachzug nach Art. 8 EMRK vermitteln (vgl. BGE 146 I 185 E. 6.2). Daher ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig (Art. 82 lit. a und Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario BGG; Urteil 2C_837/2022 vom 19. April 2023 E. 1 mit Hinweis).  
 
1.3. Da die Beschwerdeführer zumindest im Eventualstandpunkt einen reformatorischen Antrag stellen (zur Notwendigkeit eines entsprechenden Antrags BGE 137 II 313 E. 1.3; 136 V 131 E. 1.2), kann auf die im Übrigen fristgerechte Beschwerde unter Vorbehalt der Rüge- und Begründungsanforderungen (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG) eingetreten werden.  
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde kann unter anderem die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und lit. b BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), wobei es - unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) - nur die geltend gemachten Vorbringen prüft, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 145 V 215 E. 1.1; 142 I 135 E. 1.5). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 143 II 283 E. 1.2.2; 139 I 229 E. 2.2).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann nur gerügt oder vom Bundesgericht von Amtes wegen berichtigt oder ergänzt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 97 Abs. 1 bzw. Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig bedeutet dabei "willkürlich" (BGE 147 I 73 E. 2.2). Eine entsprechende Rüge ist qualifiziert zu begründen (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 139 I 72 E. 9.2.3.6; 133 II 249 E. 1.4.3). Auf rein appellatorische Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3).  
 
3.  
Im bundesgerichtlichen Verfahren sind neue Tatsachen und Beweismittel im Grundsatz ausgeschlossen (Art. 99 Abs. 1 BGG). Ob ein tatsächliches Vorbringen neu ist, beurteilt sich ausgehend vom vorinstanzlichen Verfahren. Tatsachen und Beweismittel, die weder im vorangehenden Verfahren vorgebracht noch von der Vorinstanz festgestellt worden sind, gelten als neu. Eine Tatsache, die sich aus den vorinstanzlichen Akten ergibt, ist hingegen nicht neu, selbst wenn die Vorinstanz sie nicht ausdrücklich im angefochtenen Entscheid festgestellt hat (BGE 136 V 362 E. 3.3.1). 
Die Beschwerdeführer legen ihrer Beschwerdeschrift mehrere Dokumente bei, die sich auch bei den kantonalen Akten befinden. Diese Aktenstücke sind nicht neu im Sinn von Art. 99 Abs. 1 BGG. Die Beschwerdeführer äussern sich weder zu den Beilagen noch kritisieren sie die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen unter dem Gesichtspunkt der Willkür substanziiert. Sie beschränken sich darauf, in der teils schwer verständlichen Beschwerdeschrift ihre Sicht der Dinge zu schildern. Daher bleibt es bei den Feststellungen des kantonalen Gerichts, ohne dass näher auf die dem Bundesgericht eingereichten Beilagen einzugehen wäre. 
 
4.  
Die Beschwerdeführer berufen sich auf zahlreiche Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts wie auch des Völkerrechts. Dabei ist nur punktuell nachvollziehbar, was sie konkret beanstanden. Soweit die Beschwerdeführer dem kantonalen Gericht vorwerfen, das Kindeswohl nicht zu berücksichtigen, scheinen sie zunächst geltend zu machen, C.C.________ und D.C.________ seien in Verletzung der Kinderrechtskonvention (Übereinkommen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes [Kinderrechtskonvention, KRK; SR 0.107]) nicht persönlich angehört worden. 
 
4.1. Nach Art. 12 Abs. 1 KRK steht einem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äussern. Die Behörden berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen, entsprechend seinem Alter und seiner Reife. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine persönliche Anhörung jedoch nicht in jedem Fall erforderlich. Wenn die Kinder durch ihre Eltern vertreten werden und die Interessen gleichläufig sind, kann die Ansicht der Kinder auch ohne persönliche Anhörung durch ihre Eltern eingebracht werden, sofern der rechtserhebliche Sachverhalt auch ohne diese Anhörung rechtsgenüglich festgestellt werden kann (BGE 147 I 149 E. 3.2; 144 II 1 E. 6.5).  
 
4.2. Die Beschwerdeführer berufen sich auf das Kindeswohl und machen im Wesentlichen geltend, der Verbleib von C.C.________ und D.C.________ im Heimatland widerspreche den Interessen der Kinder. Die Eltern- und Kinderinteressen verlaufen nach Ansicht der Beschwerdeführer also gleichläufig. Die kantonalen Instanzen durften daher von einer Anhörung absehen, zumal sich der Sachverhalt im Übrigen gestützt auf die Angaben der Beschwerdeführerin rechtsgenüglich erstellen lässt.  
 
5.  
Die Beschwerdeführer rügen, die Vorinstanz habe die für den Familiennachzug geltenden Fristen bundesrechtswidrig angewendet. 
 
5.1. Eine ausländische Person, die sich seit mehr als zehn Jahren rechtmässig in der Schweiz aufhält, verfügt nach der Rechtsprechung auf Grundlage von Art. 8 EMRK (Anspruch auf Achtung des Privatlebens) in der Regel über ein gefestigtes Anwesenheitsrecht (BGE 149 I 72 E. 2.1.2; 144 I 266 E. 3.9). Daraus ergibt sich ein Anspruch auf Familiennachzug, sofern die Voraussetzungen von Art. 44 und Art. 47 AIG erfüllt sind (BGE 146 I 185 E. 6.1 und 6.2).  
 
5.2. Nach Art. 44 Abs. 1 AIG kann ledigen Kindern unter 18 Jahren von Personen mit Aufenthaltsbewilligungen eine solche erteilt und verlängert werden, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen. Ein Anspruch auf Familiennachzug muss innerhalb von fünf Jahren geltend gemacht werden. Das Gesuch für den Nachzug von Kindern über zwölf Jahre muss innerhalb von zwölf Monaten eingereicht werden (Art. 47 Abs. 1 AIG; Art. 73 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit [VZAE; SR 142.201]). Diese Fristen beginnen gemäss Art. 47 Abs. 3 lit. b AIG i.V.m. Art. 73 Abs. 2 VZAE mit der Erteilung der Aufenthaltsbewilligung oder der Entstehung des Familienverhältnisses zu laufen. Erreicht ein Kind das 12. Altersjahr, gilt von da an die kürzere Frist von 12 Monaten (Urteile 2C_493/2020 vom 22. Februar 2021 E. 2.3.2; 2C_205/2011 vom 3. Oktober 2011 E. 3.4).  
 
5.3. Vor Bundesgericht ist nicht strittig, dass die Beschwerdeführerin für ihre über 12 Jahre alten Töchter innert 12 Monaten ab Erteilung der Aufenthaltsbewilligung am 24. Februar 2020 ein Nachzugsgesuch hätte stellen müssen. Das Gesuch vom 25. Oktober 2021 hält die gesetzliche Frist nicht ein. Die Beschwerdeführer stellen sich jedoch auf den Standpunkt, diese Frist sei durch den Bundesrat im Hinblick auf die Corona-Pandemie verlängert worden, was die Vorinstanz übersehe.  
 
5.4. Nach Art. 10a Abs. 1 der Verordnung 3 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19) vom 19. Juni 2020 (Covid-19-Verordnung 3; SR 818.101.24) können Ausländerinnen und Ausländer, die wegen Massnahmen im Zusammenhang mit dem Coronavirus davon abgehalten worden sind, fristgerecht nach Art. 47 AIG zu handeln, bis zum Ende der Geltungsdauer dieser Verordnung die versäumte Handlung nachholen. Diese Verordnung trat am 22. Juni 2020 in Kraft (Art. 29 Abs. 1 Covid-19-Verordnung 3); ihre Geltungsdauer wurde einstweilen bis 30. Juni 2024 verlängert (Art. 29 Abs. 8 Covid-19-Verordnung 3). Wie sich bereits aus dem Wortlaut ("wegen") ergibt, setzt die Anwendbarkeit von Art. 10a Abs. 1 Covid-19-Verordnung 3 voraus, dass die betroffene Person durch staatliche Massnahmen von der fristgerechten Vornahme einer Handlung abgehalten wurde. Erforderlich ist ein direkter Zusammenhang. Die Erläuterungen des Bundesamtes für Gesundheit erwähnen als Anwendungsbeispiel die Unmöglichkeit, nach einer Auslandsreise innerhalb der gesetzlichen Fristen wieder in die Schweiz zurückzukehren (Erläuterungen zur Verordnung 3 vom 19. Juni 2020 über Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus, Stand 18. Juli 2022, S. 4, <https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/gesetze-und-bewilligungen/gesetzgebung/>).  
 
5.5. Die Beschwerdeführer schildern ausführlich ihre Lebenssituation während der Corona-Pandemie und äussern sich zu deren Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft sowie auf den Wohnungsmarkt, ohne aufzuzeigen, inwiefern sie durch eine staatliche Massnahme von der fristgerechten Gesuchstellung abgehalten worden sind. Wie das SEM in seiner Vernehmlassung zutreffend vorbringt, führt die allgemeine Situation während der Pandemie, wie sie alle ausländischen Personen in der Schweiz erlebten, nicht zu einer Fristverlängerung nach Art. 10a Abs. 1 Covid-19-Verordnung 3.  
 
5.6. Die weiteren Ausführungen in der Beschwerdeschrift unter dem Titel "Das Gericht hat den falschen Artikel für die Familienzusammenführung angewandt die Frist" sind nicht nachvollziehbar. Die Beschwerdeführer scheinen die Bestimmungen über das Familienasyl (Art. 51 des Asylgesetzes vom 26. Juni 1998 [AsylG; SR 142.31]) mit den Nachzugsfristen nach Art. 47 AIG zu vermischen. Eine Bundesrechtsverletzung ist nicht ersichtlich. Daher bleibt es bei der Schlussfolgerung des kantonalen Gerichts, die Beschwerdeführerin habe die reguläre Frist für den Familiennachzug verpasst.  
 
6.  
Die Beschwerdeführer werfen der Vorinstanz ausserdem vor, das Recht auf Familienleben (Art. 8 EMRK, Art. 13 BV) und das in der Kinderrechtskonvention sowie im nationalen Recht verankerte Kindeswohl zu verletzen. 
 
6.1. Die Bewilligung des Nachzugs nach Ablauf der Fristen hat nach dem Willen des Gesetzgebers die Ausnahme zu bleiben. Voraussetzung dafür sind wichtige familiäre Gründe (Art. 47 Abs. 4 AIG). Art. 47 Abs. 4 AIG ist mit Blick auf das übergeordnete Recht (Art. 8 EMRK bzw. Art. 13 BV) auszulegen (BGE 146 I 185 E. 7.1.1 mit Hinweisen; Urteile 2C_238/2023 vom 8. Dezember 2023 E. 3.2; 2C_375/2022 vom 15. September 2022 E. 5.1.1). Der historische Gesetzgeber beabsichtigte beim Erlass von Art. 47 Abs. 4 AIG, die Integration durch einen möglichst frühzeitigen Nachzug der Familienmitglieder zu fördern, indessen nicht die Nachzugsgründe auf nicht vorhersehbare Ereignisse zu beschränken (BGE 146 I 185 E. 7.1.1). Insofern ist zu beachten, dass die internen Regeln zum Familiennachzug (Art. 42 ff., Art. 47 AIG) einen Kompromiss zwischen dem Schutz des Familienlebens und dem Ziel der Begrenzung der Einwanderung darstellen. Die Fristen gemäss Art. 47 AIG bezwecken deshalb auch die Steuerung und Kontrolle der Einwanderung und stellen insofern ein öffentliches Interesse im Sinne von Art. 8 Ziff. 2 EMRK dar, um das Recht auf Familienleben einzuschränken (Urteile 2C_238/2023 vom 8. Dezember 2023 E. 3.2; 2C_280/2023 vom 29. September 2023; 2C_837/2022 vom 19. April 2023 E. 5.3.1; vgl. BGE 137 I 284 E. 2.1; vgl. auch die Urteile des EGMR M.A. gegen Dänemark vom 9. Juli 2021 [Nr. 6697/18], § 142; Biao gegen Dänemark vom 24. Mai 2016 [Nr. 38590/10], § 117; je mit weiteren Hinweisen).  
 
6.2. Wichtige familiäre Gründe liegen gemäss Art. 47 Abs. 4 AIG i.V.m. Art. 75 VZAE vor, wenn das Kindeswohl nur durch einen Nachzug in die Schweiz gewahrt werden kann. Allerdings ist praxisgemäss nicht ausschliesslich auf das Kindeswohl abzustellen, sondern es bedarf einer Gesamtschau unter Berücksichtigung aller wesentlichen Elemente (Urteil 2C_375/2022 vom 15. September 2022 E. 5.1). Der alleinige Wunsch, die Familie zu vereinigen, stellt keinen wichtigen familiären Grund dar (BGE 146 I 185 E. 7.1.1; Urteile 2C_238/2023 vom 8. Dezember 2023 E. 3.3; 2C_451/2022 vom 27. Oktober 2022 E. 4.3). Ein wichtiger Grund liegt beispielsweise vor, wenn die weiterhin notwendige Betreuung des Kindes im Herkunftsland wegen des Todes oder der Krankheit der betreuenden Person nicht mehr gewährleistet ist und keine sinnvolle Alternative in der Heimat gefunden werden kann. Für den Nachweis der fehlenden Betreuungsmöglichkeit im Heimatland bestehen gemäss Rechtsprechung umso höhere Anforderungen, je älter das nachzuziehende Kind ist und je grösser die Integrationsschwierigkeiten erscheinen, die ihm in der Schweiz drohen (BGE 137 I 284 E. 2.2; Urteile 2C_882/2022 vom 7. Februar 2023 E. 4.2; 2C_375/2022 vom 15. September 2022 E. 5.1; je mit Hinweisen).  
 
6.3. Sind Kinder betroffen, gilt es nach Art. 3 Abs. 1 KRK, das Kindeswohl "vorrangig" zu berücksichtigen. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung hat dieser Aspekt in ausländerrechtlichen Konstellationen in die von Art. 8 EMRK geforderte Interessenabwägung einzufliessen (BGE 143 I 21 E. 5.5.1). Weil und soweit die im nationalen Recht verankerten Nachzugsfristen im Hinblick auf die Garantien der EMRK anzuwenden sind (vgl. vorne E. 6.1), fliesst das Kindeswohl in diesem Rahmen in die Rechtsanwendung ein. Eine weitergehende, gleichsam überschiessende Gewichtung des Kindeswohls kann aus Art. 3 Abs. 1 KRK nicht abgeleitet werden (vgl. BGE 143 I 21 E. 5.5.4; Urteil 2C_561/2021 vom 22. November 2021 E. 5.2).  
 
6.4. Die Vorinstanz hat diese Grundsätze im konkreten Fall bundesrechtskonform angewendet.  
 
6.4.1. Zunächst bezog die Vorinstanz zutreffend die langjährige Trennung der Beschwerdeführerin von ihren Töchtern in die Beurteilung mit ein. Spätesten seit der Einreise in die Schweiz am 3. November 2012 werden die familiären Beziehungen über Kommunikationsmittel und im Rahmen von Besuchen wahrgenommen. Nach der Rechtsprechung ist bei langjähriger Trennung und über weite Distanz hinweg gelebter Familienbeziehung regelmässig dem Art. 47 Abs. 4 AIG zugrunde liegenden Interesse an der Einwanderungsbeschränkung der Vorzug zu geben, solange nicht objektive, nachvollziehbare Gründe, welche von den Betroffenen zu bezeichnen und darzulegen sind, etwas anderes nahelegen (BGE 146 I 185 E. 7.1.1; Urteile 2C_238/2023 vom 8. Dezember 2023 E. 3.2; 2C_375/2022 vom 15. September 2022 E. 5.1.1). Die Beschwerdeführerin verweist in diesem Zusammenhang auf ihren illegalen Aufenthalt in der Schweiz, der einen Nachzug nicht erlaubt habe. Sie übersieht mit dieser Argumentation, dass sie sich für den (rechtswidrigen) Verbleib in der Schweiz und damit auch für die Trennung von ihren Töchtern entschied. Ausserdem kann sich eine ausländische Person grundsätzlich nicht darauf berufen, sie habe die Voraussetzungen für den Familiennachzug nicht rechtzeitig herstellen können (vgl. Urteil 2C_948/2019 vom 27. April 2020 E. 3.4.1).  
 
6.4.2. Die Kinder wurden in Äthiopien lange Zeit von der Mutter der Beschwerdeführerin - also von ihrer Grossmutter - betreut. Die Vorinstanz stellte für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG) fest, dass beide Töchter seit einem Schlaganfall der Grossmutter mit einer Tante und deren Kindern in Addis Abeba in einer Wohnung leben. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz vor diesem Hintergrund folgerte, die Betreuung sei unter Berücksichtigung des Alters der Töchter sichergestellt (vgl. die Urteile 2C_238/2023 vom 8. Dezember 2023 E. 3.4.3; 2C_624/2020 vom 1. Februar 2021 E. 4; 2C_578/2012 vom 22. Februar 2013 E. 5.3 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführerin setzt sich in diesem Punkt nicht hinreichend mit dem angefochtenen Entscheid auseinander. Sie verweist allgemein auf das Kindeswohl und die Bedeutung einer persönlichen Mutter-Kind-Beziehung. Damit zeigt sie keine Bundesrechtsverletzung auf.  
 
6.4.3. Gemäss vorinstanzlichen Feststellungen (Art. 105 Abs. 1 BGG) sind beide Töchter mit den Verhältnissen in der Schweiz nicht vertraut, weder in gesellschaftlicher noch in sprachlicher oder kultureller Hinsicht. Für sie würde der Familiennachzug eine tiefgreifende Entwurzelung bedeuten. Nicht nur ist fraglich, ob das Kindeswohl bei dieser Ausgangslage ausschliesslich für den Familiennachzug spricht, wie die Beschwerdeführerin vorbringt. Auch würde der Nachzug dem Sinn und Zweck von Art. 47 Abs. 4 AIG (vgl. vorne E. 6.1) widersprechen. Die Vorinstanz hat daher das Alter der Töchter und deren langjährige Sozialisation in Äthiopien zutreffend in die Beurteilung miteinbezogen.  
 
6.4.4. Der angefochtene Entscheid würdigt die relevanten Parameter somit bundesrechtskonform und im Hinblick auf den dargelegten Zweck von Art. 47 Abs. 4 AIG. Entgegen den Vorbringen in der Beschwerdeschrift kann dem kantonalen Gericht nicht vorgeworfen werden, das Kindeswohl zu wenig gewichtet zu haben.  
 
7.  
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen. Die unterliegenden Beschwerdeführer haben im Grundsatz die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Das von ihnen gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege erweist sich als aussichtslos und wäre daher an sich abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Umständehalber kann jedoch auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG), womit das Gesuch gegenstandslos wird. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Februar 2024 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Müller