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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_252/2018  
 
 
Urteil vom 21. Juni 2018  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Pfiffner, Präsidentin, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Stanger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Bettina Surber, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 7. Februar 2018 (IV 2015/132). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ war nach dem Studium der Mathematik an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) ab 1. Januar 2000 bei der Bank B.________ als Reporting Expert (Controller) tätig. Er meldete sich im Februar 2004 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Mit Verfügungen vom 15. Juli 2004 und 12. August 2004 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons St. Gallen ab 1. März 2004 eine ganze Rente der Invalidenversicherung zu. Im April 2010 trat der Versicherte bei der C.________ GmbH eine Festanstellung zu einem Pensum von 70 % an. Mit Verfügung vom 8. Februar 2011 wurde die ganze Rente auf eine Dreiviertelsrente herabgesetzt. 
Im Rahmen des im April 2014 eingeleiteten Revisionsverfahrens stellte die IV-Stelle fest, dass der Versicherte ab Januar 2012 sein Pensum bei der C.________ GmbH auf 80 % erhöht hatte. Mit Verfügung vom 10. März 2015 hob sie die Invalidenrente per 1. Januar 2012 auf (Invaliditätsgrad von 35 %). Mittels separater Verfügung vom 27. März 2015 verpflichtete sie den Beschwerdeführer, die vom 1. Januar 2012 bis 30. April 2014 bezogene Rente in der Höhe von gesamthaft Fr. 37'220.- zurückzuerstatten. 
 
B.   
Die gegen die Verfügung vom 10. März 2015 erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 7. Februar 2018 ab. 
 
C.   
A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem hauptsächlichen Rechtsbegehren, der Entscheid vom 7. Februar 2018 sei aufzuheben, und es sei ihm ab 1. Mai 2014 eine halbe Rente zu gewähren bzw. es sei die bisherige Dreiviertelsrente auf eine halbe Rente zu reduzieren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG), die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz nur, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig bedeutet dabei willkürlich (BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252).  
 
1.2. Die Beschwerde hat unter anderem die Begehren und deren Begründung zu enthalten, wobei in der Begründung in gedrängter Form - unter Bezugnahme auf und in Auseinandersetzung mit den entscheidenden vorinstanzlichen Erwägungen (BGE 138 I 171 E. 1.4 S. 176; 134 II 244 E. 2.1 S. 245f.) - darzulegen ist, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Dabei gilt in Bezug auf die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung durch die Vorinstanz eine qualifizierte Begründungspflicht (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261; Urteil 9C_619/2014 vom 31. März 2015 E. 2.2). Dazu genügt es nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern (BGE 137 II 353 E. 5.1 S. 356). Dass die von der Vorinstanz gezogenen Schlüsse nicht mit der Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmen, belegt keine Willkür. Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266 mit Hinweisen).  
 
2.   
Anfechtungsobjekt bildet der vorinstanzliche Entscheid, welcher die Rentenaufhebung per 1. Januar 2012 bestätigte. Der Beschwerdeführer beantragt, es sei ihm ab 1. Mai 2014 eine halbe Rente zu gewähren bzw. es sei die bisherige Dreiviertelsrente auf eine halbe Rente zu reduzieren. Aus seiner Begründung ergibt sich, dass er die Aufhebung der Rente per 1. Januar 2012 anficht. Unbestritten sind die Voraussetzungen für eine Rentenrevision nach Art. 17 Abs. 1 ATSG gegeben. Streitig ist einzig das von der Vorinstanz in Anwendung der Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG i.V.m. Art. 28a Abs. 1 IVG) ermittelte Validen- und Invalideneinkommen. 
 
3.  
 
3.1. Für die Ermittlung des Valideneinkommens ist entscheidend, was der Versicherte im Zeitpunkt des frühest möglichen Rentenbeginns überwiegend wahrscheinlich als Gesunder tatsächlich verdient hätte. Dabei wird in der Regel am zuletzt erzielten, nötigenfalls der Teuerung und der realen Einkommensentwicklung angepassten Verdienst angeknüpft, da es der Erfahrung entspricht, dass die bisherige Tätigkeit ohne Gesundheitsschaden fortgesetzt worden wäre. Ausnahmen müssen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sein (BGE 139 V 28 E. 3.3.2 S. 30; Urteil 8C_838/2017 vom 18. Mai 2018 E. 5.1). Da die Invalidität der voraussichtlich bleibenden oder längere Zeit dauernden Erwerbsunfähigkeit zu entsprechen hat (vgl. Art. 8 Abs. 1 ATSG), ist auch die berufliche Weiterentwicklung zu berücksichtigen, die eine versicherte Person normalerweise vollzogen hätte. Allerdings müssen konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ein beruflicher Aufstieg und ein entsprechend höheres Einkommen tatsächlich realisiert worden wären. Blosse Absichtserklärungen der versicherten Person genügen nicht. Es müssen bereits bei Eintritt des Gesundheitsschadens entsprechende konkrete Schritte wie Kursbesuche, Aufnahme eines Studiums, Ablegung von Prüfungen usw. kundgetan worden sein (Urteile 8C_838/2017 vom 18. Mai 2018 E. 5.2 und 9C_368/2017 vom 3. August 2017 E. 4.1).  
Welche berufliche Tätigkeit die versicherte Person ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausüben würde, ist als Beurteilung hypothetischer Geschehensabläufe eine vom Bundesgericht lediglich unter eingeschränktem Blickwinkel überprüfbare Tatfrage (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG), soweit sie auf Beweiswürdigung beruht, selbst wenn darin auch Schlussfolgerungen aus der allgemeinen Lebenserfahrung berücksichtigt werden (BGE 139 V 28 E. 3.3.2 S. 30; Urteil 9C_368/2017 vom 3. August 2017 E. 4.1 mit Hinweis). Die diesbezüglichen Feststellungen des kantonalen Gerichts sind daher für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich, ausser sie seien offensichtlich unrichtig oder beruhten auf einer Rechtsverletzung nach Art. 95 BGG (vgl. E. 1.1). 
 
3.2. Für die Festsetzung des Invalideneinkommens ist nach der Rechtsprechung primär von der beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte Person konkret steht. Übt sie nach Eintritt der Invalidität eine Erwerbstätigkeit aus, bei der - kumulativ - besonders stabile Arbeitsverhältnisse gegeben sind und anzunehmen ist, dass sie die ihr verbleibende Arbeitsfähigkeit in zumutbarer Weise voll ausschöpft, und erscheint zudem das Einkommen aus der Arbeitsleistung als angemessen und nicht als Soziallohn, gilt grundsätzlich der tatsächlich erzielte Verdienst als Invalidenlohn (BGE 139 V 592 E. 2.3 S. 593; Urteil 9C_815/2017 vom 17. April 2018 E. 3.1).  
Welche Einkünfte zum Invalideneinkommen gehören (hier: Gratifikation) stellt eine vom Bundesgericht frei überprüfbare Rechtsfrage dar, beschlägt sie doch die Einhaltung der Regeln über die Durchführung des Einkommensvergleichs gemäss Art. 16 ATSG (Urteil 9C_641/2014 vom 16. Januar 2015 E. 4.4.2; ULRICH MEYER/JOHANNA DORMANN, in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2011, N. 35f zu Art. 105 BGG mit Hinweis auf BGE 132 V 393 E. 3.3 S. 399). 
 
4.   
Das kantonale Versicherungsgericht legte das Valideneinkommen auf Fr. 94'965.- und das Invalideneinkommen auf Fr. 58'580.- fest, was einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 38.3 % erga b (Art. 28 Abs. 1 IVG). 
 
4.1.  
 
4.1.1. Zur Ermittlung des Valideneinkommens stellte die Vorinstanz auf das bei der Bank B.________ 2003 tatsächlich erzielte Einkommen von Fr. 81'500.- ab und berücksichtigte zudem die mutmassliche Einkommensentwicklung gemäss den Angaben der früheren Arbeitgeberin. Demnach wäre der durchschnittliche Lohn für eine versicherte Person mit Ausbildung und Funktion des Beschwerdeführers von 2003 bis 2012 um 11 % gestiegen, und er hätte für das Jahr 2012 zusätzlich einen Bonus in der Höhe von Fr. 4'500.- erhalten. Nicht berücksichtigt hat das kantonale Versicherungsgericht eine sich lohnmässig auswirkende Karriereentwicklung, da hierfür konkrete Anhaltspunkte fehlen würden. Dazu erwog es das Folgende: Der Beschwerdeführer habe 1999 das Diplom als Mathematiker von der ETH erhalten, welches einer besonderen beruflichen Qualifikation entspreche. Dieses Studium sei ein Indiz dafür, dass er Entwicklungspotenzial gehabt hätte. Ihm hätten Tätigkeiten in der Forschung und Entwicklung, in der Industrie, in der Informatik, in Banken und Versicherungen sowie Unternehmensberatungen offen gestanden. Von dieser Vielzahl von Möglichkeiten habe sich der Beschwerdeführer für die Beschäftigung bei der Bank B.________ entschieden. Ab dem 1. Januar 2000 sei er bei dieser Bank als Reporting Expert (Controller) tätig gewesen. Aus den IV-Akten und aus der gerichtlichen Abklärung bei der Bank B.________ sei indes nicht weiter ersichtlich, dass beim Beschwerdeführer eine berufliche Veränderung oder eine interne Beförderung angestanden hätte. Für die Berücksichtigung einer beruflichen Weiterentwicklung, die sich in einer Einkommenssteigerung niedergeschlagen hätte, wären nach der Rechtsprechung konkrete Anhaltspunkte notwendig gewesen. Eine allgemeine Vermutung für ein altersabhängig ansteigendes Einkommen sei nicht ausreichend. Insbesondere genüge auch der Studienabschluss als Mathematiker allein nicht für die Annahme einer beruflichen Laufbahn mit überdurchschnittlicher Lohnentwicklung.  
 
4.1.2. Diese Sachverhaltsfeststellungen sind weder offensichtlich unrichtig noch gehen sie von einem unrichtigen Verständnis der dargelegten Grundsätze zur Berücksichtigung einer beruflichen Weiterentwicklung bei der Ermittlung des Valideneinkommens aus (E. 3.1), weshalb sie für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich sind (E. 3.1 in fine i.V.m. E. 1.1). Der Beschwerdeführer moniert, die Vorinstanz habe zu Unrecht dem Schreiben der Bank B.________ zu wenig Rechnung getragen, wonach im Betrieb die Möglichkeit von Beförderungen bestanden habe. Ebenso sei sie zu Unrecht davon ausgegangen, dass ihm, obschon er im Rahmen der Wiedereingliederung einen hohen Arbeitswillen gezeigt habe, als hypothetisch Gesunder über neun Jahre eine Karriereentwicklung bei der Bank B.________ verwehrt geblieben wäre, oder dass er bei Ausbleiben einer solchen Entwicklung nicht die Möglichkeit eines anderen Berufsweges gesucht hätte. Damit habe sie sein Karrierepotenzial als junger Versicherter zu wenig berücksichtigt. Mit seinen diesbezüglichen Vorbringen, soweit sie sich nicht ohnehin in unzulässiger appellatorischer Kritik erschöpfen, legt er jedoch nicht dar, dass und inwiefern die vorinstanzlichen Feststellungen das Ergebnis willkürlicher Beweiswürdigung darstellen (E. 1.2). Im Übrigen bestreitet er nicht bzw. räumt er gar explizit ein, dass es in den Akten keine konkreten Hinweise für eine Beförderung gibt. Damit hat es sein Bewenden.  
 
4.2.  
 
4.2.1. Die Vorinstanz stellte für die Ermittlung des Invalideneinkommens auf den im Jahr 2012 effektiv erzielten Verdienst von Fr. 58'580.- ab, welcher neben einem Lohn von Fr. 56'680.- auch eine Gratifikation von Fr. 1'900.- beinhaltete.  
 
4.2.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Gratifikation habe zwischen 2011 und 2013 jährlich abgenommen, und es könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese auch in Zukunft ausgerichtet worden wäre und dass ein Anspruch darauf bestanden habe - mindestens fehlten genaue Angaben hierzu. Dieser Einwand ist unbehelflich. Nicht massgebend ist, ob der Beschwerdeführer einen vertraglichen Anspruch auf eine Gratifikation (in einer bestimmten Höhe) hat, sondern einzig der tatsächlich entrichtete Verdienst (E. 3.2). Unbestrittenermassen erzielte der Beschwerdeführer im Jahr 2012 ein Einkommen von Fr. 58'580.-. Aus den Akten ergibt sich, dass das Einkommen im Jahr 2013 mit Fr. 58'865.- (inkl. Gratifikation von Fr. 1'665.-) sogar noch darüber lag. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass er im Jahr 2014 ein geringeres Einkommen erzielte, welches zu einem rentenbegründenden Invaliditätsgrad führte. Eine allfällige rentenrelevante Einkommensreduktion nach dem Verfügungszeitpunkt vom 10. März 2015 ist im Rahmen einer Neuanmeldung geltend zu machen (Art. 87 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 IVV).  
 
4.3. Zusammenfassend erweist sich die vorinstanzliche Festsetzung des Validen- und Invalideneinkommens weder als willkürlich noch sonstwie bundesrechtswidrig.  
 
5.   
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 21. Juni 2018 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Pfiffner 
 
Die Gerichtsschreiberin: Stanger