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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_1199/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 24. April 2014  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, vertreten durch Rechtsanwalt 
Dr. Bruno Steiner, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Justiz- und Sicherheitsdirektion des Kantons Nidwalden, Amt für Justiz, Straf- und Massnahmenvollzug, Kreuzstrasse 2, 6371 Stans,  
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Verlängerung der stationären therapeutischen Massnahme (Art. 59 Abs. 4 StGB), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts 
des Kantons Nidwalden, Beschwerdeabteilung in Strafsachen, vom 5. September 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Das Kantonsgericht Nidwalden sprach X.________ am 11. Juli 2007 u.a. wegen Mordes, mehrfacher Drohungen, Widerhandlungen gegen das Waffengesetz und qualifizierter Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 19 Jahren, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil des Kantonsgerichts Nidwalden vom 26. November 2002, und ordnete die Verwahrung an. Das Obergericht des Kantons Nidwalden bestätigte das kantonsgerichtliche Urteil am 3./4. April 2008 im Schuld- und Strafpunkt. Es rechnete die Untersuchungshaft und den vorzeitigen Strafantritt auf die Strafe an. Statt der Verwahrung ordnete es eine stationäre therapeutische Massnahme in einer geschlossenen Einrichtung an. Den Vollzug der Freiheitsstrafe schob es zugunsten der Massnahme auf. 
X.________ befindet sich seit dem 4. April 2008 im stationären therapeutischen Massnahmenvollzug in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lenzburg. 
Das zuständige Amt für Justiz stellte am 10. Januar 2013 den Antrag auf Verlängerung der stationären therapeutischen Massnahme um fünf Jahre. Das Kantonsgericht Nidwalden verlängerte die Massnahme am 20. März 2013 um vier Jahre. Das Obergericht des Kantons Nidwalden wies die Beschwerde von X.________ am 5. September 2013 in Bestätigung des kantonsgerichtlichen Beschlusses ab. 
 
B.   
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, der Beschluss des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zur Einholung ergänzender Berichte beim Gutachter und Therapeuten und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventuell sei er in Anwendung von Art. 57 Abs. 3 StGB aus dem stationären Vollzug der Massnahme in den normalen Strafvollzug zu entlassen. X.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Vorinstanz bejaht die Voraussetzungen von Art. 59 Abs. 4 StGB und verlängert die laufende stationäre Massnahme um 4 Jahre. Der Beschwerdeführer sei nach wie vor psychisch gestört und rückfallgefährlich. Es könne ihm keine günstige Prognose gestellt werden (Entscheid, S. 5 ff.). Er sei im Hinblick auf die Verbesserung der Legalprognose weiterhin massnahmenbedürftig (Entscheid, S. 7 f.). Die Vorinstanz stützt sich bei ihrem Entscheid auf das forensisch-psychiatrische Gutachten vom 28. Dezember 2012 und den Therapiebericht des Anstaltspsychiaters der JVA Lenzburg vom 11. Januar 2013. 
 
2.   
Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Würdigung der ärztlichen Entscheidungsgrundlagen und eine unrichtige Anwendung von Bundesrecht. Er erfülle alle Voraussetzungen, um in Anwendung von Art. 62 Abs. 1 i.V.m. Art. 57 Abs. 3 StGB bedingt aus dem stationären Vollzug der Massnahme in den Vollzug der Reststrafe entlassen zu werden. Es sei ihm deshalb Gelegenheit zu geben, sich im regulären Strafvollzug zu bewähren. Das Gutachten und der Therapiebericht seien betreffend die Frage, ob sich eine bedingte Entlassung in den Normalvollzug verantworten und empfehlen lasse, zu ergänzen. Das fehlerhafte Rechtsverständnis der Vorinstanz führe zu einer Verweigerung des rechtlichen Gehörs und verstosse gegen die Verfahrensfairness (Beschwerde, S. 5 ff.). 
 
3.   
Nach Art. 59 Abs. 4 StGB beträgt der mit der stationären Behandlung verbundene Freiheitsentzug in der Regel höchstens fünf Jahre. Sind die Voraussetzungen für die bedingte Entlassung nach fünf Jahren noch nicht gegeben und ist zu erwarten, durch die Fortführung der Massnahme lasse sich der Gefahr weiterer mit der psychischen Störung des Täters in Zusammenhang stehender Verbrechen und Vergehen begegnen, so kann das Gericht auf Antrag der Vollzugsbehörde die Verlängerung der Massnahme um jeweils höchstens fünf Jahre anordnen. Die Verlängerung setzt somit einerseits voraus, dass eine Gefährdung weiterhin besteht, mithin die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach Art. 62 StGB noch nicht erfüllt sind (BGE 135 IV 139 E. 2.2.1). Andererseits wird vorausgesetzt, dass dieser Gefahr durch die Massnahme begegnet werden kann, mithin dass der Täter überhaupt behandlungsfähig ist (BGE 134 IV 315 E. 3.4.1; BGE 109 IV 73 E. 3); gemeint ist damit eine therapeutische dynamische Einflussnahme, die zu einer Verbesserung der Legalprognose führt (BGE 134 IV 315 E. 3.6). Eine Verlängerung kann deshalb nur in Betracht gezogen werden, wenn sich davon eine therapeutische Wirkung in diesem Sinne erwarten lässt (BBl 1999 2078 f.; BGE 135 IV 139 E. 2.3.2; siehe auch BGE 137 II 233 E. 5.2.1). 
 
4.   
Die Vorinstanz würdigt die ärztlichen Entscheidgrundlagen sachlich und ausgewogen. Ihre Schlussfolgerungen gehen nicht über die Darlegungen der Experten hinaus. So stellt der Gutachter nicht fest, es liege keine psychische Störung mehr vor. Er führt nur aus, die Diagnose der dissozialen Persönlichkeitsstörung im eng strukturierten Rahmen des Massnahmenvollzugs so nicht mehr stellen zu können, weil sich die Symptome der Störung unter den gegebenen Umständen zurzeit nicht zeigten (vgl. Gutachten, S. 30 f., S. 36). Damit zieht der Gutachter weder die ursprünglich gestellte Diagnose in Zweifel noch geht er von einer Heilung des Beschwerdeführers aus. Ebenso wenig verneint er eine Rückfallgefahr für Gewalt- und für Betäubungsmitteldelikte. Er bringt nur zum Ausdruck, dass im eng strukturierten und kontrollierten Vollzug zurzeit keine Anzeichen einer aktuellen Rückfallgefahr feststellbar seien (Gutachten, S. 31 ff., S. 37). Der Gutachter stuft den bisherigen Massnahmenverlauf als optimal ein. Im Hinblick auf die Verbesserung der Legalprognose befürwortet er die Weiterführung der laufenden Therapie (Gutachten, S. 37). Der Anstaltspsychiater kommt hinsichtlich Diagnose, Therapieverlauf und Risikobeurteilung zu keinem andern Ergebnis (Entscheid, S. 5 f., S. 7 f.). 
Was der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzliche Würdigung von Gutachten und Therapiebericht einwendet, ist unbehelflich. Soweit er vor Bundesgericht lediglich rein appellatorisch wiederholt, was er bereits im kantonalen Verfahren vorgetragen hat, ist auf seine Einwände nicht einzutreten (Beschwerde, S. 14 ff.). Im Übrigen dringt seine Kritik nicht durch. Die Fachleute sprechen sich entgegen seiner Behauptung nicht dafür aus, dass die angeordnete Massnahme ihren Zweck erreicht habe und deshalb aufzuheben sei (Beschwerde, S. 16). Eine solche Aussage lässt sich weder dem Gutachten noch dem Therapiebericht entnehmen. Diese Lesart der ärztlichen Entscheidungsgrundlagen beruht offensichtlich auf einer Fehlinterpretation. So stufen die Experten den bisherigen Massnahmenverlauf wohl als positiv ein und erachten einen weiteren Verbleib des Beschwerdeführers im strikt geschlossenen Vollzug für ungünstig. Sie lehnen aber eine Umwandlung der stationären in eine ambulante Massnahme als verfrüht ab, halten an der Weiterführung der stationären Therapie fest und regen lediglich im Hinblick auf die Erprobung der Therapiefortschritte begleitete und überwachte Vollzugslockerungen an, zum Beispiel fünfstündige begleitete Ausgänge (Entscheid, S. 6). Von einer willkürlichen Beweiswürdigung der Vorinstanz kann folglich keine Rede sein. 
 
5.   
Nicht ersichtlich ist, dass die Vorinstanz ihrem Entscheid eine "verzerrte" und "unzutreffende" Rechtsauffassung zugrunde legt und Bundesrecht unrichtig anwendet. Soweit der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 57 Abs. 3 StGB geltend macht, die Vorinstanz verkenne, dass es im Rahmen von Art. 62 Abs. 1 i.V.m. Art 59 Abs. 4 StGB nicht um eine Entlassung in die Freiheit, sondern um eine solche in den regulären Strafvollzug gehe, zielen seine Ausführungen an der Sache vorbei. Nach Art. 62 Abs. 1 StGB wird der Täter bedingt, d.h. unter Ansetzung einer Probezeit, aus dem stationären Vollzug der Massnahme entlassen, wenn angenommen werden kann, er werde sich in der Freiheit bewähren. In dieser letzten Stufe des Massnahmenvollzugs soll er den Umgang mit der Freiheit erlernen, was nur in Freiheit möglich ist. Bewährt er sich, wird er endgültig aus der Massnahme entlassen (Art. 62b Abs. 1 StGB). Eine allfällige Reststrafe wird nicht mehr vollzogen (Art. 62b Abs. 3 StGB). Eine bedingte Entlassung aus dem stationären Massnahmenvollzug in den regulären Strafvollzug, wie sie dem Beschwerdeführer vorschwebt, ist dem Gesetz hingegen fremd und ergibt sich auch nicht aus Art. 57 Abs. 3 StGB, wonach der mit der Massnahme verbundene Freiheitsentzug auf die Strafe anzurechnen ist. Seine Rügen sind nicht stichhaltig. 
Die Verletzung des Gehöranspruchs und der Verfahrensfairness begründet der Beschwerdeführer einzig mit der angeblich falschen Rechtsauffassung der Vorinstanz. Da keine Bundesrechtsverletzung vorliegt, braucht auf die Verfassungsrügen nicht eingegangen zu werden. Entsprechendes gilt für den Antrag auf Einholung ergänzender Berichte beim Gutachter und Therapeuten. 
 
6.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war. Seiner finanziellen Lage ist mit herabgesetzten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 1'600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Nidwalden, Beschwerdeabteilung in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. April 2014 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill