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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6B_775/2010 
 
Urteil vom 8. März 2011 
Strafrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Favre, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, Mathys, Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Gerichtsschreiber Näf. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
1. Y.________, 
2. X.________, 
beide vertreten durch Fürsprech Konrad Luder, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Zivilansprüche, Kosten , Entschädigung etc. (fahrlässige einfache Körperverletzung), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 6. Mai 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a Mit Eingabe vom 9. Juni 2004 reichte A.________ gegen die beiden Ärzte X.________ und Y.________ Strafanzeige und Strafantrag wegen (fahrlässiger) Körperverletzung ein, angeblich begangen im Zusammenhang mit einer bei ihm am 8. März 2004 im Kantonsspital Olten durchgeführten Operation zwecks Entfernung der Gallenblase. 
 
Die Amtsgerichtsstatthalterin von Olten-Gösgen sprach die beiden Beschuldigten mit Urteil vom 20. Oktober 2006 frei und trat auf die von A.________ adhäsionsweise geltend gemachten Geldforderungen nicht ein. 
 
A.________ erhob Appellation. 
A.b Mit Urteil vom 6. Mai 2010 sprach das Obergericht des Kantons Solothurn X.________ und Y.________ der fahrlässigen einfachen Körperverletzung (Art. 125 Abs. 1 StGB) schuldig, begangen am 8. März 2004 im Rahmen einer im Kantonsspital Olten durchgeführten Operation. Es verurteilte sie zu Geldstrafen von 10 Tagessätzen zu Fr. 190.-- beziehungsweise Fr. 570.--, unter Gewährung des bedingten Vollzugs bei einer Probezeit von zwei Jahren. Auf die Zivilforderungen von A.________ trat es mangels Zuständigkeit nicht ein. 
 
B. 
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt unter anderem, die Strafen gegen die beiden Verurteilten seien zu erhöhen, die ihm auszurichtende Parteientschädigung sei auf Fr. 62'950.30 festzusetzen, die Kosten für seinen zeitweiligen unentgeltlichen Rechtsbeistand seien in vollem Umfang den Verurteilten aufzuerlegen und auf seine Zivilforderungen sei einzutreten. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Der Beschwerdeführer beantragt, dass Bundesrichter Michel Féraud und Gerichtsschreiber Jürg Pfäffli in den Ausstand zu treten haben. Auf diesen Antrag ist schon deshalb nicht einzutreten, weil er mit keinem Wort begründet wird. 
 
2. 
Der Beschwerdeführer ficht das Urteil der Vorinstanz unter anderem insoweit an, als darin auf seine Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen gegen die Beschuldigten nicht eingetreten wurde. 
 
2.1 Der Beschwerdeführer machte im erstinstanzlichen Verfahren gegen die beiden Beschuldigten eine Schadenersatzforderung im Betrag von Fr. 72'796.-- und eine Genugtuungsforderung in der Höhe von Fr. 18'000.-- geltend. Die erste Instanz trat zufolge des Freispruchs der Beschuldigten auf diese Forderungen nicht ein. 
 
Im Appellationsverfahren vor der Vorinstanz machte der Beschwerdeführer gegen die beiden Beschuldigten adhäsionsweise unter anderem Schadenersatzforderungen in der Höhe von mindestens Fr. 143'383.-- respektive Fr. 90'796.-- geltend. Die Vorinstanz trat auf diese Forderungen nicht ein. Zur Begründung wird im angefochtenen Urteil (S. 31) erwogen, dass sich die Haftung des Kantonsspitals Olten und seines Personals gestützt auf § 19 Abs. 1 des Spitalgesetzes des Kantons Solothurn (SpiG/SO; BGS 817.11) nach dem Verantwortlichkeitsgesetz des Kantons Solothurn (VG/SO; BGS 124.21) richtet. Dieses halte in § 1 Abs. 3 VG/SO fest, dass die Bestimmungen für den Staat auch für das kantonale Spital gelten. Gemäss § 2 Abs. 1 VG/SO hafte der Staat für den Schaden, den ein Beamter in Ausübung seiner amtlichen Tätigkeit Dritten widerrechtlich mit oder ohne Verschulden zufügt, und nach § 2 Abs. 2 VG/SO könne der Geschädigte den Beamten nicht unmittelbar belangen. Der Geschädigte könne somit gemäss § 19 Abs. 1 SpiG/SO in Verbindung mit § 2 Abs. 2 VG/SO einen Angestellten des kantonalen Spitals nicht unmittelbar belangen. Die Vorinstanz kommt daher zum Schluss, es sei ihr verwehrt, die adhäsionsweise geltend gemachte Zivilklage des Beschwerdeführers überhaupt zu prüfen. Mangels Zuständigkeit sei auf sie nicht einzutreten. 
 
2.2 Die Legitimation zur Beschwerde in Strafsachen bestimmt sich vorliegend nach dem bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Recht, da der angefochtene Entscheid vor diesem Zeitpunkt ausgefällt wurde. 
 
Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer (a.) vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; und (b.) ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat. Ein solches rechtlich geschütztes Interesse hat gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 aBGG in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung das Opfer, wenn der angefochtene Entscheid sich auf die Beurteilung seiner Zivilansprüche auswirken kann. Zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt ist das Opfer auch insoweit, als der Entscheid in Strafsachen seine Zivilansprüche betrifft. Dies ist zwar in Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 aBGG - im Unterschied zu dem vor dem Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes geltenden Recht (Art. 270 aBStP betreffend die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde) - nicht ausdrücklich vorgesehen, ergibt sich aber aus der Generalklausel des rechtlich geschützten Interesses. 
 
Der Beschwerdeführer hat ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids, soweit darin auf die von ihm im Strafverfahren gegen die Beschuldigten geltend gemachten Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung nicht eingetreten worden ist. So wie das Opfer rügen kann, es sei von der Vorinstanz zu Unrecht nicht als Opfer, sondern bloss als Geschädigter qualifiziert worden (siehe BGE 129 IV 95 E. 2), kann es auch rügen, dass die von ihm geltend gemachte Forderung von der Vorinstanz zu Unrecht nicht als Zivilanspruch qualifiziert beziehungsweise zu Unrecht nicht adhäsionsweise im Strafverfahren beurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer ist daher insoweit zur Beschwerde in Strafsachen legitimiert. Die Beschwerde ist aber in diesem Punkt aus nachstehenden Erwägungen als unbegründet abzuweisen. 
 
2.3 Als Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 aBGG können - wie vormals als Zivilforderungen im Sinne von Art. 270 Abs. 1 aBStP - nur solche Ansprüche betrachtet werden, die überhaupt adhäsionsweise im Strafverfahren geltend gemacht und vom Strafrichter beurteilt werden können (BGE 128 IV 188 E. 2; 127 IV 189 E. 2b; 125 IV 161 E. 3, je mit Hinweisen). Diese Voraussetzung ist vorliegend nicht erfüllt. Gemäss den Erwägungen der Vorinstanz kann der Beschwerdeführer nicht die Beschuldigten, sondern allein den Staat belangen und haftet gegenüber dem Beschwerdeführer einzig der Staat für den von den Beschuldigten dem Beschwerdeführer widerrechtlich zugefügten Schaden. Inwiefern die Vorinstanz damit die massgebenden Bestimmungen des kantonalen Rechts (Verantwortlichkeitsgesetz, Spitalgesetz) willkürlich angewendet oder eidgenössisches Recht verletzt habe, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, aus welchen Bestimmungen sich ergeben könnte, dass der Strafrichter im Falle einer Verurteilung von Beamten oder Angestellten des Staates den für deren Verhalten gegenüber dem Opfer allein haftenden Staat im Strafverfahren zur Leistung von Schadenersatz und Genugtuung an das Opfer zu verpflichten habe. Solches ergibt sich insbesondere auch nicht aus Sinn und Zweck des Opferhilfegesetzes. Dieses Gesetz will dem Opfer die Geltendmachung von Zivilansprüchen im Strafverfahren erleichtern und eine Verweisung dieser Ansprüche durch den Strafrichter auf den Zivilweg wesentlich erschweren. Das Opfer soll seine Zivilansprüche nicht mehr in einem oft aufwändigen und mit einem erheblichen Kostenrisiko verbundenen Zivilprozess geltend machen müssen, sondern es soll sie auf dem vergleichsweise einfachen Weg des Strafverfahrens adhäsionsweise geltend machen können (BGE 120 IV 44 E. 4). Zwar ist der Begriff der "Zivilansprüche" im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 aBGG - wie vormals gemäss Art. 270 aBStP - weit zu fassen. Darunter fallen nicht nur Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen, sondern beispielsweise auch Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung und Feststellung einer widerrechtlichen Verletzung (BGE 121 IV 76 E. 1c; 120 IV 154 E. 2c/aa). Zivilansprüche im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 aBGG - beziehungsweise vormals Art. 270 aBStP - sind, wie sich aus Sinn und Zweck des Opferhilfegesetzes und dem aus den Materialien ersichtlichen Willen des Gesetzgebers ergibt, Ansprüche, welche dem Opfer gegen die im Strafverfahren beschuldigte Person aus der behaupteten Straftat zustehen und im Strafverfahren adhäsionsweise geltend gemacht werden können. Ansprüche des Opfers gegen den Staat, der aufgrund des massgebenden Verantwortlichkeitsgesetzes gegenüber dem Opfer haftet, sind keine Zivilansprüche im Sinne dieser Bestimmungen. Unerheblich ist insoweit, dass der Entscheid des Strafrichters im Schuldpunkt allenfalls für den Entscheid der zuständigen Behörde über die Haftung des Staates von Bedeutung sein kann. Daraus folgt nicht, dass der Strafrichter im Strafverfahren gegen die beschuldigte Person auch über die Haftung des Staates - zumindest dem Grundsatzes nach - urteilen muss. 
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit sie sich gegen das Nichteintreten auf die Schadenersatz- und Genugtuungsforderungen des Beschwerdeführers richtet. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer beantragt eine Erhöhung der Strafe. Zur Begründung macht er unter anderem geltend, die beiden Verurteilten zeigten weder Einsicht noch Reue. 
 
Das Opfer kann Art und Höhe der gegen die beschuldigte Person ausgefällten strafrechtlichen Sanktion nicht anfechten, da insoweit die Tätersituation und nicht die Opfersituation massgebend ist (vgl. schon BGE 120 IV 44 E. 6; siehe nun ausdrücklich Art. 382 Abs. 2 der Schweizerischen Strafprozessordnung, wonach die Privatklägerschaft einen Entscheid hinsichtlich der ausgesprochenen Sanktion nicht anfechten kann). 
 
4. 
Der Beschwerdeführer beantragte vor der Vorinstanz, es sei ihm für das gesamte Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 52'657.30 zuzusprechen. Er machte einen Zeitaufwand von 210 Stunden zum Stundenansatz von Fr. 250.-- geltend. Die Vorinstanz verpflichtete die beiden Verurteilten, dem Beschwerdeführer für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren eine reduzierte Entschädigung von total Fr. 1'000.-- zu bezahlen. Zur Begründung hält sie fest, dass der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Zeitaufwand völlig überrissen sei und zu einem erheblichen Teil Abklärungen betreffe, die nichts mit dem Strafverfahren zu tun hätten; dass ein Stundenansatz von Fr. 250.-- von vornherein ausser Betracht falle, weil der Beschwerdeführer nicht anwaltlich vertreten gewesen sei; dass der Beschwerdeführer im Zivilpunkt vollständig unterlegen sei, da auf seine Zivilforderung mangels Zuständigkeit nicht eingetreten worden sei; dass der Beschwerdeführer nicht erwerbstätig sei und daher durch den von ihm getätigten Aufwand keinen Einnahmeausfall erlitten habe. 
 
Mit diesen Erwägungen der Vorinstanz setzt sich der Beschwerdeführer nicht substantiiert auseinander. Er legt nicht dar, dass und inwiefern der angefochtene Entscheid im Entschädigungspunkt auf willkürlichen tatsächlichen Feststellungen respektive auf einer willkürlichen Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des kantonalen Rechts beruhe beziehungsweise verfassungsrechtliche Grundsätze verletze. Auf die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkt nicht einzutreten. 
 
5. 
Die Vorinstanz stellt in Ziff. 6b des Dispositivs ihres Entscheids fest, dass die Kosten für den zeitweiligen unentgeltlichen Rechtsbeistand des Verletzten mit rechtskräftigem Beschluss vom 26. August 2008 auf Fr. 3'693.05 festgesetzt und vom Staat Solothurn ausbezahlt worden sind. Die Vorinstanz erkennt, dass die beiden Verurteilten von diesem Betrag je 35 % zu tragen haben. Die restlichen 30 % (entsprechend Fr. 1'107.95) verblieben zufolge unentgeltlicher Rechtspflege auf dem Staat. Vorbehalten bleibe der Rückforderungsanspruch des Staates während 10 Jahren, wenn der Verletzte zu hinreichendem Einkommen und Vermögen gelange (Ziff. 6b des Dispositivs des angefochtenen Urteils). Zur Begründung erwägt die Vorinstanz, dass der Beschwerdeführer im Zivilpunkt nicht durchdrang; dass diejenigen Bemühungen des zeitweiligen unentgeltlichen Rechtsbeistands, welche sich auf haftungsrechtliche Fragen bezogen, mit 30 % des Gesamtaufwands zu veranschlagen seien; dass dieser Kostenanteil angesichts der fehlenden Zuständigkeit des Strafgerichts zur Beurteilung der finanziellen Forderung des Beschwerdeführers und des in dieser Sache abgeschlossenen, in Rechtskraft erwachsenen Vergleichs dem Verletzten vorzuwerfen sei. 
 
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass dies nicht sein kann und nicht sein darf. Es sei ihm ein junger, unerfahrener Anwalt als Rechtsbeistand bestellt worden. Mit diesen Einwänden ist indessen nicht dargetan, weshalb und inwiefern der angefochtene Entscheid im Kostenpunkt auf willkürlichen tatsächlichen Feststellungen respektive auf einer willkürlichen Anwendung der massgebenden Bestimmungen des kantonalen Rechts beruhe beziehungsweise gegen verfassungsrechtliche Grundsätze verstosse. Auf die Beschwerde ist daher auch in diesem Punkt nicht einzutreten. 
 
6. 
Der Beschwerdeführer ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Das Gesuch ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war. Somit hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen. Seinen angespannten finanziellen Verhältnissen ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf das Ausstandsbegehren wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
3. 
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
4. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, und der Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 8. März 2011 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Favre Näf