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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_534/2022  
 
 
Urteil vom 5. Juni 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Müller, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Merz, Kölz, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwältin Meret Lotter, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, 
Hermann-Götz-Strasse 24, Postfach, 8401 Winterthur. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Entsiegelung, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Dielsdorf, Zwangsmassnahmengericht, Einzelrichter, vom 7. September 2022 (GT220007-D/U/B-5/mb). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen Drogendelikten. Am 11. Juli 2022 liess sie am Wohnort der Beschuldigten eine Hausdurchsuchung durchführen, bei der diverse elektronische Geräte und Unterlagen sichergestellt wurden. Gleichentags stellte die Beschuldigte das Begehren um Siegelung aller sichergestellten Asservate. Mit Eingabe vom 21. Juli 2022 stellte die Staatsanwaltschaft diesbezüglich beim zuständigen Bezirksgericht ein Entsiegelungsgesuch. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 7. September 2022 hiess das Bezirksgericht Dielsdorf, Zwangsmassnahmengericht, Einzelrichter (nachfolgend: ZMG), das Entsiegelungsgesuch gut, indem es zahlreiche elektronische Datenträger und Unterlagen an die Staatsanwaltschaft zur Durchsuchung und weiteren Verwendung freigab. 
 
C.  
Gegen den Entsiegelungsentscheid des ZMG gelangte die Beschuldigte mit Beschwerde vom 17. Oktober 2022 an das Bundesgericht. Sie beantragt in der Hauptsache die Aufhebung des angefochtenen Entscheides und die Abweisung des Entsiegelungsgesuches. 
Am 27. Oktober 2022 verzichtete das ZMG auf eine Stellungnahme. Die Staatsanwaltschaft beantragt mit Vernehmlassung vom 4. November 2022 die Abweisung der Beschwerde. Mit Verfügung vom 8. November 2022 bewilligte das Bundesgericht das Gesuch um aufschiebende Wirkung der Beschwerde. Die Beschwerdeführerin replizierte am 18. November 2022. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Entsiegelungsentscheid (Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG i.V.m. Art. 248 Abs. 3 StPO). Zu prüfen ist, ob und inwieweit die gesetzlichen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind (Art. 78 ff. BGG). Das Bundesgericht beurteilt diese Frage von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 1 i.V.m. Art. 42 Abs. 1-2 BGG; BGE 145 I 239 E. 2 S. 241; 142 IV 196 E. 1.1 S. 197; je mit Hinweisen). 
 
2.  
 
2.1. Die Beschwerde in Strafsachen gegen Entsiegelungsentscheide der Zwangsmassnahmengerichte ist nur zulässig, wenn dem Betroffenen wegen eines Eingriffs in seine rechtlich geschützten Geheimnisinteressen ein nicht wieder gutzumachender Rechtsnachteil droht (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG i.V.m. Art. 248 Abs. 1 StPO; BGE 143 I 241 E. 1 S. 244; 141 IV 289 E. 1.1-1.2 S. 291 f. mit Hinweisen; nicht amtl. publ. E. 1 von BGE 144 IV 74, E. 2.1 von BGE 143 IV 270, und E. 2 von BGE 142 IV 207).  
Nach der bundesgerichtlichen Praxis trifft den Inhaber von zu Durchsuchungszwecken sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenständen, der ein Siegelungsbegehren gestellt hat, die prozessuale Obliegenheit, die von ihm angerufenen Geheimhaltungsinteressen (im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO) spätestens im Entsiegelungsverfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht ausreichend zu substanziieren. Kommt der Betroffene seiner Mitwirkungs- und Substanziierungsobliegenheit im Entsiegelungsverfahren nicht nach, ist das Gericht nicht gehalten, von Amtes wegen nach allfälligen materiellen Durchsuchungshindernissen zu forschen. Tangierte Geheimnisinteressen sind wenigstens kurz zu umschreiben und glaubhaft zu machen. Auch sind diejenigen Aufzeichnungen und Dateien zu benennen, die dem Geheimnisschutz unterliegen. Dabei ist der Betroffene nicht gehalten, die angerufenen Geheimnisrechte bereits inhaltlich offenzulegen (BGE 142 IV 207 E. 7.1.5 S. 211, E. 11 S. 228; 141 IV 77 E. 4.3 S. 81, E. 5.5.3 S. 86, E. 5.6 S. 87; 138 IV 225 E. 7.1 S. 229; 137 IV 189 E. 4.2 S. 195, E. 5.3.3 S. 199; nicht amtl. publ. E. 6 von BGE 144 IV 74). 
Die Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht sind in der Beschwerdeschrift ausreichend zu substanziieren, soweit sie nicht offensichtlich erfüllt erscheinen (Art. 42 Abs. 1-2 BGG; BGE 141 IV 1 E. 1.1 S. 4 f.; 284 E. 2.3 S. 287; 289 E. 1.3 S. 292; je mit Hinweisen). Pauschale Hinweise auf angebliche Privatgeheimnisse genügen nach ständiger Praxis des Bundesgerichtes nicht zur Substanziierung von konkreten schutzwürdigen Geheimnisinteressen (Urteile 1B_208/2021 vom 17. Januar 2022 E. 3.2-3.4; 1B_28/2021 vom 4. November 2021 E. 1.8; 1B_427/2020 vom 19. Mai 2021 E. 1.2; 1B_423/2019 vom 5. März 2020 E. 1.4; 1B_153/2019 vom 11. Dezember 2019 E. 1.6; 1B_2/2019 vom 11. Juli 2019 E. 2; 1B_196/2018 vom 26. November 2018 E. 1.3-1.5; 1B_407/2018 vom 13. Dezember 2018 E. 1.2-1.4; je mit Hinweisen). 
 
2.2. Wie die Vorinstanz feststellt, hat die Beschwerdeführerin im Entsiegelungsverfahren keine gesetzlich geschützten Geheimnisinteressen dargelegt. Das Zwangsmassnahmengericht hat deshalb auf eine Aussonderung allfälliger geheimnisgeschützter Aufzeichnungen und Datenträger verzichtet (vgl. angefochtener Entscheid, E. II/G/1-2, S. 12 f.).  
In der Beschwerdeschrift wird zur Sachurteilsvoraussetzung des drohenden nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteils Folgendes ausgeführt: 
 
"Der nicht wiedergutzumachende Nachteil besteht darin, dass aus den im nachfolgenden materiellen Teil dieser Beschwerde dargelegten Gründen die Entsiegelung und Durchsuchung der sichergestellten Asservate unzulässig ist, da der Staatsanwaltschaft ein erheblicher Verfahrensfehler vorzuwerfen ist, welcher zur Rückgabe der sichergestellten Asservate und zur Vernichtung der zu Unrecht durch Spiegelung erstellten Datensicherungen führen muss (...). Mit der Durchsuchung der fraglichen Asservate (Schriftstücke und Datenträger) würde daher in unzulässiger Weise in die Privatsphäre der Beschwerdeführerin eingegriffen. Dieser Eingriff liesse sich naturgemäss jedoch nicht mehr rückgängig machen, was somit einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken würde. Schliesslich geht es beim Entsiegelungsverfahren im Ergebnis gerade darum, die Einsichtnahme der Strafbehörde in die Unterlagen und deren Verwertung zu verhindern." 
Damit substanziiert die Beschwerdeführerin auch vor Bundesgericht keine konkreten geschützten Geheimnisse und damit keinen drohenden nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteil. Sie übersieht, dass die ausreichende Darlegung dieser gesetzlichen Sachurteilsvoraussetzung für die Beschwerde in Strafsachen (Art. 93 Abs. 1 lit. a i.V.m. Art. 42 Abs. 1-2 BGG) nicht mit ihren prozessualen Rügen gegen den angefochtenen Entscheid (Art. 95-97 BGG) zusammenfällt. Ihr pauschaler Hinweis auf ihre "Privatsphäre" reicht nach der oben dargelegten Praxis nicht aus zur Substanziierung eines nicht wieder gutzumachenden Nachteils infolge einer drohenden Offenlegung von konkreten geschützten Geheimnissen. Zweck des Entsiegelungsverfahrens im strafprozessualen Vorverfahren ist es, durch das Zwangsmassnahmengericht vorab prüfen zu lassen, ob geschützte Geheimnisinteressen, die vom Inhaber oder der Inhaberin der sichergestellten Aufzeichnungen angerufen werden, deren Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft entgegenstehen (Art. 246-248 StPO). Die Beschwerdeführerin legt nicht dar, welche der umfangreichen Datenspeicher und Unterlagen konkrete geheimnisgeschützte Aufzeichnungen enthielten. 
Die Sachurteilsvoraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist nicht erfüllt. 
 
3.  
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Im vorliegenden Fall kann jedoch ausnahmsweise auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bezirksgericht Dielsdorf, Zwangsmassnahmengericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. Juni 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Müller 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster