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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 242/04 
 
Urteil vom 20. Dezember 2004 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiber Traub 
 
Parteien 
C.________, 1944, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. André Largier, Sonneggstrasse 55, 8006 Zürich, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
(Entscheid vom 28. April 2004) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1944 geborene C.________, seit 1986 bei der Firma F.________ AG als Kranführer tätig und in dieser Eigenschaft obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert, stürzte am 13. Januar 1995 bei Ausübung seiner Arbeit. Dabei zog er sich eine Verletzung am rechten Handgelenk (Scaphoidfraktur) zu, aus welcher sich eine schwere radiokarpale Arthrose und ein Karpaltunnelsyndrom entwickelte. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) sprach dem Versicherten eine Integritätsentschädigung im Umfang von 17,5 % zu. Dagegen ergab sich bezogen auf die bisherige Tätigkeit als Kranführer und Maschinist keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit (Verfügung vom 2. Oktober 1997). Ab Herbst 2001 litt der Versicherte zusätzlich an zervikalen Beschwerden mit Schwindel. Mit Schreiben vom 6. August 2002 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis auf den 30. November 2002. Im Rahmen einer Anspruchsprüfung zufolge Rückfalls hielt die SUVA mit Verfügung vom 6. Dezember 2002 fest, unter ausschliesslicher Berücksichtigung der Unfallfolgen sei C.________ mit Wirkung ab dem 19. August 2002 zu 50 % arbeitsunfähig, da er ohne Einschränkung nur die Kranführertätigkeit, nicht aber schwerere Bauarbeiten ausüben könne. 
 
Am 9. Januar 2003 stellte die SUVA die Taggeldleistungen auf den 20. Januar 2003 ein mit der Begründung, zusätzliche Abklärungen bei der Arbeitgeberin hätten ergeben, dass der Versicherte ganztags als Kranführer oder für die Bedienung einer Betonmaschine eingesetzt werden könne und somit keine schwereren Arbeiten zu verrichten habe. Diese Verfügung wurde mit Einspracheentscheid vom 11. Juli 2003 bestätigt. 
B. 
Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies die dagegen erhobene Beschwerde ab (Entscheid vom 28. April 2004). 
C. 
C.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es seien ihm, in Aufhebung von Einsprache- und vorinstanzlichem Entscheid, über den 20. Januar 2003 hinaus die gesetzlichen Leistungen auszurichten. 
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Mit dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 sind zahlreiche Bestimmungen im Bereich der Unfallversicherung geändert worden. Da in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich die Rechtssätze zur Anwendung kommen, welche bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes gelten (BGE 129 V 4 Erw. 1.2, 169 Erw. 1, 356 Erw. 1), und vorliegend sowohl das initiale Ereignis (vom 13. Januar 1995) wie auch die am 7. Mai 2002 ergangene Rückfallmeldung vor dem 1. Januar 2003 datieren, sind die bis Ende 2002 gültig gewesenen Bestimmungen anwendbar. Der Umstand, dass der Einspracheentscheid des Unfallversicherers - der an die Stelle der Verfügung tritt (BGE 119 V 350 Erw. 1b) - erst am 11. Juli 2003 erlassen worden ist, ändert daran nichts. 
2. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zur Leistungspflicht des Unfallversicherers bei Rückfällen und Spätfolgen (Art. 6 Abs. 1 UVG; Art. 11 UVV; BGE 118 V 296 Erw. 2c; vgl. auch SVR 2003 UV Nr. 14 S. 43 Erw. 4), insbesondere zur Voraussetzung des natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen den erneut geltend gemachten Beschwerden und der seinerzeit beim versicherten Unfall oder bei dem diesem gleichgestellten unfallähnlichen Ereignis erlittenen Gesundheitsschädigung (BGE 129 V 181 Erw. 3.1 und 406 Erw. 4.3.1), zutreffend wiedergegeben. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Ausführungen zu den (materiellen) Beweislastregeln im sozialversicherungsrechtlichen Verwaltungs- und Verwaltungsgerichtsverfahren (BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen) sowie über die aus dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung abgeleiteten Vorgaben hinsichtlich von Beweiswert und Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352 Erw. 3a). 
3. 
Strittig und zu prüfen ist, ob über den 20. Januar 2003 hinaus eine Arbeitsunfähigkeit besteht, die dem Beschwerdeführer Anspruch auf Taggelder verschafft (Art. 16 f. UVG). Die SUVA bezieht sich zur Beantwortung dieser Frage auf die angestammte Tätigkeit des Kranführers und auf diejenige des Maschinisten an einer Betonmaschine. Beide Arbeiten seien mit dem unfallbedingten Gesundheitsschaden am rechten Handgelenk vereinbar; eine weitergehende Arbeitsunfähigkeit erscheine als Folge des unfallfremden Zervikalsyndroms. Der Beschwerdeführer hingegen vertritt die Auffassung, schon die unfallbedingte Beeinträchtigung allein stehe der Ausübung sämtlicher handwerklicher Berufe entgegen. 
3.1 Im Bereich des UVG bedeutet Arbeitsunfähigkeit zunächst die volle oder teilweise Unfähigkeit, am bisherigen Arbeitsplatz zumutbare Arbeit zu leisten, soweit diese Einschränkung auf eine unfallbedingte Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit zurückgeht. Der Grad der Arbeitsunfähigkeit wird solange unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit festgesetzt, als vom Versicherten vernünftigerweise nicht verlangt werden kann, dass er seine restliche Arbeitsfähigkeit anderweitig einsetzt. Bei langdauernder Arbeitsunfähigkeit im angestammten Beruf - oder sobald klar wird, dass die Wiederaufnahme der bisher ausgeübten Tätigkeit nicht mehr in Frage kommt - sind nach Ablauf einer gewissen Anpassungszeit auch zumutbare Tätigkeiten in einem andern Beruf zu berücksichtigen (BGE 130 V 345 Erw. 3.1, 115 V 133 Erw. 2, 114 V 283 Erw. 1c; Urteil S. vom 23. Oktober 2003, I 392/02, Erw. 4.2.2; vgl. fortan Art. 16 Abs. 1 UVG in Verbindung mit Art. 6 ATSG; Meyer-Blaser, Der Rechtsbegriff der Arbeitsunfähigkeit und seine Bedeutung in der Sozialversicherung, in: Schmerz und Arbeitsunfähigkeit, St. Gallen 2003, S. 33 und 38 ff.). 
3.2 Der Beschwerdeführer war nach dem Unfall vom 13. Januar 1995 während längerer Zeit in der Lage, den Beruf des Kranführers trotz einer sich heranbildenden schweren radiokarpalen Arthrose auszuüben. Die im Herbst 2001 eingetretene vollständige Arbeitsunfähigkeit in dieser Tätigkeit ergab sich hauptsächlich wegen Nackenschmerzen mit Schwindel und weiteren Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule (vgl. Arztberichte des behandelnden Internisten Dr. S.________ vom 16. Januar 2002 sowie des Internisten Dr. T.________ vom 1. Februar 2002). Nach Auffassung des zuletzt genannten Mediziners war der Versicherte ab Frühjahr 2002 zwar wiederum vollständig arbeitsfähig. Im Rahmen einer umfassenden Abklärung im Klinik V.________ ergab sich jedoch, dass ihm die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Hochkranführer wegen der Nackenbeschwerden nicht mehr zugemutet werden konnte (Bericht der Ergonomieabteilung vom 24. September 2002). Diese Einschätzung bestätigte sich bei einem am 20. Januar 2003 durchgeführten Arbeitsversuch. Ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bereits vor Beginn des Taggeldbezugs (August 2002) wegen des ein Jahr früher hinzugetretenen, unfallfremden Leidens nicht mehr als Kranführer tätig sein konnte, darf diese Art von Beschäftigung nach den oben dargestellten Grundsätzen (Erw. 3.1 hievor) nicht als Referenztätigkeit zur Bemessung der Arbeitsfähigkeit herangezogen werden. Es erübrigt sich also, den unter den Parteien strittigen Punkt der funktionellen Leistungsfähigkeit als Kranführer zu klären. 
3.3 Die Beschwerdegegnerin macht geltend, der Versicherte sei ab dem 21. Januar 2003 als Maschinist an einer Betonmaschine voll einsatzfähig gewesen; sein bisheriger Arbeitgeber habe erklärt, in der Lage zu sein, einen vollzeitlichen Einsatz in dieser Funktion anzubieten. Der Versicherte lässt demgegenüber geltend machen, die Arbeit des Maschinisten beinhalte Verrichtungen, die mit dem unfallbedingten Körperschaden nicht zu vereinbaren seien. Bei den Akten befindet sich zu dieser Frage das Protokoll einer Befragung des Arbeitgebers vom 20. Dezember 2002. Entscheidwesentliche Punkte sind zwar grundsätzlich in der Form einer schriftlichen Anfrage und Auskunft zu erheben. Das hier gewählte Vorgehen einer mündlichen Befragung mit Protokollierung ist nach der Rechtsprechung indessen auch zulässig (BGE 117 V 285 Erw. 4c). Es fragt sich höchstens, ob darauf allein abgestellt werden durfte, da die Bedienung einer Betonmaschine nicht Gegenstand der Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit in der Klinik V.________ war (vgl. den vorerwähnten Bericht vom 24. September 2002). 
 
Wie es sich mit dieser Frage letztlich verhält, kann indes offen bleiben, denn bei längerdauernder Arbeitsunfähigkeit ist der Blickwinkel für die Bemessung der Arbeitsfähigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt auszuweiten (Erw. 3.1 hievor). Kann die Arbeitsfähigkeit im angestammten Beruf nicht mehr wiedergewonnen werden, erweist sich die versicherte Person ansonsten aber als (selbst-)eingliederungsfähig, ist es demnach geboten, für die Festlegung der entschädigungswirksamen Leistungseinschränkung eine andere zumutbare Tätigkeit zu berücksichtigen. Die entsprechende Übergangs- bzw. Anpassungsfrist beträgt im Regelfall drei bis fünf Monate (RKUV 2000 Nr. KV 112 S. 122; Meyer-Blaser, a.a.O., S. 40 f.). Der Umstand, dass der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis per 30. November 2002 auflöste, hat dabei im Übrigen nicht zur Folge, dass sich die Arbeitsfähigkeit nach Massgabe aller arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbaren Arbeiten (Art. 16 AVIG) bemisst (RKUV 2004 Nr. U 501 S. 179). 
3.4 Für die vom Versicherten geltend gemachte Annahme, der Einsatz der rechten Hand im Rahmen einer handwerklichen Tätigkeit sei ihm generell unzumutbar, bieten die medizinischen Akten insgesamt keine Grundlage. So könnte der Beschwerdeführer - aufgrund der Handgelenkbeschwerden - den Beruf des Kranführers nach kreisärztlicher Einschätzung vom 12. Juli 2002 ganztags ausüben. Die eingehende ergonomische und arbeitsmedizinische Abklärung in der Klinik V.________ ergab ebenfalls eine volle Arbeitsfähigkeit für leichte bis mittelschwere, das Handgelenk schonende Tätigkeiten; die Kraft der rechten Hand sei allerdings eingeschränkt und deren Belastungsfähigkeit reiche nur bis zehn Kilogramm (Bericht vom 24. September 2002). Anderslautende Stellungnahmen (der Dres. B.________ vom 6. Mai 2002 sowie S.________ vom 16. August 2002) gehen augenscheinlich von einer Arbeitsunfähigkeit in einer Tätigkeit mit schwerer körperlicher Belastung aus. Ein im Januar 2003 durchgeführter Arbeitsversuch scheiterte denn auch vornehmlich wegen im Bereich von Rücken und Nacken belastungsabhängig eingetretener Schmerzen. 
3.5 Aus dem Gesagten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in dem hier strittigen Zeitraum ab dem 20. Januar 2003 in einer dem unfallbedingten Leiden angepassten Tätigkeit vollständig arbeitsfähig war. Einsprache- und angefochtener kantonaler Entscheid bestehen daher zu Recht. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zugestellt. 
Luzern, 20. Dezember 2004 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: