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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_34/2021, 9C_35/2021  
 
 
Urteil vom 30. März 2021  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Bundesamt für Sozialversicherungen, Effingerstrasse 20, 3000 Bern, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
9C_34/2021 
A.________, 
Beschwerdegegner, 
 
und 
 
9C_35/2021 
B.________, 
Beschwerdegegnerin, 
 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich. 
 
Gegenstand 
Erwerbsersatz im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19), 
 
Beschwerden gegen die Entscheide des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 19. November 2020 (EE.2020.00007 und EE.2020.00015). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
B.________ und A.________ sind die beiden einzigen Gesellschafter der Kollektivgesellschaft X.________, die in den Bereichen Werbung und Kommunikation sowie Text und Grafik resp. Marketing, Kommunikation, Markenschöpfung und Markenführung tätig ist. Sie sind deshalb seit 2010 als Selbstständigerwerbende der Ausgleichskasse des Kantons Zürich angeschlossen. Am 20. April 2020 meldeten sie sich im Zusammenhang mit den Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zum Bezug einer Erwerbsausfallentschädigung (nachfolgend: Corona-Erwerbsersatz) an. Mit Verfügungen vom 24. April und 30. April 2020 verneinte die Ausgleichskasse einen Anspruch. Zur Begründung führte sie an, die Versicherten hätten für das Jahr 2019 jeweils mehr als Fr. 90'000.- Einkommen abgerechnet und damit den Schwellenwert für die Anwendung der entsprechenden Härtefallregelung überschritten. Daran hielt sie mit Einspracheentscheiden vom 17. Juni 2020 und 24. Juli 2020 fest. 
 
B.   
Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheiden EE.2020.00007 (A.________) und EE.2020.00015 (B.________) vom 19. November 2020 im Sinne der jeweiligen Erwägung 3.4 ab. 
 
C.   
Das Bundesamt für Sozialversicherungen (nachfolgend: BSV) beantragt mit (separaten) Beschwerden in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, die Entscheide vom 19. November 2020 seien aufzuheben, die Einspracheentscheide vom 17. Juni 2020 seien zu bestätigen, und es sei festzustellen, dass A.________ und B.________ "gestützt auf eine nach dem 16. September 2020 der Ausgleichskasse eingereichte aktuellere definitive Steuerveranlagung keinen Anspruch auf Neuberechnung des Corona-Erwerbsersatzes" haben. 
A.________ (Verfahren 9C_34/2021) und B.________ (Verfahren 9C_35/2021) verzichten auf eine Vernehmlassung. Das kantonale Gericht reicht in beiden Verfahren eine Stellungnahme ein, ohne einen formellen Antrag zu stellen. Die Ausgleichskasse beantragt die Gutheissung der Beschwerden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Da den beiden Beschwerden der gleiche Sachverhalt zugrunde liegt, und sie - ebenso wie die angefochtenen Entscheide - im Wesentlichen identisch sind, rechtfertigt es sich, die beiden Verfahren 9C_34/2021 und 9C_35/2021 zu vereinigen und in einem Urteil zu erledigen (Art. 24 BZP [SR 273] i.V.m. Art. 71 BGG). 
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit von Beschwerden von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 136 V 7 E. 2 S. 9; Urteil 9C_752/2020 vom 9. März 2021 E. 1).  
 
2.2. Das BSV ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG i.V.m. Art. 62 Abs. 1bis ATSG, Art. 42 EOV [SR 834.11] und Art. 201 Abs. 1 AHVV [SR 831.101]; Urteil 9C_752/2020 vom 9. März 2021 E. 2). Ob dem jeweiligen Feststellungsantrag eine eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. BGE 144 V 388 E. 1.2.2 S. 394 mit Hinweisen) und, gegebenenfalls, ob diesbezüglich ein Feststellungsinteresse vorliegt (vgl. Art. 89 Abs. 1 lit. c BGG; Urteil 8C_438/2016 vom 16. November 2016 E. 2.1, nicht publ. in: BGE 142 V 577, aber in: SVR 2017 FZ Nr. 1 S. 1), ist nicht von entscheidender Bedeutung.  
Im Fokus der Eintretensprüfung stehen in erster Linie die Anfechtungsobjekte (vgl. Art. 90 bis 93 BGG). 
 
2.3.  
 
2.3.1. Anfechtbar ist grundsätzlich nur das Dispositiv, nicht aber die Begründung eines Entscheids. Soweit das Dispositiv eines Entscheids auf die Erwägungen verweist, sind diese insofern der Rechtskraft zugänglich (und damit grundsätzlich anfechtbar), als sie der Ergänzung oder Erläuterung des Dispositivs dienen (BGE 144 V 418 E. 4.2 S. 425; vgl. auch BGE 120 V 233 E. 1a S. 237; 113 V 159).  
 
2.3.2. Die Vorinstanz hat in E. 3.4 der angefochtenen Entscheide (worauf im jeweiligen Dispositiv verwiesen wurde) im Wesentlichen Folgendes erwogen: Massgebend für den Anspruch auf Corona-Erwerbsersatz seien die Mitteilungen der Ausgleichskasse vom 14. Januar 2020, womit diese von den Versicherten Akonto-Beiträge für das Jahr 2019 auf der Grundlage eines beitragspflichtigen Einkommens von jeweils Fr. 110'600.- erhoben habe. Weil damit der Grenzwert von Fr. 90'000.- überschritten sei, habe die Ausgleichskasse aufgrund der vorliegenden Akten zu Recht einen Härtefall und damit einen Anspruch der Versicherten verneint.  
Weil die Leistungsverweigerungen aber auf provisorischen Bemessungen der beitragspflichtigen Einkommen beruhten, stünden ihre Entscheide (EE.2020.00007 und EE.2020.00015) künftigen Neubeurteilungen infolge definitiv veranlagter Bemessungsgrundlagen nicht entgegen (vgl. BGE 133 V 431 E. 6.2.4 S. 439). In Abweichung von Art. 5 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung vom 20. März 2020 über Massnahmen bei Erwerbsausfall im Zusammenhang mit dem Coronavirus (Covid-19; Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall [SR 830.31]; "Stand 6. Juli 2020", in Kraft vom 17. März bis zum 16. September 2020 [AS 2020 2223 und AS 2020 3705]) könne ein allfälliger Anspruch nicht davon abhängig gemacht werden, ob die definitiven Steuerveranlagungen 2019 der Ausgleichskasse am 16. September 2020 bereits vorgelegen hätten oder nicht. Die Versicherten hätten ihre Steuererklärungen 2019, worin Einkommen von je Fr. 76'265.- deklariert worden seien, am 17. Februar 2020 eingereicht, und sie seien ihren Mitwirkungspflichten im Rahmen des Beitragsbezugs klaglos nachgekommen. Aus Gründen der Gleichbehandlung könne ein Recht nicht einzig davon abhängen, wie rasch eine andere Behörde entscheide. Daher würden die Versicherten nach Eingang der definitiven Steuerveranlagungen 2019 eine Neubeurteilung verlangen können, zumal sie die Korrektur bereits vor dem 16. September 2020 beantragt hätten. 
 
2.4. Die Beschwerde des BSV richtet sich einzig gegen den zweiten Teil von E. 3.4 des angefochtenen Entscheids, mit dem das kantonale Gericht - in sinngemässer Anwendung von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EOV - den Versicherten die Möglichkeit einer erneuten Überprüfung des jeweils geltend gemachten Anspruchs durch die Ausgleichskasse auf der Grundlage der definitiven Steuerveranlagungen resp. Beitragserhebungen 2019 eröffnet hat. Ob dies über eine Wiederaufnahme des Verwaltungsverfahrens zu geschehen hat (vgl. den Rückweisungsentscheid der gleichen Vorinstanz, der dem Urteil 9C_752/2020 vom 9. März 2021 zugrunde liegt und die gleiche Problematik betrifft) oder über ein - allenfalls auf Gesuch hin - neu zu eröffnendes Verfahren zu erreichen ist (vgl. Art. 7 Abs. 1 EOV; BGE 133 V 431 E. 6.2.3-6.2.4 S. 438 f.), lässt sich dem angefochtenen Entscheid nicht entnehmen. Im zweiten Fall stellt sich die Frage, ob die Vorinstanz zu Unrecht Aspekte von allfälligen künftigen Verfahren vorweggenommen hat (vgl. BGE 142 I 155 E. 4.4.2 S. 156; 131 V 164 E. 2.1 S. 164; 125 V 413 E. 1 S. 414 f.) und die Anfechtungsobjekte insoweit dahinfallen (vgl. Urteil 9C_777/2019 vom 24. November 2020 E. 5.3). Wie es sich damit verhält, kann hier offenbleiben. Auch wenn Anfechtungsobjekte bejaht werden, sind die Sachurteilsvoraussetzungen nicht erfüllt, wie sich aus dem Folgenden ergibt.  
 
2.5. Es spielt keine Rolle, ob bei den vorinstanzlichen Anordnungen von Rückweisungen auszugehen ist und deshalb die Ausgleichskasse jeweils erneut eine "erstmalige" Entscheidung zu treffen hat, oder ob die erstmaligen Entscheidungen, mit denen Ansprüche "aufgrund der vorliegenden Akten" (mithin "provisorisch") verneint wurden, durch neue Verfügungen zu ersetzen sind. In beiden Fällen liegt im Zusammenhang mit den umstrittenen Neuüberprüfungen kein direkt anfechtbarer Endentscheid vor (vgl. Art. 90 f. BGG). Die vorinstanzlichen Entscheide regeln lediglich einen Teilaspekt auf dem Weg zu erst noch zu erlassenden Endentscheiden.  
Demnach sind die angefochtenen Entscheide (unter Vorbehalt des in der vorangehenden E. 2.4 in fine Gesagten) Vor- oder Zwischenentscheide, die nur unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG anfechtbar sind (Urteil 9C_752/2020 vom 9. März 2021 E. 3.2 und 3.3). Zu diesen äussert sich das BSV mit keinem Wort. Aus dem Urteil 9C_752/2020 vom 9. März 2021 E. 3.5 ergibt sich indessen ohne Weiteres, dass sie nicht erfüllt sind. Auf die Beschwerden ist daher nicht einzutreten. 
 
3.   
Es sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Verfahren 9C_34/2021 und 9C_35/2021 werden vereinigt. 
 
2.   
Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten. 
 
3.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. März 2021 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann