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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2D_40/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 17. Mai 2017  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiber Matter. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Aebi, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Kantonales Steueramt Aargau, 
Beschwerdegegner, 
 
Gemeinderat Schinznach Dorf. 
 
Gegenstand 
Erbschaftssteuer, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 4. Oktober 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der in U.________ wohnhafte A.________ war - als Bruder und neben seiner Mutter B.________ - gesetzlicher Erbe im Nachlass von C.________. Dieser war am 6. Dezember 2007 gestorben und hinterliess u.a. das Baugeschäft D.________AG sowie mehrere Liegenschaften. Am 20. Januar 2008 schlug A.________ die ihm zustehende Hälfte (d.h. Fr. 685'490.--) der Erbschaft aus, welche so vollumfänglich der Mutter des Verstorbenen zukam. In den nachfolgenden Monaten tätigte B.________ zugunsten von A.________ Schenkungen von insgesamt Fr. 723'613.--. 
 
B.  
Im Vorgehen von A.________, die Erbschaft ausgeschlagen und kurz danach doch von der verbliebenen Alleinerbin mehrere den ausgeschlagenen Nachlassbetrag übertreffende Schenkungen entgegengenommen zu haben, erblickte das Kantonale Steueramt Aargau eine Steuerumgehung. Mit Einspracheentscheid vom 15. Februar 2015 veranlagte es den Betroffenen zu einer Erbschaftssteuer von Fr. 112'752.80, aufgrund der Hälfte (d.h. Fr. 685'490.--) des erbsteuerrechtlichen Reinvermögens und unter Anwendung des für Geschwister gültigen Tarifs der 2. Klasse. 
 
C.  
Dagegen gelangte A.________ zunächst an das Spezialverwaltungsgericht des Kantons Aargau und danach an das kantonale Verwaltungsgericht, das im Ergebnis den Einspracheentscheid mit Urteil vom 4. Oktober 2016 vollumfänglich bestätigte. 
 
D.  
Am 9. November 2016 hat A.________ subsidiäre Verfassungsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Er stellt den Antrag, das verwaltungsgerichtliche Urteil aufzuheben. Es sei festzustellen, dass er im Nachlass seines Bruders keine Steuern zu entrichten habe. 
Das Kantonale Steueramt Aargau schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Der Gemeinderat Schinznach Dorf und das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau haben auf eine Stellungnahme verzichtet. 
Mit Replik vom 11. Januar 2017 hat der Beschwerdeführer an seinem Rechtsstandpunkt festgehalten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. In Übereinstimmung mit der vorinstanzlichen Rechtsmittelbelehrung hat der Beschwerdeführer beim Bundesgericht eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde eingereicht. Eine solche steht aber nur dann offen, wenn das ordentliche Rechtsmittel ans Bundesgericht ausgeschlossen ist. Hier richtet sich die Beschwerde gegen einen Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sind gegeben (Art. 82 lit. a, Art. 83, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 BGG). Als solche ist sie entgegenzunehmen (vgl. BGE 138 I 367 E. 1.1 S. 369 f.).  
 
1.2. Mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils hat der Beschwerdeführer einen rechtsgenüglichen reformatorischen Antrag im Sinne von Art. 107 Abs. 1 BGG gestellt. Nicht erforderlich ist der von ihm zusätzlich gestellte Feststellungsantrag, wonach keinerlei Erbschaftssteuer geschuldet sei. Damit zielt er auf etwas ab, das auch mit dem bereits beantragten rechtsgestaltenden Urteil erreicht werden kann (zur grundsätzlichen Subsidiarität von Feststellungsbegehren gegenüber Leistungsbegehren im bundesgerichtlichen Verfahren vgl. BGE 137 II 199 E. 6.5 S. 218 f.; 126 II 300 E. 2b und 2c S. 303).  
 
1.3. Abgesehen von Art. 95 lit. c (kantonale verfassungsmässige Rechte) und lit. d BGG (kantonale Bestimmungen zum Stimm- und Wahlrecht) kann das Bundesgericht die Verletzung von kantonalem oder kommunalem Recht als solche nicht prüfen (BGE 136 I 241 E. 2.5.2 S. 250). Wird die Anwendung kantonalen (Gesetzes-) Rechts gerügt, kann nur geltend gemacht werden, der angefochtene Entscheid verstosse gegen Bundes- oder Völkerrecht (Art. 95 lit. a und b BGG). Darunter fallen im Wesentlichen die verfassungsmässigen Rechte und Grundsätze der Bundesverfassung (BGE 137 V 143 E. 1.2 S. 145; 134 II 349 E. 3 S. 351). Im Ergebnis prüft das Bundesgericht die Anwendung kantonalen Rechts hauptsächlich auf die Verletzung des Willkürverbots hin (BGE 138 I 225 E. 3.1 S. 227 f.; 136 I 241 E. 2.4 S. 249).  
 
1.4. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), sofern die diesbezüglichen Feststellungen nicht offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
2.  
Gemäss § 142 Abs. 1 des Steuergesetzes des Kantons Aargau vom 15. Dezember 1998 (StG/AG) unterliegt der Erbschaftssteuer das Vermögen, das durch gesetzliche Erbfolge oder Verfügung von Todes wegen anfällt, der keine oder keine gleichwertige Leistung der empfangenden Person gegenübersteht. § 147 Abs. 1 StG/AG bestimmt, dass die Steuer nach dem steuerbaren Betrag des Vermögensanfalls und nach dem Verwandtschaftsgrad der steuerpflichtigen Person zur erblassenden Person berechnet wird, was § 149 Abs. 1 StG/AG konkretisiert. 
 
2.1. In Anwendung dieser Vorschriften haben die zuständigen Steuerbehörden den Beschwerdeführer zu einer Erbschaftssteuer von Fr. 112'752.80 veranlagt, was die Vorinstanz bestätigt hat, ohne gegen Bundes (verfassungs) recht zu verstossen (vgl. oben E. 1.3) : Eine solche Veranlagung rechtfertigt sich nicht nur dann, wenn ein gesetzlicher Erbe den ihm zufallenden Teil des Nachlasses entgegennimmt, sondern auch dann, wenn er ihn unter Umständen ausschlägt, die sein Vorgehen als Steuerumgehung qualifizieren.  
 
2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer mehrere Argumente vor.  
 
2.2.1. In erster Linie macht er einen Verstoss gegen die derogatorische Kraft des Bundesrechts gemäss Art. 49 Abs. 1 BV geltend. Aus Art. 566 ff. ZGB ergebe sich zwingend, dass niemand zu einer Erbschaftssteuer veranlagt werden dürfe, wenn er - was hier unbestrittenermassen der Fall war - den Nachlass ausgeschlagen habe.  
Verfassungs- und bundesrechtskonform hat das Verwaltungsgericht unter den hier konkret gegebenen Umständen aber eine Steuerumgehung annehmen dürfen. Der Beschwerdeführer schlug wohl die ihm als einem der beiden gesetzlichen Erben zustehende Hälfte der Erbschaft aus, erhielt aber in den nachfolgenden Monaten von der verbleibenden Alleinerbin Schenkungen, durch die das an sich ausgeschlagene Nachlassvermögen kurz danach doch an ihn gelangte, und zwar in einer Höhe, welche den Betrag des ausgeschlagenen Teils des Nachlasses noch übertraf. Wenn die Vorinstanz in der konkret zu beurteilenden Rechtsgestaltung einen Umgehungssachverhalt erblickt hat, so verletzt das weder Art. 49 Abs. 1 BV noch stellt es eine willkürliche Anwendung der Art. 566 ff. ZGB oder der für die Erbschaftssteuer massgeblichen kantonalrechtlichen Bestimmungen dar. 
 
2.2.2. Weiter argumentiert der Beschwerdeführer, das Verwaltungsgericht weiche in willkürlicher Weise von den durch das Bundesgericht für eine Steuerumgehung geforderten drei Bedingungen ab. Auch dem kann nicht gefolgt werden.  
Praxisgemäss liegt eine Steuerumgehung vor, wenn (1.) eine von den Beteiligten gewählte Rechtsgestaltung als ungewöhnlich, sachwidrig oder absonderlich, jedenfalls den wirtschaftlichen Gegebenheiten völlig unangemessen erscheint, (2.) anzunehmen ist, dass die gewählte Rechtsgestaltung missbräuchlich lediglich deshalb getroffen wurde, um Steuern einzusparen, die bei sachgemässer Ordnung der Verhältnisse geschuldet wären, und (3.) das gewählte Vorgehen tatsächlich zu einer erheblichen Steuerersparnis führen würde, sofern es von den Steuerbehörden hingenommen würde (vgl. BGE 142 II 399 E. 4.2 S. 408; 138 II 239 E. 4.1 S. 243 ff.; je mit Hinweisen). 
Die vorinstanzliche Beurteilung läuft willkürfrei darauf hinaus, diese drei Bedingungen als kumulativ erfüllt zu erachten. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass die erhaltenen Zuwendungen als direkte und ausdrückliche Gegenleistungen für die Ausschlagung erfolgen. Es kann durchaus genügen, dass - wie im vorliegenden Fall - wenig später Schenkungen getätigt werden, durch die das ausgeschlagene Nachlassvermögen über diesen Umgehungs (um) weg doch an den Begünstigten gelangt und der Empfänger vom Ergebnis her in dieselbe vermögensrechtliche Lage versetzt wird, wie wenn er den Nachlass angenommen hätte, unter bezweckter und (ohne entsprechende behördliche Korrektur auch erzielter) Einsparung der Erbschaftssteuer. 
Ebenso wenig verstösst es gegen Art. 9 BV, wenn das Verwaltungsgericht angenommen hat, dass der Sohn und die Tochter des Beschwerdeführers ihrerseits die Erbschaft unter Umständen ausschlugen, welche das Vorgehen aller drei Familienmitglieder als ein koordiniertes Handeln einstufen lassen. Darin liegt weder eine qualifiziert unrichtige Sachverhaltsfeststellung (vgl. oben E. 1.4) noch eine willkürliche rechtliche Würdigung. Daran ändert auch nichts, dass der Sohn und die Tochter - im Gegensatz zum Beschwerdeführer selbst - nach ihrer jeweiligen Ausschlagung keine direkten Vermögenszuwendungen erhielten. 
 
2.2.3. Zudem behauptet der Beschwerdeführer, seine Mutter habe ihm in den Monaten nach der Ausschlagung nicht Fr. 723'613.-- geschenkt, sondern nur Fr 107'600.--. Damit wendet er sich aber gegen die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen, ohne in irgendwie rechtsgenüglicher Weise darzutun, dass diese Feststellungen offensichtlich unrichtig wären (vgl. oben E. 1.4).  
Ebenfalls bloss appellatorisch sind die Vorbringen des Beschwerdeführers in Bezug auf die vermeintlich familiären Gründe, welche ihn (sowie seine Kinder) dazu bewogen hätten, den Nachlass seines Bruders (bzw. deren Onkels) auszuschlagen. Es ist ihm nicht gelungen, Umstände geltend zu machen, welche die verwaltungsgerichtliche Feststellung als willkürlich erscheinen lassen würden, dass der massgebliche Grund für die gewählte Vorgehensweise vermögensbezogen war und darauf abzielte, den Beschwerdeführer über die erhaltenen Schenkungen doch noch in den Besitz des Nachlassvermögens kommen zu lassen. Damit hat das Verwaltungsgericht dem Beschwerdeführer auch keine negative Beweispflicht auferlegt. Ebenso wenig wird damit der Totenfriede des Verstorbenen tangiert noch irgendein noch lebender Angehöriger genötigt, wie der Beschwerdeführer meint, die ganze Familiengeschichte mit allen Verfehlungen der Öffentlichkeit preiszugeben. 
 
2.2.4. Schliesslich rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV. Die Veranlagung sei erst Jahre nach dem Tod des Erblassers erfolgt, der Einspracheentscheid dann noch einmal mehr als zwei Jahre später. Eine verfassungswidrige Verfahrensverschleppung liege im konkreten Fall umso mehr vor, als sie direkte und schwerwiegende Folgen gehabt habe: Inzwischen habe der Beschwerdeführer einen Schlaganfall erlitten, sei zu 100% invalid geworden und nicht mehr in der Lage, sich an die damaligen Vorgänge zu erinnern. Zudem sei dessen Mutter altersdement geworden und habe sich auch nicht mehr zu den hier massgeblichen Ereignissen äussern können, bevor sie im September 2016 gestorben sei.  
Die behauptete verfassungswidrige Verschleppung ist nicht ersichtlich. Es muss auch nicht weiter geprüft werden, worauf die Verfahrensdauer zurückzuführen war. Jedenfalls ist die Rüge unberechtigt, diese Dauer habe zur Folge gehabt, dass sich der massgebliche Sachverhalt nicht mehr ermitteln lasse. Vielmehr durften die Behörden ihre Beurteilung auf eine undatierte Schenkungsvereinbarung zwischen Mutter und Sohn stützen, bzw. auf die im Rahmen der Veranlagung für 2008 gemachten detaillierten Angaben betreffend die gegenüber dem Beschwerdeführer getätigten Zuwendungen. Daraus ergab sich verbindlich und ohne irgendwelche Zweifel, dass diese Zuwendungen kurz nach der Ausschlagung erfolgten und sich gesamthaft auf Fr. 723'613.-- beliefen. Es besteht keinerlei Anlass, davon abzuweichen (vgl. dazu schon oben E. 2.2.3). 
 
3.  
Nach dem Gesagten ist die subsidiäre Verfassungsbeschwerde als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten entgegenzunehmen und abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 65 f. BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten entgegengenommen und abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Gemeinderat Schinznach Dorf und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 17. Mai 2017 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Zünd 
 
Der Gerichtsschreiber: Matter