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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_330/2020  
 
 
Urteil vom 6. August 2021  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Seiler, Präsident, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Donzallaz, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichter Beusch, 
Gerichtsschreiber König. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch lic. iur. Gabriella Tau, 
 
gegen  
 
Staatssekretariat für Migration. 
 
Gegenstand 
Anerkennung der Staatenlosigkeit, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung VI, 
vom 2. März 2020 (F-6833/2017). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Am 17. Mai 2014 reiste A.________, ein 1972 geborener palästinensischer Flüchtling aus Syrien, mit einem von der Schweizer Botschaft in Beirut ausgestellten Schengen-Visum aus Syrien aus. Nachdem er in den Niederlanden um Asyl ersucht hatte, gelangte er im Rahmen des Dublin-Verfahrens in die Schweiz, wo er ebenfalls ein Asylgesuch stellte. Dabei hinterlegte er seinen syrischen Reisepass für palästinensische Flüchtlinge und eine Registrierungsbestätigung der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA).  
Das in der Schweiz gestellte Asylgesuch wurde am 30. April 2015 abgewiesen (bestätigt mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. April 2017). Gleichzeitig wurde die vorläufige Aufnahme von A.________ wegen Unzumutbarkeit des Wegweisungsvollzugs angeordnet. 
 
A.b. Am 23. Dezember 2015 ersuchte A.________ mit seiner syrischen Ehegattin und seinen vier Kindern, die (alle fünf) zwischenzeitlich ebenfalls in der Schweiz vorläufig aufgenommen worden waren, um Anerkennung der Staatenlosigkeit.  
Mit Verfügung vom 31. Oktober 2017 wies das Staatssekretariat für Migration (Staatssekretariat) das Gesuch ab. 
 
B.  
Eine hiergegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 2. März 2020, soweit A.________ betreffend, abgewiesen. In Bezug auf die Ehefrau und die Kinder A.________s schrieb das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren als gegenstandslos geworden ab, weil diese Familienangehörigen zwischenzeitlich die Schweiz freiwillig verlassen hatten, um sich in der Türkei niederzulassen. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 2. Mai 2020 beantragt A.________, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2020 und die Verfügung des Staatssekretariats vom 31. Oktober 2017 seien aufzuheben. Ferner beantragt er, seine Staatenlosigkeit sei zu anerkennen und es sei ihm eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. 
Das Staatssekretariat liess sich nicht vernehmen. Das Bundesverwaltungsgericht verzichtete auf Vernehmlassung. Mit Eingabe vom 26. Juli 2021 reichte der Beschwerdeführer verschiedene Unterlagen ein. 
 
D.  
Das Bundesgericht hat die Angelegenheit am 6. August 2021 öffentlich beraten und entschieden. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit dem Urteil vom 2. März 2020 angefochten ist ein Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, welcher der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unterliegt (vgl. Art. 82 lit. a und Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG). In Bezug auf die Anerkennung der Staatenlosigkeit besteht kein Ausschlussgrund (vgl. Art. 83 BGG; Urteile 2C_357/2020 vom 20. August 2020 E. 3.4.2; 2C_661/2015 vom 12. November 2015 E. 1; 2C_36/2012 vom 10. Mai 2012 E. 1).  
Anfechtungsobjekt im vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahren kann nur der Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts und nicht etwa auch die erstinstanzliche Verfügung des Staatssekretariats vom 31. Oktober 2017 sein (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG). Insoweit, als sich die Eingabe des Beschwerdeführers gegen die Verfügung des Staatssekretariats richtet, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (Devolutiveffekt). Die Verfügung gilt jedoch immerhin als inhaltlich mitangefochten (vgl. BGE 134 II 142 E. 1.4 mit Hinweis). 
Weil der Streitgegenstand im Laufe des Rechtsmittelverfahrens nur eingeschränkt, aber nicht ausgeweitet werden kann (BGE 136 V 362 E. 3.4.2; 136 II 165 E. 5), und es im vorinstanzlichen Verfahren (soweit hier interessierend) nur um die Anerkennung des Beschwerdeführers als Staatenloser ging, ist auch auf den Antrag, es sei ihm eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen, nicht einzutreten. 
 
1.2. Die Erhebung einer Beschwerde setzt ferner voraus, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (vgl. Art. 89 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde berechtigt, da er als Staatenloser im Sinne des Übereinkommens vom 28. September 1954 über die Rechtsstellung der Staatenlosen (SR 0.142.40; im Folgenden: Staatenlosen-Übereinkommen) Rechtsvorteile geniessen würde, die ihm als vorläufig Aufgenommenen nicht zukommen (vgl. Art. 2 ff. des Staatenlosen-Übereinkommens sowie Urteile 2C_357/2020 vom 20. August 2020 E. 3.4.2; 2C_661/2015 vom 12. November 2015 E. 1; OLIVIA BRUNNER, De iure Staatenlose in der Schweizer Rechtsordnung, in: Alberto Achermann et al. [Hrsg.], Jahrbuch für Migrationsrecht 2014/2015, 2015, S. 61 ff., S. 68 f. mit Hinweisen).  
 
1.3. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt. Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist mit den vorgenannten Einschränkungen (vgl. E. 1.1 Abs. 2 und 3) einzutreten.  
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht wendet das Recht nach Art. 106 Abs. 1 BGG von Amtes wegen an, prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, sofern rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten besteht eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 136 I 49 E. 1.4.1 mit Hinweisen).  
 
2.2.  
 
2.2.1. Das Bundesgericht ist an den Sachverhalt gebunden, wie die Vorinstanz ihn festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser erweise sich in einem entscheidwesentlichen Punkt als offensichtlich falsch oder unvollständig. Zur Sachverhaltsfeststellung gehört auch die auf Indizien gestützte Beweiswürdigung (BGE 140 III 264 E. 2.3; Urteil 2C_634/2018 vom 5. Februar 2019 E. 2.2). Inwiefern die vorinstanzliche Beweiswürdigung bzw. die Sachverhaltsfeststellung offensichtlich unhaltbar (d.h. willkürlich [vgl. Art. 9 BV]) ist, muss in der Beschwerdeschrift klar und detailliert aufgezeigt werden (BGE 144 V 50 E. 4.2; 134 II 244 E. 2.2; 130 I 258 E. 1.3). Es gilt auch hier eine qualifizierte Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.3).  
 
2.2.2. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt ("unechte" Noven gemäss Art. 99 Abs. 1 BGG). Die Partei, welche die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz ergänzen will, hat mit Aktenhinweisen darzulegen, dass sie entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und taugliche Beweismittel bereits bei den Unterinstanzen prozesskonform eingebracht hat (BGE 140 III 86 E. 2; Urteil 1C_186/2019 vom 19. November 2019 E. 1.2).  
Echte Noven, d.h. Tatsachen oder Beweismittel, die erst nach dem angefochtenen Urteil eingetreten oder entstanden sind, bleiben im bundesgerichtlichen Verfahren der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unberücksichtigt (BGE 143 V 19 E. 1.2; 140 V 543 E. 3.2.2.2; 139 III 120 E. 3.1.2; 135 I 221 E. 5.2.4; 133 IV 342 E. 2.1). 
Die vom Beschwerdeführer mit Eingabe vom 26. Juli 2021 eingereichten Dokumente sind erst nach dem Erlass des angefochtenen Urteils vom 2. März 2020 entstanden. Sie sind daher als echte Noven nicht in die folgende Beurteilung mit einzubeziehen. 
 
3.  
Die UNRWA ist ein Hilfswerk der Vereinten Nationen, das in Hinblick auf die besondere Lage der Palästinaflüchtlinge, welche des Beistandes und Schutzes bedurften, geschaffen wurde (Resolution Nr. 302 [IV] der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 8. Dezember 1949). Die Organisation hat zum Zweck, palästinensischen Flüchtlingen, die sich in einem der Teil ihres Einsatzgebietes bildenden fünf Operationsgebiete (Libanon, Syrien, Jordanien, Westjordanland und Gazastreifen) befinden, direkte Unterstützung zu leisten. Ihr Mandat wurde zuletzt bis zum 30. Juni 2023 verlängert. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer beruft sich auf Informationen verschiedener Websites sowie Berichte der UNRWA über a) die Tätigkeit dieser Organisation in Syrien, b) die finanzielle Lage dieser Organisation, c) mehrmalige Angriffe von Regierungstruppen auf Daraya (einem Vorort von Damaskus), d) die prekäre Lage von Palästinensern in Syrien und e) die schwierige Situation in Daraya. Er reichte beim Bundesgericht überdies behaupteterweise auf einer Polizeistation in Alexandria/Ägypten aufgenommene Fotos seiner Familie und Fotos eines nach seinen Angaben ihm gehörenden, stark beschädigten Hauses in Daraya ein. Der Beschwerdeführer legt aber nicht dar, dass er die entsprechenden Tatsachen und Beweismittel bereits im vorinstanzlichen Verfahren prozesskonform eingebracht hat. Deshalb sind sie als neu und - soweit sie überhaupt rechtserheblich wären - unzulässig zu qualifizieren (vgl. E. 2.2.2). Novenrechtlich ebenfalls nicht zu berücksichtigen ist überdies die Behauptung des Beschwerdeführers, es sei eine Anerkennung seiner Staatenlosigkeit durch die Niederlande erfolgt.  
 
4.2. Der Beschwerdeführer rügt sodann, die Vorinstanz habe den Sachverhalt willkürlich festgestellt, indem sie zum einen angenommen habe, dass die UNRWA dazu fähig sei, in Syrien ihr Mandat auszuüben, und zum anderen davon ausgegangen sei, dass die Ausreise des Beschwerdeführers aus Syrien am 17. Mai 2014 nicht gezwungenermassen, sondern freiwillig erfolgt sei.  
Wie im Folgenden ersichtlich wird, ist für den Ausgang des vorliegenden Verfahrens nicht entscheidend, ob die UNRWA ihr Mandat in Syrien noch ausüben kann und der Beschwerdeführer am 17. Mai 2014 freiwillig aus diesem Staat ausgereist ist. Da die genannte Rüge somit nicht rechtserhebliche Tatsachen betrifft, ist darauf nicht weiter einzugehen. 
 
5.  
 
5.1. Das Staatenlosen-Übereinkommen definiert in Art. 1 Abs. 1 den Staatenlosen als "eine Person, die kein Staat aufgrund seiner Gesetzgebung als seinen Angehörigen betrachtet" (amtliche Übersetzung aus dem französischen, spanischen und englischen Originaltext. Gemäss dem französischen Originaltext steht der Begriff "apatride" für "une personne qu'aucun Etat ne considère comme son ressortissant par application de sa législation").  
Gemäss dieser Definition fallen unter den Begriff des Staatenlosen ausschliesslich Personen, die in formeller Hinsicht keine Staatsangehörigkeit besitzen ( de iure Staatenlose). Hingegen sind danach Personen, die formell zwar noch eine Staatsangehörigkeit besitzen, denen aber der Heimatstaat seinen Schutz nicht mehr zukommen lässt oder die den Schutz des Heimatstaates ablehnen ( de facto Staatenlose), nicht als Staatenlose zu betrachten (vgl. BGE 115 V 4 E. 2b; Urteil 2C_415/2020 vom 30. April 2021 E. 5.1 mit Hinweisen [zur Publikation vorgesehen]).  
 
5.2. Die schweizerischen Verwaltungsbehörden anerkennen den Status der Staatenlosigkeit im Sinne des Staatenlosen-Übereinkommens nicht bei Personen, die absichtlich ihre Staatsangehörigkeit verlieren oder nicht alles Zumutbare unternehmen, um ihre Staatsangehörigkeit zu behalten oder sie wiederzuerlangen (Urteil 2C_415/2020 vom 30. April 2021 E. 5.2 mit zahlreichen Hinweisen [zur Publikation vorgesehen]).  
Das Staatenlosen-Übereinkommen dient in erster Linie dazu, Personen zu helfen, welche aufgrund ihres Schicksals benachteiligt sind und ohne Hilfe in Not wären. Es hat nicht zum Zweck, jeder Person, die dies möchte, zu ermöglichen, vom - in bestimmten Hinsichten im Vergleich zu demjenigen anderer Ausländer günstigeren - Status des Staatenlosen zu profitieren. Den Status des Staatenlosen jeder Person zuzuerkennen, welche ihre Staatsangehörigkeit aus persönlichen Gründen aberkennen lässt, würde dem von der internationalen Gemeinschaft verfolgten Ziel zuwiderlaufen. Auch würde dies bedeuten, einem missbräuchlichen Verhalten Vorschub zu leisten (Urteil 2C_415/2020 vom 30. April 2021 E. 5.2 mit zahlreichen Hinweisen [zur Publikation vorgesehen]). 
 
5.3. Im Lichte dieser Grundsätze ist nach konstanter Rechtsprechung des Bundesgerichts Art. 1 des Staatenlosen-Übereinkommens so zu interpretieren, dass als Staatenlose Personen gelten, die ohne eigenes Zutun ihrer Staatsangehörigkeit beraubt wurden und keine Möglichkeit haben, diese wiederzuerlangen (Urteile 2C_415/2020 vom 30. April 2021 E. 5.3 [zur Publikation vorgesehen]; 2C_661/2015 vom 12. November 2015 E. 3.1; 2C_621/2011 vom 6. Dezember 2011 E. 4.2). Demgegenüber ist dieses Übereinkommen nicht auf Personen anwendbar, die sich willentlich, mit dem einzigen Ziel, den Status des Staatenlosen zu erlangen, ihrer Staatsangehörigkeit entledigen, oder sich ohne stichhaltige Gründe weigern, trotz einer entsprechenden Möglichkeit eine verlorene Staatsangehörigkeit wiederzuerlangen oder eine Staatsangehörigkeit zu erwerben. Es obliegt damit einem Betroffenen, der Anspruch auf eine Staatsangehörigkeit erhebt, alle geeigneten Schritte zu unternehmen, um diese Staatsangehörigkeit und die diesbezüglichen Identitätspapiere zu erlangen (Urteil 2C_415/2020 vom 30. April 2021 E. 5.3 mit Hinweisen [zur Publikation vorgesehen]).  
 
5.4. Der Beschwerdeführer zählt zu den de iure Staatenlosen und gilt damit als Staatenloser im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Staatenlosen-Übereinkommens.  
 
6.  
 
6.1. Gemäss Art. 1 Abs. 2 Unterziff. i des Staatenlosen-Übereinkommens findet das Übereinkommen keine Anwendung auf Personen, die zurzeit durch eine andere Organisation oder Institution der Vereinten Nationen als den Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Schutz oder Hilfe erhalten, solange sie diesen Schutz oder diese Hilfe geniessen (amtliche Übersetzung aus dem französischen, spanischen und englischen Originaltext. Im französischen Originaltext lautet die Bestimmung wie folgt: "Cette Convention ne sera pas applicable aux personnes qui bénéficient actuellement d'une protection ou d'une assistance de la part d'un organisme ou d'une institution des Nations Unies autre que le Haut-Commissaire des Nations Unies pour les réfugiés, tant qu'elles bénéficieront de ladite protection ou de ladite assistance").  
 
6.2. Die UNRWA bildet zurzeit die einzig existierende, mit Art. 1 Abs. 2 Unterziff. i des Staatenlosen-Übereinkommens angesprochene Organisation (siehe Entscheid des französischen Conseil d'État Nr. 427017 vom 24. Dezember 2019 E. 3; vgl. ferner Urteile des Europäischen Gerichtshofes [EuGH] C-364/11 vom 19. Dezember 2012, El Kott, Rn. 48; C-31/09 vom 17. Juni 2010, Bolbol, Rn. 44).  
 
6.3. Gemäss Art. 1 Abs. 2 Unterziff. i des Staatenlosen-Übereinkommens sind vom Anwendungsbereich dieses Übereinkommens nur Personen ausgenommen, die "zurzeit" Schutz oder Hilfe von einer Organisation im Sinne dieser Bestimmung erhalten und deren Schutz oder Hilfe noch geniessen. Vorliegend stellt sich in rechtlicher Hinsicht vorab die Frage, ob die Abwesenheit vom Einsatzgebiet der UNRWA ipso facto zu einem Dahinfallen des in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausschlusses vom Anwendungsbereich des Staatenlosen-Übereinkommens führt, weil die Leistungen der UNRWA regelmässig nur gegenüber Personen erbracht werden, welche sich physisch in deren Einsatzgebiet befinden.  
Zur Klärung der genannten Frage sowie zur Feststellung, welche Folgefragen sich daraus ergeben, ist Art. 1 Abs. 2 Unterziff. i des Staatenlosen-Übereinkommens auszulegen. Die Auslegung dieser Bestimmung hat dabei nach den im Folgenden (E. 6.4) genannten Regeln für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge zu erfolgen. 
 
6.4.  
 
6.4.1. Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge richtet sich nach Art. 31 ff. des Wiener Übereinkommens vom 23. Mai 1969 über das Recht der Verträge (VRK; SR 0.111), das insoweit kodifiziertes Völkergewohnheitsrecht darstellt (Gutachten des Internationalen Gerichtshofs [IGH] vom 9. Juli 2004 "Conséquences juridiques de l'édification d'un mur dans le territoire palestinien occupé", C.I.J. Recueil 2004, S. 174 § 94; BGE 146 II 150 E. 5.3.1; 125 II 417 E. 4.d; 122 II 234 E. 4.c; 120 Ib 360 E. 2.c; Urteil 2C_510/2018 vom 6. Februar 2020 E. 4.2.1).  
 
6.4.2. Nach Art. 31 Abs. 1 VRK haben die Vertragsstaaten eine zwischenstaatliche Übereinkunft nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, ihren Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte ihres Zieles und Zweckes auszulegen. Neben dem Zusammenhang (Art. 31 Abs. 2 VRK) sind gemäss Art. 31 Abs. 3 VRK in gleicher Weise jede spätere Übereinkunft zwischen den Vertragsparteien über die Auslegung des Vertrags oder die Anwendung seiner Bestimmungen (lit. a), jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht (lit. b), sowie jeder in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien anwendbare einschlägige Völkerrechtssatz (lit. c) zu berücksichtigen. Die vorbereitenden Arbeiten und die Umstände des Vertragsabschlusses sind nach Art. 32 VRK ergänzende Auslegungsmittel und können herangezogen werden, um die nach Art. 31 VRK ermittelte Bedeutung zu bestätigen oder die Bedeutung zu bestimmen, wenn die Auslegung nach Art. 31 VRK die Bedeutung mehrdeutig oder dunkel lässt (Art. 32 lit. a VRK) oder zu einem offensichtlich sinnwidrigen oder unvernünftigen Ergebnis führt (Art. 32 lit. b VRK; vgl. BGE 145 II 339 E. 4.4.2; 144 II 130 E. 8.2; 143 II 136 E. 5.2, je mit Hinweisen).  
Art. 31 Abs. 1 VRK bestimmt eine Reihenfolge der Berücksichtigung der verschiedenen Auslegungselemente, ohne dabei eine feste Rangordnung unter ihnen festzulegen. Den Ausgangspunkt der Auslegung völkerrechtlicher Verträge bildet jedoch die gewöhnliche Bedeutung ihrer Bestimmungen (BGE 146 II 150 E. 5.3.2; 144 II 130 E. 8.2.1; 143 II 202 E. 6.3.1; 143 II 136 E. 5.2.2). Diese gewöhnliche Bedeutung ist nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs und des Zieles und Zwecks des Vertrags zu bestimmen (BGE 146 II 150 E. 5.3.2; 144 II 130 E. 8.2.1; 143 II 202 E. 6.3.1; 143 II 136 E. 5.2.2). Ziel und Zweck des Vertrags ist dabei, was mit dem Vertrag erreicht werden sollte. Zusammen mit der Auslegung nach Treu und Glauben stellt die teleologische Auslegung den "effet utile" des Vertrags sicher (BGE 146 II 150 E. 5.3.2; 144 II 130 E. 8.2.1; 143 II 136 E. 5.2.2; 142 II 161 E. 2.1.3; 141 III 495 E. 3.5.1). 
 
6.4.3. Wurde ein völkerrechtlicher Vertrag in zwei oder mehr Sprachen als authentisch festgelegt, ist der Text nach Art. 33 Abs. 1 VRK in jeder Sprache in gleicher Weise massgebend, sofern nicht der Vertrag vorsieht oder die Vertragsparteien vereinbaren, dass bei Abweichungen ein bestimmter Text vorgehen soll. Es wird vermutet, dass die Ausdrücke des Vertrags in jedem authentischen Text dieselbe Bedeutung haben (Art. 33 Abs. 3 VRK).  
 
6.5.  
 
6.5.1. Nach dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 Unterziff. i des Staatenlosen-Übereinkommens sind vom Anwendungsbereich dieses Übereinkommens - wie erwähnt (vorne E. 6.3) - nur Personen ausgenommen, die "zurzeit" Schutz oder Hilfe von einer Organisation im Sinne dieser Bestimmung erhalten und deren Schutz oder Hilfe noch geniessen (in den als authentisch erklärten französischen, spanischen und englischen Originalfassungen "tant qu'elles bénéficieront de ladite protection ou de ladite assistance" bzw. "mientras estén recibiendo tal protección o asistencia" resp. "so long as they are receiving such protection or assistance"; in der amtlichen Übersetzung des französischen, spanischen und englischen Originaltextes: " solange sie diesen Schutz oder diese Hilfe geniessen "). Es wird dabei implizit vorausgesetzt, dass die Person, welche den Beistand der Organisation erhält, grundsätzlich ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Staat oder Gebiet hat, in welchem die Organisation tätig ist. Hintergrund von Art. 1 Abs. 2 Unterziff. i des Staatenlosen-Übereinkommens (bzw. des in dieser Klausel vorgesehenen Ausschlusses der Anwendbarkeit des Staatenlosen-Übereinkommens) ist dabei die Annahme, dass ein solcher Beistand als gleichwertig zu betrachten ist wie die Anerkennung der Rechte, welche einem de iure Staatenlosen nach dem Übereinkommen gewöhnlich zukommen (vgl. zum Ganzen Entscheid des französischen Conseil d'État Nr. 427017 vom 24. Dezember 2019 E. 3).  
 
6.5.2. Eine mit der hier aufgeworfenen vergleichbare Frage stellt sich im Zusammenhang mit Art. 1 D des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (SR 0.142.30, nachfolgend: Flüchtlingskonvention), wonach diese Konvention keine Anwendung auf Personen findet, die zurzeit durch eine andere Organisation oder Institution der Vereinten Nationen als den Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Schutz oder Hilfe erhalten (Abs. 1), und diese Personen alle Rechte dieses Abkommens geniessen, wenn dieser Schutz oder diese Hilfe aus irgendeinem Grunde wegfällt, ohne dass die Stellung dieser Personen durch entsprechende Beschlüsse der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geregelt worden wäre (Abs. 2).  
Zur Auslegung von Art. 1 D Flüchtlingskonvention hat der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees; UNHCR) im Mai 2013 (soweit hier interessierend) festgehalten, dass seiner Auffassung nach ein palästinensischer Flüchtling, der vom persönlichen Geltungsbereich von Art. 1 D Flüchtlingskonvention erfasst ist und einen Anspruch auf Beistand der UNRWA hat, "automatisch" den Schutz der Flüchtlingskonvention geniesse, wenn die UNRWA ihm "aus irgendeinem Grund" im Sinne von Art. 1 D Flüchtlingskonvention nicht länger Schutz oder Beistand gewährt (S. 5 der Note vom Mai 2013 zur Interpretation von Artikel 1 D des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Artikel 12 [1][a] der EU-Qualifikations- bzw. Statusrichtlinie durch UNHCR im Zusammenhang mit palästinensischen Flüchtlingen, die um internationalen Schutz ersuchen [deutsche Fassung vom Juli 2016]). Die Formulierung "aus irgendeinem Grunde weggefallen" in Art. 1 D Abs. 2 Flüchtlingskonvention sei nicht eng auszulegen; die entsprechende Klausel greife namentlich bei jeglichem objektiven Grund, welcher nicht der Kontrolle der betreffenden Person unterliege und zur Folge habe, dass die Person den Schutz oder Beistand von UNRWA nicht (erneut) in Anspruch nehmen könne (S. 4 der Note). 
Nach Ansicht des EuGH ist Art. 1 D Abs. 1 der Flüchtlingskonvention bzw. Art. 12 Abs. 1 lit. a Satz 1 der früheren Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (nachfolgend: Richtlinie 2004/83/EG), welcher auf diese Bestimmung der Flüchtlingskonvention verweist, so auszulegen, dass ein Grund für den Ausschluss vom Anwendungsbereich der Flüchtlingskonvention nicht nur bei den Personen vorliegt, die zurzeit den Beistand der UNRWA in deren Einsatzgebiet geniessen, sondern grundsätzlich auch bei denjenigen, die kurz vor der Ausreise aus diesem Einsatzgebiet den Beistand dieser Organisation tatsächlich in Anspruch genommen haben (vgl. Urteil des EuGH C-364/11 vom 19. Dezember 2012, El Kott, Rn. 47 ff.). Gemäss der entsprechenden Rechtsprechung des EuGH zur Flüchtlingskonvention bzw. zur Richtlinie 2004/83/EG ist nur dann von einem relevanten Wegfall des Schutzes oder der Hilfe auszugehen, wenn eine Person den Schutz oder Beistand der UNRWA - gemäss einer Registrierung bei dieser Organisation (vgl. zur Registrierung als hinreichenden Nachweis für die tatsächliche Inanspruchnahme des Beistandes der UNRWA Urteil des EuGH C-31/09 vom 17. Juni 2010, Bolbol, Rn. 52) - tatsächlich in Anspruch genommen hat und dieser aus einem von ihr nicht zu kontrollierenden sowie von ihrem Willen unabhängigen Grund nicht länger gewährt wird.  
 
6.5.3. Weil die Ausschlussklausel von Art. 1 Abs. 2 lit. i des Staatenlosen-Übereinkommens den gleichen entstehungsgeschichtlichen Hintergrund wie die Ausschlussklausel von Art. 1 D Abs. 1 der Flüchtlingskonvention hat und es den vertragsschliessenden Staaten in beiden Fällen darum ging, die aus dem ursprünglichen Palästina stammenden Personen der speziellen Zuständigkeit der für sie eigens geschaffenen Hilfsorganisationen zu unterstellen, ist in Anlehnung an die erwähnte Auffassung des UNHCR und des EuGH zur Flüchtlingskonvention (bzw. zu Art. 12 Abs. 1 lit. a Satz 1 Richtlinie 2004/83/EG) davon auszugehen, dass das Verlassen des Einsatzgebietes der UNRWA durch eine bei dieser Organisation registrierte Person nicht per se zur Anwendbarkeit des Staatenlosen-Übereinkommens (bzw. zur Nichtanwendbarkeit der Ausschlussklausel von Art. 1 Abs. 2 Unterziff. i des Staatenlosen-Übereinkommens) führt (vgl. [auch zum Folgenden] Schlussfolgerungen des "rapporteur public" Alexandre Lallet im Verfahren 427017 des französischen Conseil d'État, S. 10 ff. mit weiteren Hinweisen; anders dagegen das UNRWA-Verbindungsbüro, das nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 2011 am 20. Dezember 2005 folgende Auskunft erteilte [Urteil C-6841/2008 E. 7.3]: " If your client is registered, or eligible to be registered, with UNRWA, but leaves or is outside UNRWA's area of operation, he or she would no longer be in receipt of protection or assistance of UNRWA. Furthermore, in the Agency's view, such a person would not be excluded from the operation of the 1954 Convention on the Stateless Persons merely by the fact of being registered, or eligible for registration, with UNRWA. "). Nichts daran ändern kann der Umstand, dass die beiden Abkommen unterschiedliche Problemkreise regeln: So ist die Flüchtlingskonvention der Thematik der Verfolgung im Herkunftsland gewidmet, während das Staatenlosen-Übereinkommen die mit dem Status der Staatenlosigkeit verknüpften Folgen oder Nachteile anvisiert und die Vermeidung der Staatenlosigkeit von Personen bezweckt.  
 
6.6. Ein Wegfall des Schutzes oder der Hilfe der UNRWA, welcher der Anwendung der Ausschlussklausel von Art. 1 Abs. 2 Unterziff. i des Staatenlosen-Übereinkommens entgegensteht, ist nur zu bejahen, wenn eine Person den Schutz oder Beistand der UNRWA tatsächlich in Anspruch genommen hat und dieser ihr aus einem von ihr nicht zu kontrollierenden und von ihrem Willen unabhängigen Grund nicht länger gewährt wird.  
Kann die Person bei objektiver Betrachtung den Schutz oder den Beistand der UNRWA erneut in Anspruch nehmen, ist davon auszugehen, dass die betroffene Person nach wie vor im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Unterziff. i des Staatenlosen-Übereinkommens den Schutz oder Beistand der UNRWA geniesst. Gegebenenfalls ist somit die Anwendung des Staatenlosen-Übereinkommens ausgeschlossen. 
Kann die Person hingegen objektiv betrachtet den Schutz oder den Beistand der UNRWA nicht mehr wieder in Anspruch nehmen, greift die Ausschlussklausel von Art. 1 Abs. 2 Unterziff. i des Staatenlosen-Übereinkommens nicht. In einer solchen Konstellation ist das Staatenlosen-Übereinkommen folglich anwendbar (vgl. dazu bzw. zur Massgeblichkeit der Rückkehrmöglichkeit auch die Schlussfolgerungen des "rapporteur public" Alexandre Lallet im Verfahren 427017 des französischen Conseil d'État, S. 15 f. Siehe zum Ganzen auch Entscheid des französischen Conseil d'État Nr. 427017 vom 24. Dezember 2019 E. 6 f.). 
 
7.  
 
7.1. Es stellt sich die Frage, welches Gebiet für die Beurteilung massgebend ist, ob eine bei der UNRWA registrierte, aus deren Einsatzgebiet ausgereiste Person wieder den Schutz oder Beistand dieser Organisation in Anspruch nehmen kann. Bei dieser Beurteilung könnte entweder allein auf das jeweilige Operationsgebiet (Libanon, Syrien, Jordanien, Westjordanland oder Gazastreifen), in welchem die betroffene Person bei Verlassen des Einsatzgebietes der UNRWA ihren tatsächlichen Aufenthalt hatte, oder aber auf das gesamte Einsatzgebiet (bzw. sämtliche Operationsgebiete) der UNRWA abzustellen sein. Für die Anwendbarkeit des Staatenlosen-Übereinkommens wäre je nachdem entweder allein entscheidend, ob die betroffene Person in das Operationsgebiet zurückkehren könnte, in welchem sie sich früher aufhielt, oder aber zu prüfen, ob sich die betroffene Person in eines der fünf Operationsgebiete begeben kann, um dort den Schutz oder Beistand der UNRWA in Anspruch zu nehmen.  
 
7.2. Nach dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 2 Unterziff. i Staatenlosen-Übereinkommen ist nicht auf den (früheren) Aufenthalt des Betroffenen resp. ein bestimmtes Operationsgebiet, sondern auf den Schutz oder Beistand der Organisation abzustellen. Damit ist die Berücksichtigung der Möglichkeit geboten, dass dem Betroffenen Schutz oder Beistand der UNRWA in deren gesamten Mandats- bzw. Einsatzgebiet gewährt wird (ebenso zu Art. 1 D der Flüchtlingskonvention Urteil des EuGH C-507/19 vom 13. Januar 2021, Rn. 52 ff.; a.M. der französische Conseil d'État in seinem Entscheid Nr. 427017 vom 24. Dezember 2019, wonach einzig massgebend sei, ob der Betroffene dorthin zurückkehren könne, wo er seine "résidence habituelle" gehabt habe [vgl. dazu E. 6 des Entscheids]). Es ist mithin prinzipiell massgebend, ob sich der Betroffene freiwillig in eines der Operationsgebiete des Einsatzgebiets der UNRWA begeben kann, um dort den Schutz oder Beistand dieser Organisation in Anspruch zu nehmen.  
Es kann aber dem Betroffenen nicht zugemutet werden, sich zur Inanspruchnahme des Schutzes oder Beistandes der UNRWA in ein Operationsgebiet dieser Organisation zu begeben, zu welchem er keinerlei Beziehung hat. Dies gilt schon deshalb, weil das Einsatzgebiet der UNRWA Operationsgebiete umfasst, die sich in kultureller Hinsicht stark voneinander unterscheiden und in verschiedenen Staaten liegen. 
Die Anerkennung der Staatenlosigkeit ist vor diesem Hintergrund bei einer bei der UNRWA registrierten, aus deren Einsatzgebiet ausgereisten Person nur dann ausgeschlossen, wenn sie die Möglichkeit hat, (wieder) in einem UNRWA-Operationsgebiet den Schutz oder Beistand dieser Organisation in Anspruch zu nehmen, zu welchem sie zumindest eine minimale Beziehung hat. Für einen entsprechenden persönlichen Anknüpfungspunkt im Operationsgebiet reicht eine blosse Durchreise nicht; umgekehrt ist aber nicht erforderlich, dass die betreffende Person dort einmal Aufenthalt gehabt haben müsste. 
 
8.  
 
8.1. Der Beschwerdeführer ist bei der UNRWA registriert und hatte ursprünglich in Syrien deren Schutz oder Hilfe in Anspruch genommen. Im Mai 2014 verliess er das Einsatzgebiet der UNRWA. Der Umstand, dass er sich nicht mehr in diesem Gebiet aufhält, steht seiner Anerkennung als Staatenloser nicht entgegen (vgl. vorne E. 6.5.3).  
 
8.2. Zu prüfen ist nach dem Gesagten, ob der Beschwerdeführer bei objektiver Betrachtung den Schutz oder den Beistand der UNRWA erneut in Anspruch nehmen könnte (vgl. vorne E. 6.6). Dies wäre zu verneinen, wenn er keine konkrete Möglichkeit hätte, in ein Operationsgebiet der UNRWA einzureisen, zu welchem er zumindest eine minimale Beziehung hat, um dort den Schutz oder Beistand dieser Organisation in Anspruch zu nehmen (vgl. E. 7.2 hiervor).  
 
8.3. Vor diesem Hintergrund ist zunächst zu klären, ob der Beschwerdeführer freiwillig nach Syrien zurückkehren und dort den Schutz oder Beistand der UNRWA in Anspruch nehmen könnte.  
Der Beschwerdeführer ist zurzeit in der Schweiz vorläufig aufgenommen, da der Vollzug seiner Wegweisung (mit Blick auf die Sicherheitslage in Syrien) als unzumutbar erachtet wurde. Die vorläufige Aufnahme wurde im Jahr 2015 angeordnet, und diesbezüglich wurden im angefochtenen Urteil aus dem Jahr 2020 keine rechtserheblichen Änderungen festgestellt. Damit stellt sich die Frage, ob von einer ausländischen Person trotz des Umstandes, dass der Vollzug ihrer Wegweisung als nicht zumutbar beurteilt und dementsprechend ihre vorläufige Aufnahme angeordnet worden ist, verlangt werden kann, sich in den ausländischen Staat zu begeben, dessen Sicherheitslage Anlass zur vorläufigen Aufnahme gab, um dort den Schutz oder Beistand der UNRWA in Anspruch zu nehmen. 
Das Bundesgericht hat in einem kürzlich ergangenen Urteil entschieden, dass ein Kurde syrischer Abstammung, der in der Schweiz vorläufig aufgenommen ist, nicht dazu verpflichtet werden darf, nach Syrien zurückzukehren, um die für den Erwerb der Staatsangehörigkeit notwendigen Schritte zu unternehmen. Zur Begründung führte es aus, es könne von einer aus Gründen der Sicherheit vorläufig aufgenommenen Person nicht verlangt werden, dass sie sich in einen bestimmten Staat begebe, wenn die Rückkehr dorthin im Rahmen des Entscheids über die vorläufige Aufnahme als unzumutbar beurteilt worden sei. Bei der Anwendung des Staatenlosen-Übereinkommens dürfe dementsprechend nicht über die Tragweite einer vorläufigen Aufnahme hinweggesehen und angenommen werden, die vorläufig aufgenommene Person könne ohne Weiteres freiwillig in ihr Herkunftsland zurückkehren. Zu berücksichtigen sei in diesem Kontext nicht zuletzt, dass eine Gesetzesänderung in Vorbereitung sei, nach welcher vorläufig aufgenommenen Personen (ebenso wie Flüchtlingen) ausdrücklich und unter Androhung des Verlustes ihres Aufenthaltsstatus untersagt werden soll, in ihr Herkunftsland zu reisen (siehe zum Ganzen Urteil 2C_415/2020 vom 30. April 2021 E. 9.2 [zur Publikation vorgesehen], mit Hinweis auf die Botschaft des Bundesrates vom 26. August 2020 zur Änderung des Ausländer- und Integrationsgesetzes [Einschränkungen für Reisen ins Ausland und Anpassungen des Status der vorläufigen Aufnahme], BBl 2020 7457 ff., 7485 f., und den zugehörigen Entwurf der Gesetzesrevision, BBl 2020 7509 ff., 7510; vgl. auch Urteile des BVGer F-992/2017 vom 24. September 2018 E. 5.3; E-3562/2013 vom 17. Dezember 2014 E. 5.3.4; ebenso zu einem vorläufig aufgenommenen Flüchtling BVGE 2014/5 E. 11).  
Die im genannten Urteil des Bundesgerichts zum Ausdruck kommende Wertung muss sinngemäss auch in Konstellationen wie der vorliegenden gelten. Vor diesem Hintergrund kann vom Beschwerdeführer nicht erwartet werden, dass er nach Syrien zurückkehrt. Er ist damit aktuell - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - nicht in der Lage, dort den Schutz oder Beistand der UNRWA in Anspruch zu nehmen. Dies würde selbst dann gelten, wenn diese Organisation in Syrien weiterhin tätig sein sollte. Auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer über einen syrischen Pass für palästinensische Flüchtlinge verfügt (vgl. E. 8.6 des angefochtenen Urteils), ändert nichts an der fehlenden Möglichkeit der Inanspruchnahme der Hilfe der UNRWA in Syrien. 
 
8.4. Bei dieser Sachlage ist entscheidend, ob der Beschwerdeführer in eines der übrigen vier Operationsgebiete der UNRWA (d.h. in den Libanon, nach Jordanien, ins Westjordanland oder in den Gazastreifen) einreisen könnte, um dort den Schutz oder Beistand dieser Organisation in Anspruch zu nehmen. Eine entsprechende Möglichkeit ist dabei nur anzunehmen, sofern der Beschwerdeführer über eine minimale Beziehung zum betreffenden Operationsgebiet verfügt (vgl. vorne E. 7.2).  
Gemäss den für das Bundesgericht bindenden Feststellungen im angefochtenen Urteil (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG; vorne E. 2.2.1) ist davon auszugehen, dass vorliegend keine zumindest minimalen persönlichen Anknüpfungspunkte in einem der vier genannten Operationsgebiete bestehen. Folglich kann mangels minimaler Beziehung des Beschwerdeführers zu einem dieser Gebiete von vornherein nicht angenommen werden, er könne in einem dieser Gebiete im massgebenden Rechtssinne den Schutz oder Beistand der UNRWA in Anspruch nehmen. 
 
8.5. Da der Beschwerdeführer nach dem Gesagten den Schutz oder Beistand der UNRWA nicht mehr erneut in Anspruch nehmen kann, verstösst die Verweigerung der Anerkennung seiner Staatenlosigkeit gegen das Staatenlosen-Übereinkommen. Die Beschwerde erweist sich folglich als begründet und ist, soweit darauf einzutreten ist, gutzuheissen. Das angefochtene Urteil ist in Bezug auf den Beschwerdeführer aufzuheben. Das Staatssekretariat für Migration ist ferner anzuweisen, ihn als Staatenlosen anzuerkennen.  
 
9.  
 
9.1. Bei diesem Verfahrensausgang sind für das bundesgerichtliche Verfahren keine Kosten zu erheben (vgl. Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG).  
Da der Beschwerdeführer obsiegt, hat er Anspruch auf eine Parteientschädigung, welche ihm das Staatssekretariat für Migration auszurichten hat (vgl. Art. 68 Abs. 1 BGG). Das Honorar für das bundesgerichtliche Verfahren bestimmt sich nach dem Reglement vom 31. März 2006 über die Parteientschädigung und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht (SR 173.110.210.3; nachfolgend: Reglement), welches vorliegend sinngemäss angewendet wird, da die Rechtsvertreterin keine patentierte Anwältin ist (Art. 9 Reglement; vgl. auch Urteil 2C_172/2016 / 2C_173/2016 vom 16. August 2016 E. 6.2). Gemäss Art. 6 Reglement beträgt das Honorar bei Streitsachen ohne Vermögensinteresse je nach Wichtigkeit und Schwierigkeit der Sache und je nach Arbeitsaufwand Fr. 600.-- bis Fr. 18'000.--. Weder sind Umstände geltend gemacht worden noch ist ersichtlich, weshalb von diesem Gebührenrahmen abgewichen werden sollte. 
Die Vertreterin des Beschwerdeführers hat eine Kostennote eingereicht, die einen Aufwand von 30 Stunden zu einem Stundenansatz von Fr. 180.-- (bzw. inkl. Mehrwertsteuer Fr. 194.--) ausweist. Der veranschlagte Stundenansatz erscheint angesichts des Umstandes, dass die Vertreterin keine patentierte Anwältin ist, als zu hoch. Es rechtfertigt sich, die Parteientschädigung auf Fr. 4'000.-- festzusetzen. 
 
9.2. Die Sache ist zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 67 BGG, Art. 68 Abs. 5 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2020, soweit den Beschwerdeführer betreffend, aufgehoben. Das Staatssekretariat für Migration wird angewiesen, den Beschwerdeführer als Staatenlosen anzuerkennen. 
 
2.  
Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Das Staatssekretariat für Migration hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 4'000.-- auszurichten. 
 
 
4.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen. 
 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung VI, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. August 2021 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Seiler 
 
Der Gerichtsschreiber: König