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[AZA 0/2] 
1P.632/2000/hzg 
 
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG 
********************************** 
 
1. Dezember 2000 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der 
I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Nay, 
Ersatzrichterin Pont Veuthey und Gerichtsschreiber Störi. 
 
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In Sachen 
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Andreas Gafner, Nidaugasse 24, Postfach 3445, 2500 Biel 3, 
 
gegen 
Y.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher Kurt Bonaria, Spitalgasse 30, Postfach 5573, 3001 Bern, Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, 
 
betreffend 
Art. 8 und 9 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK 
(Strafverfahren), hat sich ergeben: 
 
A.- Der Gerichtspräsident 8 des Gerichtskreises II Biel-Nidau verurteilte X.________ am 20. Januar 2000 wegen einfacher Körperverletzung zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 14 Tagen und zur Bezahlung einer Genugtuung von 500 Franken an die Privatklägerin Y.________; von weiteren, hier nicht mehr interessierende Anklagepunkten sprach er ihn frei. Er hielt für erwiesen, dass X.________ am frühen Morgen des 17. April 1998 seine Ehefrau Y.________ verprügelt und ihr dabei unter anderem die Nase blutig geschlagen hatte. 
 
Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte dieses Urteil am 6. Juli 2000. 
 
B.- Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 6. Oktober 2000 wegen Verletzung von Art. 8 und 9 BV sowie von Art. 6 Ziff. 2 EMRK beantragt X.________, die obergerichtliche Verurteilung und die Verpflichtung zur Bezahlung einer Genugtuung aufzuheben. 
 
C.- Der Generalprokurator verzichtet auf Vernehmlassung. 
Das Obergericht beantragt unter Hinweis auf das angefochtene Urteil, die Beschwerde abzuweisen. Den gleichen Antrag stellt Y.________. 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Beim angefochtenen Urteil des Obergerichts handelt es sich um einen letztinstanzlichen kantonalen Endentscheid (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer ist durch die strafrechtliche Verurteilung in seinen rechtlich geschützten Interessen berührt (Art. 88 OG), weshalb er befugt ist, die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten geltend zu machen. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, sodass auf die Beschwerde, unter dem Vorbehalt gehörig begründeter Rügen (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 126 I 81 E. 1; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c), einzutreten ist. 
 
2.- Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, die Beweise willkürlich gewürdigt und gegen den Grundsatz in "dubio pro reo" in seiner Funktion als Beweislast- und Beweiswürdigungsregel verstossen zu haben. Inwiefern das Obergericht diesen Grundsatz als Beweislastregel verletzt haben soll, begründet der Beschwerdeführer allerdings nicht oder jedenfalls nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise. Das Gleiche gilt für die Rüge, das Obergericht habe Art. 8 BV verletzt. Darauf ist somit mangels genügender Substanziierung nicht einzutreten. 
 
In der Funktion als Beweiswürdigungsregel geht der Schutz der von Art. 6 Ziff. 2 EMRK garantierten Rechtsregel "in dubio pro reo" nicht über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinaus. Zu prüfen ist daher im Folgenden, ob das Obergericht die Beweise willkürlich zu Lasten des Beschwerdeführers würdigte. 
 
Willkürlich handelt ein Gericht, wenn es seinem Entscheid Tatsachenfeststellungen zugrunde legt, die mit den Akten in klarem Widerspruch stehen. Im Bereich der Beweiswürdigung besitzt der Richter einen weiten Ermessensspielraum. 
Das Bundesgericht greift im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde nur ein, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht oder auf einem offenkundigen Versehen beruht (BGE 124 I 208 E. 4a; 117 Ia 13 E. 2c; 18 E. 3c je mit Hinweisen). 
 
3.- a) Die Verurteilung des Beschwerdeführers beruht im Wesentlichen auf folgenden Beweismitteln: 
 
Nach den Angaben der Beschwerdegegnerin, die den Beschwerdeführer am 17. April 1998 anzeigte, hat der Beschwerdeführer rund 5 Monate nach ihrer Hochzeit begonnen, sie mehr oder weniger regelmässig zu verprügeln. In der Nacht vom 16. auf den 17. April 1998 habe sie ihr Mann im Schlafzimmer eingeschlossen. Um 3 Uhr habe er sie herausgelassen, sie gepackt, in die Küche gezerrt und dort verprügelt. 
Vom Lärm geweckt sei der Schwiegervater aufgestanden, worauf ihr Mann von ihr abgelassen hätte. Sie sei ins Badezimmer geflüchtet, habe sich dort eingeschlossen und das Blut abgewaschen. 
 
Der Vater des Beschwerdeführers gibt an, einmal gesehen zu haben, wie seine Schwiegertochter von seinem Sohn geschlagen worden sei. Die Beiden hätten einen Streit um den Schlafzimmerschlüssel gehabt. Er habe seinen Sohn angewiesen, seiner Frau den Schlüssel zurückzugeben und sei ins Bett gegangen. Er sei dann aufgewacht, weil er in der Küche Lärm gehört habe. Er sei aufgestanden. Seine Schwiegertochter sei im WC gewesen. Von ihm zur Rede gestellt, habe sein Sohn geantwortet, seine Schwiegertochter sei vom Stuhl gefallen. Diese habe eine rote Nase gehabt. 
Er sei sicher, dass sie von seinem Sohn geschlagen worden sei. 
 
Der Gefreite A.________ von der Kantonspolizei Bern, der auf die Anzeige der Beschwerdegegnerin am 17. April 1998 hin ausgerückt war, hat mehrere blaue Flecken an deren Armen festgestellt. Sie habe ihn angefleht, mit ihr in die Wohnung zu kommen, da sie Angst vor ihrem Mann habe. 
 
Nach dem Zeugnis von Dr. B.________ vom 25. April 1998 untersuchte sie die Beschwerdegegnerin am 23. April 1998. Diese habe geschildert, wie sie von ihrem Mann am 17. April 1998 geschlagen worden sei. Sie habe über Schmerzen an den Schläfen, an den Oberarmen, am Brustkorb und am Oberbauch geklagt. In der Untersuchung habe sie mehrere fleckenförmige Kontusions-Hämatome (grün) in Abheilung festgestellt. 
Der ganze Oberbauch und die Bauchmuskulatur seien stark schmerzempfindlich gewesen, und die Schneidezähne links seien gebrochen gewesen. Die Verletzungen stimmten mit den von ihr geschilderten Übergriffen ihres Mannes überein. 
 
 
b) Diese Aussagen überzeugten den Gerichtspräsidenten von Biel-Nidau und das Obergericht, das im angefochtenen Entscheid massgeblich auf dessen Beweiswürdigung verwies, davon, dass der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin am frühen Morgen des 17. April 1998 verletzt hatte. Dies einmal deshalb, weil die von dieser geschilderten Misshandlungen Verletzungen hervorrufen können, wie sie von Dr. B.________ und teilweise auch vom Polizeibeamten A.________ festgestellt wurden. Entscheidendes Gewicht massen die kantonalen Gerichte indessen der Aussage des Schwiegervaters der Beschwerdegegnerin zu, weil dieser im heftigen Familienstreit zwischen der Beschwerdegegnerin einerseits und dem Beschwerdeführer, dessen Mutter und dessen Schwestern anderseits eine neutrale Position einnahm. Aufgrund seiner Bestätigung, dass sein Sohn seine Schwiegertochter in der von ihr beschriebenen Weise verprügelt hatte, kamen die kantonalen Gerichte zum Schluss, dass kein vernünftiger Zweifel daran möglich sei, dass der Beschwerdeführer seine Frau am frühen Morgen des 
17. April 1998 verletzt hatte, auch wenn der Schwiegervater das Datum nicht genau bestätigen konnte. 
 
Die Aussagen der Mutter des Beschwerdeführers und dessen Schwester hielten die Gerichte für parteiisch und unglaubhaft. Sie nahmen ihnen insbesondere nicht ab, dass der Beschwerdeführer seine Frau nie geschlagen und diese sich verschiedentlich selber verletzt haben soll. 
Nach den Aussagen von Mutter und Schwester haben sie auch nie festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer und die Beschwerdegegnerin gestritten hätten. Darin sehen die kantonalen Gerichte einen Widerspruch zur Aussage des Beschwerdeführers, der sich mit seiner Frau öfters, allerdings nur verbal, gestritten haben will, was den im gleichen Haushalt lebenden Auskunftspersonen wohl kaum hätte entgehen können. 
 
c) Was der Beschwerdeführer in der staatsrechtlichen Beschwerde vorbringt, erschöpft sich in appellatorischer und damit unzulässiger Kritik an der Beweiswürdigung. 
So versucht er anhand von Beispielen, die sich, wie er selber einräumt, nicht auf den umstrittenen Vorfall vom 17. April 1998 beziehen, die Glaubhaftigkeit der Beschwerdegegnerin zu erschüttern. Diese Einwände sind indessen nicht geeignet, die Beweiswürdigung als willkürlich nachzuweisen, da sich diese auf verschiedene, sich gegenseitige stützende Beweismittel stützt und keineswegs auf der Aussage der Beschwerdegegnerin allein beruht. Gleich verhält es sich mit seinem Versuch, nachzuweisen, dass sich die Aussage des Schwiegervaters nicht auf den Vorfall vom 17. April 1998 beziehen könne. Dieser hat, womit sich die kantonalen Gericht eingehend auseinander gesetzt haben, den von ihm geschilderten Übergriff seines Sohnes auf die Schwiegertochter nicht genau datieren können. Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers schliessen aber seine Aussagen keineswegs aus, dass sich der von ihm geschilderte Vorfall in der Nacht vom 16. auf den 17. April 1998 abgespielt hat. So sagte er aus, er könne sich nicht erinnern, ob die Polizei gerade am Tag nach dem Krach gekommen sei. Mit anderen Worten hält er es somit für möglich, dass sich der Krach in der Nacht vom 16. auf den 17. April 1998, d.h. in der Nacht vor dem Tag, an dem die Polizei kam - dem 17. April 1998 - abgespielt hat. Selbstverständlich ist schliesslich, dass sich dem Zeugnis von Dr. B.________ nicht entnehmen lässt, wann und durch wen die Beschwerdegegnerin verletzt wurde. Davon sind die kantonalen Gerichte auch nicht ausgegangen. Dem Zeugnis lässt sich nur, aber immerhin entnehmen, dass das von der Ärztin vorgefundene Verletzungsbild durch die von der Beschwerdegegnerin geschilderten Misshandlungen plausibel erklärt wird. Das Gutachten stützt mit anderen Worten die Aussagen der Beschwerdegegnerin und ihres Schwiegervaters, die obergerichtliche Überzeugung gründet auf verschiedenen, sich ergänzenden Beweismitteln. Das Vorgehen des Beschwerdeführers, den Beweiswert einzelner Beweismittel in isolierter Betrachtungsweise anzuzweifeln, ist damit von vornherein ungeeignet, dem Obergericht eine unhaltbare, aktenwidrige Würdigung der Beweise nachzuweisen. 
Die Willkürrügen sind daher nicht genügend substanziiert (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG), weshalb darauf nicht einzutreten ist. 
 
 
4.- Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). 
Er hat ausserdem der anwaltlich vertretenen, obsiegenden Beschwerdegegnerin eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 OG). 
 
Demnach erkannt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
 
1.- Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.- Der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 500.-- zu bezahlen. 
 
4.- Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 1. Dezember 2000 
 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: