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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4C.72/2005 /ruo 
 
Urteil vom 23. Februar 2006 
I. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Corboz, Präsident, 
Bundesrichter Nyffeler, Bundesrichterin Kiss, 
Gerichtsschreiber Mazan. 
 
Parteien 
A.________, 
Kläger und Berufungskläger, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stephan C. Roh, 
 
gegen 
 
Bank X.________, 
Beklagte und Berufungsbeklagte, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Beat von Rechenberg und Rechtsanwalt Tobias Somary. 
 
Gegenstand 
Kontokorrentvertrag; Sorgfaltspflicht der Bank, 
 
Berufung gegen das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 24. März 2004. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.________ (Kläger) eröffnete am 5. Juli 1994 ein Konto bei der Bank X.________ (Beklagte). Der Kläger wurde vom Kundenberater B.________ und später von C.________ betreut. Der Kläger unterschrieb für seinen Sohn D.________ ein Vollmachtsformular ("Power of Attorney"). Ab 1999 führte die Beklagte im Auftrag von D.________ verschiedene Devisentermingeschäfte durch. Am 3. März 2000 beauftragte D.________ die Beklagte, über ein Konto des Klägers auf den Termin vom 10. März 2000 den Betrag von USD 2 Mio. zum Preis von NOK 16'761'400.-- (Norwegische Krone) zu verkaufen. Um die Terminverpflichtung erfüllen zu können, wurde am 10. März 2000 im Auftrag von D.________ USD 2 Mio. zum Preis von NOK 16'893'800.-- gekauft. Aus diesem Devisentermingeschäft resultierte somit ein Verlust von NOK 132'400.--. Nach der Darstellung des Klägers sollen dieses und weitere Devisentermingeschäfte zu einem geschätzten Gesamtverlust von CHF 16 Mio. geführt haben. 
B. 
Im Sinn einer Teilklage beantragte der Kläger dem Handelsgericht des Kantons Zürich im Wesentlichen, die Beklagte zu verpflichten, ihm NOK 132'400.-- (entsprechend CHF 25'354.60) nebst 5% Zins seit dem 10. März 2000 zu bezahlen. Mit Urteil vom 24. März 2004 wies das Handelsgericht des Kantons Zürich die Klage ab. 
C. 
Mit Berufung vom 10. Februar 2005 beantragt der Kläger dem Bundesgericht, das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm NOK 132'400.-- (entsprechend CHF 25'354.60) nebst 5% Zins seit dem 10. März 2000 zu bezahlen; eventuell sei das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 24. März 2004 aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Beklagte beantragt, auf die Berufung nicht einzutreten; eventualiter sei die Berufung abzuweisen. 
D. 
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hat eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde mit Zirkulationsbeschluss vom 6. Oktober 2005 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das Handelsgericht führte im angefochtenen Urteil aus, der Kläger habe seinem Sohn D.________ mit der Unterzeichnung des Formulars "Power of Attorney" eine Generalvollmacht erteilt. Sodann hielt die Vorinstanz nach Durchführung eines Beweisverfahrens fest, es sei nicht nachgewiesen, dass der Kläger die seinem Sohn erteilte Generalvollmacht gegenüber der Beklagten mündlich eingeschränkt habe. Schliesslich kam das Handelsgericht zum Schluss, dass die Beklagte keinen Anlass für die Annahme gehabt habe, dass D.________ die ihm erteilte Generalvollmacht missbräuchlich ausgeübt habe. 
2. 
Die Begründung der vorliegenden Berufung ist weitgehend identisch mit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher der Kläger ans Kassationgericht des Kantons Zürich gelangt ist. In Bezug auf die geltend gemachten Beanstandungen ist daher im Einzelnen zu prüfen, ob die jeweiligen Rügen im kantonalen Beschwerde- oder im vorliegenden Berufungsverfahren hätten erhoben werden müssen (BGE 116 II 745 E. 2b S. 748). 
Soweit der Kläger in seiner Berufung die Auffassung des Handelsgerichtes kritisiert, es sei nicht bewiesen, dass der Kläger die seinem Sohn D.________ erteilte Generalvollmacht schriftlich oder mündlich eingeschränkt habe, ist auf die Berufung nicht einzutreten. Zur Frage, ob die Generalvollmacht eingeschränkt wurde, hat die Vorinstanz ein Beweisverfahren durchgeführt und dabei die erhobenen Beweise eingehend gewürdigt. Die dagegen erhobenen Beanstandungen wurden vom Kassationsgericht abgewiesen. An diese Feststellungen des Handelsgerichts, welche vom Kassationsgericht nicht beanstandet wurden, ist das Bundesgericht gebunden (Art. 55 Abs. 1 lit. c und Art. 63 Abs. 2 OG). 
3. 
Zu prüfen ist somit einzig die Frage, ob D.________ die ihm erteilte - und nicht eingeschränkte - Generalvollmacht missbräuchlich verwendet hat und die Beklagte um diesen Missbrauch wusste oder hätte wissen müssen. 
3.1 Das Handelsgericht hat dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das Devisentermingeschäft zwar nicht den ursprünglich vom Kläger verfolgten Anlageregeln (Treuhandanlagen bei "AAA-Banken") entsprochen habe, jedoch von der schriftlich erteilten umfassenden Vollmacht gedeckt gewesen sei. Für die Beklagte sei auch nicht erkennbar gewesen, dass D.________ trotz der kundgegebenen Vollmacht nicht befugt gewesen sein soll, das streitige Devisentermingeschäft einzugehen. Das umstrittene Geschäft sei in seinem Ablauf einfach und für kaufmännisch gebildete Leute wie D.________ verständlich. Das Geschäft sei am 3. März 2000 auf den Termin vom 10. März 2000 abgeschlossen worden, und in den dazwischen liegenden Tagen seien keine grossen Kursschwankungen zu befürchten gewesen. Zur Begrenzung des Risikos habe auch beigetragen, dass die gehandelten Währungen relativ stabile Länder betroffen hätten (Norwegen und USA). Die Beklagte habe D.________ auch ohne Rückfragen gewähren lassen dürfen, weil dieser mitunter zusammen mit seinem Vater - dem Kläger - bei der Beklagten erschienen sei und auch die banklagernde Post abgeholt habe, was auf ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Kläger und seinem Sohn schliessen lasse. Auch der Wechsel von konservativem Anlageverhalten (Treuhandanlagen bei "AAA-Banken") zu riskanteren Anlageentscheiden habe bei der Beklagten nicht zum Aufkommen von Zweifeln führen müssen, weil das fragliche Devisengeschäft das namhafte damalige Vermögen des Klägers von ca. CHF 15 Mio. nicht habe erheblich gefährden können und weil möglicherweise die Absicht bestanden haben könnte, aufgrund des ansehnlichen Vermögens auch risikoreichere Geschäfte mit höheren Gewinnchancen einzugehen. 
3.2 Wenn die Ermächtigung vom Vollmachtgeber einem Dritten mitgeteilt wird, so beurteilt sich gemäss Art. 33 Abs. 3 OR ihr Umfang diesem gegenüber nach Massgabe der erfolgten Kundgabe. Der innere Grund, auf dem diese Regelung beruht, besteht im Schutz des guten Glaubens des Dritten. Dabei ist der gute Glauben zu vermuten (Art. 3 Abs. 1 OR). Auf den guten Glauben kann sich der Dritte jedoch dann nicht berufen, wenn er um die einschränkenden Weisungen des Vollmachtgebers intern an den Vertreter weiss oder bei zumutbarer Aufmerksamkeit hätte wissen müssen (Art. 3 Abs. 2 ZGB, BGE 131 III 511 E. 3 S. 517 ff. mit Hinweisen). 
3.2.1 Im vorliegenden Fall hat der Kläger seinem Sohn eine Generalvollmacht erteilt und diese Vollmacht der Beklagten kundgetan. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist nicht bewiesen, dass diese umfassende Vollmacht im externen Verhältnis eingeschränkt wurde (vgl. E. 1 und 2). Ebenso wenig kann aufgrund aller Umstände angenommen werden, dass die Beklagte um eine Einschränkung der Vollmacht im internen Verhältnis zwischen dem Kläger und seinem Sohn wusste oder hätte wissen müssen. Nach den Feststellungen der Vorinstanz unterhielt D.________ im Einverständnis mit dem Kläger - seinem Vater - Kontakt zur Beklagten, indem er die banklagernde Post bei der Beklagten abholte. Gelegentlich sei D.________ auch zusammen mit seinem Vater - dem Kläger - bei der Beklagten erschienen. Angesichts dieser Umstände hatte die Beklagte keinen Grund zur Annahme, dass die Generalvollmacht, die der Beklagte seinem Sohn D.________ erteilt hatte, im Innenverhältnis beschränkt worden sein könnte. 
3.2.2 Insbesondere ist das Argument des Klägers nicht überzeugend, dass die Beklagte auf eine interne Beschränkung der Vollmacht bzw. einen Missbrauch der Generalvollmacht durch D.________ hätte schliessen müssen, weil der Kläger ursprünglich eine risikolose Anlagestrategie mit Treuhandanlagen bei "AAA-Banken" verfolgt habe, bevor D.________ plötzlich und unerwartet höchst riskante Devisentermingeschäfte getätigt habe, obwohl er nicht über die erforderlichen Kenntnisse für diese komplizierten Transaktionen verfügt habe. Entgegen der Auffassung des Klägers war das hier in Frage stehende Devisentermingeschäft (Verkauf von USD 2 Mio. auf den Termin vom 10. März 2000 zum Preis von NOK 16'761'400) für den kaufmännisch ausgebildeten D.________ ohne Schwierigkeiten zu verstehen. Zutreffend weist das Handelsgericht auch darauf hin, dass das am 3. März 2000 auf den Termin vom 10. März 2000 abgeschlossene Geschäft unter Berücksichtigung der wenigen Tage bis zum Termin und der Stabilität der betreffenden Währungen keine besonderen Risiken beinhaltete. Auch der Hinweis des Klägers, sein Sohn D.________ habe zunehmend das ganze Vermögen für Devisentermingeschäfte eingesetzt, ist für die hier zu beurteilende Transaktion nicht zutreffend. Nach den Feststellungen der Vorinstanz beliefen sich die Vermögenswerte des Klägers per 27. Januar 2000 auf ca. CHF 15 Mio. Der aus dem hier in Frage stehenden Devisentermingeschäft resultierende Verlust von NOK 132'400.-- - bzw. umgerechnet CHF 25'354.60 - fällt im Verhältnis zum damaligen Vermögen nicht stark ins Gewicht. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang weiter ausführt, der Kundenberater B.________ habe bis 1999 nie irgendwelche Instruktionen oder Anlageentscheide von D.________ akzeptiert bzw. nachträglich jedenfalls eine Genehmigung des Klägers eingeholt, ist auf die Berufung nicht einzutreten. Die entsprechende Tatsachenfeststellung ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen, so dass der Kläger mit seinen ergänzenden Sachdarstellungen nicht zu hören ist (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG). Das Gleiche gilt, soweit der Kläger geltend macht, B.________ habe zumindest Ende April 2000 von der Tatsache Kenntnis gehabt, dass der Kläger nicht über die Verluste informiert gewesen sei, und dennoch während eines weiteren Monats die Geschäfte wie bisher weitergeführt und dem Kläger noch viel grössere und schwerwiegendere Verluste zugefügt. Abgesehen davon, dass der Kläger mit diesen ergänzenden Tatsachendarstellungen nicht zu hören ist, ist nur der aus dem Devisentermingeschäft vom 3. März 2000 resultierende Schaden - nicht aber die angeblich "viel grösseren und schwerwiegenderen Verluste" - Gegenstand des vorliegenden Prozesses. 
3.3 Schliesslich beanstandet die Klägerin unter Hinweis auf das Urteil 4C.217/1994 vom 6. Januar 1995 die Auffassung des Handelsgerichts als bundesrechtswidrig, dass schriftliche Weisungen an die Bank (im vorliegenden Fall die Weisung, nur Treuhandanlagen bei "AAA-Banken" zu tätigen) keine Beschränkung der D.________ erteilten (General)-Vollmacht zur Folge habe. 
3.3.1 Im erwähnten Entscheid hatte das Bundesgericht den Fall zu beurteilen, in welchem der Kunde am 22. März 1988 mehrere Konten und ein Wertschriftendepot bei einer Bank eröffnete und bestimmte Weisungen für Devisengeschäfte erteilte. In Bezug auf die Vollmacht, die gleichentags einem Dritten erteilt wurde, entschied das Bundesgericht, dass die Bank auch im Kontakt mit dem Vertreter die erwähnten Weisungen zu beachten habe, auch wenn dem Wortlaut des Formulars keine entsprechenden Beschränkungen der Vollmacht entnommen werden könnten. Ausschlaggebend sei, dass die Vollmacht im Zusammenhang mit der Aufnahme der Geschäftsbeziehung zwischen den Prozessparteien erteilt worden sei und die schriftliche Bevollmächtigung deshalb in diesem Rahmen ausgelegt werden müsse. 
3.3.2 Im vorliegenden Fall besteht kein vergleichbarer Zusammenhang zwischen der Aufnahme der Geschäftsbeziehung zwischen den Prozessparteien am 5. Juli 1994 - anlässlich welcher die Weisung erteilt wurde, nur Treuhandanlagen bei "AAA-Banken" zu tätigen - und der Erteilung der Vollmacht an D.________. Das genaue Datum der Erteilung der Vollmacht konnte zwar nicht mehr eruiert werden, zumal die Vollmachtsurkunde selbst zwei unterschiedliche Daten aufweist. Immerhin hat die Vorinstanz jedoch festgehalten, dass das Dokument mit der Unterschrift des Klägers am 25. April 1995 gefilmt worden sei, so dass die Vollmacht spätestens am 25. April 1995 unterzeichnet worden sein müsse. Wenn aber im Unterschied zum Fall, der im Urteil 4C.217/1994 zu entscheiden war, kein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Aufnahme der Geschäftsbeziehungen und der Erteilung der Vollmacht festgestellt ist, haben die bei der Aufnahme der Bankbeziehung erteilten Weisungen für die Auslegung der Generalvollmacht keine ausschlaggebende Bedeutung. Weiter ist bei der Auslegung der Vollmacht zu berücksichtigen, dass der bevollmächtigte D.________ im Familiengeschäft seines Vaters - des Klägers - arbeitet. Auch unter diesem Gesichtspunkt spricht nichts für eine Beschränkung der Vollmacht, die einem im Familienbetrieb tätigen Familienangehörigen erteilt wird. Und schliesslich ist zu berücksichtigen, dass der Kläger Treuhandanlagen seines Sohnes D.________ bei einer "AA-Bank" ausdrücklich billigte, obwohl diese Vermögensanlage von der ursprünglichen Instruktion - nur Treuhandanlagen bei "AAA-Banken" - abwich. Auch dies kann so interpretiert werden, dass der Kläger damit den unbeschränkten Umfang der seinem Sohn D.________ erteilten Vollmacht bestätigte. 
3.4 Aus diesen Gründen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass D.________ gestützt auf die ihm erteilte Generalvollmacht nicht berechtigt gewesen sein sollte, das umstrittene Devisentermingeschäft abzuschliessen. Für einen Missbrauch der Vollmacht durch D.________, welchen die Beklagte hätte erkennen müssen, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Beklagte ist daher in ihrem guten Glauben in die vom Kläger kundgegebene Bevollmächtigung seines Sohnes D.________ zu schützen. Der Vorwurf des Klägers, die Vorinstanz habe Art. 33 Abs. 3 OR und Art. 3 Abs. 2 ZGB durch die Annahme verletzt, das umstrittene Devisentermingeschäft sei durch die erteilte Vollmacht gedeckt, erweist sich somit als unbegründet. Damit kann die Frage dahin gestellt bleiben, ob eine Haftbarkeit der Beklagten ohnehin entfallen würde, weil die Parteien die banklagernde Zustellung und eine Haftungsbefreiung der Bank (Freizeichnung) für daraus folgende Konsequenzen vereinbart hatten. 
4. 
Aus diesen Gründen erweist sich die Berufung als unbegründet, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Kläger kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Kläger auferlegt. 
3. 
Der Kläger hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 23. Februar 2006 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: