Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
5A_561/2016  
   
   
 
 
 
Urteil vom 22. September 2016  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter von Werdt, Präsident, 
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Schöbi, 
Gerichtsschreiber Zingg. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Gabrielle Mazurczak, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Kai Burkart, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Eheschutz (Anwaltsvollmacht), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 21. Juni 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ und B.________ sind Parteien eines Eheschutzverfahrens. Am 18. März 2016 fällte das Bezirksgericht Bülach das Eheschutzurteil. 
Dagegen erhob A.________ am 25. April 2016 im Unterhaltspunkt Berufung an das Obergericht des Kantons Zürich. Die Berufungsschrift wurde von Rechtsanwältin Gabrielle Mazurczak verfasst und unterzeichnet. 
Mit Präsidialverfügung vom 10. Mai 2016 forderte das Obergericht A.________ und Rechtsanwältin Mazurczak auf, innert einer Nachfrist von zehn Tagen eine das Eheschutzverfahren betreffende Originalvollmacht einzureichen, unter der Androhung, dass bei Säumnis die Eingabe vom 25. April 2016 nicht als erfolgt gelte. Gleichzeitig wurde A.________ eine Frist von zehn Tagen zur Leistung eines Kostenvorschusses von Fr. 4'000.-- angesetzt. Diese Verfügung wurde sowohl A.________ persönlich als auch Rechtsanwältin Mazurczak zugestellt. 
Binnen Frist wurde der Kostenvorschuss bezahlt. Die geforderte Vollmacht wurde hingegen nicht eingereicht. 
Mit Beschluss vom 21. Juni 2016 trat das Obergericht auf die Berufung nicht ein. 
 
B.   
Am 27. Juli 2016 hat A.________ (Beschwerdeführer) Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht erhoben. Er verlangt, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und dieses anzuweisen, auf die Berufung einzutreten, allenfalls unter Ansetzung einer Nachfrist zur Einreichung einer Originalvollmacht betreffend Eheschutz. 
Mit Verfügung vom 10. August 2016 hat das Obergericht das von B.________ (Beschwerdegegnerin) eingeleitete Berufungsverfahren bis zum Entscheid im vorliegenden Verfahren 5A_561/2016 sistiert. 
Das Bundesgericht hat die Akten beigezogen, in der Sache aber keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
 
1.   
Die Beschwerde betrifft eine Eheschutzsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) und richtet sich gegen den Entscheid einer letzten kantonalen Instanz, die auf Rechtsmittel hin geurteilt hat (Art. 75 BGG). Angefochten ist formell ein Endentscheid (Art. 90 BGG), doch richtet sich die Beschwerde inhaltlich teilweise auch gegen die unangefochten gebliebene Verfügung vom 10. Mai 2016. Dies ist zulässig (Art. 93 Abs. 3 BGG). Vor Obergericht waren einzig die Unterhaltsbeiträge strittig, womit eine vermögensrechtliche Angelegenheit vorliegt. Der Streitwert übersteigt nach den unbestrittenen Feststellungen des Obergerichts Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 76 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt und die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde ist insoweit zulässig. 
Eheschutzentscheide unterstehen Art. 98 BGG (BGE 133 III 393 E. 5.1 und 5.2 S. 396 f.). Daher kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (s. dazu BGE 133 III 585 E. 4.1 S. 588). Für die Geltendmachung der Verletzung verfassungsmässiger Rechte gilt das Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254). 
 
2.   
Das Obergericht hat erwogen, die Vertreterin müsse sich gemäss Art. 68 Abs. 3 ZPO durch eine Vollmacht ausweisen. An die Spezifizierung einer Prozessvollmacht seien wegen ihrer Tragweite strenge Anforderungen zu stellen. Wie bereits in der Verfügung vom 10. Mai 2016 festgehalten, befinde sich bei den bezirksgerichtlichen Akten für Rechtsanwältin Mazurczak lediglich eine Vollmacht betreffend Ehescheidung, nicht aber betreffend das vorliegende Eheschutzverfahren. Aus dem Auftragsverhältnis und der Vollmacht für die Ehescheidung könne nicht auf eine solche für das Eheschutzverfahren geschlossen werden. Somit genüge die in den Akten liegende Vollmacht für das vorliegende Verfahren nicht. Das Obergericht hat sich dabei insbesondere auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 42 Abs. 5 BGG gestützt (mit Hinweis auf Urteile 9C_793/2013 vom 27. März 2014 E. 1.2; 9C_977/2009 vom 17. Dezember 2009; 1F_35/2014 vom 1. Oktober 2014 E. 2) und erwogen, diese Rechtsprechung gelte auch für Art. 132 Abs. 1 ZPO
Da der Kostenvorschuss bezahlt worden sei, frage sich jedoch, ob die Berufungsschrift nachträglich genehmigt worden sei. Die in der Lehre vertretene Meinung, wonach der Mangel einer fehlenden Vollmacht implizit (durch Bezahlen des Prozesskostenvorschusses) geheilt werden könne, überzeuge nicht. Zwar berufe sich diese Lehrmeinung auf ein Urteil des Bundesgerichts (Urteil 4P.184/2003 vom 2. Februar 2004E. 2.1). Dieses Urteil habe sich jedoch auf kantonales Prozessrecht bezogen und sei im Rahmen einer Willkürprüfung ergangen, wobei das Bundesgericht nicht gesagt habe, dass die auf kantonalem Prozessrecht basierende Annahme richtig sei. Schliesslich habe aber das Obergericht - anders als das kantonale Gericht im genannten Bundesgerichtsurteil - mit der Verfügung vom 10. Mai 2016 ausdrücklich eine das Eheschutzverfahren betreffende Vollmacht verlangt. Damit habe es klar a usgedrückt, keine implizite Genehmigung zu akzeptieren, sondern zu Beweissicherungszwecken die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht gefordert. Mit dem Bezahlen des Kostenvorschusses habe damit die Berufung nicht implizit genehmigt und der Mangel einer fehlenden Vollmacht nicht geheilt werden können. Auf die Berufung sei deshalb nicht einzutreten. 
 
3.   
Der Beschwerdeführer hält den Beschluss des Obergerichts für überspitzt formalistisch und willkürlich. 
 
3.1. Formelle Rechtsverweigerung und damit ein Verstoss gegen Art. 29 Abs. 1 BV liegt vor, wenn eine Behörde auf eine ihr frist- und formgerecht unterbreitete Sache nicht eintritt, obschon sie darüber befinden müsste. Überspitzter Formalismus als besondere Form der Rechtsverweigerung liegt vor, wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften überspannte Anforderungen stellt und damit dem Bürger den Rechtsweg in unzulässiger Weise versperrt. Ob eine solche Rechtsverweigerung vorliegt, prüft das Bundesgericht frei (BGE 135 I 6 E. 2.1 S. 9 mit Hinweisen). Die Auslegung und Anwendung der ZPO kann es jedoch vorliegend nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür (Art. 9 BV) überprüfen (Art. 98 BGG). Dabei ist ein Entscheid nach konstanter Praxis nicht schon dann willkürlich, wenn eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint. Willkür in der Rechtsanwendung liegt nur vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft; dabei ist erforderlich, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 140 III 16 E. 2.1 S. 18 f. mit Hinweisen).  
 
3.2. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die vor Bezirksgericht eingereichte Prozessvollmacht mit dem Vermerk "Ehescheidung" sei auch für das gesamte Eheschutzverfahren gültig. Das Eheschutzverfahren sei Vorbereitungsverfahren zur Scheidung. Das Bezirksgericht habe keine Vollmacht mit dem Vermerk "Eheschutz" verlangt. Der Beschwerdeführer habe sodann davon ausgehen dürfen, mit der fristgerechten Bezahlung des Kostenvorschusses werde das Obergericht auf die Berufung eintreten und, falls erforderlich, eine Frist zum Nachreichen der Vollmacht gewähren. Die Prozessvollmacht "Ehescheidung" und die Bezahlung des Kostenvorschusses zeigten klar den Willen des Beschwerdeführers, sich in einem bestimmten Verfahren vertreten zu lassen. Mit der Bezahlung habe er die Berufung genehmigt. Die Vollmacht müsse nicht notwendig schriftlich ausgestellt werden. Das Obergericht habe auch nicht dargelegt, weshalb es die Vollmacht bezweifle.  
 
3.3. Das Bundesgericht hat im Zusammenhang mit Art. 40 Abs. 2 und Art. 42 Abs. 5 BGG festgehalten, dass das Gericht bei älteren oder unbestimmt formulierten Vertretungsvollmachten jederzeit die Nachreichung einer aktualisierten oder verfahrensspezifischen Vollmacht verlangen kann, ohne dass darin überspitzter Formalismus zu erblicken wäre (Urteil 9C_793/2013 vom 27. März 2014 E. 1.2 mit Hinweisen). Es ist nicht willkürlich, diese Rechtsprechung auf die ähnlich formulierten und analogen Zwecken dienenden Art. 68 Abs. 3 und Art. 132 Abs. 1 ZPO zu übertragen. Diese Rechtsprechung muss auch dann gelten, wenn zwar eine Vollmacht eingereicht wurde, sich diese aber auf ein anderes Verfahren als das vorliegend geführte bezieht. Gerade dies ist der Umstand, der Zweifel an der Gültigkeit der Vollmacht für das geführte Verfahren erweckt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist das Obergericht nicht in überspitzten Formalismus oder in Willkür verfallen, indem es insoweit das Eheschutz- und das Scheidungsverfahren nicht als identisch erachtet hat. Es trifft zwar zu, dass diese beiden Verfahren häufig aufeinander folgen. Dies ändert aber nichts daran, dass sie nicht notwendig miteinander verknüpft sind und das Eheschutzverfahren nicht dasselbe wie das Scheidungsverfahren ist. Wenn das Obergericht die Vollmacht demnach nicht so ausgelegt hat, dass durch sie auch das Eheschutzverfahren abgedeckt wird, ist dies keineswegs willkürlich oder überspitzt formalistisch. Dass das Bezirksgericht die Vollmacht nicht beanstandet hat, bindet das Obergericht nicht. Da das Obergericht ausdrücklich eine neue und spezifische Vollmacht verlangt hat, durfte der Beschwerdeführer sodann nicht darauf vertrauen, das Obergericht werde die alte Vollmacht akzeptieren. Daran ändert die Bezahlung des Kostenvorschusses nichts. Das Obergericht hat dargelegt, dass es mit seiner Verfügung vom 10. Mai 2016 eine implizite Genehmigung ausgeschlossen hat und dass die verlangte Vorlage einer schriftlichen Vollmacht Beweissicherungszwecken dient. Indem vom Beschwerdeführer eine schriftliche Vollmacht verlangt wird, wird ihm der Rechtsweg nicht unzulässig versperrt. Es bedeutet keinen grossen Aufwand, der entsprechenden Aufforderung nachzukommen, die im Übrigen auch dem Schutz der - angeblich vertretenen - Partei dient. Inwiefern das Obergericht Bestimmungen der ZPO willkürlich angewandt hätte, indem es durch sein Vorgehen eine nachträgliche Genehmigung durch konkludentes Handeln (Bezahlung des Kostenvorschusses) ausgeschlossen hat, legt der Beschwerdeführer nicht im Einzelnen dar. Dies ist auch nicht ersichtlich. Wäre das Vorgehen des Obergerichts willkürlich, würde dies darauf hinauslaufen, dass die Gerichte zwar schriftliche Vollmachten verlangen dürften, die Nichteinhaltung der entsprechenden Aufforderung aber ohne Konsequenzen bliebe, sofern nur sonst eine als Genehmigung des bisherigen Vertreterhandelns deutbare Handlung der betreffenden Partei vorläge. Streitigkeiten darüber, was als Genehmigung gelten kann, wären zu erwarten. Im Ergebnis läge es somit im Belieben der Partei, ob sie eine Vollmacht einreicht und ob sie sich an die Anordnungen des Instruktionsrichters halten will, womit Art. 132 Abs. 1 ZPO seines Gehalts entleert würde (Urteil 9F_7/2013 vom 27. November 2013 E. 3.2.2). Solches wäre nicht nur der Rechtssicherheit abträglich, sondern würde auch die Autonomie der Gerichte bei der Verfahrensführung und -dokumentation beeinträchtigen. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war somit die Androhung der Säumnisfolge durch das Obergericht nicht unverhältnismässig.  
Die Beschwerde ist folglich abzuweisen. 
 
4.   
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. September 2016 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: von Werdt 
 
Der Gerichtsschreiber: Zingg