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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_40/2023  
 
 
Urteil vom 31. Juli 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Hänni, 
Bundesrichter Hartmann, 
Gerichtsschreiber Weber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Fürsprecher Ismet Bardakci, 
 
gegen  
 
Departement des Innern des Kantons Solothurn, Migrationsamt, Ambassadorenhof, 4509 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 15. Dezember 2022 (VWBES.2021.489). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ (geb. 1964) ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Abstammung. Er reiste 1993 in die Schweiz ein, worauf er im Februar 1996 als Flüchtling anerkannt und ihm Asyl gewährt wurde. Die Fremdenpolizei der Stadt Bern erteilte ihm im Juni 1999 die Niederlassungsbewilligung. Im Oktober 2003 verzichtete er auf den Flüchtlingsstatus. Er war von 1996 bis 2021 mit der türkischen Staatsangehörigen B.________ (geb. 1973) verheiratet. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor (Jahrgang 1994, 2000 und 2007 [Zwillinge]). Die Ehegatten trennten sich Ende 2017.  
 
A.b. Seit Februar 2006 beziehen A.________ und seine Familie Sozialhilfe. Bis im Oktober 2010 belief sich der Unterstützungsbetrag auf Fr. 296'002.--; zudem waren zu diesem Zeitpunkt Beitreibungen und Verlustscheine im Umfang von Fr. 25'106.20 verzeichnet. Die Fremdenpolizei der Stadt Bern verwarnte A.________ am 29. Oktober 2010 unter Verweis auf die Sozialhilfeabhängigkeit und seine Schulden wegen schwerwiegenden Verstosses gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Das Regionalgericht Bern-Mittelland verurteilte A.________ am 19. Oktober 2011 wegen Betrugs und Ungehorsams gegen eine amtliche Verfügung zu einer bedingten Geldstrafe von 110 Tagessätzen sowie einer Busse von Fr. 1'500.--. Am 13. Januar 2012 verwarnte die Fremdenpolizei der Stadt Bern A.________ erneut und verwies ergänzend auf die genannte strafrechtliche Verurteilung. Bis am 28. September 2021 belief sich der Sozialhilfebezug auf Fr. 693'141.10. Zudem waren am 29. September 2021 Betreibungen und Verlustscheine im Umfang von Fr. 86'346.21 verzeichnet.  
 
A.c. A.________ stellte 2003 ein IV-Gesuch, das die IV-Stelle Kanton Bern am 15. Juli 2005 wegen fehlender Mitwirkung abwies. In den Jahren 2007 und 2016 stellte er zwei weitere IV-Gesuche, welche die IV-Stelle Kanton Bern am 27. Mai 2009 bzw. am 9. Januar 2019 abwies, weil kein Gesundheitsschaden mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit festgestellt werden konnte. Am 24. Dezember 2019 stellte er ein viertes IV-Gesuch. Mit Vorbescheid vom 20. August 2021 stellte ihm die IV-Stelle Kanton Bern in Aussicht, gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 45 % ab 1. Juli 2021 eine Viertelsrente zuzusprechen.  
 
A.d. Am 28. Februar 2018 ersuchte A.________ das Migrationsamt des Kantons Solothurn um Kantonswechsel, um per 1. März 2018 in U.________/SO Wohnsitz zu nehmen. Das Migrationsamt bewilligte im März 2018 dieses Gesuch und erteilte A.________ eine Niederlassungsbewilligung mit Gültigkeit bis 21. November 2020. Am 30. April 2019 zog er nach V.________/BE. Der Migrationsdienst des Kantons Bern wies sein Gesuch um Kantonswechsel mit Verfügung vom 7. Oktober 2019 ab, weil der Widerrufsgrund der Sozialhilfeabhängigkeit gegeben sei. Die Sicherheitsdirektion des Kantons Bern trat auf die dagegen erhobene Beschwerde wegen verpasster Rechtsmittelfrist nicht ein, woraufhin A.________ seinen Wohnsitz erneut nach U.________/SO verlegte. Am 21. Oktober 2020 ersuchte er den Migrationsdienst des Kantons Solothurn um Verlängerung der Kontrollfrist der Niederlassungsbewilligung.  
 
B.  
Das Migrationsamt des Kantons Solothurn widerrief mit Verfügung vom 29. November 2021 die Niederlassungsbewilligung von A.________ wegen Sozialhilfeabhängigkeit und schwerwiegenden Verstosses gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Es wies ihn an, die Schweiz bis am 28. Februar 2022 zu verlassen. Dagegen gelangte A.________ an das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn. Mit Zwischenentscheid vom 17. Januar 2022 wies das Verwaltungsgericht das Gesuch von A.________ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung wegen Aussichtslosigkeit der Begehren ab. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesgericht gut und und wies die Sache zu neuem Entscheid an das Verwaltungsgericht zurück (Urteil 2C_135/2022 vom 10. Februar 2022). Mit Verfügung vom 18. Februar 2022 gewährte das Verwaltungsgericht A.________ die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. Die Beschwerde von A.________ gegen den Widerruf der Niederlassungsbewilligung wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 15. Dezember 2022 ab. Es erwog im Wesentlichen, der Widerrufsgrund der Sozialhilfeabhängigkeit sei erfüllt und letztere selbstverschuldet. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 23. Januar 2023 beantragt A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 15. Dezember 2022 sei kostenfällig aufzuheben und ihm sei die Niederlassungsbewilligung zu belassen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem sei ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständigung durch den unterzeichneten Rechtsanwalt zu bewilligen. 
 
Das Verwaltungsgericht und das Migrationsamt beantragen die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werde. Das Staatssekretariat für Migration hat sich nicht vernehmen lassen. 
Mit Schreiben vom 4. Mai 2023 und vom 30. Mai 2023 stellt das Migrationsamt dem Bundesgericht zwei Eingaben von A.________ mit Arztberichten zu. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den kantonal letztinstanzlichen Endentscheid (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, sowie Art. 90 BGG) betreffend den Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist zulässig, weil grundsätzlich ein Anspruch auf den Fortbestand der Niederlassungsbewilligung besteht (Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG e contrario; BGE 135 II 1 E. 1.2.1). Die Beschwerde wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 und Art. 46 Abs. 1 lit. a BGG) formgerecht (Art. 42 BGG) eingereicht und der Beschwerdeführer ist zur Erhebung des Rechtsmittels legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist somit einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Mit der Beschwerde kann namentlich die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und lit. b BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), wobei es - unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) - nur die geltend gemachten Vorbringen prüft, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2).  
Inwiefern die Vorinstanz sein rechtliches Gehör verletzt haben soll (Art. 29 Abs. 2 BV), trägt der Beschwerdeführer nicht hinreichend substanziiert vor; auf diese Rüge ist deshalb nicht einzutreten. 
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 105 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (Art. 9 BV; BGE 148 I 160 E. 3; 141 IV 317 E. 5.4; 140 III 115 E. 2). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 148 I 160 E. 3, 144 V 50 E. 4.2).  
Soweit die Ausführungen des Beschwerdeführers diesen Vorgaben nicht genügen und sich in appellatorischer Kritik erschöpfen, ist darauf nicht weiter einzugehen (vgl. BGE 136 II 101 E. 3; 133 II 249 E. 1.4.3; Urteil 2C_396/2021 vom 27. Mai 2021 E. 2.2). 
 
2.3. Noveneingaben sind vor Bundesgericht nur ausnahmsweise zulässig, wenn der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). Echte Noven, d.h. Tatsachen, die erst nach dem angefochtenen Urteil eingetreten sind, bleiben im bundesgerichtlichen Verfahren unberücksichtigt (BGE 143 V 19 E. 1.2; 140 V 543 E. 3.2.2.2).  
Der Beschwerdeführer legt seiner Beschwerde einen undatierten Vorbescheid der IV-Stelle Kanton Bern bei, wonach der am 20. August 2021 ergangene Vorbescheid dahingehend ersetzt werde, dass die Viertelsrente bereits ab 1. April 2021 (Invaliditätsgrad von 45 %) und zudem vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 eine ganze Rente (Invaliditätsgrad von 100 %) zuzusprechen sei. Zudem hat der Beschwerdeführer mit zwei Eingaben unbekannten Datums (Posteingang beim Migrationsamt des Kantons Solothurn am 3. Mai 2023 bzw. am 26. Mai 2023) unter anderem zwei Arztberichte, datierend vom 18. Mai 2022 bzw. vom 12. April 2023, sowie ein Aufgebot zum stationären Spitalaufenthalt zwecks muskuloskelettaler Rehabilitation vom 17. Mai 2023 zu den Akten gegeben. Aufgrund des Eingabezeitpunktes ist davon auszugehen, dass es sich beim undatierten Vorbescheid, ebenso wie beim letztgenannten Arztbericht vom 12. April 2023 sowie dem Spitalaufgebot vom 17. Mai 2023, um ein echtes Novum handelt. Echte Noven sind von vornherein unbeachtlich. Stellte der undatierte Vorbescheid demgegenüber ein unechtes Novum dar, hätte der Beschwerdeführer diesbezüglich ebenso wie hinsichtlich des erstgenannten Arztberichts darlegen müssen, inwiefern der angefochtene Entscheid Anlass zur Noveneingabe gegeben hat. Dies hat der Beschwerdeführer unterlassen. Die erwähnten Noven können daher nicht berücksichtigt werden. 
 
3.  
Die Niederlassungsbewilligung kann gemäss Art. 63 Abs. 1 lit. c AIG (SR 142.20) unter anderem widerrufen werden, wenn die Ausländerin oder der Ausländer oder eine Person, für die sie oder er zu sorgen hat, dauerhaft und in erheblichem Mass auf Sozialhilfe angewiesen ist. 
 
3.1. Dauerhafte und erhebliche Sozialhilfeabhängigkeit im Sinne von Art. 63 Abs. 1 lit. c AIG setzt rechtsprechungsgemäss die konkrete Gefahr einer andauernden und erheblichen Sozialhilfeabhängigkeit voraus; blosse finanzielle Bedenken genügen nicht (vgl. Urteile 2C_458/2019 vom 27. September 2019 E. 3.2; 2C_98/2018 vom 7. November 2018 E. 4.1). Neben den bisherigen und den aktuellen Verhältnissen ist auch die wahrscheinliche finanzielle Entwicklung auf längere Sicht abzuwägen. Ein Widerruf fällt in Betracht, wenn eine Person hohe finanzielle Unterstützungsleistungen erhalten hat und nicht damit gerechnet werden kann, dass sie in Zukunft selber für ihren Lebensunterhalt wird sorgen können (BGE 149 II 1 E. 4.4; Urteile 2C_181/2022 vom 15. August 2022 E. 6.1; 2C_580/2020 vom 3. Dezember 2020 E. 4.2).  
 
3.2. Gemäss gefestigter bundesgerichtlicher Rechtsprechung fallen Ergänzungsleistungen zur AHV/IV nicht unter den Begriff der Sozialhilfe. Der Bezug von Ergänzungsleistungen stellt daher keinen Widerrufsgrund im Sinne von Art. 63 Abs. 3 lit. c AIG dar (BGE 149 II 1 E. 4.5; 141 II 401 E. 6.2.3; 135 II 265 E. 3.7). Bezüglich der Frage, ob Sozialhilfeabhängigkeit im Sinne von Art. 63 Abs. 3 lit. c AIG besteht, ist auf den Zeitpunkt des angefochtenen Urteils abzustellen. Wird in diesem Zeitpunkt keine Sozialhilfe mehr bezogen, sondern Ergänzungsleistungen, ist der Widerrufsgrund nicht mehr erfüllt (BGE 149 II 1 E. 4.6 f.; Urteil 2C_642/2022 vom 7. Februar 2023 E. 3.3.1 f.).  
 
3.3. Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz haben der Beschwerdeführer und seine Familie seit Februar 2006 Unterstützungsleistungen im Umfang von Fr. 693'141.10 bezogen. Die Erheblichkeitsschwelle, die das Bundesgericht mit seiner Rechtsprechung zu Art. 63 Abs. 1 lit. c AIG entwickelt hat (vgl. Urteile 2C_716/2021 vom 18. Mai 2022 E. 2.2.1; 2C_502/2011 vom 10. April 2011 E. 4.1; 2C_672/2008 vom 9. April 2009 E. 3.3) wird klar erreicht. Der Beschwerdeführer bestreitet dies nicht.  
 
 
3.4. Der Beschwerdeführer macht jedoch sinngemäss geltend, er sei mit Blick auf die IV-Rente und die damit verbundenen Ergänzungsleistungen künftig nicht mehr von der Sozialhilfe abhängig. Dies überzeugt nicht: Im Zeitpunkt des vorinstanzlichen Entscheids bezog der Beschwerdeführer Sozialhilfe. Daran ändert weder der Vorbescheid vom 20. August 2021 noch der nicht zu berücksichtigende neuere Vorbescheid etwas (vgl. vorstehende E. 2.3). Eine IV-Rente war nicht rechtskräftig verfügt und die Prüfung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen war ebenso ausstehend. Damit hat die Vorinstanz den Widerrufsgrund der Sozialhilfeabhängigkeit zum massgeblichen Zeitpunkt ihrer Beurteilung zu Recht bejaht.  
 
4.  
Streitig ist sodann, ob es sich als verhältnismässig erweist, die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers zu widerrufen. 
 
4.1. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung muss verhältnismässig sein (vgl. Art. 96 AIG; Art. 8 Ziff. 2 EMRK). Allgemein gebietet der Grundsatz der Verhältnismässigkeit, dass die Aufenthaltsbeendigung im öffentlichen Interesse geeignet, erforderlich und zumutbar erscheint, d.h. es muss ein sachgerechtes Verhältnis von Mittel und Zweck bestehen (Urteil 2C_580/2020 vom 3. Dezember 2020 E. 5.2 mit Hinweisen). Abzuwägen ist das öffentliche Interesse an der Wegweisung gegen das private Interesse der betroffenen Person am Verbleib in der Schweiz (BGE 144 I 266 E. 3.7; 135 I 143 E. 2.1).  
Eine Verwarnung ist dann als mildere Massnahme angezeigt, wenn die Interessenabwägung den Bewilligungsentzug als unverhältnismässig erscheinen lässt (Art. 96 Abs. 2 AIG; Urteil 2C_1018/2016 vom 22. Mai 2017 E. 3.2). Eine Verwarnung kann hingegen ausbleiben, wenn aufgrund klar überwiegender öffentlicher Interessen der Bewilligungswiderruf verhältnismässig ist, die betroffene Person auf die möglichen Folgen ihres Verhaltens hingewiesen wurde oder eine nennenswerte Wirkung der Verwarnung nicht absehbar ist (vgl. Urteile 2C_1018/2016 vom 22. Mai 2017 E. 3.2 und 6.6.3; 2C_480/2013 vom 24. Oktober 2013 E. 4.5.3; 2C_935/2010 vom 7 Juni 2011 E. 3.1). 
 
4.2. Massgebliche Kriterien für die Interessenabwägung sind insbesondere die Dauer der Anwesenheit, der Grad der Integration, die familiären Verhältnisse, die Wiedereingliederungschancen im Herkunftsstaat sowie die Ursachen einer allfälligen Sozialhilfeabhängigkeit und die Schwere des Verschuldens an dieser Abhängigkeit (vgl. BGE 144 I 266 E. 3.7; 139 I 16 E. 2.2; 139 I 31 E. 2.3.1; Urteile 2C_306/2022 vom 13. Juli 2022 E. 5.2; 2C_716/2021 vom 18. Mai 2022 E. 3.2.1; Urteil des EGMR Hasanbasic gegen Schweiz vom 11. Juni 2013 [Nr. 52166/09] § 53 und 55). Die Niederlassungsbewilligung eines Ausländers, der sich seit langer Zeit in der Schweiz aufhält, soll nur mit besonderer Zurückhaltung widerrufen werden (Urteile 2C_836/2022 vom 22. März 2022 E. 4.2; 2C_782/2019 vom 10. Februar 2020 E. 3.1).  
Das öffentliche Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung einer Person, die von der Sozialhilfe abhängig ist, besteht in erster Linie darin, eine zusätzliche künftige Belastung der öffentlichen Wohlfahrt zu vermeiden (Urteile 2C_181/2022 vom 15. August 2022 E. 6.1; 2C_306/2022 vom 13. Juli 2022 E. 5.2; 2C_452/2020 vom 14. Oktober 2020 E. 3.2). Der Schwerpunkt der Interessenabwägung liegt daher auf der gegenwärtigen Situation unter Berücksichtigung der künftigen Entwicklung, wobei der gesamte Zeitraum des Sozialhilfebezugs als Indiz miteinbezogen wird (vgl. Urteile 2C_716/2021 vom 18. Mai 2022 E. 3.2.1; 2C_1018/2016 vom 22. Mai 2017 E. 6.3.2). 
 
5.  
Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass der Widerruf der Niederlassungsbewilligung verhältnismässig sei. Demgegenüber macht der Beschwerdeführer insbesondere ein fehlendes Selbstverschulden und überwiegende private Interessen geltend. 
 
5.1. Das öffentliche Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung ist, wie dies die Vorinstanz korrekt erwog, hoch. Es ergibt sich in erster Linie aus dem langjährigen und hohen Sozialhilfebezug des Beschwerdeführers im Umfang von Fr. 693'141.10.  
Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang allerdings, ob die Sozialhilfeabhängigkeit durch Ursachen zu erklären ist, die das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung mindern (vgl. vorstehende E. 4.2). Der Beschwerdeführer bringt hierzu vor, die Sozialhilfeabhängigkeit sei durch gesundheitliche Beeinträchtigungen bedingt und habe somit nicht als selbstverschuldet zu gelten. 
Die Vorinstanz stellte für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers auf die IV-Verfahren ab, was das Willkürverbot nicht verletzt (vgl. vorstehende E. 2.2; Urteile 2C_43/2022 vom 18. Januar 2023 E. 4.3.2; 2C_525/2020 vom 7. Oktober 2020 E. 4.2.3; 2C_1048/2017 vom 13. August 2018 E. 3.4). Selbst im Vorbescheid vom 20. August 2021 ging die IV-Stelle noch davon aus, dass der Beschwerdeführer einer angepassten körperlich leichten wechselbelastenden Tätigkeit mit einem Pensum von 6 Stunden pro Tag an 5 Tagen pro Woche und einer Leistungsfähigkeit von 85 % nachgehen könne. Trotzdem hat sich der Beschwerdeführer gemäss Feststellungen der Vorinstanz während Jahren nicht um Stellen bemüht. Die gegenwärtige gesundheitliche Situation des Beschwerdeführers vermag allerdings das Selbstverschulden ein Stück weit zu relativieren (vgl. vorstehende E. 4.2) : Zu Recht verweist der Beschwerdeführer auf einen neurologischen Bericht vom 3. Februar 2022, der ihm eine Arbeitsunfähigkeit attestierte. Auch die IV-Stelle schloss gestützt darauf am 16. März 2022 ihre Eingliederungsbemühungen ab. Zudem erhält der Beschwerdeführer zur Alltagsbewältigung offensichtlich Unterstützung durch die Spitex und eine Wohnbegleitung (Art. 105 Abs. 2 BGG). Vor dem Hintergrund, dass sich der Beschwerdeführer zuvor nicht um eine angepasste Tätigkeit bemühte, erweist sich die langjährige und erhebliche Sozialhilfeabhängigkeit dennoch als grösstenteils selbstverschuldet. 
 
5.2. Am Widerruf der Niederlassungsbewilligung bestehen weitere öffentliche Interessen: Nach den Feststellungen der Vorinstanz sind Schulden im Umfang von Fr. 86'346.21 verzeichnet. Ausserdem wurde der Beschwerdeführer im Jahr 2011 strafrechtlich verurteilt. Diese Umstände wiegen weniger schwer als die Sozialhilfeabhängigkeit, sind in der Gesamtschau aber dennoch zulasten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen.  
 
5.3. Der Beschwerdeführer macht dagegen überwiegende private Interessen geltend: Er pflege regelmässigen Kontakt zu seinen Kindern, die ihn auch unterstützten. Ohnehin sei er zur Bewältigung des alltäglichen Lebens auf die Hilfe von Drittpersonen angewiesen. In der Türkei habe er niemanden, der ihm behilflich sein könne. Schliesslich sei er als Kurde und aufgrund seiner früheren politischen Tätigkeiten in der Türkei gefährdet.  
 
5.3.1. Um das Gewicht des privaten Interesses am Verbleib in der Schweiz zu beurteilen, sind zunächst die Aufenthaltsdauer und die Integration in der Schweiz zu berücksichtigen.  
Der Beschwerdeführer lebte im Entscheidzeitpunkt seit 29 Jahren und damit bereits sehr lange in der Schweiz. Am Verbleib besteht folglich ein erhebliches privates Interesse (vgl. BGE 144 I 266 E. 3.9). Allerdings fällt die schlechte wirtschaftliche, soziale und sprachliche Integration des Beschwerdeführers negativ ins Gewicht (vgl. Urteile 2C_836/2022 vom 22. März 2023 E. 4.3.3; 2C_43/2022 vom 18. Januar 2023 E. 4.4). Zwar war der Beschwerdeführer während der ersten Hälfte seines Aufenthalts erwerbstätig, seit dem Jahr 2006 waren er und seine Familie aber grösstenteils von der Sozialhilfe abhängig. Hinzu kommen Schulden im Umfang von Fr. 86'346.21 sowie eine - länger zurückliegende und deshalb zu relativierende - strafrechtliche Verurteilung aus dem Jahr 2011. 
Soziale Kontakte ausserhalb seiner Kernfamilie, von der er seit Dezember 2017 getrennt lebt, werden nicht behauptet. Zu seinen minderjährigen Kindern liegt nach den Feststellungen der Vorinstanz keine enge Beziehung vor. Die Behauptung des Beschwerdeführers, wonach regelmässige Kontakte stattfänden, wird weder substanziiert vorgetragen noch belegt (vgl. vorstehende E. 2.2). Selbst wenn solche Kontakte bestünden, könnte der Beschwerdeführer diese im Rahmen von Kurzaufenthalten, Ferienbesuchen oder über die modernen Kommunikationsmittel vom Ausland her aufrechterhalten (vgl. BGE 144 I 91 E. 5.1; 143 I 21 E. 5.3; Urteil 2C_726/2021 vom 8. Juni 2022 E. 4.7.1). 
 
5.3.2. Schliesslich konnte der Beschwerdeführer bisher keine Landes- sprache erwerben. Er macht hierzu geltend, er sei Analphabet, was ihm den Spracherwerb verunmögliche. Zwar bleiben die Ursachen der fehlenden Deutschkenntnisse unklar. Gleichwohl wäre es dem Beschwerdeführer während seines Aufenthalts von 29 Jahren in der Schweiz zumutbar gewesen, sich zu bemühen, Deutsch zu erlernen oder zumindest die Voraussetzungen dafür zu verbessern. Die Feststellung der Vorinstanz, wonach Bemühungen zur sprachlichen Integration nicht hinreichend belegt seien, sind unter dem Blickwinkel des Willkürverbots nicht zu beanstanden (vgl. vorstehende E. 2.2). Inwiefern die Vorinstanz in diesem Zusammenhang Art. 58a Abs. 2 AIG verletzt haben sollte, wie es der Beschwerdeführer behauptet, ist nicht ersichtlich.  
 
5.3.3. Sodann ist der Zumutbarkeit der Rückkehr und der Qualität des Bezugs zum Herkunftsstaat Rechnung zu tragen. Der Beschwerdeführer beruft sich zunächst auf seinen früheren Flüchtlingsstatus. Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer vor fast 20 Jahren auf seine Flüchtlingseigenschaft verzichtet. Inwiefern er heute (wieder) persönlich und konkret gefährdet sein soll, substanziiert er nicht (vgl. Urteile 2C_967/2021 vom 23. Januar 2023 E. 7.4; 2C_293/2020 vom 24. Juli 2020 E. 5.1 und 5.5).  
Mit Blick auf sein Alter, seine gesundheitliche Situation sowie seinen Unterstützungsbedarf trifft die Rückkehr den Beschwerdeführer sicherlich hart. Die Vorinstanz hat angenommen, dass der Beschwerdeführer über ein soziales Netz in der Türkei verfügt. Diese Feststellung ist verbindlich, da sie jedenfalls nicht offensichtlich willkürlich ist und der Beschwerdeführer keine dahingehende, hinreichend substanziierte Rüge erhebt (vgl. Art. 105 Abs. 1 BGG). Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass der Beschwerdeführer nach seinem langen Aufenthalt in der Schweiz über kein nennenswertes soziales Netz im Herkunftsstaat mehr verfügt, erwiese sich eine Rückkehr als zumutbar. Der Beschwerdeführer hat bis ins Alter von 29 Jahren im Herkunftsstaat gelebt und spricht die Landessprache. Zudem kann angenommen werden, dass gewisse Unterstützungsstrukturen vorhanden sind, selbst wenn diese nur ein geringeres Versorgungsniveau gewährleisten sollten (vgl. BGE 139 II 393 E. 6; Urteil 2C_716/2021 vom 18. Mai 2022 E. 3.4.2). Von einer Unzumutbarkeit der Rückkehr kann folglich trotz Schwierigkeiten nicht ausgegangen werden. 
 
5.4. Zusammenfassend ergibt sich, dass der Beschwerdeführer langfristig von der Sozialhilfe abhängig ist und eine wirtschaftliche Unabhängigkeit zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils nicht absehbar war. Der Beschwerdeführer hat sich über Jahre hinweg trotz (teilweiser) Arbeitsfähigkeit nicht um Stellen bemüht. Zwei Verwarnungen im Jahr 2010 bzw. 2012 sowie ein abgewiesenes Gesuch um Kantonswechsel im Jahr 2019 haben keine Verhaltensänderung bewirkt. Obschon die jüngsten Entwicklungen sein Verschulden teilweise relativieren, besteht ein erhebliches öffentliches Interesse am Widerruf der Niederlassungsbewilligung. Der Beschwerdeführer ist gemessen an seinem langjährigen Aufenthalt kaum integriert. Zudem liegen für die Rückkehr in den Herkunftsstaat keine unüberwindbaren Hindernisse vor, obschon sie mit Schwierigkeiten verbunden sein dürfte. Seine Bindung zur Schweiz und zu den hier ansässigen Kindern ist eher schwach ausgeprägt. Das private Interesse am Verbleib vermag daher nicht zu überwiegen. Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung erweist sich als verhältnismässig (vgl. Urteil 2C_43/2022 vom 18. Januar 2023 E. 4.5).  
 
6.  
Soweit sich der Beschwerdeführer zusätzlich auf den Grundsatz von Treu und Glauben beruft (Art. 9 BV), kann ihm nicht gefolgt werden: Weder die Erteilung einer Bewilligung noch die Verlängerung der (rein deklaratorischen) Kontrollfrist begründen für sich genommen ein schutzwürdiges Vertrauen (Urteile 2D_37/2018 vom 29. Oktober 2018 E. 4.1; bzw. 2C_1060/2020 vom 19. Februar 2021 E. 3.3; je mit Hinweisen). Das Gleiche muss für die Bewilligung des Kantonswechsel im März 2018 gelten. Hinzu kommt, dass die zuständigen Behörden zwei Verwarnungen ausgesprochen und im Oktober 2019 einen Kantonswechsel mit Verweis auf den Widerrufsgrund der Sozialhilfeabhängigkeit verweigert haben. Vor diesem Hintergrund besteht kein schutzwürdiges Vertrauen im Sinne von Art. 9 BV
 
7.  
 
7.1. Der angefochtene Entscheid verletzt somit weder Konventions- noch Bundesrecht. Die Beschwerde ist unbegründet und deshalb abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Es besteht keine Veranlassung, auf den Eventualantrag einzugehen.  
 
7.2. Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der unterliegende Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da er jedoch bedürftig ist und seine Beschwerde aufgrund der langjährigen Landesanwesenheit nicht zum Vornherein als aussichtslos zu gelten hatte, kann seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung entsprochen werden (vgl. Art. 64 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen. 
 
3.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
4.  
Dem Beschwerdeführer wird Rechtsanwalt Ismet Bardakci, Bern, als unentgeltlicher Rechtsbeistand beigegeben; es wird diesem aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 31. Juli 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: F. Weber