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[AZA] 
I 307/99 Md 
 
II. Kammer  
 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Leuzinger und neben- 
amtlicher Richter Zollikofer; Gerichtsschreiberin Glanzmann 
 
Urteil vom 2. März 2000  
 
in Sachen 
 
C.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsan- 
walt W.________, 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Graubünden, Ottostrasse 24, Chur, 
Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur 
 
    A.- Die 1953 geborene C.________ leidet seit September 
1987 an Druckdolenz im rechten Handgelenk. Am 10. Januar 
1996 erlitt sie zudem beim Betten eine Quetschung am Mit- 
telfinger der linken Hand. Auf Grund anhaltender 
Beschwerden meldete sie sich am 29. August 1997 bei der 
Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle 
des Kantons Graubünden holte bei den Winterthur Ver- 
 
I 307/99 Md 
sicherungen, bei welchen sich C.________ infolge des 
Ereignisses vom 10. Januar 1996 ebenfalls für Versicher- 
ungsleistungen angemeldet hatte, verschiedene medizinische 
Akten ein. Im Weiteren zog sie den Bericht des Dr. 
M.________ vom 8. Dezember 1997 bei und beauftragte auf 
Anraten des Dr. O.________ den Handchirurgen Dr. P.________ 
mit einem spezialärztlichen Gutachten, welches dieser am 
17. März 1998 erstattete. Gestützt auf diese Unterlagen 
verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 30. November 1998 
einen Rentenanspruch, da die Versicherte kein Jahr lang 
ohne wesentlichen Unterbruch in rentenbegründendem Ausmass 
arbeitsunfähig gewesen und weiterhin nicht sei. 
 
    B.- Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwal- 
tungsgericht des Kantons Graubünden ab (Entscheid vom 
9. März 1999). 
 
    C.- C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde 
führen mit dem Begehren, der kantonale Entscheid und die 
Verfügung der IV-Stelle vom 30. November 1998 seien auf- 
zuheben und es sei ihr eine halbe Invalidenrente zuzu- 
sprechen; eventuell sei die Sache an das Verwaltungsgericht 
zur neuen Beurteilung zurückzuweisen. 
    Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsge- 
richtsbeschwerde schliesst, hat sich das Bundesamt für So- 
zialversicherungen nicht vernehmen lassen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Streitig ist der Anspruch auf eine halbe Invali- 
denrente. 
 
    2.- a) Die Vorinstanz hat die massgeblichen gesetzli- 
chen Bestimmungen über den Begriff der Invalidität (Art. 4 
Abs. 1 IVG) sowie die Voraussetzungen und den Umfang des 
Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 1bis IVG) zutref- 
fend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen zum Be- 
griff und Grad der Arbeitsunfähigkeit (BGE 114 V 283 
Erw. 1c und d, je mit Hinweisen) sowie über die dabei den 
ärztlichen Auskünften zukommende Bedeutung (BGE 115 V 134 
Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1). Gleiches gilt 
in Bezug auf den im Sozialversicherungsrecht allgemein gel- 
tenden Grundsatz der Schadenminderungspflicht (BGE 117 V 
278 Erw. 2b, 400, je mit Hinweisen) und Beweisgrad der 
überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 125 V 195 Erw. 2, 121 
V 47 Erw. 2a, 208 Erw. 6b mit Hinweis) sowie hinsichtlich 
des im Sozialversicherungsprozess herrschenden Untersu- 
chungsgrundsatzes mit den dazu korrelierenden Mitwirkungs- 
pflichten der Parteien (BGE 125 V 195 Erw. 2, 122 V 158 
Erw. 1a) und der von diesen zu tragenden Beweislast (BGE 
117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen). Korrekt wiedergegeben ist 
schliesslich auch die Rechtsprechung zum Beweiswert von 
ärztlichen Berichten und Gutachten (BGE 122 V 160 Erw. 1c 
mit Hinweisen) sowie zur Erwerbslosigkeit aus invaliditäts- 
fremden Gründen (BGE 107 V 21 Erw. 2c; ZAK 1991 S. 321 
Erw. 3c, 1989 S. 315 f.). Darauf kann verwiesen werden. 
 
    b) Zu ergänzen ist, dass der Rentenanspruch nach 
Art. 28 IVG u.a. frühestens in dem Zeitpunkt beginnt, in 
dem der Versicherte während eines Jahres ohne wesentlichen 
Unterbruch durchschnittlich mindestens zu 40 % arbeitsun- 
fähig gewesen war (Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG). Keine Rolle 
spielt, wie hoch der Grad der bestehenden Arbeitsunfähig- 
keit anfänglich war, sofern er nur die Erheblichkeits- 
schwelle von jedenfalls 25 % erreicht (Meyer-Blaser, 
Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, Zürich 1997, 
S. 235; vgl. auch BGE 121 V 268 Erw. 3b mit Hinweis). 
    Die Wartezeit nach Art. 29 Abs. 1 IVG wird unter- 
brochen, wenn der Versicherte an mindestens 30 aufeinander- 
folgenden Tagen voll arbeitsfähig war (Art. 29ter IVV). Ein 
Unterbruch kann nur dann angenommen werden, wenn während 
mindestens 30 aufeinanderfolgenden Tagen eine wirtschaft- 
lich verwertbare Arbeitsfähigkeit bestand, ohne Rücksicht 
auf die Entlöhnung (Meyer-Blaser, a.a.O., S. 236 mit Hin- 
weis auf die Rechtsprechung). 
    Eine weitere Voraussetzung für den Rentenanspruch ist 
sodann, dass der Versicherte bei Ablauf der Wartefrist 
weiterhin erwerbsunfähig ist (vgl. BGE 121 V 272 Erw. 6a). 
Ferner ist der Zeitpunkt, in welchem die Anmeldung zum 
Leistungsbezug (Art. 46 IVG) eingereicht wird, nur für den 
Beginn der Rentenauszahlung massgebend (Art. 48 Abs. 2 
IVG), nicht aber für den Rentenanspruch als solchen, wes- 
halb auch vor der Anmeldung liegende Zeiten von Arbeitsun- 
fähigkeit (Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG) zu berücksichtigen 
sind (Meyer-Blaser, a.a.O., S. 238 mit Hinweis auf die 
Rechtsprechung). 
 
    3.- Die Beschwerdeführerin wirft dem kantonalen Ge- 
richt vor, den rechtserheblichen Sachverhalt unrichtig und 
unvollständig dargestellt zu haben. Insbesondere hätten 
Vorinstanz und Verwaltung einzig auf das Gutachten des Dr. 
P.________ vom 17. März 1998 abgestellt und dabei ausser 
Acht gelassen, dass dieses in auffälligem Widerspruch zur 
Beurteilung des Dr. M.________ vom 30. August 1995 und der 
Einschätzung der anderen Ärzte stehe. 
 
    4.- Der Auffassung der Beschwerdeführerin kann nicht 
gefolgt werden. 
 
    a) In dem von den Winterthur-Versicherungen der IV- 
Stelle zur Verfügung gestellten Bericht des Dr. P.________ 
vom 19. September 1994 diagnostizierte dieser an der 
rechten Hand ein Interosseus-Syndrom. Nach seiner Meinung 
sollte die Patientin "zu 50 % arbeiten und dabei nur jene 
Tätigkeiten ausüben, die sie ohne Schmerzen durchführen 
kann". Nähere zeitliche Angaben über die Dauer der Arbeits- 
unfähigkeit sind dem besagten Bericht nicht zu entnehmen. 
Dr. M.________ erwähnt in seiner - ebenfalls bei den 
Winterthur-Versicherungen eingeholten - Stellungnahme vom 
30. August 1995 einen angeblichen Handgelenkbruch rechts 
vor rund 22 Jahren. Er diagnostizierte einen chronischen, 
diffusen Handgelenkschmerz rechts bei Thoracic-Outlet-Syn- 
drom rechts und stufte die Arbeitsunfähigkeit auf "weiter- 
hin 50 %" ein, ohne jedoch eine Aussage zur Dauer zu 
machen. Erst im Gutachten des Dr. P.________ vom 17. März 
1998, welches schlüssig begründet ist, werden die Angaben 
zur Arbeitsunfähigkeit konkreter. So erhellt daraus, dass 
die Versicherte vom 17. November 1994 bis 5. Januar 1995 zu 
100 % arbeitsunfähig war. Eine weitere vollständige 
Arbeitsunfähigkeit bestand von November 1996 bis ca. Mitte 
Mai 1997 wegen einer Operation am linken Mittelfinger- 
Grundgelenk. Diese Feststellung deckt sich mit dem ärzt- 
lichen Zeugnis des Dr. O.________ vom 6. Dezember 1996 zu 
Handen der Winterthur-Versicherungen (in Verbindung mit 
dessen Nachtrag vom 7. Februar 1997) sowie mit seinen Ein- 
tragungen im Unfallschein betreffend das Ereignis vom 
10. Januar 1996, wonach die Beschwerdeführerin mit Wirkung 
ab Mitte November 1996 zu 100 % arbeitsunfähig war. Laut 
den weiteren Eintragungen im Unfallschein dauerte die voll- 
ständige Arbeitsunfähigkeit bis 15. April 1997; danach 
betrug sie bis 30. Mai 1997 noch 50 %. In der Zeit ab 
1. Juni 1997 ist keine Arbeitsunfähigkeit mehr ausgewiesen. 
Etwas anderes wird auch seitens der Beschwerdeführerin 
nicht behauptet. Im Gegenteil hielt Dr. P.________ im 
Gutachten vom 17. März 1998 ausdrücklich fest, abgesehen 
von der Arbeitsunfähigkeit von November 1994 bis anfangs 
1995 und November 1996 bis Mai 1997 sei der Versicherten 
die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Buchhalterin stets 
zumutbar gewesen. Tatsächlich lässt sich den Akten denn 
auch entnehmen, dass sie im Zeitraum vom 1. April 1994 bis 
29. Februar 1996 mit einem - auf eigenen Wunsch redu- 
zierten - Pensum von 50 % in der Debitorenbuchhaltung des 
Kantons Graubünden, in welcher Abteilung sie seit 1. März 
1989 (zu 100 %) arbeitete, beschäftigt war. Vom 15. April 
bis 21. Juni 1996 war sie temporär, je nach Arbeitsanfall, 
50-100 % als kaufmännische Angestellte tätig. Am 1. Juli 
1996 trat sie eine Halbtagsstelle als Büroangestellte an, 
wobei das Arbeitsverhältnis noch während der Probezeit auf 
den 6. September 1996 aufgelöst wurde. Im April und von 
September bis November 1996 sowie wieder im April und Mai 
1997 bezog sie Leistungen der Arbeitslosenversicherung 
unter Berücksichtigung der in dieser Zeit erzielten 
Zwischenverdienste. 
 
    b) Aus dem Gesagten ergibt sich, dass im Zeitraum seit 
der ersten ärztlichen Beurteilung des Dr. P.________ vom 
19. September 1994 bis zu dessen Gutachten vom 17. März 
1998 keine im Wesentlichen ununterbrochene Arbeitsunfähig- 
keit von mindestens 40 % während eines Jahres vorliegt. 
Zwischen den Phasen der gesundheitlich bedingten Arbeits- 
unfähigkeit war die Beschwerdeführerin immer wieder für 30 
Tage oder mehr arbeitsfähig. Der Umstand, dass sich weder 
Dr. P.________ im Bericht vom 19. September 1994 noch Dr. 
M.________ in demjenigen vom 30. August 1995 näher zur 
Dauer der Arbeitsunfähigkeit geäussert haben, führt zu 
keinem anderen Ergebnis. Denn gemäss Abwesenheitskontrolle 
des Personal- und Organisationsamtes des Kantons Graubünden 
ist in der fraglichen Zeitspanne kein relevanter Arbeits- 
unterbruch zu verzeichnen. 
    Ein Rentenanspruch ist demzufolge - zumindest bis zum 
Datum der angefochtenen Verfügung vom 30. November 1998, 
welches rechtsprechungsgemäss die zeitliche Grenze der 
richterlichen Prüfungsbefugnis bildet (BGE 121 V 366 
Erw. 1b mit Hinweisen) - nicht entstanden, und entgegen der 
Ansicht der Verwaltung stellt sich daher auch die Frage 
nicht, ob sich die Beschwerdeführerin hinsichtlich des 
möglichen Rentenbeginns verspätet angemeldet hat (Art. 48 
Abs. 2 IVG). Der kantonale Entscheid ist somit im Ergebnis 
nicht zu beanstanden, weshalb sich die Verwaltungsgerichts- 
beschwerde auch in Bezug auf den Vorwurf der unrichtigen 
und unvollständigen Darstellung und Würdigung des Sachver- 
halts als unbegründet erweist. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge- 
    richt des Kantons Graubünden, der Ausgleichskasse des 
    Kantons Graubünden und dem Bundesamt für Sozialver- 
    sicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 2. März 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Vorsitzende der II. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: