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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1C_26/2009 
 
Urteil vom 27. Februar 2009 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Raselli, Fonjallaz, 
Gerichtsschreiber Haag. 
 
1. Parteien 
X.________, 
2. Stockwerkeigentümergemeinschaft Y.________, handelnd durch Noetzli Immobilien-Treuhand AG, 
3. Stockwerkeigentümergemeinschaft Z.________, handelnd durch Casag Verwaltungs AG, 
Beschwerdeführer, alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Franz Hess, 
 
gegen 
 
A.________ AG, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Beat Zelger, 
Regierungsrat des Kantons Nidwalden, Dorfplatz 2, 6371 Stans. 
 
Gegenstand 
Kiesabbau - Wassernutzungsrechte, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 23. Juni 2008 des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die A.________ AG verfügt über ein bis zum 31. Dezember 2008 befristetes Recht zum Abbau von Sand, Kies und Steinen im Vierwaldstättersee vor Stansstad. Am 22. Februar 2005 ersuchte sie unter anderem um Erneuerung des Rechts zur Kiesausbeutung im Seebecken vor Stansstad, um Erweiterung des Abbauperimeters, um Verleihung des Rechts zur Aufschüttung/Renaturierung eines Gebiets im Alpnachersee (neue Flachwasserzone) sowie um Baubewilligung für die einzelnen Teilprojekte. Das Gesuch mit Umweltverträglichkeitsbericht wurde am 5. Oktober 2005 öffentlich aufgelegt. X.________, die Stockwerkeigentümergemeinschaften Y.________ und Z.________ sowie die Sun Beach Immobilien AG erhoben Einsprache gegen das Vorhaben. 
In der ersten Hälfte 2007 nahm die Holcim verschiedene Projektanpassungen vor, dies namentlich auch aufgrund einer Begutachtung des Vorhabens durch die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK) und die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege (EKD). 
Mit Beschluss vom 21. August 2007 wies der Regierungsrat des Kantons Nidwalden die Einsprache ab. Er erteilte gleichzeitig die Bewilligung zur Ausbeutung von Kies, Sand und andern Materialien nach Art. 44 GSchG (SR 814.20), die Verleihung zum Bezug von Steinen, Kies und Sand aus dem Seegebiet vor Stansstad nach Art. 26 Abs. 1 Ziff. 2 des kantonalen Wasserrechtsgesetzes vom 30. April 1967 (WRG/NW) sowie die Verleihung zum Wasserbezug aus dem Vierwaldstättersee nach Art. 26 Abs. 1 Ziff. 5 WRG/NW, dies für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2019. Sodann wurden Aufschüttungs- und Renaturierungsmassnahmen im Alpnachersee bewilligt und verschiedene Bedingungen und Auflagen angeordnet. 
Gegen diese Beschlüsse des Regierungsrats erhoben die Einsprecher Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden. Dessen Verwaltungsabteilung ist mit Urteil vom 23. Juni 2008 auf die Beschwerde nicht eingetreten. 
 
B. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 19. Januar 2009 beantragen X.________ sowie die Stockwerkeigentümergemeinschaften Y.________ und Z.________, das Urteil vom 23. Juni 2008 sei aufzuheben. 
Der Regierungsrat des Kantons Nidwalden und die private Beschwerdegegnerin beantragen, die Beschwerde sei abzuweisen. Das Verwaltungsgericht verzichtet auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, mit welchem auf eine Beschwerde gegen die Konzessionierung und Bewilligung der Kiesausbeutung nicht eingetreten wurde, weil die Beschwerdeführer mangels genügender Betroffenheit durch das Vorhaben nicht zur Beschwerde legitimiert seien. Das Urteil des Verwaltungsgerichts stützt sich auf öffentliches Recht (vgl. Art. 82 lit. a BGG) und stellt einen kantonalen Endentscheid dar (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 i.V.m. Art. 90 BGG). 
Die Beschwerdeführer machen geltend, das Verwaltungsgericht sei auf ihre Beschwerde zu Unrecht nicht eingetreten und habe somit ihre Parteirechte verletzt. Sie berufen sich auf Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG (SR 700) sowie die Art. 95 bis 98 und 111 Abs. 1 BGG. Zu dieser Rüge sind sie nach Art. 89 BGG befugt, ungeachtet ihrer Legitimation in der Sache. Auf die rechtzeitig erhobene Beschwerde ist daher grundsätzlich einzutreten. 
 
2. 
2.1 Gemäss Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG gewährleistet das kantonale Recht gegen Verfügungen betreffend die Raumplanung (z.B. Baubewilligungen gemäss Art. 22 RPG) die Legitimation mindestens im gleichen Umfang wie für die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht. Ferner schreibt Art. 111 BGG in Fortführung von Art. 98a des früheren Bundesrechtspflegegesetzes vom 16. Dezember 1943 (OG) die Einheit des Verfahrens vor: Wer zur Beschwerde an das Bundesgericht berechtigt ist, muss sich am Verfahren vor allen kantonalen Vorinstanzen als Partei beteiligen können (Art. 111 Abs. 1 BGG); die unmittelbare Vorinstanz des Bundesgerichts muss grundsätzlich mindestens die Rügen nach den Art. 95-98 BGG prüfen können (Art. 111 Abs. 3 BGG). Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass die kantonalen Behörden die Rechtsmittelbefugnis nicht enger fassen dürfen, als dies für die Beschwerde an das Bundesgericht vorgesehen ist (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_379/2008 vom 12. Januar 2009 E. 3.2 mit Hinweisen). Zur Beurteilung, ob das Verwaltungsgericht die Beschwerdeführer vom Rechtsmittel ausschliessen durfte, ist im vorliegenden Fall die Beschwerdeberechtigung nach den Grundsätzen von Art. 89 Abs. 1 BGG, welche mit denjenigen des bisherigen Art. 103 lit. a OG übereinstimmen, zu prüfen. Wäre die Beschwerdeführerin befugt, gegen einen Sachentscheid über das umstrittene Vorhaben auf den Parzellen Nrn. 5042 und 5043 beim Bundesgericht Beschwerde zu führen, so muss das Verwaltungsgericht auf ihr Rechtsmittel eintreten. 
 
2.2 Zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist nach Art. 89 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a); durch den angefochtenen Entscheid oder Erlass besonders berührt ist (lit. b); und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (lit. c). Die Voraussetzungen von Art. 89 Abs. 1 lit. b und lit. c BGG hängen eng zusammen; insgesamt kann insoweit an die Grundsätze, die zur Legitimationspraxis bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach Art. 103 lit. a OG entwickelt worden sind (vgl. BGE 120 Ib 48 E. 2a S. 51 f., 379 E. 4b S. 386 f.), angeknüpft werden. Will der Nachbar eine Baubewilligung anfechten, muss er glaubhaft darlegen, dass er namentlich in räumlicher Hinsicht eine besondere Beziehungsnähe zum Streitgegenstand aufweist und dass seine tatsächliche oder rechtliche Situation durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst werden kann (BGE 133 II 249 E. 1.3.1 S. 252). Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht ohne Weiteres ersichtlich ist, dass die gesetzlichen Legitimationsvoraussetzungen gegeben sind (BGE 133 II 249 E. 1.1 S. 251) Bei der Beurteilung der Beschwerdelegitimation ist eine Würdigung aller rechtlich erheblichen Sachverhaltselemente vorzunehmen. Eine besondere Betroffenheit wird vor allem in Fällen bejaht, in welchen von einer Anlage mit Sicherheit oder grosser Wahrscheinlichkeit Immissionen auf das Nachbargrundstück ausgehen (BGE 121 II 171 E. 2b S. 174; 120 Ib 379 E. 4c S. 387) oder die Anlage einen besonderen Gefahrenherd darstellt und die Anwohner einem besonderen Risiko ausgesetzt werden (BGE 120 Ib 379 E. 4d S. 388). 
 
2.3 Das Verwaltungsgericht hat auf den Umstand abgestellt, dass die Beschwerdeführer ihre Beziehungsnähe zum umstrittenen Vorhaben nicht hinreichend belegt hätten. Ihre Grundstücke befänden sich 120 und 140 m von der neu festgelegten Abbaugrenze. Sie legten nicht näher dar, inwiefern sie von den Beschlüssen des Regierungsrats stärker als jedermann betroffen seien, verfolgten lediglich Interessen der Allgemeinheit und belegten keine Beschränkung ihrer Eigentumsrechte. Auch sei kein praktischer Nutzen ersichtlich, welcher den Beschwerdeführern durch die Aufhebung der regierungsrätlichen Entscheide entstehen könnte. 
 
2.4 Die räumliche Distanz des Nachbarn zu einem umstrittenen Vorhaben ist ein Kriterium für die Beurteilung der Beschwerdebefugnis. Allerdings kommt es nicht auf abstrakt bestimmte Distanzwerte an (vgl. Urteil des Bundesgerichts 1C_133/2008 vom 6. Juni 2008 E. 2.4 mit Hinweisen). Die Beschwerdeführer legten in ihrer Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Verwaltungsgericht dar, dass sie aufgrund ihrer Nähe zum Kiesabbauprojekt von dessen Auswirkungen in schutzwürdigen Interessen direkt betroffen seien, weshalb der Regierungsrat ihre Legitimation uneingeschränkt bejaht habe. 
Die Grundstücke der Beschwerdeführer stossen direkt an das Seeufer an, und der umstrittene Kiesabbau soll unmittelbar vor ihren Wohnungen in einer Distanz von weniger als 200 m stattfinden. Bereits durch diese räumlichen Verhältnisse erscheinen die Beschwerdeführer vom beanstandeten Vorhaben besonders berührt. Sie haben nicht nur eine direkte Sichtverbindung zum schwimmenden Bagger, der das Material entnimmt, sondern können auch die entstehenden Lärmimmissionen hörbar wahrnehmen, wie sich aus dem Bericht zu den Lärmmessungen vom 24. Februar 2003 ergibt (intern: kant. Akten, Amt f. Umwelt, Ordner 2 act. 16). Angesichts dieser offensichtlichen Sachumstände und der Tatsache, dass die Beschlüsse des Regierungsrats ohne Vorbehalte an der Beschwerdeberechtigung der Einsprecher ergingen, kann der Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Beschwerdeführer hätten ihre Legitimation nicht hinreichend belegt, nicht gefolgt werden. Die besondere Beziehungsnähe liegt vielmehr offensichtlich vor und der praktische Nutzen für die Beschwerdeführer an der Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse besteht unter anderem in der Vermeidung unerwünschter Lärmimmissionen, ohne dass hierzu weitere Erörterungen nötig wären. Von den Beschwerdeführern in dieser klaren Situation eine vertiefte Begründung ihrer Beschwerdeberechtigung zu verlangen, erscheint nicht gerechtfertigt. Mit seinem Nichteintretensentscheid hat das Verwaltungsgericht somit höhere Anforderungen an die Beschwerdelegitimation als das Bundesgericht gestellt, was im Lichte von Art. 111 BGG unzulässig ist. 
 
3. 
Es ergibt sich, dass die vorliegende Beschwerde gutzuheissen ist. Der angefochtene Entscheid wird aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zur weiteren Behandlung zurückgewiesen (Art. 107 Abs. 2 BGG). Bei diesem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens sind die Gerichtskosten für das bundesgerichtliche Verfahren der A.________ AG als unterliegende Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Die A.________ AG hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
Mit dem vorliegenden Urteil wird das Gesuch der Beschwerdeführer um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden vom 23. Juni 2008 aufgehoben. Die Angelegenheit wird zur materiellen Prüfung der Beschwerde vom 17. September 2007 an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der A.________ AG auferlegt. 
 
3. 
Die A.________ AG hat den Beschwerdeführern eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 3'000.-- zu bezahlen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 27. Februar 2009 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber: 
 
Aemisegger Haag