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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
9C_190/2013 {T 0/2} 
 
Urteil vom 23. April 2013 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, 
Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
CSS Kranken-Versicherung AG, 
Recht & Compliance, Tribschenstrasse 21, 6005 Luzern, 
Beschwerdegegnerin, 
 
H.________, 
vertreten durch ihre Mutter. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (medizinische Massnahme), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 24. Januar 2013. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
H.________ wurde in der 26. Schwangerschaftswoche am 6. April 2011 geboren. Am 21. April 2011 meldeten sie ihre Eltern bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug wegen Geburtsgebrechen an. Gestützt auf Ziff. 247, 321, 494, 495 und 497 des Anhanges zur Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV-Anhang; SR 831.232.21) gewährte die IV-Stelle des Kantons Zürich medizinische Massnahmen (Mitteilungen vom 10. und 14. Juni sowie 15. September 2011). Hingegen wies sie nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens ein Gesuch um Übernahme von Synagis® (Palivizumab) ab mit der Begründung, das Arzneimittel diene der Prävention und nicht der Behandlung eines Geburtsgebrechens an sich (Verfügung vom 21. Oktober 2011). 
 
B. 
Dagegen erhob die CSS Kranken-Versicherung AG als obligatorische Krankenpflegeversicherung der H.________ Beschwerde. In deren Gutheissung hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Verfügung vom 21. Oktober 2011 auf und stellte fest, dass die Versicherte [aus der Invalidenversicherung] Anspruch auf Synagis® bis längstens 5. April 2012 habe (Entscheid vom 24. Januar 2013). 
 
C. 
Die IV-Stelle beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, der Entscheid vom 24. Januar 2013 sei aufzuheben und die Verfügung vom 21. Oktober 2011 zu bestätigen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Artikel 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2. 
2.1 Wie das kantonale Gericht richtig dargelegt hat, haben Versicherte laut Art. 13 IVG bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf die zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG) notwendigen medizinischen Massnahmen (Abs. 1); der Bundesrat bezeichnet die Gebrechen, für welche diese Massnahmen gewährt werden (Abs. 2 Satz 1). Die medizinischen Massnahmen umfassen u.a. die Abgabe der vom Arzt verordneten Arzneien (Art. 14 Abs. 1 lit. b IVG). Die Versicherung übernimmt die Analysen, Arzneimittel und pharmazeutischen Spezialitäten, die nach bewährter Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft angezeigt sind und den Eingliederungserfolg in einfacher und zweckmässiger Weise anstreben (Art. 4bis IVV [SR 831.201]; Art. 2 Abs. 3 GgV). 
2.2 
2.2.1 Eine Behandlungsart entspricht bewährter Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft, wenn sie von Forschern und Praktikern der medizinischen Wissenschaft auf breiter Basis anerkannt ist. Das Schwergewicht liegt auf der Erfahrung und dem Erfolg im Bereich einer bestimmten Therapie (BGE 123 V 53 E. 2b/aa S. 58; vgl. BGE 115 V 191 E. 4b S. 195 f., je mit Hinweisen). Die für den Bereich der Krankenpflege entwickelte Definition der Wissenschaftlichkeit findet prinzipiell auch auf die medizinischen Massnahmen der Invalidenversicherung Anwendung (Urteil 8C_590/2011 vom 13. Juni 2011 E. 2.4). 
2.2.2 In die durch das Bundesamt für Gesundheit erstellte Liste der pharmazeutischen Spezialitäten und konfektionierten Arzneimittel (Spezialitätenliste; Art. 52 Abs. 1 lit. b KVG; Art. 64 KVV [SR 832.102]) werden Arzneimittel aufgenommen, deren Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit nachgewiesen ist (vgl. Art. 65 ff. KVV; Art. 30 der Verordnung des EDI vom 29. September 1995 über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung [KLV; SR 832.112.31]). Die Liste kann Limitierungen, insbesondere bezüglich Menge oder medizinische Indikationen, enthalten (Art. 73 KVV). 
 
Synagis®, ein antivirales Präparat zur Prophylaxe von bestimmten Lungeninfektionen, ist seit dem 1. Oktober 2000 unter Ziff. 08.03 in der Spezialitätenliste enthalten. Es unterliegt Limitierungen und ist namentlich für die Behandlung von Kindern bis zum Alter von einem Jahr mit vorbestehender und bereits behandelter broncho-pulmonaler Dysplasie (BPD) angezeigt. 
2.2.3 Zwar hat die Invalidenversicherung grundsätzlich nicht für prophylaktische Massnahmen aufzukommen (vgl. Ziff. 1023 des Kreisschreibens über die medizinischen Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung [KSME]). Indessen fallen Heilmittel, mit welchen das geburtsgebrechensbedingte Risiko anderweitiger Krankheiten vermindert wird, in ihren Leistungsbereich. Ist eine Behandlung wegen eines Geburtsgebrechens notwendig, ist sie sowohl für die Behandlung des Geburtsgebrechens selbst als auch für die geburtsgebrechensbedingte Prävention zuständig; es findet keine Aufteilung der medizinischen Behandlung zwischen Invaliden- und Krankenversicherung statt (SVR 2011 IV Nr. 80 S. 243, 9C_530/2010 E. 5.2; Urteil 8C_590/2011 vom 13. Juni 2011 E. 4). 
 
3. 
3.1 Die Vorinstanz hat festgestellt, beim versicherten Mädchen sei das Syndrom einer hyalinen Membran (Ziff. 247 GgV-Anhang) in Form einer mittelschweren bronchopulmonalen Dysplasie diagnostiziert und mit Sauerstoff-Therapie behandelt worden. Die Oberärztin des Spitals X.________ habe in diesem Zusammenhang eine Behandlung mit Synagis® (Palivizumab) für medizinisch indiziert gehalten. Weiter hat sie erwogen, die Verabreichung von Synagis® sei eine notwendige medizinische Massnahme im Sinne von Art. 2 Abs. 3 GgV, da die Abgabe des Präparats medizinisch indiziert und im Rahmen der auf der Spezialitätenliste aufgeführten Limitatio erfolgt sei. Folglich hat sie eine Leistungspflicht der Invalidenversicherung für Synagis® bis zum 5. April 2012 bejaht. 
 
3.2 Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht geltend gemacht, dass die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen offensichtlich unrichtig sein oder auf einer Rechtsverletzung beruhen sollen. Sie bleiben daher für das Bundesgericht verbindlich (E. 1). Ebenso trifft zu, dass im konkreten Fall - anders der Sachverhalt im Urteil 8C_590/2011 vom 13. Juni 2011 (a.a.O., E. 5.1) - die Limitierungen der Spezialitätenliste (E. 2.2.2) eingehalten wurden, was denn auch die Beschwerdeführerin nicht bestreitet. 
 
3.3 Daraus, dass im Urteil 9C_530/2010 vom 31. Mai 2011 (publiziert in: SVR 2011 IV Nr. 80 S. 243) die Abgabe des Arzneimittels im Zusammenhang mit einer angeborenen Herz- und Gefässmissbildung gemäss Ziff. 313 GgV-Anhang und somit einem anderen als den hier diagnostizierten Geburtsgebrechen zu beurteilen war, kann die IV-Stelle nichts für sich ableiten: Die Limitierung auf eine vorbestehende und bereits behandelte bronchopulmonale Dysplasie steht in direktem Bezug zu Ziff. 247 GgV-Anhang. Somit war hier wie dort die Behandlung mit Synagis® durch ein Geburtsgebrechen bedingt, was für die Leistungspflicht im Sinne von Art. 13 IVG und Art. 2 Abs. 3 GgV entscheidend ist (E. 2.2). Daran ändert Ziff. 1023 KSME nichts. Einerseits ist diese Verwaltungsweisung für das Gericht nicht verbindlich (BGE 133 V 587 E. 6.1 S. 591; 133 V 257 E. 3.2 S. 258 mit Hinweisen; vgl. BGE 133 II 305 E. 8.1 S. 315). Anderseits ist nicht ersichtlich und wird auch nicht nachvollziehbar dargelegt, weshalb die Rechtsprechung (E. 2.2.2) geändert werden sollte (vgl. zu den Voraussetzung für eine Praxisänderung BGE 136 III 6 E. 3 S. 8; 135 I 79 E. 3 S. 82; 134 V 72 E. 3.3 S. 76) in dem Sinn, dass die Invalidenversicherung für prophylaktisch wirkende Medikamente ausnahmslos nie - mithin auch dann nicht, wenn wie hier deren Anwendung durch ein Geburtsgebrechen veranlasst sowie wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich ist - aufzukommen hätte. Dass dies der Wille des Gesetzgebers gewesen sein soll, ergibt sich auch nicht aus der von der Beschwerdeführerin zitierten Ausführung in der Botschaft vom 24. Oktober 1958 zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (BBl 1958 II 1178). Die Beschwerde ist unbegründet. 
 
4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, H.________, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 23. April 2013 
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann