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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
B 49/03 
 
Urteil vom 23. September 2004 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Meyer; Gerichtsschreiber Ackermann 
 
Parteien 
C.________, 1948, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Bruno Bauer, Pestalozzistrasse 2, Zentrum St. Leonhard, 9000 St. Gallen, 
 
gegen 
 
Personalvorsorgekasse der H.________ AG, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Adrian von Kaenel, Bahnhofstrasse 67, 8622 Wetzikon 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, Trogen 
 
(Entscheid vom 19. Februar 2003) 
 
Sachverhalt: 
A. 
C.________, geboren 1948, arbeitete vom 2. Februar 1995 bis zum 31. August 1995 für die Firma H.________ AG in einer von vornherein befristeten - wegen Kapazitätsengpass in der Nachtschicht geschaffenen - Aushilfsstelle. Deswegen war er in der Personalvorsorgekasse der Arbeitgeberin für die berufliche Vorsorge versichert gewesen. Noch während der Dauer dieses Anstellungsverhältnisses meldete er sich am 28. April 1995 unter Hinweis auf eine seit 1991 bestehende Behinderung bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an (ohne dass die Arbeitgeberin etwas davon wusste). Nach Vornahme von Abklärungen in erwerblicher und medizinischer Hinsicht (unter anderem Berichte des Dr. med. S.________, Spezialarzt für Innere Medizin, vom 5. Juni 1996 und des Dr. med. M.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 6. Juli 1996) verneinte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen den Anspruch auf berufliche Massnahmen in Form eines invaliditätsbedingten Arbeitstrainings, weil eine weitere Beschäftigung in geschütztem Rahmen vorgesehen sei (Verfügung vom 6. März 1997); hingegen wurde C.________ durch Verfügungen vom 14. August 1997 und - rektifiziert in Bezug auf die anwendbare Rentenskala 41 (statt bisher 40) - vom 16. Juli 1998 bei einem Invaliditätsgrad von 87 % mit Wirkung ab 1. September 1996 eine ganze Invalidenrente (mit Zusatzrenten) zugesprochen. 
B. 
Die von C.________ am 2. Mai 2002 gegen die Personalvorsorgekasse der H.________ AG erhobene Klage auf Zusprechung von Invaliditätsleistungen (unter Rückzahlung der bereits ausgerichteten Austrittsleistung) wies das Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 19. Februar 2003 ab, nachdem es einen zweifachen Schriftenwechsel durchgeführt und die unentgeltliche Verbeiständung gewährt hatte. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt C.________ die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren erneuern und wiederum die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung beantragen. 
Die Personalvorsorgekasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Richtig sind die Darlegungen des kantonalen Gerichts über die massgebenden gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf Invalidenleistungen (Art. 23 BVG; BGE 123 V 264 Erw. 1b, 120 V 116 Erw. 2b), die Höhe der Invalidenrente (Art. 24 Abs. 1 BVG) sowie den Beginn des Anspruchs auf Invalidenleistungen (Art. 26 Abs. 1 BVG in Verbindung mit Art. 29 IVG). Dasselbe gilt hinsichtlich der Rechtsprechung, wonach Vorsorgeeinrichtungen, die ausdrücklich oder unter Hinweis auf das Gesetz vom gleichen Invaliditätsbegriff ausgehen wie die Invalidenversicherung, an die Invaliditätsbemessung der Organe der Invalidenversicherung gebunden sind, wenn diese nicht offensichtlich unhaltbar ist (BGE 126 V 311 Erw. 1 in fine, 123 V 271 Erw. 2a, 120 V 109 Erw. 3c). Korrekt ist ebenfalls der Hinweis, dass eine Bindung an die Invaliditätsbemessung der IV-Stelle entfällt, wenn die Rentenverfügung der (beschwerdeberechtigten) Vorsorgeeinrichtung nicht eröffnet worden ist (BGE 129 V 73). Darauf wird verwiesen. 
2. 
Streitig und zu prüfen ist einzig, ob während des zwischen Beschwerdeführer und Beschwerdegegnerin vom 2. Februar bis 31. August 1995 bestehenden Vorsorgeverhältnisses und unter Einschluss der gesetzlichen Nachdeckungsfrist von einem Monat (Art. 10 Abs. 3 BVG), d.h. bis spätestens 30. September 1995, eine Arbeitsunfähigkeit eingetreten ist, deren Ursache zu einer rentenbegründenden Invalidität geführt hat (Art. 23 BVG). 
2.1 Der Beschwerdeführer argumentiert, die Invalidenversicherung habe den Rentenbeginn auf den 1. September 1996 festgelegt. Damit habe ein Jahr vorher, d.h. im September 1995, die Wartezeit gemäss Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG (und damit auch die Arbeitsunfähigkeit) zu laufen begonnen; zu dieser Zeit sei er jedoch wegen der gesetzlichen Nachdeckungsfrist noch bei der Beschwerdegegnerin berufsvorsorgeversichert gewesen. Die Festlegung des Eintrittes der Arbeitsunfähigkeit durch die Invalidenversicherung sei für die Organe der zweiten Säule bindend. 
Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Es steht fest und ist auch nicht bestritten, dass die Beschwerdegegnerin am invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren nicht beteiligt gewesen ist. Damit entfaltet der durch die Organe der Invalidenversicherung in grundsätzlicher, masslicher und zeitlicher Hinsicht festgesetzte Invaliditätsgrad keine Bindungswirkung für die berufliche Vorsorge; dies hat die Vorinstanz unter Hinweis auf BGE 129 V 73 zu Recht erkannt. In der Folge ist der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für die Eröffnung der Wartezeit (und damit Entstehungsbedingung für den Rentenanspruch) im Berufsvorsorgeprozess frei - nicht nur auf offensichtliche Unrichtigkeit hin - zu prüfen (vgl. Erw. 1 hievor). 
2.2 Gestützt auf die im Verfahren der Invalidenversicherung ergangenen Arbeitgeber- und Arztberichte geht die Vorinstanz davon aus, die gesundheitlichen Probleme des Beschwerdeführers (kardiologischer, psychosomatischer und depressiver Art) reichten weit in die Vergangenheit zurück. Damals habe er - von wenigen Phasen kurzer Arbeitsunfähigkeit unterbrochen - in verschiedenen Anstellungsverhältnissen jeweils voll gearbeitet, so auch - zuletzt - vom 2. Februar bis zum 31. August 1995 für die Firma H.________ AG, für welche Zeit er keine krankheitsbedingten Absenzen aufwies. Das kantonale Gericht verweist ferner auf die Widersprüchlichkeit der Angaben des Beschwerdeführers: Erklärung vom 3. Februar 1995 gegenüber der Arbeitgeberin, gesund und voll arbeitsfähig zu sein, im Vergleich zur Anmeldung bei der Invalidenversicherung vom 28. April 1995 mit Angabe gesundheitlicher Probleme seit 1991; weiter die Tatsache, dass er vom 1. September 1995 bis 21. Oktober 1996 Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezogen und sich dabei "als 100 % vermittlungsfähig" bezeichnet hatte. Alle diese Umstände liessen, so dass kantonale Gericht weiter, den Schluss nicht zu, "dass die invalidisierende Arbeitsunfähigkeit am 1. September 1995 eingetreten" sei; vielmehr liege dieser Zeitpunkt in einer relativ stabilen Phase des Gesundheitszustandes. Es lägen demnach keine greifbaren Gründe für die Annahme vor, dass die Arbeitsunfähigkeit "im Rahmen des sich über mehrere Jahre entwickelnden Krankheitsgeschehens ausgerechnet auf den 1. September 1995 eingetreten sein soll." 
 
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird dagegen eingewendet, im Bearbeitungsblatt des Berufsberaters der Invalidenversicherung vom 23. Januar 1996 werde er als "sichtbar, sogar augenfällig [recte auffällig] krank" bezeichnet und die Arbeitslosigkeit habe die bereits vorher latent bestehende Krankheit verschlimmert, wobei dieser "Teufelskreis" in der Folge nicht mehr habe unterbrochen werden können. Aus dem Arztbericht des Psychiaters Dr. med. M.________ vom 6. Juli 1996 gehe zur Prognose hervor, dass wenig Aussicht auf eine wesentliche und dauerhafte Besserung durch eine intensive Psychotherapie bestehe. Unter den gegebenen Umständen erscheine es "keineswegs als abwegig, den eigentlichen Eintritt der Arbeitsunfähigkeit auf den Zeitpunkt des endgültigen Arbeitsverlustes per Ende August 1995 festzulegen"; diesen Stellenverlust "musste der Kläger ... als einen derartigen Knick in seiner Lebensgeschichte erfahren, von welchem er sich nicht wieder erholte. Die Gesamtheit der vielfältig vorhandenen, latenten Beschwerden hatten sich auf den Zeitpunkt des Arbeitsverlustes zur endgültigen Arbeitsunfähigkeit verdichtet." In der Folge seien alle Rehabilitations- und Wiedereingliederungsbemühungen gescheitert, weshalb die invalidenversicherungsrechtliche Festlegung der invalidisierenden Arbeitsunfähigkeit auf den 1. September 1995 nicht willkürlich, "sondern vielmehr ... gerechtfertigt und in Übereinstimmung mit dem Krankheitsverlauf" sei. 
2.3 Nach Lage der Akten ist durchaus einzuräumen, dass der Beschwerdeführer seit vielen Jahren an psychosomatischen Symptomen (zeitweilig auch mit depressiven Episoden) zu kämpfen hat. Eine organische Grundlage liess sich weder in kardiologischer noch orthopädischer Hinsicht eruieren. Die Beschwerden mögen mit der sozialen Situation zusammenhängen und sich insbesondere nach dem Verlust einer einer relativ langen, von 1986 bis 1991 dauernden Anstellung verstärkt haben. Nichts desto trotz steht fest, dass der Beschwerdeführer während der Dauer des gesamten Arbeitsverhältnisses bei der H.________ AG - und damit während des Vorsorgeverhältnisses - durchgehend voll gearbeitet hat, ohne dass - von einem einzigen (von der Beschwerdegegnerin bestrittenen) Vorfall abgesehen - die Arbeit jemals unterbrochen oder nicht aufgenommen worden wäre. Dass es sich unmittelbar im Anschluss an die Beendigung des Vorsorgeverhältnisses am 31. August 1995 während der anschliessenden einmonatigen Nachdeckungsfrist gemäss Art. 10 Abs. 3 BVG anders verhalten haben sollte, lässt sich durch kein einziges Element in den Akten begründen; insbesondere hat der Beschwerdeführer vom 1. September 1995 bis zum 21. Oktober 1996 Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezogen, wobei er sich für Stellen im Umfang von 100 % als vermittlungsfähig erachtet hat. Damit fehlt es aber an Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigung auf das Arbeitsverhältnis, denn es ist arbeitsrechtlich nicht in Erscheinung getreten, dass der Beschwerdeführer Leistungsvermögen eingebüsst hat, so etwa durch einen Abfall der Leistungen mit entsprechender Feststellung oder gar Ermahnung des Arbeitgebers oder durch gehäufte, aus dem Rahmen fallende gesundheitlich bedingte Arbeitsausfälle (Urteil B. vom 5. Februar 2003, B 13/01, Leitsätze davon publiziert in SZS 2003 S. 434). Damit liegt aber keine für die berufliche Vorsorge massgebende ausgewiesene Arbeitsunfähigkeit vor. Die Begründung im Beiblatt zur Rentenverfügung der Invalidenversicherung vom 14. August 1997, dass der Beschwerdeführer nach Beendigung der Arbeitsstelle bei der Firma H.________ AG am 31. August 1995 "aus gesundheitlichen Gründen keine Arbeitsstelle mehr antreten" konnte, ist aktenmässig denn auch nicht genügend abgestützt. Zwar bezeichnete Dr. med. S.________ im Bericht vom 5. Juni 1995 den Beschwerdeführer als "nervous wrack", von dem er sich nicht vorzustellen vermöge, "dass er eine Arbeitsstelle auf Dauer halten kann." Wenn sich auch diese Prognose in der Folge bewahrheitete, kann dies nicht mit dem Eintritt einer rechtlich erheblichen Arbeitsunfähigkeit während des Vorsorgeverhältnisses (einschliesslich Nachdeckungsfrist) gleichgesetzt werden. 
 
Damit ist nicht erstellt, dass die Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität geführt hat, während der Dauer des Vorsorgeverhältnisses mit der Personalvorsorgekasse der H.________ AG und auch nicht während der Nachdeckungsfrist des Art. 10 Abs. 3 BVG eingetreten ist (Art. 23 BVG), weshalb die Beschwerdegegnerin nicht leistungspflichtig ist. 
3. 
Da es um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. 
 
Die unentgeltliche Verbeiständung kann gewährt werden (Art. 152 OG in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Bruno Bauer, St. Gallen, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'000.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 23. September 2004 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: 
i.V.