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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_393/2021  
 
 
Urteil vom 3. November 2021  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterin Koch, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Unseld. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor Benisowitsch, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8090 Zürich, 
2. B.________, 
3. C.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Drohung, einfache Körperverletzung etc.; stationäre therapeutische Massnahme i.S.v. Art. 59 Abs. 1 StGB; Willkür, rechtliches Gehör etc., 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 23. November 2020 (SB200317-O/U/jv). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Das Bezirksgericht Horgen stellte mit Urteil vom 10. März 2020 fest, A.________ habe die Tatbestände der Drohung im Sinne von Art. 180 Abs. 1 StGB, der einfachen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 1 StGB und der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte im Sinne von Art. 285 Ziff. 1 StGB in nicht selbst verschuldeter Schuldunfähigkeit erfüllt. Es sah von einer Strafe ab und ordnete eine stationäre therapeutische Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB an. 
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 23. November 2020 auf Berufung von A.________ das erstinstanzliche Urteil. 
Das Obergericht hält für erwiesen, dass A.________ seinem Bruder am 24. Juli 2018 im Rahmen einer Auseinandersetzung drohte, ihn vom Balkon zu werfen und ihn mit einem 50 cm langen Eisenrohr totzuschlagen bzw. ihm das Rohr auf den Kopf zu schlagen. Weiter habe er anlässlich einer Personenkontrolle vom 9. Mai 2019 am Hauptbahnhof Zürich dem Beamten C.________ mit der Hand und dem Beamten B.________ mit dem Ellbogen ins Gesicht geschlagen. C.________ habe Prellungen im Gesicht sowie Schürfungen am rechten Unterarm und B.________ eine Nasenbeinfraktur erlitten. 
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil vom 23. November 2020 sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Eventualiter sei festzustellen, dass er die Tatbestände von Art. 180 Abs. 1, Art. 123 Ziff. 1 und Art. 285 Ziff. 1 StGB nicht erfüllt und die Voraussetzungen für die Anordnung einer stationären therapeutischen Massnahme im Sinne von Art. 59 Abs. 1 StGB nicht gegeben seien. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungs- und Beweislastregel. Er wirft der Vorinstanz weiter vor, sie habe ihren Entscheid ungenügend begründet und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör missachtet.  
 
1.2. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie willkürlich ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; vgl. auch Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1, 88 E. 1.3.1). Willkür bei der Sachverhaltsfeststellung liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung schlechterdings unhaltbar ist, d.h. wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint, genügt nicht (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 88 E. 1.3.1; 143 IV 241 E. 2.3.1; 141 IV 369 E. 6.3; je mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1, 88 E. 1.3.1).  
Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (BGE 146 IV 88 E. 1.3.1 mit Hinweisen). 
 
1.3. Die Vorinstanz stellt bezüglich Dossier 2 (Drohung des Beschwerdeführers zum Nachteil seines Bruders) auf die Aussagen des Beschwerdeführers und seines Bruders ab. Sie stuft die Aussagen des Bruders des Beschwerdeführers als glaubhaft ein, da im Kern konstant und frei von übermässigen Belastungstendenzen. Dieser sei auch in der Lage gewesen, das behändigte Metallrohr detailliert zu beschreiben (angefochtenes Urteil E. 2.2.6 S. 12). Entscheidend war für die Vorinstanz jedoch, dass der Beschwerdeführer trotz seiner teils widersprüchlichen Vorbringen im Endeffekt einräumte, eine Eisenstange behändigt, mit dieser "butterfly-mässig" herumgefuchtelt und vielleicht schon aus Spass gesagt zu haben, er werde seinen Bruder vom Balkon werfen. Der Beschwerdeführer sagte gemäss der Vorinstanz zudem aus, er habe gewollt, dass sein Bruder verschwinde. Als dieser auch auf mehrmalige Aufforderung nicht habe gehen wollen, habe er ihm gegenüber gesagt, "oder soll ich mit dir Baseball spielen, damit du vom Balkon fliegst". Er gab weiter an, er wolle sich mit der Eisenstange vor bösen Leuten schützen. Sein Bruder, der ein böser Mensch sei, habe total Paranoia bekommen. Es bereite ihm Freude zu sehen, wie Leute vor lauter schlechtem Gewissen Angst bekämen (angefochtenes Urteil S. 13).  
Die Beweiswürdigung im Dossier 3 (einfache Körperverletzung sowie Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte zum Nachteil der Beschwerdegegner 2 und 3) beruht auf einer Videoaufzeichnung, den Aussagen der Beschwerdegegner 2 und 3 sowie des Zeugen D.________ und den dokumentierten Verletzungen der Beschwerdegegner 2 und 3. Die Vorinstanz erwägt zusammengefasst, die gegen den Beschwerdegegner 3 ausgeführte Schlagbewegung sei auf den Videoaufnahmen klar ersichtlich. Der Beschwerdeführer habe opponiert und just als er seinen Arm freigekriegt habe, zu einem Schlag in Richtung des Kopfes des Beschwerdegegners 3 angesetzt. Dabei habe es sich entgegen der Verteidigung nicht um eine gänzlich unkontrollierte Reaktion bzw. Ruderbewegung zur Beibehaltung des Gleichgewichts gehandelt (angefochtenes Urteil E. 3.1.5 S. 16). Die Aussagen der Beschwerdegegner 2 und 3 und des Zeugen D.________ würden sich im Kerngeschehen decken. Alle würden den Beschwerdeführer als unkontrollierten Aggressor beschreiben (angefochtenes Urteil E. 3.1.6 f. S. 17 f.). 
 
1.4. Die Vorinstanz würdigt die Beweise ausführlich. Was der Beschwerdeführer dagegen vorträgt, erschöpft sich in einer unzulässigen appellatorischen Kritik am angefochtenen Entscheid. Dass und weshalb die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung schlechterdings unhaltbar und damit geradezu willkürlich sein könnte, vermag der Beschwerdeführer damit nicht aufzuzeigen. Aus den vorinstanzlichen Erwägungen geht hervor, dass die Vorinstanz für den Tatvorwurf gemäss Dossier 2 massgeblich auf die Aussagen des Beschwerdeführers abstellt, der einräumte, anlässlich der Auseinandersetzung eine Eisenstange behändigt und seinem Bruder damit gedroht zu haben. Der Beschwerdeführer setzt sich mit seinen eigenen Aussagen zu Unrecht nicht ansatzweise auseinander. Die Vorinstanz legt weiter dar, weshalb sie ein Rachemotiv des Bruders für den Strafbefehl vom 30. Januar 2019 ausschliesst. Sie befasst sich zudem mit der Behauptung des Beschwerdeführers und seines Bruders, wonach E.________ anlässlich der Auseinandersetzung zugegen war. Sie stellt darauf nicht ab, da E.________, welcher als Zeuge einvernommen wurde, dies sowie seine angebliche deseskalierende Intervention nicht bestätigte und angab, anlässlich der Auseinandersetzung nicht anwesend gewesen zu sein (angefochtenes Urteil S. 11 f.).  
Im Dossier 3 macht der Beschwerdeführer im Wesentlichen geltend, der Beschwerdegegner 3 habe ihm durch massives Drücken mit der behandschuhten Hand auf Mund und Nase die Luftzufuhr abgeschnitten. Seine Schläge seien angesichts des subjektiv drohenden Erstickungstodes menschliche Reflexhandlungen gewesen, um sich aus der misslichen Lage zu befreien (vgl. Beschwerde S. 18). Anhaltspunkte für die vom Beschwerdeführer behauptete Unterbindung der Atmung ergeben sich indes weder aus der Videoaufzeichnung noch aus den übrigen Beweismitteln. Die Vorinstanz geht gestützt auf die Videoaufzeichnung und die Aussagen des Zeugen D.________ vielmehr willkürfrei davon aus, die Beschwerdegegner 2 und 3 seien bei der Kontrolle des Beschwerdeführers, welcher sich zuvor im Coop des Hauptbahnhofs Zürich eingestandenermassen unflätig verhielt und weggewiesen werden musste (vgl. Beschwerde S. 13), korrekt und verhältnismässig vorgegangen. Sie legt dar, der Beschwerdeführer habe sich gemäss der Videoaufzeichnung aus dem Griff des Beschwerdegegners 3 lösen können, als dieser ihm mit der rechten Hand von hinten ins Gesicht gefasst habe. Kurz darauf habe der Beschwerdeführer zugeschlagen. Zwischen der Berührung im Gesicht des Beschwerdeführers und dem Schlag gegen den Kopf des Beschwerdegegners 3 verstrichen gemäss der Vorinstanz, welche sich hierfür auf die Videoaufzeichnung beruft, keine zwei Sekunden (vgl. angefochtenes Urteil S. 15 f.). Von einer (massiven) Unterbindung der Atmung kann daher keine Rede sein. Offenbleiben kann, ob der Beschwerdeführer krankheitsbedingt allenfalls fälschlicherweise glaubte, der Beschwerdegegner 3 habe ihm die Luftzufuhr abschneiden wollen, da die Vorinstanz von der Schuldunfähigkeit des Beschwerdeführers ausgeht und sie diesem wegen seiner psychischen Erkrankung daher keinen Schuldvorwurf macht (vgl. dazu BGE 147 IV 193 E. 1.4). 
 
1.5. Der Beschwerdeführer verkennt, dass der Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel ihn nicht davon entbindet, vor Bundesgericht aufzuzeigen, dass und weshalb die vorinstanzliche Beweiswürdigung geradezu willkürlich sein soll (vgl. oben E. 1.2). Eine Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" als Beweislastregel, welche das Bundesgericht mit freier Kognition prüft (vgl. BGE 144 IV 345 E. 2.2.3.3; 127 I 38 E. 2a; Urteil 6B_1031/2019 vom 1. September 2020 E. 1.2.1, nicht publ. in: BGE 146 IV 311), ist ebenfalls nicht ersichtlich, da die Vorinstanz dem Beschwerdeführer nicht vorwirft, er habe seine Unschuld nicht bewiesen. Schliesslich kann der Vorinstanz auch nicht vorgeworfen werden, sie habe den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt. Die Vorinstanz setzt sich mit dessen Argumenten auseinander und legt dar, weshalb sie diesen nicht folgt. Ihr Entscheid genügt den gesetzlichen Begründungsanforderungen.  
Die Sachverhaltsrügen des Beschwerdeführers sind unbegründet, soweit sie den gesetzlichen Begründungsanforderungen überhaupt zu genügen vermögen. 
 
2.  
Die Anordnung der stationären therapeutischen Massnahme ficht der Beschwerdeführer einzig mit der Begründung an, der angeklagte Sachverhalt sei nicht erstellt. Dass die Massnahme aus anderen Gründen gegen Bundesrecht verstossen könnte, legt er nicht dar, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist (vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
Die Beschwerdegegner 2 und 3 wurden im bundesgerichtlichen Verfahren nicht zur Stellungnahme aufgefordert. Es sind ihnen daher keine Kosten erwachsen und keine Parteientschädigungen zuzusprechen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. November 2021 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Unseld