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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 291/02 
 
Urteil vom 13. Januar 2003 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber Traub 
 
Parteien 
C.________, 1948, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Thomas Bolt, c/o Bürki Rechtsanwälte, Auerstrasse 2, 9435 Heerbrugg, 
 
gegen 
 
IV-Stelle für Versicherte im Ausland, avenue Edmond-Vaucher 18, 1203 Genf, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, Lausanne 
 
(Entscheid vom 18. März 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
C.________, geb. 1948, war von 1990 bis März 1998 als Autolackierer bei der Firma S.________ AG tätig. Die Stoffe (Farben und Lösungsmittel), denen er bei dieser Arbeit ausgesetzt war, führten zu einer Erkrankung der Atemwege. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) anerkannte dieses Leiden als Berufskrankheit (Schreiben vom 15. Dezember 1997), erliess am 7. Januar 1998 eine Nichteignungsverfügung hinsichtlich der Tätigkeit als Spritzlackierer und richtete eine Übergangsentschädigung aus. Im Weiteren leidet der Versicherte an einer beidseitigen Epikondylitis humeri ("Tennisellbogen"), unter Gichtanfällen und an einem lumbovertebralen Syndrom. 
 
Auf Grund eines am 4. Februar 1998 eingereichten Leistungsgesuchs des Versicherten bei der Invalidenversicherung veranlasste die IV-Stelle des Kantons St. Gallen medizinische und erwerbliche Abklärungen, namentlich durch die Berufliche Abklärungsstelle (BEFAS). Sie gelangte zum Schluss, der Versicherte sei in der Lage, ganztags eine leichte wechselbelastende Tätigkeit auszuüben, und errechnete eine Erwerbseinbusse von 25 %. Die verfügungszuständige IV−Stelle für Versicherte im Ausland lehnte dementsprechend das Leistungsbegehren mangels Invalidität in rentenbegründendem Ausmass ab (Verfügung vom 24. März 2000). 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen ab (Entscheid vom 18. März 2002). 
C. 
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, es sei ihm, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheids, ab dem 1. Juli 1998 mindestens eine halbe Invalidenrente zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur weiteren Abklärung und Neubeurteilung an die Vorinstanz oder die Verwaltung zurückzuweisen. 
 
Während die Beschwerdegegnerin, nach Einholung einer Stellungnahme der IV-Stelle des Kantons St. Gallen, auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf Vernehmlassung. 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1. 
Der Beschwerdeführer ist ein im Fürstentum Liechtenstein ansässiger österreichischer Staatsangehöriger, der in der Schweiz erwerbstätig war. Angesichts dieser internationalen Bezüge ist zu prüfen, ob sich hinsichtlich des anwendbaren Rechts Besonderheiten ergeben. 
1.1 Die streitige Verwaltungsverfügung wurde vor Inkrafttreten (1. Juni 2002) des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit erlassen. Dieses Abkommen, insbesondere dessen Anhang II, der die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit regelt, muss demnach im vorliegenden Verfahren unberücksichtigt bleiben (zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil S. vom 9. August 2002, C 357/01, Erw. 1). 
1.2 Im Übrigen hat die Rekurskommission die Vorgaben des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich über Soziale Sicherheit vom 15. November 1967 (Art. 2, 3 und 4 Abs. 1) sowie die daraus zu ziehenden Schlüsse richtig wiedergegeben. 
2. 
Die Rekurskommission hat die von der Rechtsprechung aufgestellten Regeln über die Bezeichnung des rechtserheblichen Sachverhalts und der anwendbaren Rechtssätze in zeitlicher Hinsicht (BGE 121 V 366 Erw. 1b und 126 V 136 Erw. 4b) sowie die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG; BGE 116 V 249 Erw. 1b), zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Anspruchs auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG), insbesondere bei im Ausland wohnenden Personen (Art. 29 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1ter IVG), und zur Ermittlung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b) zutreffend wiedergegeben. Ebenfalls richtig dargestellt sind die Grundsätze zur Bedeutung medizinischer Entscheidungsgrundlagen (BGE 105 V 158 f. Erw. 1) sowie zur Selbsteingliederungs- bzw. Schadenminderungspflicht des Versicherten (BGE 127 V 297 Erw. 4b/cc, 113 V 28 Erw. 4a). Darauf wird verwiesen. 
 
Zum heutigen Zeitpunkt ist zu ergänzen, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier am 24. März 2000) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). 
3. 
3.1 Voraussetzung für die Entstehung eines Anspruchs auf eine Invalidenrente bei dem im Ausland wohnenden Beschwerdeführer ist, dass er während eines Jahres - im bisherigen Beruf - ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich wenigstens zu 50 % arbeitsunfähig gewesen ist und nach Ablauf der Wartezeit - bezogen auf den gesamten in Betracht fallenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt - ein Invaliditätsgrad in mindestens gleichem Ausmass besteht (Art. 29 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1ter IVG; BGE 121 V 269 ff. Erw. 5 und 6). Die Rekurskommission stellte auf die im Verwaltungsverfahren getätigten beruflichen Abklärungen ab, wonach der Versicherte leichte, wechselnd belastende Tätigkeiten in staub-, isozyanatdampf- und lösungsmittelfreier Umgebung (so die Bearbeitung und Montage von Schrift- und Bildfolien auf Fahrzeugen, die Bedienung und Überwachung von Maschinen und Anlagen, Magazinerarbeiten in Verteilzentren oder Gravurarbeiten) nach wie vor vollzeitlich ausüben könne und sich damit ein Lohn von deutlich mehr als der Hälfte des früheren Einkommens erzielen lasse. Die hausärztlich bescheinigten Konzentrationsprobleme und die rasche Ermüdbarkeit seien bei der Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers berücksichtigt worden. Die beim Abschluss der Abklärungen in Aussicht gestellte Durchführung einer Spiroergometrie sei allenfalls noch in diagnostischer Hinsicht von Bedeutung, vermöge aber an der objektivierten und für die Invaliditätsbemessung ausschlaggebenden Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers nichts zu ändern. 
3.2 
3.2.1 Die Rekurskommission stützt ihren Entscheid somit massgeblich auf den einlässlichen, medizinische und erwerbliche Aspekte behandelnden Abklärungsbericht der BEFAS vom 14. Dezember 1999. Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, die Vorinstanz habe diesem Dokument einen grösseren Beweiswert zugemessen, als es von dessen Urhebern selber intendiert gewesen sei. In der Tat erfolgt die dortige Beurteilung unter dem ausdrücklichen Vorbehalt eines weiteren medizinischen Tests. Die BEFAS empfahl denn auch, "die Ergebnisse der Spiroergometrie und eventuellen Aussagen zur Arbeitsfähigkeit beim Spezialarzt einzuholen". Damit wurde eine Anregung des Lungenspezialisten Dr. med. F.________ aufgenommen, welcher in seinem Bericht vom 22. November 1999 gegenüber der BEFAS - ausgehend von der Feststellung, die vom Versicherten geklagten Beschwerden entsprächen nicht der gemessenen Lungenfunktion - folgende Schlüsse gezogen hatte: 
"Neben einem möglichen, sich zunehmend etablierenden Trainingsmangel könnten die Symptome allenfalls noch durch eine neu aufgetretene Diffusionseinschränkung, anstrengungsinduzierte Bronchialobstruktion oder durch kardiale Faktoren, welcher Ätiologie auch immer, erklärt werden. Um hier weiterzukommen, empfehle ich die Durchführung einer nochmaligen Spiroergometrie. Falls Sie dies für indiziert und zur weiteren Beurteilung als notwendig erachten, bin ich gerne bereit, die Untersuchung durchzuführen. Vorerst habe ich Herrn C. lediglich angewiesen, die Situation mit Ihnen zu besprechen." 
Die strittige Verfügung wurde erlassen, ohne die entsprechende Abklärung abzuwarten und deren Ergebnis in die Beweiswürdigung einzubeziehen. Die Vorinstanz ist der Auffassung, dass die im Abklärungsbericht der BEFAS vorbehaltene Spiroergometrie allenfalls in diagnostischer Hinsicht von Bedeutung sei, jedoch an der durch berufliche Abklärung objektivierten und für die Invaliditätsbemessung ausschlaggebenden Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers nichts zu ändern vermöge. Dem kann nicht zugestimmt werden. Vorliegend besteht eine Beurteilungslücke in dem Sinne, als das dem Gesundheitsschaden zugrundeliegende organische Substrat, soweit es bisher erhoben wurde, nicht ausreicht, um die geklagten Beschwerden und die praktischen Ergebnisse der Arbeitsversuche zu erklären. Die Sachverständigen der BEFAS überbrückten diese Diskrepanz teilweise mit dem Befund fehlender Arbeitsmotivation, teilweise verwiesen sie hiefür aber auch auf eine noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeit ärztlicher Abklärung. Insofern - sowie in weiterer Hinsicht (Erw. 3.2.2 f. hienach) - ergeben sich aus den Akten ernstzunehmende Hinweise auf möglicherweise bestehende zusätzliche gesundheitliche Beeinträchtigungen, welche geeignet sind, die Einschätzung der erwerblichen Leistungseinbusse - zu Lasten angenommener invaliditätsfremder Faktoren - zu beeinflussen. Unter diesen Umständen gebietet es das Untersuchungsprinzip, den Sachverhalt im Rahmen einer verhältnismässigen Beweiserhebung zu ergänzen. 
3.2.2 Neben den von Dr. F.________ genannten potentiellen organischen Alternativursachen bestehen auch Anhaltspunkte für eine mögliche Fehlentwicklung psychischer Art, die eine vertiefte fachärztliche Abklärung indizieren. Im Bericht der BEFAS vom 14. Dezember 1999 findet sich die Bemerkung, der negativen Einschätzung der erwerblichen Leistungsfähigkeit durch den Versicherten selbst könne "eine leichte depressive Entwicklung" zugrunde liegen, "die allenfalls im Rahmen einer beginnenden Anpassungsstörung auftritt". Bereits anlässlich einer früheren stationären Untersuchung des Beschwerdeführers in der Klinik D.________ im Hinblick auf dessen Atemwegsbeschwerden wurde der Verdacht auf das Vorliegen einer "psychischen Überlagerung" geäussert (Gutachten vom 21. August 1997). 
 
Vor diesem Hintergrund drängt sich ausserdem die Frage auf, ob die Befunde rascher Ermüdbarkeit und von Konzentrationsschwierigkeiten (Zeugnis des Dr. med. V.________ vom 8. Juni 2000), welche Beeinträchtigungen von der BEFAS wohl berücksichtigt, letztlich aber als Problem der (Arbeits-)Motivation behandelt wurden, allenfalls in einem entsprechend andern Licht zu betrachten wären. 
3.2.3 Schliesslich ist darauf hinzuweisen, dass sich der entscheidmassgebliche Bericht der BEFAS - bis auf die Feststellung, dass repetitiv kraftfordernde Umwendbewegungen der Vorderarme vermieden werden müssten - wenig mit den namentlich vom Hausarzt des Versicherten postulierten orthopädisch begründeten Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit auseinandersetzt (vgl. die Zeugnisse des Dr. V.________ vom 8. Juni 2000 und vom 26. Januar 2001). 
3.3 Insgesamt ist die Einholung eines interdisziplinären Gutachtens angezeigt. Einer Gesamtbeurteilung unterzogen werden müssen namentlich die oto-rhino-laryngologischen, pneumonologischen und orthopädischen sowie - allfällige - psychiatrische Beeinträchtigungen. Die Sache ist daher, unter Aufhebung der strittigen Verfügung sowie des angefochtenen Entscheids, an die Verwaltung zurückzuweisen, damit diese im Sinne des Gesagten verfahre und nach erfolgter Ergänzung der Entscheidungsgrundlagen darüber neu verfüge. 
4. 
Dem Ausgang des letztinstanzlichen Verfahrens entsprechend steht dem Versicherten eine Parteientschädigung zu (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 1 OG); damit erweist sich sein Antrag auf Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung als gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen vom 18. März 2002 und die Verfügung der IV−Stelle für Versicherte im Ausland vom 24. März 2000 aufgehoben, und es wird die Sache an die Verwaltung zurückgewiesen, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Leistungsanspruch neu verfüge. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle für Versicherte im Ausland hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, der IV-Stelle des Kantons St. Gallen, der Schweizerischen Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 13. Januar 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: