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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_324/2022  
 
 
Urteil vom 16. Juni 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Müller, Merz, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Sunrise GmbH, 
Beschwerdegegnerin, 
vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Mischa Morgenbesser und/oder Dr. John Trachsel, 
 
Baudirektion der Stadt Luzern, 
Hirschengraben 17, 6002 Luzern. 
 
Gegenstand 
Bau- und Planungsrecht; 
Baubewilligung für eine 5G-Mobilfunkanlage, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 4. Abteilung, vom 11. April 2022 
(7H 20 164/7H 20 167). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Sunrise Communications AG (heute: Sunrise GmbH) reichte bei der Baudirektion der Stadt Luzern ein Baugesuch für den Neubau einer Mobilfunkanlage auf dem mit einem Mehrfamilienhaus überbauten Grundstück Nr. 3458 (Grundbuch Luzern, linkes Ufer) ein. Die Mobilfunkanlage ist an der Südostseite eines Dachausstiegs geplant. Sie besteht aus neun Antennen: drei im Frequenzband von 700-900 MHz, drei im Frequenzband von 1'400-2'600 MHz und drei im Frequenzbereich von 3'600 MHz. Bei den letzteren drei handelt es sich um adaptive Antennen. 
Nach der öffentlichen Auflage wurde das Baugesuch zweimal überarbeitet und wiederum öffentlich aufgelegt. Mit Entscheid vom 13. Juli 2020 bewilligte die Baudirektion das Gesuch unter Auflagen und Bedingungen. Die dagegen erhobenen Einsprachen wies es ab, soweit ihnen nicht durch die verfügten Auflagen entsprochen wurde. 
Gegen diesen Entscheid erhoben zum einen A.________ und zum anderen D.________ sowie sieben weitere Personen Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Kantonsgericht Luzern vereinigte mit Urteil vom 11. April 2022 die beiden Verfahren und wies die Beschwerden ab, soweit es darauf eintrat. 
 
B.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 27. Mai 2022 beantragt A.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichts sei aufzuheben. Weiter verlangt er im Wesentlichen, die Stadt Luzern sei zu verpflichten, innert einer zu bestimmenden Frist ihr Bau- und Zonenreglement mit Beurteilungskriterien für die Wahl des Standorts von Mobilfunkanlagen zu ergänzen. Bis dahin seien Baugesuche zu sistieren. Schliesslich sei ihm und anderen am OMEN (Ort mit empfindlicher Nutzung) Nr. 3 betroffenen Personen Einsicht in die Abnahmeprüfungsunterlagen und die periodischen Kontrollunterlagen zu gewähren. 
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Kantonsgericht beantragt deren Abweisung. Die Baudirektion verweist auf das angefochtene Urteil und verzichtet im Übrigen auf eine Stellungnahme. Das ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladene Bundesamt für Umwelt (BAFU) ist der Auffassung, das Urteil des Kantonsgerichts stehe mit der Umweltschutzgesetzgebung des Bundes im Einklang. Die Beschwerdegegnerin und die Baudirektion haben ausdrücklich auf eine weitere Stellungnahme verzichtet, während sich der Beschwerdeführer und das Kantonsgericht nicht mehr haben vernehmen lassen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer baurechtlichen Angelegenheit. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG). Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen und ist als unmittelbarer Nachbar des Baugrundstücks gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist - unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägungen - einzutreten. 
 
2.  
In der Begründung der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Die Verletzung von Grundrechten, einschliesslich die willkürliche Anwendung von kantonalem und kommunalem Recht, prüft das Bundesgericht nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Insofern gelten qualifizierte Begründungsanforderungen. Soweit diese nicht eingehalten sind, ist auf die Rügen nicht einzutreten (zum Ganzen: BGE 147 II 44 E. 1.2; 145 I 26 E. 1.3; je mit Hinweisen). Die Beschwerdeschrift genügt diesen Anforderungen teilweise nicht. So schreibt der Beschwerdeführer, es sei offensichtlich zu früh, um Entwarnung vor den mit 5G verbundenen gesundheitlichen Gefahren zu geben. Er behauptet jedoch nicht, dass die in der Verordnung vom 23. Dezember 1999 über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (NISV; SR 814.710) festgelegten Grenzwerte keinen hinreichenden Schutz bieten bzw. mit dem Umweltschutzgesetz (SR 814.01) nicht vereinbar sind. Der blosse Hinweis darauf, dass der Bund die Forschung im Bereich der gesundheitlichen Auswirkungen von Mobilfunk und Strahlung intensivieren wolle, und die Bezeichnung von 5G-Mobilfunkanlagen als "Schiessbatterieanlagen" genügt den erwähnten Anforderungen an eine Beschwerdeschrift nicht. Darauf ist nicht weiter einzugehen. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG. Das Kantonsgericht habe mit keinem Wort erwähnt, dass die Mobilfunkanlage direkt neben einer Schulanlage geplant werde, wo sich fünf OMEN befänden. Darin liege auch ein Verstoss gegen Treu und Glauben. 
Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Teil der Baugesuchsunterlagen bildende Standortdatenblatt weist die OMEN aus und hält fest, dass dort die Anlagegrenzwerte eingehalten seien. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, dies treffe in Bezug auf die Schulanlage nicht zu. Somit ist nicht ersichtlich, weshalb die angeblich unvollständige Feststellung des Sachverhalts relevant sein sollte. Da der Beschwerdeführer dies auch nicht darlegt, ist auf seine Rüge nicht einzutreten. Dasselbe gilt für den behaupteten Verstoss gegen Treu und Glauben (Art. 9 BV). 
 
4.  
Der Beschwerdeführer behauptet, es sei rechtsungleich, wenn man um Schulen herum Tempo-30-Zonen einführe, aber nicht berücksichtige, dass Schülerinnen und Schüler den ganzen Tag mit erhöhten elektromagnetischen Strömen eingedeckt würden. 
Das verfassungsmässige Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) ist verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird (BGE 148 I 271 E. 2.2 mit Hinweisen). Weshalb die Einführung von Tempo-30-Zonen mit dem Schutz vor nichtionisierender Strahlung vergleichbar sein sollte, ist nicht erkennbar und wird vom Beschwerdeführer auch nicht dargelegt. Die Rüge ist deshalb unbegründet, soweit sie überhaupt hinreichend substanziiert wurde. 
 
5.  
 
5.1. Weiter weist der Beschwerdeführer darauf hin, dass zahlreiche Gemeinden Standortkriterien für den Bau von Mobilfunkanlagen in ihr Bau- und Zonenreglement aufgenommen hätten. So könne festgelegt werden, in welchen Zonen solche Anlagen geeignet, weniger geeignet oder ungeeignet seien. Dies sei ein rechtsstaatliches Erfordernis. Weil die Stadt Luzern in ihrem Bau- und Zonenreglement keine Standortkriterien verankert habe, dürfe die Mobilfunkanlage nicht bewilligt werden.  
 
5.2. Von Bundesrechts wegen erfordert die Errichtung von Mobilfunkanlagen innerhalb der Bauzone keine Prüfung von Alternativstandorten (Urteil 1C_703/2020 vom 13. Oktober 2022 E. 7.7 mit Hinweisen). Dementsprechend müssen die Kantone bzw. Gemeinden auch keine Standortkriterien definieren. Sie können dies zwar tun, indem sie bspw. ein Kaskadenmodell vorsehen, das im Sinne des Vorbringens des Beschwerdeführers geeigneteren Standorten die Priorität vor weniger geeigneten einräumt (vgl. dazu BGE 141 II 245 E. 2.1 mit Hinweisen). Verpflichtet dazu sind sie jedoch nicht. Ebensowenig ist im Übrigen nach der Rechtsprechung erforderlich, die Mobilfunknetze der schweizerischen Mobilfunkanbieterinnen im kantonalen Richtplan oder in einem Sachplan des Bundes zu verankern (Urteil 1C_685/2013 vom 6. März 2015 E. 2.4 mit Hinweisen, in: URP 2015 S. 433). Die Forderung, der Beschwerdegegnerin die Baubewilligung zu verweigern, weil die Stadt Luzern in ihrem Bau- und Zonenreglement keine Standortkriterien verankert habe, hat somit keine Grundlage im Bundesrecht.  
 
6.  
 
6.1. Umstritten ist schliesslich, ob der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Einsicht in die periodischen Kontrollunterlagen hat, die während des Betriebs der Antennenanlage erstellt werden. Das Kantonsgericht hielt dazu unter Hinweis auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung fest, dass die Parteien eines Baubewilligungsverfahrens grundsätzlich auch nach Rechtskraft eines Baubewilligungsentscheids noch Akteneinsicht in Unterlagen oder behördliche Anordnungen verlangen können, die zum Vollzug oder zur Konkretisierung der Bewilligung erstellt worden seien (Urteile 1C_314/2015 vom 3. November 2015 E. 2.4 und 1A.148/2002 vom 12. August 2003 E. 4.5). Damit stehe dem Beschwerdeführer im Rahmen seines Anspruchs auf rechtliches Gehör ohne Weiteres zu, Einsicht in die Protokolle der Abnahmemessungen zu nehmen, sobald diese vorlägen. Die periodischen Kontrollunterlagen (die sich aus dem Qualitätssicherungssystem ergebenden Protokolle etc.) zählten hingegen nicht mehr zum Bewilligungsverfahren, sondern beträfen den Vollzug des Umweltschutzgesetzes durch die zuständigen Behörden. Ein Anspruch auf Akteneinsicht könne deshalb nicht mehr aus der Parteistellung abgeleitet werden. Indessen hätten die Behörden die Ergebnisse gestützt auf Art. 6 Abs. 1 USG der Öffentlichkeit in geeigneter Form mitzuteilen (Urteil 1A.148/2002 vom 12. August 2003 E. 4.5 mit Hinweis). Im Kanton Luzern erfolge eine allgemeine Information der Öffentlichkeit durch die Dienststelle Umwelt und Energie (uwe) in Zusammenarbeit mit den Zentralschweizer Umweltfachstellen.  
 
6.2. Diese vorinstanzlichen Erwägungen sind im Ergebnis nicht bundesrechtswidrig. Im Baubewilligungsverfahren wird geprüft, ob dem Bauvorhaben öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen (Urteil 1C_124/2021 vom 1. Februar 2022 E. 5.3 mit Hinweis). Dazu gehört nach der Praxis des Bundesgerichts unter anderem das Erfordernis eines Qualitätssicherungssystems, mit dem später der umweltschutzkonforme bzw. der bewilligungskonforme Betrieb der Mobilfunkanlage kontrolliert werden kann (vgl. zuletzt Urteil 1C_153/2022 vom 11. April 2023 E. 8 mit Hinweisen). Nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens bildet hingegen die Frage, inwiefern die Betroffenen bzw. die Öffentlichkeit während der Betriebsphase ein Recht auf Information und Einsicht in Umweltinformationen besitzen (vgl. dazu Art. 10e ff. USG, in Kraft seit 1. Juni 2014 - der von der Vorinstanz erwähnte Art. 6 Abs. 1 USG ist dagegen seit diesem Datum nicht mehr in Kraft). Damit hat das Kantonsgericht zu Recht davon abgesehen, eine diesbezügliche Feststellung zu treffen oder die Baubewilligung mit einer entsprechenden Auflage zu ergänzen.  
 
7.  
Die Beschwerde ist aus diesen Erwägungen abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Bei diesem Verfahrensausgang trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer hat der Beschwerdegegnerin eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Baudirektion der Stadt Luzern, dem Kantonsgericht Luzern, 4. Abteilung, und dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. Juni 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold