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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
9C_640/2020  
 
 
Urteil vom 18. Januar 2021  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiberin Keel Baumann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1.       A.________, 
2.       B.________, 
       handelnd durch A.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Philipp Simonius, 
Beschwerdeführerinnen, 
 
gegen  
 
Bundesverwaltungsgericht, 
Kreuzackerstrasse 12, 9000 St. Gallen, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen die Zwischenverfügung 
des Bundesverwaltungsgerichts 
vom 10. September 2020 (C-4196/2019). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
In ihrer gegen den Einspracheentscheid der Schweizerischen Ausgleichskasse vom 13. Juni 2019 erhobenen Beschwerde ersuchten B.________ und ihre Beiständin A.________ um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege (Prozessführung und Verbeiständung), wobei sie im Gesuchsformular, das sie im Nachgang zur Beschwerde einreichten, Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der B.________ machten. Das Bundesverwaltungsgericht trat auf das Gesuch nicht ein, soweit es die unentgeltliche Prozessführung betraf, und wies es ab, soweit es um die unentgeltliche Verbeiständung ging (Zwischenverfügung vom 10. September 2020). 
 
B.   
A.________ und B.________ lassen Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einreichen und beantragen, die Verfügung vom 10. September 2020 sei aufzuheben. Eventualiter sei die Sache an das Bundesverwaltungsgericht zur Neubeurteilung zurückzuweisen mit der Instruktion, ihnen die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Bei der Zwischenverfügung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. September 2020 handelt es sich um einen Zwischenentscheid im Sinne von Art. 93 BGG (BGE 139 V 600). Die Beschwerde ist damit nur zulässig, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (Art. 93 Abs. 1 lit. a und b BGG). 
 
2.  
 
2.1. Das Bundesverwaltungsgericht trat auf die Beschwerde insoweit nicht ein, als die unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten anbegehrt wurde, dies mit der Begründung, dass das Verfahren vor ihm kostenlos ist (Art. 85bis Abs. 2 AHVG). Soweit sich die Beschwerde dagegen richtet, fehlt es an einem Rechtsschutzinteresse, so dass sie insoweit nicht an die Hand zu nehmen ist.  
 
2.2. Anders verhält es sich hinsichtlich der unentgeltlichen Verbeiständung für das vorinstanzliche Verfahren, welche das Bundesverwaltungsgericht mangels prozessualer Bedürftigkeit verweigerte. Die Verneinung dieses Anspruchs kann insofern einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG begründen, als nicht ausgeschlossen scheint, dass der Rechtsvertreter über das Verfassen und Einreichen der Beschwerdeschrift hinaus im laufenden Verfahren weitere Schritte zu unternehmen hat (Urteile 8C_530/2008 vom 25. September 2008 E. 2.3, in: SVR 2009 UV Nr. 12 S. 49; 9C_684/2011 vom 31. Oktober 2011 E. 2.2.2). Auf die Beschwerde ist damit einzutreten, soweit sie sich gegen die Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung im vorinstanzlichen Prozess richtet.  
 
3.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Unter Berücksichtigung der Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236). 
 
4.   
Zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzt hat, indem sie das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wegen fehlender prozessualer Bedürftigkeit abgewiesen hat. 
 
4.1. Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand (Art. 29 Abs. 3 BV). Eine Person ist bedürftig, wenn sie nicht in der Lage ist, für die Prozesskosten aufzukommen, ohne dass sie Mittel beanspruchen müsste, die zur Deckung des Grundbedarfs für sie und ihre Familie notwendig sind (BGE 135 I 221 E. 5.1 S. 223; 128 I 225 E. 2.5.1 S. 232). Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181; Urteil 9C_26/2016 vom 25. Februar 2016 E. 9.1). Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen Verpflichtungen, andererseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (Urteil 9C_423/2017 vom 10. Juli 2017 E. 2.1 mit Hinweisen). Der Teil der finanziellen Mittel, der das zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse Notwendige übersteigt, muss mit den für den konkreten Fall zu erwartenden Gerichts- und Anwaltskosten verglichen werden; dabei sollte es der monatliche Überschuss der gesuchstellenden Partei ermöglichen, die Prozesskosten bei weniger aufwändigen Prozessen innert eines Jahres, bei anderen innert zweier Jahre zu tilgen (BGE 141 III 369 E. 4.1 S. 372; 135 I 221 E. 5.1 S. 223 f.).  
 
4.2. Das Bundesverwaltungsgericht verneinte die prozessuale Bedürftigkeit, weil es zum Ergebnis gelangte, dass der bei einer Gegenüberstellung der monatlichen Einnahmen von Fr. 3362.80 (bestehend aus Renten der Pensionskasse von Fr. 1543.35, der AHV von Fr. 1068.- und der Deutschen Rentenversicherung von umgerechnet Fr. 751.45) und der Ausgaben von Fr. 1432.40 (an die Lebenshaltungskosten in Ungarn angepasster Grundbetrag von Fr. 590.40, Mietzins von Fr. 350.-, Wohnnebenkosten von Fr. 150.- und sonstige Auslagen von Fr. 342.-) resultierende Überschuss von Fr. 1930.40 es erlauben würde, die Anwaltskosten (eventuell durch Ratenzahlungen) innert Jahresfrist zu tilgen.  
 
4.3. In der Beschwerde wird kritisiert, die Berechnung des Bundesverwaltungsgerichts sei nicht richtig, weil die Schweizerische Ausgleichskasse die Rente der B.________ von Fr. 1068.- pro Monat, welche dem Rechtsstreit zugrunde liege, seit März 2019 nicht mehr ausrichte. Aus diesem Grunde belaufe sich der Einnahmenüberschuss statt auf Fr. 1930.40 nur gerade auf Fr. 862.40. Damit sei die Bedürftigkeit klar ausgewiesen.  
 
4.4. Im Gesuchsformular, das die Beschwerdeführerinnen am 25. Februar 2020 unterzeichneten, wurde bei den Einnahmen die AHV-Rente von Fr. 1068.- aufgeführt. Dem Formular beigelegt war ein Schreiben vom 5. Oktober 2018, in welchem die Schweizerische Ausgleichskasse darüber informierte, dass sie die Rentenzahlung für B.________ wieder aufgenommen habe und das Betreffnis für den Monat Juni 2018 in den nächsten Tagen in gewohnter Weise überweisen werde. Wenn die Vorinstanz gestützt auf diese von den Beschwerdeführerinnen im dafür vorgesehenen Formular gemachten und beweismässig belegten Angaben davon ausging, dass die AHV-Rente B.________ nach wie vor zufloss, und den Betrag von Fr. 1068.- als Einnahmen in die Berechnung einbezog, gibt dies zu keinen Beanstandungen Anlass.  
 
4.5. Selbst wenn es sich beim Vorbringen der Versicherten in der letztinstanzlichen Beschwerde, wonach die Schweizerische Ausgleichskasse die Rente von Fr. 1068.- seit März 2019 nicht mehr erbringe, nicht um ein unzulässiges Novum handeln würde (Art. 99 Abs. 1 BGG), wäre diesem Einwand kein Erfolg beschieden. Denn auch bei Reduktion des Einnahmenüberschusses um Fr. 1068.- wäre keine prozessuale Bedürftigkeit gegeben, weil die dann zur Verfügung stehenden Mittel von Fr. 862.40 es in diesem nicht besonders aufwändigen Prozess noch immer erlauben würden, die zu erwartenden Anwaltskosten innert eines Jahres zu begleichen (vgl. dazu BGE 141 III 369 E. 4.1 S. 372; 135 I 221 E. 5.1 S. 223 f.).  
 
4.6. Die Verweigerung der unentgeltlichen Verbeiständung im vorinstanzlichen Prozess verletzt kein Bundesrecht. Die Beschwerde ist abzuweisen.  
 
5.   
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens haben die Beschwerdeführerinnen die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden den Beschwerdeführerinnen auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, der Schweizerischen Ausgleichskasse SAK und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. Januar 2021 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Keel Baumann