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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_86/2017  
   
   
 
 
 
Urteil vom 18. Juli 2017  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterinnen Glanzmann, Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Silvan Meier Rhein, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich, Obstgartenstrasse 21, 8006 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Berufliche Vorsorge, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 12. Dezember 2016. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ war bei der BVK Personalvorsorge des Kantons Zürich (nachfolgend: BVK) für die berufliche Vorsorge versichert, als sie altershalber als Lehrperson des Zentrums B._________ auf den 30. April 2014 und der Schule C.________ auf den 31. August 2014 ausschied. Mit Schreiben vom 25. Juni 2014 unterbreitete die BVK der Versicherten eine Berechnung der voraussichtlichen Altersleistungen mit einem Kapitalbezug von Fr. 150'000.-, wobei sie darauf hinwies, dass ein solcher spätestens einen Monat vor dem Altersrücktritt bei ihr beantragt werden müsse. Mit Schreiben vom 26. August 2014 liess A.________ mitteilen, dass sie um einen Kapitalbezug von Fr. 150'000.- ersucht habe und daran festhalte. Die BVK stellte sich auf den Standpunkt, dass der Kapitalbezug nicht frist- und formgerecht beantragt worden und deshalb nicht möglich sei. Hingegen anerkannte sie den Anspruch auf eine Altersrente auf der Grundlage eines Sparguthabens von Fr. 431'897.75. 
 
B.   
Am 4. September 2015 erhob A.________ Klage gegen die BVK mit dem Antrag, es sei ihr aus dem Sparguthaben der Betrag von Fr. 150'000.- in Kapitalform auszurichten. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Klage mit Entscheid vom 12. Dezember 2016 ab. 
 
C.   
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, unter Aufhebung des Entscheids vom 12. Dezember 2016 sei ihr ein Viertel ihres Sparguthabens, mithin Fr. 107'974.40, in Kapitalform auszurichten. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenleistungen werden in der Regel als Rente ausgerichtet (Art. 37 Abs. 1 BVG). Der Versicherte kann verlangen, dass ihm ein Viertel seines Altersguthabens, das für die Berechnung der tatsächlich bezogenen Altersleistungen massgebend ist, als einmalige Kapitalabfindung ausgerichtet wird (Art. 37 Abs. 2 BVG). Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement vorsehen, dass: (a) die Anspruchsberechtigten eine Kapitalabfindung an Stelle einer Alters-, Hinterlassenen- oder Invalidenrente wählen können; (b) die Anspruchsberechtigten eine bestimmte Frist für die Geltendmachung der Kapitalabfindung einhalten müssen (Art. 37 Abs. 4 BVG).  
 
1.2. Unter dem Titel "Kapitalabfindung" sieht das anwendbare Vorsorgereglement der BVK vom 18. November 2013 (nachfolgend: Reglement) u.a. folgende Regelungen vor: Bei Alterspensionierung im Sinne von Art. 7 oder bei vorzeitiger Entlassung altershalber im Sinne von Art. 8 kann die versicherte Person verlangen, dass ihr anstelle einer Altersrente das vorhandene Sparguthaben ganz oder teilweise als Kapital ausbezahlt wird. Vorbehalten bleibt Art. 79b Abs. 3 BVG (Art. 35 Abs. 1 Reglement). Die versicherte Person hat der BVK den Umfang des Kapitalbezugs bis spätestens 1 Monat vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich mitzuteilen. Innerhalb dieser Frist kann die Mitteilung nicht mehr widerrufen werden (Art. 35 Abs. 2 Reglement).  
 
2.   
Das kantonale Gericht ist der Auffassung, die formellen Voraussetzungen von Art. 35 Abs. 2 Reglement kämen für einen Kapitalbezug nach Art. 37 Abs. 2 und 4 BVG und somit auch im Bereich der Mindestvorschriften des BVG zur Anwendung. Schriftlichkeit und Rechtzeitigkeit des Gesuchs seien Gültigkeitserfordernisse. Weiter hat es verbindlich (vgl. Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG) festgestellt, der Altersrücktritt sei auf den 31. August 2014 erfolgt, und ein schriftlicher Antrag auf Kapitalbezug sei nicht vor Ablauf der Frist, d.h. vor dem 31. Juli 2014 eingereicht worden. Folglich hat es die Ausrichtung der Altersleistungen in Rentenform bestätigt und die Klage abgewiesen. 
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, die mit Art. 37 Abs. 2 BVG garantierte Möglichkeit einer Kapitalabfindung dürfe nicht reglementarisch von weiteren Voraussetzungen abhängig gemacht werden. Sie macht nicht geltend, sie habe die Kapitaloption (lediglich) mündlich, aber im Sinne von Art. 35 Abs. 2 Reglement rechtzeitig verlangt. Streitig und zu prüfen ist somit einzig, ob die Frist gemäss Art. 35 Abs. 2 Reglement auch bei einer limitierten Kapitalabfindung im Rahmen von Art. 37 Abs. 2 BVG zum Tragen kommt. Dazu ist vorab festzuhalten, dass die letztgenannte Bestimmung nicht das gesamte (d.h. reglementarische), sondern lediglich das BVG- resp. obligatorische Altersguthaben beschlägt (BGE 141 V 355 E. 3.3 S. 358 f.). Soweit das Sparguthaben der Beschwerdeführerin über Letzteres hinausgeht, ist ihr Rechtsmittel von vornherein unbegründet.  
 
3.2. Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach dem Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die Norm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis der ratio legis. Dabei befolgt das Bundesgericht einen pragmatischen Methodenpluralismus und lehnt es namentlich ab, die einzelnen Auslegungselemente einer hierarchischen Ordnung zu unterstellen. Insbesondere bei jüngeren Gesetzen sind auch die Gesetzesmaterialien zu beachten, wenn sie auf die streitige Frage eine klare Antwort geben und dem Gericht damit weiterhelfen (BGE 141 V 355 E. 3.2 S. 358; 139 V 442 E. 4.1 S. 446 f.).  
 
3.3.  
 
3.3.1. Die gesetzlichen Bestimmungen, namentlich Art. 37 Abs. 2 BVG (E. 1.1), sehen für die Geltendmachung der Kapitalabfindung keine Frist vor (BGE 141 V 162 E. 4.5.2 S. 169 mit Hinweis auf BETTINA KAHIL-WOLFF, in: BVG und FZG, 2010, N. 6 zu Art. 37 BVG). Der Wortlaut von Art. 37 Abs. 2 BVG schliesst aber ein allfälliges Fristerfordernis nicht aus. Mit Art. 37 Abs. 4 lit. b BVG werden die Vorsorgeeinrichtungen ausdrücklich ermächtigt, im Reglement eine Frist für die Geltendmachung der Kapitalabfindung vorzusehen. Der Wortlaut dieser Bestimmung (auch in der französischen und italienischen Fassung) lässt ihre Anwendung ohne Weiteres auch im obligatorischen Bereich zu.  
 
3.3.2. Hintergrund der im Rahmen der 1. BVG-Revision am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Bestimmungen von Art. 37 BVG ist folgender: Ursprünglich war eine Kapitalabfindung nur möglich, wenn eine solche reglementarisch vorgesehen war. Für diesen Fall sah das Gesetz eine dreijährige Frist für die Geltendmachung der Kapitaloption vor, die aber ebenfalls reglementarisch verkürzt werden konnte (aArt. 37 Abs. 3 BVG; AS 1983 797). Neu sollte die Möglichkeit einer Kapitalabfindung in der Höhe eines Viertels des BVG-Altersguthabens zwingend allen Versicherten offenstehen, wobei es der Gesetzgeber der einzelnen Vorsorgeeinrichtung überlassen wollte, eine allfällige (sinnvolle) Frist für die Geltendmachung zu bestimmen (Botschaft vom 1. März 2000 zur Revision des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVG; 1. BVG-Revision], BBl 2000 2664 Ziff. 2.5, 2693; vgl. auch HANS-ULRICH STAUFFER, Berufliche Vorsorge, 2. Aufl. 2012, S. 286 f. Rz. 782-784). Damit steht fest, dass der Gesetzgeber einzig die Kapitaloption mindestens im limitierten Umfang von Art. 37 Abs. 2 BVG sicherstellen und im Übrigen nicht in die (bisherigen) Regelungskompetenzen der Vorsorgeeinrichtungen eingreifen wollte.  
 
3.3.3. Die Beachtung einer allfälligen (angemessenen) Frist für die Geltendmachung der Kapitaloption ist nicht nur mit Blick auf die Praktikabilität, sondern auch unter dem Aspekt der Antiselektion zum Schutz der Vorsorgeeinrichtung (vgl. STAUFFER, a.a.O., S. 287 Rz. 782; ISABELLE VETTER-SCHREIBER, Kommentar zur berufliche Vorsorge, 3. Aufl., 2013, N. 6 zu Art. 37 BVG) sinnvoll. Dadurch wird der Zweck von Art. 37 Abs. 2 BVG (Ermöglichung eines teilweisen Kapitalbezugs für alle Versicherten) nicht vereitelt.  
 
3.3.4. In systematischer Hinsicht ergibt sich aus dem Umstand, dass Art. 37 Abs. 4 BVG auf kasseninternes Recht verweist (vgl. KAHIL-WOLFF, a.a.O., N. 6 zu Art. 37 BVG), nichts für die Beschwerdeführerin: Einerseits verpflichtet Art. 50 Abs. 1 lit. a BVG die Vorsorgeeinrichtungen, eigene Bestimmungen zu den Leistungen und den Modalitäten für deren Auszahlung festzulegen (GÄCHTER/GECKELER HUNZIKER, in: BVG und FZG, 2010, N. 5 und 9 zu Art. 50 BVG). Anderseits sind die Vorsorgeeinrichtungen im Rahmen des Gesetzes in der Gestaltung ihrer Leistungen im weitergehenden Bereich grundsätzlich frei (Art. 49 Abs. 1 erster Satz BVG i.V.m. Art. 6 und Art. 49 Abs. 2 BVG). Sie sind somit - in den verfassungsmässigen Schranken (wie Rechtsgleichheit, Willkürverbot und Verhältnismässigkeit; BGE 140 V 348 E. 2.1 S. 350) - bereits auf der Grundlage von Art. 49 BVG befugt, die Kapitaloption im weitergehenden Bereich unter den Vorbehalt einer bestimmten Frist zu stellen (vgl. SVR 2017 BVG Nr. 1 S. 1, 9C_308/2016 E. 3.2.1). Die Bestimmung von Art. 37 Abs. 4 lit. b BVG wäre obsolet, wenn sie nicht auch im Obligatorium resp. im Rahmen der Kapitaloption nach Art. 37 Abs. 2 BVG anwendbar wäre.  
 
3.3.5. Nach dem Gesagten ist die reglementarische Statuierung einer Frist zur Geltendmachung einer Kapitalabfindung auch im (obligatorischen) Rahmen von Art. 37 Abs. 2 BVG zulässig (so auch KAHIL-WOLFF, a.a.O., N. 6 zu Art. 37 BVG; STAUFFER, a.a.O., S. 287 Rz. 784; CARL HELBLING, Personalvorsorge und BVG, 8. Aufl. 2006, S. 221; BASILE CARDINAUX, Leistungen aus beruflicher Vorsorge bei Alter, Tod und Invalidität, in: Recht der Sozialen Sicherheit - Sozialversicherungen, Opferhilfe, Sozialhilfe, Beraten und Prozessieren, 2014, S. 989 Rz. 27.124; a.M. HÜRZELER/BRÜHWILER, Obligatorische berufliche Vorsorge, in: Soziale Sicherheit, SBVR Bd. XIV, 3. Aufl. 2016, S. 2142 Rz. 205). Die grundsätzliche Kapitaloption im Umfang eines Viertels des BVG-Altersguthabens steht allen Versicherten offen. Dass je nach Ausgestaltung des jeweils anwendbaren Reglements entweder gar keine oder aber eine kürzere oder längere Frist zu beachten ist, ist vom Gesetzgeber gewollt und stellt keine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots dar.  
 
3.4. Dass die konkrete Fristenregelung von Art. 35 Abs. 2 Reglement unverhältnismässig oder sonstwie verfassungswidrig sein soll, wird zu Recht nicht geltend gemacht. Die Beschwerde ist unbegründet.  
 
4.   
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Kosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 18. Juli 2017 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Meyer 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann