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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
                 
 
 
1C_184/2019  
 
 
Urteil vom 3. Juni 2019  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Chaix, Präsident, 
Bundesrichter Karlen, 
Bundesrichter Muschietti, 
Gerichtsschreiber Gelzer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Cornel Borbély, 
 
gegen  
 
Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, 
handelnd durch das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich, Bereich Administrativmassnahmen. 
 
Gegenstand 
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 1. Abteilung, Einzelrichter, vom 6. März 2019 (VB.2019.00101). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ mit Jahrgang 1946 unterzog sich am 4. September 2018 einer Kontrolluntersuchung zur Fahreignung. Die untersuchende Ärztin, Dr. med. B.________, erachtete die medizinischen Mindestanforderungen zur Führung von Motorfahrzeugen als erfüllt und gab in ihrem Bericht an, A.________ nehme z.B. abends zuhause alkoholische Getränke zu sich und fahre nicht Auto, wenn sie Alkohol konsumiert habe. Daraufhin verlangte das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich (nachstehend: Strassenverkehrsamt) von A.________ ein zusätzliches ärztliches Zeugnis über ihren allgemeinen Gesundheitszustand und den regelmässigen Alkoholkonsum. Im entsprechenden Zeugnis vom 3. Oktober 2018 führte Dr. med. B.________ zusammengefasst aus, die Patientin leide unter multisensorischem Schwindel mit Gangunsicherheit; sie sei in den Jahren 2016 und 2017 je zweimal und im Jahr 2018 einmal gestürzt; die Patientin konsumiere abends zuhause alkoholische Getränke, dann gehe sie nicht mehr ausser Haus und fahre auch nicht mehr Auto. Zur Frage, ob eine (erneute) Abklärung der Fahreignung angezeigt ist, gab Dr. med. B.________ gegenüber dem Strassenverkehrsamt an: "Das möchte ich Ihnen überlassen". In der Folge verlangte das Strassenverkehrsamt von A.________ eine Kontrolluntersuchung bei einem Arzt mit der Qualifikationsstufe 3 oder 4. Eine solche Untersuchung wurde von Dr. med. C.________ am 20. Dezember 2018 durchgeführt, der zum Ergebnis kam, die Anforderungen an die Fahreignung von A.________ seien nicht mehr erfüllt. In seinem ärztlichen Bericht gab er zur Begründung an, dass kognitive Defizite mit verkehrsmedizinischer Relevanz und klinische Hinweise einer Alkoholabhängigkeit (täglicher übermässiger Alkoholkonsum; Augen: gelbe Hornhaut beidseitig) bestünden. 
Gestützt auf diesen ärztlichen Bericht entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich A.________ mit Verfügung vom 17. Januar 2019 ab sofort bis zur Abklärung von Ausschlussgründen vorsorglich den Führerausweis und entzog dem Lauf der Rekursfrist und der Einreichung eines Rekurses die aufschiebende Wirkung. 
 
B.  
A.________ erhob gegen den vorsorglichen Führerausweisentzug Rekurs mit dem Antrag um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rekurses. Diesen Antrag wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich mit Entscheid vom 5. Februar 2019 ab. Eine dagegen von A.________ eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 6. März 2019 ab. 
 
C.  
A.________ erhebt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit den sinngemässen Anträgen, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. März 2019 aufzuheben und dem Rekurs bzw. den kantonalen und eidgenössischen Beschwerdeverfahren umgehend die aufschiebende Wirkung zu erteilen. 
Das Verwaltungsgericht und das Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich beantragen, die Beschwerde und das Gesuch um aufschiebende Wirkung abzuweisen. 
Mit Präsidialverfügung vom 15. April 2019 wies das Bundesgericht das Gesuch, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu erteilen, ab. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, gegen den nach Art. 82 ff. BGG die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist. Die kantonalen Instanzen haben der Beschwerdeführerin den Fahrausweis vorsorglich entzogen und die Abklärung ihrer Fahreignung angeordnet. Strittig ist vorliegend einzig die Gewährung der aufschiebenden Wirkung eines kantonalrechtlichen Rekurses. Der angefochtene Entscheid schliesst das Verfahren damit nicht ab, weshalb er einen Zwischenentscheid darstellt. Da er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirkt, kann er unmittelbar vor Bundesgericht angefochten werden (Urteil 1C_285/2018 vom 12. Oktober 2018 E. 1).  
Da die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten. 
 
1.2. Der vorsorgliche Führerausweisentzug stellt eine vorsorgliche Massnahme dar (Urteile 1C_232/2018 vom 13. August 2018 E. 1.1; 1C_348/2018 vom 17. Juli 2018 E. 2). In Beschwerden gegen solche Massnahmen kann nach Art. 98 BGG nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. Nach Art. 106 Abs. 2 BGG prüft das Bundesgericht die Verletzung von Grundrechten nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (BGE 143 II 283 E. 1.2.2 S. 286 mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 16 Abs. 1 SVG werden Führerausweise entzogen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen, u.a. wenn die Person an einer Sucht leidet, welche die Fahreignung ausschliesst (Art. 16d Abs. 1 lit. b und c SVG). Wecken konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Fahreignung des Betroffenen, ist eine verkehrsmedizinische Untersuchung durch einen Arzt und/oder eine psychologische Abklärung durch einen Verkehrspsychologen anzuordnen (Art. 28a Abs. 1 der Verkehrszulassungsverordnung, VZV, SR 741.51; Urteil 1C_76/2017 vom 19. Mai 2017 E. 5). Ernsthafte Zweifel an der Fahreignung einer Person können unabhängig von einer Verkehrskontrolle auch durch die Meldung eines Arztes begründet werden, dass eine Person wegen einer körperlichen oder psychischen Krankheit oder einer Sucht Motorfahrzeuge nicht sicher führen kann (Art. 15d Abs. 1 lit. e SVG). Wird eine verkehrsmedizinische Abklärung angeordnet, so ist der Führerausweis nach Art. 30 VZV im Prinzip vorsorglich zu entziehen (BGE 125 II 396 E. 3 S. 401; Urteile 1C_144/2017 vom 2. Juni 2017 E. 2.3; 1C_434/2016 vom 1. Februar 2017 E. 2.1; je mit Hinweisen). Da bei drohenden Sicherungsentzügen eine Wiederzulassung zum motorisierten Verkehr nicht verantwortbar ist, bevor ernsthafte Zweifel an der Fahreignung ausgeräumt sind, wird Rechtsmitteln gegen vorsorgliche Entzüge und Sicherungsentzüge grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung eingeräumt. Damit bleibt in diesen Fällen der Ausweis in der Regel bis zum rechtskräftigen Abschluss des Administrativverfahrens (vorsorglich) entzogen (Urteil 1C_658/2015 vom 20. Juni 2016 E. 2). Ausnahmsweise kann es sich rechtfertigen, auf den vorsorglichen Entzug des Führerausweises, trotz gewisser Zweifel an der Fahreignung einer Person, zu verzichten. Eine solche Ausnahme bejahte das Bundesgericht in Bezug auf eine Person, die seit mehreren Jahrzehnten im Besitz des Führerausweises war und bisher keine verkehrsrelevanten Alkoholprobleme bzw. Schwierigkeiten hatte, Alkoholkonsum und Teilnahme am motorisierten Strassenverkehr zuverlässig zu trennen, der jedoch eine ärztliche Mitteilung die Fahreignung aufgrund des nicht kontrollierten Alkoholkonsums absprach, ohne anzugeben, weshalb diese Person ein seit mehreren Monaten bestehendes Alkoholproblem nunmehr nicht mehr unter Kontrolle habe und die Gefahr bestehe, die Person könnte betrunken am motorisierten Strassenverkehr teilnehmen (Urteil 1C_232/2018 vom 13. August 2018 E. 4.1).  
 
2.2. Die Vorinstanz erwog, gemäss dem verkehrsmedizinischen Gutachten von Dr. med. C.________ vom 20. Dezember 2018 sei die Fahreignung der Beschwerdeführerin aufgrund der kognitiven Defizite sowie der klinischen Hinweise einer Alkoholabhängigkeit nicht (mehr) erfüllt. Dieser Beurteilung eines anerkannten Arztes der Stufe 3 komme höheres Gewicht zu als dem früheren ärztlichen Bericht vom 3. Oktober 2018 von Dr. med. B.________ mit der Stufe 1. Zudem halte auch dieser Bericht verkehrsmedizinisch relevante Erkrankungen oder Zustände fest, weshalb er nicht in einem diametralen Widerspruch zu den Feststellungen von Dr. med. C.________ stehe. Somit seien ernsthafte Zweifel an der Fahreignung der Beschwerdeführerin offenkundig vorhanden. Unter diesen Umständen könne auch die bisherige nicht zu beanstandende Fahrweise der Beschwerdeführerin nicht ausnahmsweise rechtfertigen, auf einen vorsorglichen Führerausweisentzug trotz Zweifeln an der Fahreignung zu verzichten. So lege die Beschwerdeführerin nicht dar und es sei auch nicht ersichtlich, inwiefern sie besonders massnahmeempfindlich sein soll und der Entzug der aufschiebenden Wirkung eine unverhältnismässige Härte darstellen soll.  
 
2.3. Die Beschwerdeführerin rügt, der Entzug der aufschiebenden Wirkung ihres Rekurses stelle einen unverhältnismässigen Eingriff in ihre Fortbewegungsfreiheit als Teilaspekt der persönlichen Freiheit gemäss Art. 10 Abs. 2 BV dar. Die vorliegenden Umstände seien beinahe identisch mit denjenigen, unter denen das Bundesgericht im Urteil 1C_232/2018 vom 13. August 2018 einen vorsorglichen Führerausweisenzug als unverhältnismässig beurteilt habe, da die Beschwerdeführerin ebenfalls seit Jahrzehnten im Besitz des Führerausweises sei und sie bisher keine Schwierigkeiten gehabt habe, Alkoholkonsum und Teilnahme am motorisierten Strassenverkehr zu trennen. Auch vorliegend könne der kurzen ärztlichen Meldung von Dr. med. C.________ nicht entnommen werden, weshalb die Beschwerdeführerin ihren Alkoholkonsum nicht mehr unter Kontrolle habe, bzw. weshalb die Gefahr bestehe, dass sie betrunken Autofahren könnte. Die angeführten klinischen Hinweise einer Alkoholabhängigkeit würden nicht begründet und die genannten "kognitiven Defizite" seien weder inhaltlich noch bezüglich der Erhebungsmethode nachvollziehbar. Dr. med. C.________ nenne damit bloss nicht nachvollziehbare Verdachtsmomente, die keine hinreichenden Indizien für die Fahrunfähigkeit der Beschwerdeführerin darstellen könnten. Entscheidend sei daher das ärztliche Zeugnis von Dr. med. B.________ vom 3. Oktober 2018. Dieses halte fest, die Beschwerdeführerin habe im Sitzen, d.h. der eigentlichen Fahrposition, keine Probleme mit Schwindel, der letzte Sturz im Jahr 2018 sei gerade nicht auf Schwindel zurückzuführen gewesen, sie konsumiere nur abends alkoholische Getränke und fahre dann nicht mehr Auto. In diesem Zeugnis werde kein Antrag zur Abklärung der Fahreignung gestellt, womit keine Zweifel an der Fahreignung geäussert würden. Diese positive Einschätzung werde durch die langjährige einwandfreie Fahrweise der Beschwerdeführerin gestützt. Demnach sei kein Grund dafür ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführerin schon bis zur eigentlichen Abklärung der Fahreignung der Führerausweis entzogen werden müsse.  
 
2.4. Zwar stellte Dr. med. B.________ in ihrem Zeugnis vom 3. Oktober 2014 keinen Antrag auf eine (erneute) Abklärung der Fahreignung. Sie liess darin jedoch offen, ob eine solche Abklärung erforderlich sei, womit sie insoweit entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin Zweifel zum Ausdruck brachte. Diese sind zum einen damit erklärbar, dass Dr. med. B.________ als verkehrsmedizinisch relevante Diagnose multisensorischen Schwindel mit Gangschwierigkeit angab und sie im Bericht über den Krankheitsverlauf auf fünf Stürze hinwies. Dass der multisensorische Schwindel der Beschwerdeführerin auch dann verkehrserheblich sein kann, wenn sie im Sitzen keine Probleme hat und ihr letzter Sturz nicht auf Schwindel zurückzuführen gewesen sein soll, entspricht allgemeiner Lebenserfahrung und wird dadurch bestätigt, dass gemäss den Akten die Ärztin D.________ am Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich in ihrem späteren Bericht vom 17. Oktober 2018 aufgrund der Schwindelproblematik zur definitiven Beurteilung der Fahreignung von A.________ eine verkehrsmedizinische Untersuchung empfahl. Zum anderen wird auch im ärztlichen Bericht von Dr. med. B.________ ausgeführt, die Beschwerdeführerin konsumiere abends zuhause alkoholische Getränke, dann gehe sie nicht mehr ausser Haus und fahre auch nicht mehr Auto. Diese Angaben legen entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin nahe, sie trinke abends regelmässig so viel Alkohol, dass sie nicht mehr Auto fahren dürfte. Damit übereinstimmend ging Dr. med. C.________ in seinem späteren Bericht von einem täglichen übermässigen Alkoholkonsum der Beschwerdeführerin aus und stellte bei ihr klinische Hinweise einer Alkoholabhängigkeit fest. Die damit nachvollziehbare ärztliche Vermutung einer solchen Abhängigkeit kann jedenfalls in Kombination mit dem erheblichen und unbestrittenen multisensorischen Schwindel klarerweise ernsthafte Zweifel an der generellen Fahrfähigkeit der Beschwerdeführerin begründen. Daran vermag ihr bisher einwandfreier automobilistischer Leumund nichts zu ändern, da Zweifel an der Fahrfähigkeit aufgrund einer möglichen Alkoholsucht oder sonstiger gesundheitlicher Beeinträchtigungen auch dann bestehen können, wenn die betroffene Person bisher nicht in angetrunkenem Zustand Auto gefahren ist (vgl. Urteil 1C_232/2018 vom 13. August 2018 E. 3.3 mit Hinweis). Die Vorinstanz durfte somit gestützt auf die ärztlichen Zeugnisse bundesrechtskonform davon ausgehen, an der Fahrfähigkeit der Beschwerdeführerin bestünden erhebliche Zweifel, die zur Wahrung der Verkehrssicherheit einen vorsorglichen Führerausweisentzug und damit auch den Entzug der aufschiebenden Wirkung von Rechtsmitteln rechtfertigen. Dies wird dadurch bestätigt, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde nicht geltend macht, sie sei besonders massnahmeempfindlich. Ihre Rüge des unverhältnismässigen Eingriffs in ihre persönlichen Freiheit erweist sich damit als unbegründet.  
 
 
3. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen.  
 
  
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Strassenverkehrsamt und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, Einzelrichter, sowie dem Bundesamt für Strassen, Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Juni 2019 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Chaix 
 
Der Gerichtsschreiber: Gelzer