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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_164/2023  
 
 
Urteil vom 6. November 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Merz, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ und B.________, 
Beschwerdeführende, 
 
gegen  
 
Opferhilfe der Kantone SG/AR/AI, 
Teufenerstrasse 11, Postfach, 9001 St. Gallen. 
 
Gegenstand 
Juristische Hilfe (Übernahme von Anwaltskosten), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen, 
Abteilung I, vom 8. Februar 2023 (OH 2022/1). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Am 27. November 2021 stellten A.________ und B.________ bei der Opferhilfe der Kantone St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden (Opferhilfe SG/AR/AI) ein Gesuch um Kostengutsprache für juristische Hilfe. Zur Begründung führten sie im Wesentlichen aus, dass ein Polizeieinsatz vom 15. Januar 1999 bei der ganzen Familie zu einem nachhaltigen Trauma geführt habe. A.________ habe sich anlässlich des Polizeieinsatzes an der Hand und am Knie verletzt. Überdies habe er psychische Beschwerden davongetragen und daraufhin nicht mehr arbeiten können. Es sei ihm zwar ab dem 1. März 2004 eine ganze IV-Rente zugesprochen worden. Die Zusprache der IV-Rente sei jedoch nicht rückwirkend ab dem Polizeieinsatz erfolgt. Er habe somit rückwirkend vom 15. Januar 1999 bis zum 1. März 2004 die Differenz zwischen dem erhaltenen Kranken- bzw. Unfalltaggeld und der ganzen IV-Rente zu Gute. Überdies habe er Anspruch auf eine Integritätsentschädigung der Suva sowie auf eine angemessene Genugtuung. Mit einer weiteren, vom 28. Januar 2022 datierenden Eingabe schrieben A.________ und B.________, sie brauchten einen im Opferhilfe- und Sozialversicherungsrecht kundigen Rechtsanwalt, der die "Rentenleistungen/fehlende Genugtuung" aufgrund der verschiedenen Unfälle und des Polizeieinsatzes vom 15. Januar 1999 prüfe. 
Mit Verfügung vom 12. April 2022 wies die Opferhilfe SG/AR/AI das Gesuch um Übernahme der Kosten für juristische Hilfe ab. Sie führte aus, es erscheine nicht wahrscheinlich, dass A.________ bei der Hausdurchsuchung vom 15. Januar 1999 Opfer einer Straftat geworden sei. Betreffend die weiteren Strassenverkehrs- und Arbeitsunfälle zwischen 1996 und 2001 sei nicht ausgeführt worden, inwiefern es wahrscheinlich sei, dass diese Ereignisse opferhilferechtlich relevante Straftaten darstellten. Darüber hinaus erschienen anwaltliche Bemühungen als offensichtlich aussichtslos.  
Gegen die Verfügung erhoben A.________ und B.________ Rekurs. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen wies das Rechtsmittel mit Entscheid vom 8. Februar 2023 ab. Gerichtskosten erhob es nicht. 
 
B.  
Mit Beschwerde vom 24. März 2023 beantragen A.________ und B.________ dem Bundesgericht sinngemäss und im Wesentlichen, der Entscheid des Versicherungsgerichts sei aufzuheben und es sei A.________ juristische Hilfe mit Übernahme der Anwaltskosten zu gewähren. Die juristische Prüfung müsse die fehlende rückwirkende Leistung von Krankentaggeld und Rente, fehlende Genugtuung und fehlende Integrationsentschädigung sowie weitere Unzulänglichkeiten in den bisherigen Verfahren umfassen. Alle in den bisherigen Verfahren gefällten Entscheide seien in einer Revision zu prüfen. 
Das Verwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet, ebenso das Bundesamt für Justiz. Die Opferhilfe SG/AR/AI beantragt die Abweisung der Beschwerde und verzichtet im Übrigen ebenfalls auf eine Vernehmlassung.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der angefochtene Entscheid betrifft Leistungen nach dem Opferhilfegesetz (SR 312.5). Dagegen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten das zutreffende Rechtsmittel (Art. 82 lit. a BGG). Angefochten ist ein Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 90 und Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Die Beschwerdeführenden haben am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen (Art. 89 Abs. 1 lit. a BGG). Darüber hinaus ist nach Art. 89 Abs. 1 lit. b und c BGG erforderlich, dass sie durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt sind und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung haben. Nachdem die Beschwerdeführenden im kantonalen Verfahren noch für sich beide die Übernahme von Anwaltskosten beantragt hatten, beschränken sie ihre Anträge ans Bundesgericht auf die Leistung von Hilfe an A.________. Ob unter diesen Umständen auch B.________ ein schutzwürdiges Interesse an der Beschwerde zugesprochen werden kann, liegt nicht auf der Hand, kann jedoch offen bleiben, da auf die Beschwerde aus anderen Gründen nicht einzutreten ist.  
 
1.2. Die Beschwerde hat ein Rechtsbegehren und eine Begründung zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG), was eine sachbezogene Auseinandersetzung mit dessen Erwägungen erfordert (BGE 140 III 115 E. 2 mit Hinweisen).  
Das Versicherungsgericht hat dargelegt, dass keine hinreichenden Anzeichen für ein strafbares Verhalten der Polizei im Rahmen des Einsatzes vom 15. Januar 1999 bestünden. Daran änderten die am nächsten Tag festgestellten leichten körperlichen Verletzungen nichts. In Bezug auf die Strassenverkehrs- und Arbeitsunfälle, die A.________ erlitten habe, seien keinerlei Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten ersichtlich. Solche Anhaltspunkte würden die Beschwerdeführenden auch nicht substanziiert behaupten. Damit fehle es an der Opfereigenschaft, weshalb gestützt auf das Opferhilfegesetz kein Anspruch auf längerfristige Hilfe Dritter bestehe. 
Mit den betreffenden Erwägungen des Versicherungsgerichts setzen sich die Beschwerdeführenden nicht auseinander. Auf ihre Beschwerde ist deshalb nicht einzutreten. 
 
1.3. Die Beschwerdeführenden scheinen zudem zu übersehen, dass sich das Verfahren vor der Opferhilfe SG/AR/AI und dem Versicherungsgericht auf die Prüfung von Ansprüchen auf Unterstützung nach dem Opferhilfegesetz beschränkte, was eben eine Straftat voraussetzt (Art. 1 Abs. 1 OHG). Nicht Verfahrensgegenstand bilden dagegen sozialversicherungsrechtliche Leistungen (etwa betreffend die Invalidenversicherung). Die Ausführungen in der Beschwerde, die sich auf solche Leistungen beziehen und sich inhaltlich gegen Entscheide richten, die in anderen Verfahren gefällt wurden, gehen deshalb über den Verfahrensgegenstand hinaus.  
 
2.  
Auf die Beschwerde ist aus diesen Erwägungen nicht einzutreten. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben (Art. 30 Abs. 1 OHG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführenden, der Opferhilfe der Kantone SG/AR/AI, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung I, und dem Bundesamt für Justiz schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 6. November 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold