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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2A.440/2002 /kil 
2A.441/2002 
 
Urteil vom 13. August 2003 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident, 
Bundesrichter Müller, Bundesrichter Merkli, 
Gerichtsschreiber Matter. 
 
Parteien 
A. und B.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch BDO Visura, 
Steuern und Recht, Biberiststrasse 16, 4501 Solothurn, 
 
gegen 
 
Steueramt des Kantons Solothurn, 
Werkhofstrasse 29c, 4509 Solothurn, 
Kantonales Steuergericht Solothurn, Centralhof, Bielstrasse 9, 4500 Solothurn. 
 
Gegenstand 
Staatssteuer 1999, direkte Bundessteuer 1999/2000, 
Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 10. Juni 2002. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Am 9. Dezember 1998 liess sich A.________ von der obligatorischen Berufsvorsorge-Einrichtung seiner Arbeitgeberin einen Vorbezug von Fr. 229'213.-- zur Förderung des Wohneigentums auszahlen. Am 23. Dezember 1998 bezahlte er Fr. 180'000.-- an die freiwillige Kaderversicherung des Unternehmens, angeblich um sich für fehlende Beitragsjahre einzukaufen. Am 31. März 1999 tätigte er im Umfang von Fr. 120'924.-- eine zweite Entnahme aus der Vorsorgeeinrichtung. Die insgesamt vorbezogenen Fr. 350'137.-- benutzte er indessen nur zum Teil für die Amortisation der Hypothekarschuld auf seinem Einfamilienhaus. 
Das Steueramt des Kantons Solothurn betrachtete dieses Vorgehen als teilweise Steuerumgehung. Am 10. Mai 1999 bzw. mit berichtigter Veranlagung vom 27. Januar 2000 erfasste es die Kapitalauszahlungen im Rahmen einer Sonderbesteuerung. Der Einkaufsbeitrag von Fr. 180'000.-- wurde von den Auszahlungen in Abzug gebracht. Die Besteuerung erfolgte getrennt vom übrigen Einkommen zu einem Fünftel des ordentlichen Tarifs. Diese Veranlagung erwuchs in Rechtskraft. 
In der Folge machten A. und B.________ den Einkaufsbeitrag von Fr. 180'000.-- bei der ordentlichen Veranlagung für die direkte Bundessteuer 1999/2000 und die Staatssteuer 1999 zum Abzug geltend, was die Veranlagungsbehörde verweigerte. Begründet wurde dies mit dem Argument der Steuerumgehung, da der Pflichtige diesen Einkauf aus seinen Vorbezügen zur Wohneigentumsförderung finanziert habe. 
Nach erfolgloser Einsprache wies das Kantonale Steuergericht Solothurn am 10. Juni 2002 Beschwerde und Rekurs der Eheleute A. und B.________ ab. Es erwog, die gesamten Transaktionen seien bereits im Rahmen der Sonderveranlagungen als Steuerumgehung gewürdigt und dementsprechend behandelt worden. Dabei sei auch der Einkaufsbeitrag in Rechnung gestellt worden. Diese Veranlagungen seien in Rechtskraft erwachsen, weshalb die Abzugsmöglichkeit für die Fr. 180'000.-- nicht mehr neu zu prüfen sei. 
B. 
Mit Eingabe vom 11. September 2002 haben die Eheleute A. und B.________ für die Staatssteuer (2A.440/2002) und die direkte Bundessteuer (2A.441/2002) Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragen, den steuergerichtlichen Entscheid vom 10. Juni 2002 aufzuheben. Es sei festzustellen, dass dieser Art. 33 Abs. 1 lit. d des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642.11) bzw. Art. 41 Abs. 1 lit. h des solothurnischen Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern vom 1. Dezember 1985 (StG/SO) verletze. Die im Jahre 1998 geleistete Vorsorgeeinlage sei bei der ordentlichen Veranlagung einkommensmindernd zum Abzug zuzulassen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Beschwerden betreffen die gleichen Parteien, richten sich gegen den selben Entscheid und werfen grösstenteils übereinstimmende Rechtsfragen auf. Es rechtfertigt sich deshalb, sie gemeinsam zu behandeln und zu diesem Zweck die Verfahren zu vereinigen. 
 
I. Direkte Bundessteuer 1999/2000 
2. 
Gegen letztinstanzliche kantonale Entscheide betreffend die direkte Bundessteuer ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (Art. 97 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 5 des Bundesgesetzes vom 20. Dezember 1968 über das Verwaltungsverfahren [VwVG; SR 172.021] sowie Art. 98 lit. g OG und Art. 146 DBG). Die Beschwerdeführer sind legitimiert, den Entscheid des Steuergerichts mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht anzufechten (Art. 103 lit. a OG in Verbindung mit Art. 146 DBG). Auf die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde ist demnach einzutreten. 
3. 
Gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. d DBG werden die gemäss Gesetz, Statut oder Reglement geleisteten Einlagen, Prämien und Beiträge zum Erwerb von Ansprüchen aus der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung und aus Einrichtungen der beruflichen Vorsorge von den steuerbaren Einkünften abgezogen. Vorliegend haben die kantonalen Behörden den Einkaufsbeitrag von Fr. 180'000.-- nicht zum Abzug zugelassen. Sie stützen sich auf zwei Argumente: Der schon im Rahmen der Sonderbesteuerung angerechnete Beitrag könne bei der ordentlichen Veranlagung nicht mehr berücksichtigt werden. Zudem liege eine Steuerumgehung vor. 
3.1 Kapitalleistungen aus Vorsorge werden getrennt vom übrigen Einkommen zum Fünfteltarif einer vollen Jahressteuer unterworfen (vgl. Art. 38 DBG). Vorliegend sind die beiden Vorbezüge mit dieser Sonderveranlagung erfasst worden, allerdings nicht gesamthaft, sondern nur in der Höhe von Fr. 170'134.--, nach Abzug des Einkaufsbeitrags von Fr. 180'000.--. 
 
Damit ist der streitige Vorsorgebeitrag schon einmal einkommensmindernd angerechnet worden. Das schliesst eine kumulative wie auch eine alternative Berücksichtigung bei der ordentlichen Veranlagung aus: Einerseits fällt ausser Betracht, eine einzige Einlage von Fr. 180'000.-- für insgesamt Fr. 360'000.-- zum Abzug zuzulassen. Andererseits kann es nicht angehen, die schon erfolgte Einkommensminderung bei der Jahressteuer zu Gunsten der stärker ins Gewicht fallenden Anrechnung im Rahmen der ordentlichen Veranlagung (Abzug bei vollem Tarif und ungetrennter Erfassung) rückgängig zu machen. 
 
Dagegen wenden die Beschwerdeführer ein, bei der Besteuerung gemäss Art. 38 DBG hätten die in zwei verschiedenen Jahren getätigten Vorbezüge nicht zusammengerechnet werden dürfen. Zu Recht behaupten sie indessen nicht, darin liege ein derart schwerwiegender Mangel, dass die Sonderveranlagung nichtig wäre. Sie ist unangefochten in Rechtskraft erwachsen. Die Art und Weise der steuerreduzierenden Anrechnung des Einkaufsbeitrags muss somit als akzeptiert gelten. 
3.2 Den Abzug des Einkaufsbeitrags bei der ordentlichen Veranlagung haben die kantonalen Behörden auch deshalb verweigert, weil das gesamte Vorgehen eine Steuerumgehung darstelle. 
3.2.1 Eine Steuerumgehung wird nach der Rechtsprechung angenommen: 
- wenn eine von den Beteiligten gewählte Rechtsgestaltung als ungewöhnlich (insolite), sachwidrig oder absonderlich, jedenfalls den wirtschaftlichen Gegebenheiten völlig unangemessen erscheint, 
- wenn zudem anzunehmen ist, dass die gewählte Rechtsgestaltung missbräuchlich lediglich deshalb getroffen wurde, um Steuern einzusparen, die bei sachgemässer Ordnung der Verhältnisse geschuldet wären, 
- und wenn das gewählte Vorgehen tatsächlich zu einer erheblichen Steuerersparnis führen würde, sofern es von der Steuerbehörde hingenommen würde (vgl. ASA 64 80 E. 3b, 63 218 E. 4; StE, 2001 A 12 10 E. 2c, 2001 A 12 11 E. 2c, 2002 B 24.4 66 E. 6; je mit weiteren Hinweisen; siehe auch BGE 105 Ia 54 E. 3a S. 60 f.). 
3.2.2 Hier sind diese Voraussetzungen erfüllt: 
 
Das gewählte Vorgehen war ungewöhnlich, ja sogar sachwidrig: Vorbezüge zur Förderung des Wohneigentums erfolgten in der Gesamthöhe von Fr. 350'137.--. Im Endergebnis wurde die Hypothekarschuld gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen aber nur um Fr. 49'213.-- nachweislich amortisiert. Somit wurden die entnommenen Vorsorgeleistungen zweck- und gesetzwidrig benutzt (vgl. Art. 30c des Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge [BVG; SR 831.40] sowie Art. 1 der Verordnung vom 3. Oktober 1994 über die Wohneigentumsförderung mit den Mitteln der beruflichen Vorsorge [WEFV; SR 831.411]). Dagegen bringt der Beschwerdeführer unzutreffend vor, von der ersten Entnahme habe er Fr. 180'000.-- verwenden müssen, um die durch den Vorbezug entstandenen Schutzlücken im Invaliditäts- und Todesfall zu schliessen: Unter Vorsorgegesichtspunkten macht es keinen Sinn, Fr. 230'000.-- zu entnehmen und nur zwei Wochen später wieder Fr. 180'000.-- einzulegen. Überdies ist die dafür abgegebene Begründung in doppelter Hinsicht falsch, wie sich aus den Ausführungen des Steueramtes des Kantons Solothurn in der Vernehmlassung an das Bundesgericht ergibt: Laut Reglement der betroffenen Vorsorgeeinrichtung bewirkte der Vorbezug zur Wohneigentumsförderung gar keine Schlechterstellung im Todes- oder Invaliditätsfall. Ebensowenig verbesserte der nachmalige Neueinkauf diesen Risikoschutz. 
 
Das gesamte Vorgehen bezweckte auch nicht, wie behauptet die berufliche Vorsorge zu optimieren oder das Wohneigentum zu fördern, sondern hauptsächlich Steuerersparnisse zu erzielen: Von Dezember 1998 bis März 1999 verschlechterte sich die Vorsorgesituation des Beschwerdeführers (bei Entnahmen von Fr. 350'137.-- und einer Wiedereinlage von Fr. 180'000.--) um ca. Fr. 170'000.--. Die Hypothekarschuld wurde nur um knapp Fr. 50'000.-- vermindert. Das Hin und Her zwischen Vorbezug, Wiedereinkauf und nochmaliger Entnahme konnte vorrangig nur dem Zweck dienen, zwei steuerprivilegierte Tatbestände zu kombinieren und jeweils möglichst gewinnbringend auszunutzen, nämlich die vom übrigen Einkommen getrennte Erfassung der Wohneigentums-Vorbezüge zum Fünftelstarif (vgl. Art. 38 DBG) und die Abzugsmöglichkeit für Einkaufsbeiträge der beruflichen Vorsorge (vgl. Art. 33 Abs. 1 lit. d DBG). Eine derart krass von den wirtschaftlichen Gegebenheiten abweichende rechtliche Gestaltung lässt nur den Schluss zu, dass die missbräuchliche Inanspruchnahme von Steuerbegünstigungen bezweckt wurde. 
 
Schliesslich wäre das streitige Vorgehen auch tatsächlich geeignet gewesen, die angestrebten Steuereinsparungen zu erzielen, und zwar im Umfang von rund 35-40% der Einkaufssumme, oder - für die Staatssteuer und die direkte Bundessteuer zusammengerechnet - in der Höhe von ca. Fr. 64'000.-- (vgl. dazu den angefochtenen Entscheid, Ziff. 7, S. 5, sowie die Berechnungen der Veranlagungsbehörde C.________ in ihrer Vernehmlassung vor dem Steuergericht, Ziff. 7, S. 4). 
3.3 Nach dem Gesagten kann der zum Abzug geltend gemachte Vorsorgebeitrag im Rahmen der ordentlichen Veranlagung für die direkte Bundessteuer 1999/2000 nicht mehr berücksichtigt werden. 
II. Staatssteuer 1999 
4. 
4.1 Art. 73 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (Steuerharmonisierungsgesetz; StHG; SR 642.14) sieht die Möglichkeit vor, die Anwendung kantonalen Steuerrechts vor Bundesgericht mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten, wie die Beschwerdeführer dies getan haben. Das gilt aber nur für die Steuerperioden nach dem 1. Januar 2001, während hier die Staatssteuer 1999 streitig ist. Mit Blick auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung (vgl. BGE 123 II 588 E. 2d S. 592 f., StR 2003 432 E. 1.1, je mit weiteren Hinweisen) ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorliegend unzulässig. Indessen kann sie als staatsrechtliche Beschwerde entgegengenommen werden, deren Eintretensvoraussetzungen sie grundsätzlich erfüllt: Der angefochtene Entscheid ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid, gegen den auch auf Bundesebene kein anderes Rechtsmittel zur Verfügung steht (vgl. Art. 84 Abs. 2, Art. 86 Abs. 1 und Art. 87 OG). Die Beschwerdeführer sind zur Anfechtung des steuergerichtlichen Entscheids legitimiert (vgl. Art. 88 OG). 
4.2 Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht in Betracht fallenden Ausnahmen abgesehen, rein kassatorischer Natur (vgl. BGE 129 I 129 E. 1.2.1 S. 131, mit weiteren Hinweisen). Soweit die Beschwerdeführer mehr verlangen als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, ist auf ihre Beschwerde nicht einzutreten. 
4.3 Die Beschwerdeschrift erschöpft sich zum grossen Teil in ungenügend begründeten bzw. rein appellatorischen Ausführungen, die zum Vornherein unbeachtlich sind (vgl. Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 127 III 279 E. 1c S. 282; 125 I 492 E. 1b S. 495, je mit weiteren Hinweisen). 
5. 
Soweit auf die staatsrechtliche Beschwerde eingetreten werden kann, erweist sie sich als unbegründet. Wenn der angefochtene Entscheid einer freien Überprüfung standhält (siehe oben E. 3), so ist nicht ersichtlich, inwiefern die Anwendung des im wesentlichen gleichlautenden kantonalen Rechts geradezu willkürlich sein könnte. Auch ein Verstoss gegen das Rechtsgleichheitsgebot liegt nicht vor. 
6. 
Gesamthaft ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde betreffend die direkte Bundessteuer 1999/2000 (2A.441/2002) abzuweisen. Diejenige bezüglich der Staatssteuer 1999 (2A.440/2002) kann als staatsrechtliche Beschwerde entgegengenommen werden. Sie ist abzuweisen, soweit auf sie eingetreten werden kann. 
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die unterliegenden Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG in Verb. mit Art. 153 und 153a OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verfahren 2A.440/2002 und 2A.441/2002 werden vereinigt. 
2. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde 2A.441/2002 wird abgewiesen. 
3. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde 2A.440/2002 wird als staatsrechtliche Beschwerde entgegengenommen. Sie wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
4. 
Die Gerichtsgebühr von insgesamt Fr. 5'000.-- wird den Beschwerdeführern unter Solidarhaft auferlegt. 
5. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Steueramt und dem Steuergericht des Kantons Solothurn sowie der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 13. August 2003 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: