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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_667/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 20. Februar 2014  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Schneider, Oberholzer, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Rouven Brigger, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1.  Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Maulbeerstrasse 10, 3011 Bern,  
Beschwerdegegnerin 1 
2. A.________, 
vertreten durch Fürsprecherin Sabine Schmutz, 
Beschwerdegegnerin 2. 
 
Gegenstand 
Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexuelle Handlungen mit Kindern, Inzest, Willkür, Verletzung des Grundsatzes in dubio pro reo, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, vom 17. Dezember 2012. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Die Anklage wirft X.________ Sexualdelikte zum Nachteil seiner Tochter A.________ (geb. 21. Februar 1998) vor, begangen in der Zeit zwischen ca. Frühling 2008 und ca. Herbstferien 2009. 
 
B.   
Das Kollegialgericht Bern-Mittelland sprach X.________ am 29. Februar 2012 wegen mehrfacher Vergewaltigung, mehrfacher teilweise versuchter sexueller Nötigung, mehrfacher teilweise versuchter sexueller Handlungen mit einem Kind sowie mehrfachen Inzests schuldig. Vom Vorwurf der mehrfachen versuchten Vergewaltigung sprach es ihn frei. Es verurteilte X.________ zu einer Freiheitsstrafe von 4 ½ Jahren und verpflichtete ihn zu Schadenersatz sowie Genugtuung. 
Gegen dieses Urteil legte X.________ Berufung ein. Die Generalstaatsanwaltschaft erhob Anschlussberufung, beschränkt auf den Strafpunkt. 
Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte das erstinstanzliche Urteil am 17. Dezember 2012 im Schuld- und Zivilpunkt. Im Strafpunkt erhöhte es die Freiheitsstrafe auf 5 Jahre. 
 
C.   
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, es sei das obergerichtliche Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Eingabe des Beschwerdeführers vom 12. Dezember 2013 ist verspätet und das von ihm eingereichte Schreiben der Kindsmutter vom 26. November 2013 als unzulässiges Novum unbeachtlich (Art. 99 BGG). 
 
2.   
Der Beschwerdeführer rügt eine willkürliche Beweiswürdigung und eine Verletzung der Unschuldsvermutung. 
 
2.1. Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann im Verfahren vor dem Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie willkürlich (Art. 9 BV) ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 134 IV 36 E. 1.4.1). Willkür bei der Beweiswürdigung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt nicht (BGE 134 I 140 E. 5.4 mit Hinweisen). Die Rüge der Willkür muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids präzise vorgebracht und begründet werden, ansonsten darauf nicht eingetreten wird (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 II 244 E. 2.2).  
 
2.2. Ein Anspruch der Parteien, mit ihren Beweisanträgen und Vorbringen gehört zu werden, besteht nur, soweit diese erhebliche Tatsachen betreffen und nicht offensichtlich beweisuntauglich sind. Ein Verzicht auf die Abnahme von weiteren Beweisen ist zulässig, wenn sich das Gericht aufgrund der bereits erhobenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass die abgelehnten Beweisanträge nichts an seiner Überzeugung zu ändern vermögen (BGE 134 I 140 E. 5.3; 131 I 153 E. 3).  
 
2.3. Die Vorinstanz hält den Anklagesachverhalt für erstellt. Sie stützt sich auf die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2. Diese seien detailreich und im Kern identisch. Angesichts der grossen emotionalen Betroffenheit des Kindes wirkten sie erlebnisbasiert. Die Aussagegenese spräche entschieden für die Glaubwürdigkeit des Opfers und gegen eine Fremdbeeinflussung. Die Aussagen des Beschwerdeführers, der die Vorwürfe von Anfang an vehement bestritt, stuft die Vorinstanz als nicht glaubhaft ein. Er biete zahlreiche Erklärungen an, weshalb ihn seine Tochter belaste, und gehe zu Gegenangriffen über, wonach die Kindsmutter das Mädchen instrumentalisiert habe. Die gynäkologische Untersuchung des Opfers wertet die Vorinstanz als neutral. Die Ärzte hätten eine vaginale/anale Penetration weder ausschliessen noch bestätigen können. Ebenso wenig ergebe sich etwas aus dem IRM-Gutachten und der dritten Videobefragung zu angeblich auffälligen Körpermerkmalen des Beschwerdeführers. Die beschlagnahmten Gegenstände (DVD-Hülle eines Sexfilmes, drei Damenslips, ein Katalog Libosan) sowie die Auswertung eines MSN-Chats, worin die Beschwerdegegnerin 2 den Beschwerdeführer bitte, die Wahrheit zu sagen, berücksichtigt die Vorinstanz als Indizien zu Gunsten des Opfers (Entscheid, S. 13-26).  
 
2.4. Was der Beschwerdeführer vorbringt, vermag weder Willkür bei der Beweiswürdigung noch eine Verletzung der Unschuldsvermutung zu begründen.  
 
2.4.1. Die Vorinstanz würdigt die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 zum Anklagesachverhalt unter Hinweis auf die Erwägungen im erstinstanzlichen Entscheid. Darin werden die drei Videobefragungen des Opfers vom 25. November 2009, 26. August 2010 und 8. Dezember 2011 umfassend berücksichtigt (Entscheid, S. 13-20; erstinstanzlicher Entscheid, S. 18-26 sowie S. 33). Der Einwand, die Vorinstanz würdige die dritte Videobefragung unzulässigerweise nicht im gebotenen Umfang, ist unbegründet (Beschwerde, S. 12 f.).  
 
2.4.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Beschwerdegegnerin 2 drücke sich zum Teil nicht altersadäquat aus, was vermuten lasse, dass sie durch ihre Mutter beeinflusst worden sei. Ihre Aussagen u.a. zur zeitlichen Einordnung der Vorfälle und zu seiner Bekleidung anlässlich der angeblichen Übergriffe seien ferner widersprüchlich, was die Vorinstanz nicht berücksichtige (Beschwerde, S. 6-11). Die Rüge ist unbegründet. Die Vorinstanz würdigt die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 ausführlich. Sie geht auf Widersprüchlichkeiten ein, soweit sie wesentlich sind, und entkräftet sie mit sachlichen Argumenten (Entscheid, S. 17 f.). Die Vorinstanz übersieht sodann nicht, dass die Beschwerdegegnerin 2 gewisse Ausdrucksweisen ("hed me gnoh"; "e Vater vergwaltiget doch nie sini eigeni Tochter") von der Kindsmutter übernommen haben könnte (Entscheid, S. 19 f). Anhand einer einlässlichen Analyse zur Aussagegenese und zum Aussageverhalten der Beschwerdegegnerin 2 verwirft sie den Vorwurf der Manipulation und Suggestion jedoch mit stichhaltiger Begründung (Entscheid, S. 15 ff.). Der Beschwerdeführer setzt sich damit nicht auseinander. Seine pauschalen Hinweise auf die teilweise gleiche Wortwahl von Beschwerdegegnerin 2 und Kindsmutter bei ihren Befragungen und einzelne Ungenauigkeiten in den Äusserungen der Beschwerdegegnerin 2 lassen die differenzierte vorinstanzliche Beweiswürdigung nicht als willkürlich erscheinen.  
 
2.4.3. Der Beschwerdeführer wendet ein, die Anschuldigungen seien nicht wahr, weil ihn die Beschwerdegegnerin 2 auch nach den angeblichen Vorfällen mit Wissen der Kindsmutter weiterhin kontaktiert habe (Beschwerde, S. 11 f.). Damit wiederholt er, was er bereits im kantonalen Verfahren vortrug. Die Vorinstanz führt hierzu willkürfrei aus, dass Opfer von Sexualdelikten häufig ein ambivalentes Verhältnis zum Täter aufwiesen und nicht selten weiterhin Kontakt suchten. Überdies handle es sich hier um den leiblichen Vater, der die Beschwerdegegnerin 2 nicht nur misshandelt und missbraucht habe. Ihr Verhalten sei daher nachvollziehbar und spreche nicht gegen ihre Glaubwürdigkeit (Entscheid, S. 19). Mit diesen einleuchtenden Erwägungen befasst sich der Beschwerdeführer nicht. Auf seine Kritik ist nicht einzutreten.  
 
2.4.4. Der Beschwerdeführer wendet ein, der Umstand, dass die Vorinstanz seine Aussagen negativ werte, sei mit dem Grundsatz "in dubio pro reo" nicht vereinbar (Beschwerde, S. 13 f.). Die Vorinstanz setzt sich mit den Darlegungen des Beschwerdeführers auseinander. Sie gelangt zum Schluss, seine sprachlich kargen Aussagen seien zwar nicht widersprüchlich, wiesen jedoch Gegenangriffe sowie Lügen- und andere Dreistigkeitssignale auf. Die Vorinstanz unterlegt ihre Schlussfolgerungen mit konkreten Beispielen (Entscheid, S. 20 ff., S. 22). Inwiefern ihre Würdigung unhaltbar sein könnte, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf. Sein Vorbringen ist appellatorisch.  
 
2.4.5. Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz habe seine Anträge auf Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens und einer psychiatrischen Expertise abgewiesen. Sie habe den Sachverhalt nicht vollständig abgeklärt (Beschwerde, S. 11 f., S.14).  
Die Vorinstanz musste kein Gutachten zur Glaubwürdigkeit der Beschwerdegegnerin 2 einholen (Entscheid, S. 6; kantonale Akten, S. 1143 und S. 1085 ff.). Die Prüfung der Glaubhaftigkeit von Aussagen ist Teil der Beweiswürdigung und Aufgabe des Gerichts. Die Begutachtung drängt sich bei besonderen Umständen auf, wenn schwer interpretierbare Äusserungen eines Kleinkinds zu beurteilen sind, bei Anzeichen ernsthafter geistiger Störungen, welche die Aussage beeinträchtigen können, oder wenn Anhaltspunkte für eine Beeinflussung durch Drittpersonen bestehen (BGE 129 IV 179 E. 2.4; 128 I 81 E. 2 S. 86). Solche Anhaltspunkte verneint die Vorinstanz mit schlüssiger Begründung. Die Aussagen der Beschwerdegegnerin 2 sind überdies klar und verständlich. Die Vorinstanz war in der Lage, diese zu würdigen. 
Die Vorinstanz hatte ebenso wenig Anlass, ein psychiatrisches Gutachten über den Beschwerdeführer zu seinem Aussage- und Sexualverhalten einzuholen. Besondere Umstände, die eine Begutachtung nahe legen würden, sind weder ersichtlich noch dargetan. 
 
3.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Bei der Festsetzung der Gerichtsgebühr ist seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Strafabteilung, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. Februar 2014 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill