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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_683/2023  
 
 
Urteil vom 25. März 2024  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Haag, 
Gerichtsschreiber Poffet. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan La Ragione, 
 
gegen  
 
Strassenverkehrsamt des Kantons Thurgau, Moosweg 7a, 8500 Frauenfeld, 
Rekurskommission für Strassenverkehrssachen des Kantons Thurgau, 
Löwenstrasse 12, Postfach, 8280 Kreuzlingen 1. 
 
Gegenstand 
Vorsorglicher Führerausweisentzug, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 25. Oktober 2023 (VG.2023.26). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Verfügung vom 21. Juli 2022 entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Thurgau A.________ gestützt auf einen Vorfall vom 18. Juni 2022 vorsorglich den Führerausweis. Seinen dagegen gerichteten Rekurs wies die Rekurskommission für Strassenverkehrssachen des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 25. November 2022 ab. 
Gegen den Rekursentscheid gelangte A.________ an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau. Dieses wies die Beschwerde mit Entscheid vom 25. Oktober 2023 ab. 
 
B.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 18. Dezember 2023 beantragt A.________, der Entscheid vom 25. Oktober 2023 sei aufzuheben und ihm der Führerausweis umgehend herauszugeben. 
Das Verwaltungsgericht, die Rekurskommission und das zur Vernehmlassung eingeladene Bundesamt für Strassen beantragen die Abweisung der Beschwerde. Das Strassenverkehrsamt hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts, gegen den nach Art. 82 ff. BGG die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist. Dem Entscheid liegt ein vorsorglicher Führerausweisentzug zugrunde. Dieser schliesst das Verfahren nicht ab und ist als Zwischenentscheid zu qualifizieren, der rechtsprechungsgemäss sofort anfechtbar ist, weil er für die betroffene Person einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirkt (Urteil 1C_4/2024 vom 11. Januar 2024 E. 3.1 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen, ist mit seinen Anträgen unterlegen und hat ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids (Art. 89 Abs. 1 BGG). 
Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind, ist auf die Beschwerde einzutreten. 
 
2.  
Der vorsorgliche Führerausweisentzug stellt eine vorsorgliche Massnahme dar (Urteil 1C_255/2021 vom 22. September 2021 E. 4.2 mit Hinweisen). Mit Beschwerden gegen vorsorgliche Massnahmen kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG). Das Bundesgericht prüft die Verletzung solcher Rechte nur insofern, als eine diesbezügliche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Mit ungenügend begründeten Rügen und rein appellatorischer Kritik am angefochtenen Entscheid setzt sich das Bundesgericht nicht auseinander (BGE 148 I 104 E. 1.5; 145 I 26 E. 1.3; 143 II 283 E. 1.2.2; je mit Hinweisen). 
 
3.  
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, sie habe den Sachverhalt in Verletzung von Bundesrecht und darüber hinaus offensichtlich unrichtig festgestellt. 
 
3.1. Nach Art. 105 Abs. 1 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Es kann die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz von Amtes wegen oder auf Rüge hin berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG). Im Anwendungsbereich von Art. 98 BGG kommt eine Berichtigung oder Ergänzung der Sachverhaltsfeststellung indes nur dann in Frage, wenn die kantonale Instanz verfassungsmässige Rechte, insbesondere das Willkürverbot (Art. 9 BV), verletzt hat (BGE 133 III 585 E. 4.1; 133 III 393 E. 7.1). Willkür in der Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung liegt vor, wenn das Gericht den Sinn und die Tragweite eines Beweismittels offensichtlich verkennt, wenn es ohne sachlichen Grund ein wichtiges und entscheidwesentliches Beweiswittel unberücksichtigt lässt oder wenn es auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen unhaltbare Schlussfolgerungen zieht (vgl. BGE 144 II 281 E. 3.6.2; 142 II 433 E. 4.4; 140 III 264 E. 2.3; je mit Hinweisen).  
 
3.2. Die Vorinstanz stellte fest, der Beschwerdeführer sei am 18. Juni 2022 um 19.20 Uhr mit einem Personenwagen der Marke Audi auf der Hauptstrasse H14 von U.________ nach V.________ gefahren, habe in der W.________-Strasse das Auto gewendet und sei anschliessend wiederum auf der Hauptstrasse in Richtung U.________ zurückgefahren. Die Fahrt sei von der Kantonspolizei Thurgau mit einer Drohne aufgezeichnet worden. Mittels der Videodatei habe die gefahrene Geschwindigkeit durch eine Weg-Zeit-Berechnung ermittelt werden können. Dazu sei die Videoaufnahme in Einzelbilder ("Frames") zerlegt worden. Die Zeit zwischen den einzelnen Frames werde über die Bildwiederhol- bzw. Framerate definiert, womit die gefahrene Zeit ermittelt werden könne. Für die Berechnung der zurückgelegten Wegstrecke werde dabei die Position des Fahrzeugs jeweiligen Fixpunkten zugeordnet. Der Abstand zwischen den Fixpunkten werde dann vor Ort mittels Messrad ausgemessen.  
Für die Hinfahrt sei zwischen den beiden Referenzlinien (Fixpunkten im vorgenannten Sinne) eine Länge von 134,7 m gemessen worden, für die Rückfahrt eine solche von 180 m. Die Bildwiederholrate der Videoaufnahme betrage 29,97 Bilder pro Sekunde bzw. 33,37 Millisekunden pro Frame, was sich über die Medieninformation der Videodatei, die Anzahl Bilder der Drohne (300 Bilder in 9,977 s) und die Zeitstempel auf den ausgedruckten Fotos bestätigen lasse. Als Taktgeber für die auf der Videoaufzeichnung sichtbare Zeit diene eine Quarzuhr, die periodisch über einen Synchronisierungsserver im Internet und über ein globales Navigationssatellitensystem abgeglichen werde. Seien zu wenige Satelliten im Empfangsbereich (konkret weniger als acht), lasse sich die Drohne nicht starten. Bei stabiler Positionserfassung empfange die Drohne ein bis auf wenige Nanosekunden genaues Zeitsignal. Da die Videoaufzeichnung die Koordinaten der Drohne anzeige, sei eine Satellitenverbindung vorhanden gewesen. 
Im Ergebnis habe der Beschwerdeführer die Hinfahrt mit einer Wegstrecke von 134,16 m in einer Zeit von 3,509 s (je unter Berücksichtigung einer Sicherheitsmarge), also mit einer Geschwindigkeit von 137,6 km/h, und die Rückfahrt mit einer Wegstrecke von 179,42 m in einer Zeit von 3,678 s (ebenfalls nach Abzug der Sicherheitsmarge), also mit einer Geschwindigkeit von 175,6 km/h, zurückgelegt. Bei einer erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h betrage die Geschwindigkeitsüberschreitung damit 57,6 resp. 95,6 km/h. 
 
3.3. Der Beschwerdeführer rügt über weite Strecken eine Verletzung von Bundesverordnungsrecht. So bringt er vor, weil die Quarzuhr der Drohne, die als "Messmittel" gedient habe, über keine ordentliche Zulassung und Ersteichung im Sinne von Art. 5 der Geschwindigkeitsmessmittel-Verordnung vom 28. November 2008 (SR 941.261) und Anhang 5 der Messmittelverordnung vom 15. Februar 2006 (MessMV; SR 941.210) verfüge, beruhe die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG. Gleiches gelte für die Satelliten, mit denen die Quarzuhr der Drohne periodisch abgeglichen werde. Derartige Rügen sind bei der Anfechtung von Entscheiden über vorsorgliche Massnahmen wie dargelegt unzulässig (Art. 98 BGG; E.2 hiervor).  
 
3.4. An und für sich einer Prüfung zugänglich sind demgegenüber die Rügen des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe den Sachverhalt offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich (vgl. BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 I 83 E. 1.3), festgestellt. Allein der Umstand, dass die Quarzuhr der Drohne nicht geeicht gewesen und die Messung einer Wegstrecke mittels eines Messrads bundes- und kantonalrechtlich nicht geregelt sei, vermag für sich genommen keine Willkür in der Sachverhaltsfeststellung zu belegen. Die Vorinstanz begründet ausführlich, weshalb sie auf die Weg-Zeit-Berechnung der Kantonspolizei abstellt (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit Urteil 1C_199/2019 vom 12. September 2019 E. 3.2). Allfälligen Messungenauigkeiten wurden mit Sicherheitsmargen Rechnung getragen. Dass die dem Beschwerdeführer vorgeworfene massive Geschwindigkeitsüberschreitung strafrechtlich noch nicht ansatzweise aufgearbeitet sei, wie von ihm geltend gemacht, steht einem vorsorglichen Führerausweisentzug nicht entgegen (vgl. BGE 122 II 359 E. 2b und 2c; Urteil 1C_405/2020 vom 8. Dezember 2020 E. 2.2 mit Hinweisen). Die Vorinstanz ist somit nicht in Willkür verfallen, indem sie von einer gefahrenen Geschwindigkeit von bis zu 175,6 km/h bzw. einer äusserst gravierenden Geschwindigkeitsüberschreitung von bis zu 95,6 km/h ausging.  
Damit kann offenbleiben, ob es als gerichtsnotorisch gelten darf, dass sich "jede Drohne" auch ohne Satellitenverbindung starten lasse, und dass es sich bei der Ermittlung einer Wegstrecke mittels Messrad um eine "äusserst ungenaue" Messmethode handle. 
 
4.  
Der Beschwerdeführer begründet seinen Antrag allein mit der Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung. Willkür in der Rechtsanwendung rügt er nicht. Damit hat es mit dem angefochtenen Entscheid sein Bewenden. 
 
 
5.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. 
Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrsamt des Kantons Thurgau, der Rekurskommission für Strassenverkehrssachen des Kantons Thurgau, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. März 2024 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Poffet